Fortschritte bei der Immuntherapie mit dendritischen Zellen(Quelle:
Ärzte Zeitung 09.04.2002)
Onkologen erreichen mit der Krebsimpfung inzwischen Remissionsraten, die ähnlich gut sind wie mit etablierten Verfahren
FREIBURG (ars).
Mit der Immuntherapie bei Krebs erreicht man bei einigen Tumorformen inzwischen Remissionsraten, die den etablierten Methoden ebenbürtig, bisweilen sogar überlegen sind.
Bestätigen sich diese vorläufigen Ergebnisse, könnte die "Krebsimpfung" demnächst das Repertoire der Therapiemöglichkeiten erweitern. Zu diesem Schluß kommen Professor Clemens Unger und seine Kollegen von der Klinik für Internistische Onkologie in Freiburg (Arzneimitteltherapie 1, 2002, 2002). Die Immuntherapie ist der Versuch, die für die Immunabwehr nicht greifbaren Tumorzellen doch noch zum Angriffsziel zytotoxischer T-Zellen zu machen.
Normalerweise ist das, was in einer Körperzelle vorgeht, an ihrem "Ausweis" auf der Oberfläche abzulesen: Das sind die MHC-Antennen, in deren Bindungstaschen charakteristische Peptide liegen. MHC steht für "major histocompatibility complex", also das Haupt-Gewebeverträglichkeits-Antigen. Entstanden sind die Peptide aus Proteinen, die im Zellinneren zerlegt wurden. Liegt eine Mutation vor oder sind Bakterien oder Viren eingedrungen, entstehen veränderte Proteine und folglich erscheinen an den MHC-Strukturen auch veränderte Bruchstücke. Deren Molekülmuster entziffert die Immunabwehr wie einen Strichcode und kann für sie Signal sein, die Zelle anzugreifen.
Tumorzellen jedoch bleiben unbehelligt - dank einiger Tricks, die sie sich im Wettstreit mit den immunologischen Überwachungsmechanismen angeeignet haben: Sie bilden MHC-Strukturen sowie Moleküle zur Adhäsion und Kostimulation von T-Zellen nur selten oder gar nicht, sie präsentieren keine Antigene auf der Zelloberfläche oder produzieren Substanzen, die die Immunantwort verändern. Mit der Immuntherapie wollen die Forscher diese Taktik unterlaufen.
Dazu bedienen sie sich der dendritischen Zellen, denn diese sind für eine Aktivierung der der zytotoxischen T-Zellen und der T-Helfer-Zellen unerläßlich. Es hat sich als praktikabel erwiesen, zunächst eine entsprechende Monozyten-Population aus dem Blutkreislauf zu fischen und ihre Entwicklung zu dendritischen Zellen mit Zytokinen einzuleiten. Im letzten Schritt werden sie mit Tumor-Antigenen beladen.
Inzwischen sind viele Tumorantigene bekannt, etwa eine Antigen-Familie, die auf Tumoren der Ovarien, der Blase, der Prostata, der Lunge und der Haut nachweisbar ist, die Melanozyten-Antigene auf Melanomen oder die Prostata-Ca-Antigene.
Erste Studienergebnisse sind vielversprechendDie Immuntherapie hat gegenwärtig das Stadium der klinischen Studien erreicht. Erste Ergebnisse sind vielversprechend. Am weitesten fortgeschritten ist die Erforschung bei Melanomen: Übereinstimmend ergaben mehrere Arbeiten Ansprechraten zwischen 20 und 40 Prozent. Ermutigend ist auch das Resultat beim Nierenzellkarzinom mit der hohen Remissionsrate von 35 Prozent. Auch bei wenig immunogenen Tumoren wie dem hormonrefraktären Prostata-Karzinom ist ein Ansprechen möglich.
Nur bei intrakutaner Injektion reichern sich dendritische Zellen in den regionalen Lymphknoten an, intravenös und subkutan injiziert sammeln sie sich vorwiegend in der Lunge, später in der Leber, der Milz und im Knochenmark. Die Impfung wird gut vertragen: Bis auf lokale Reaktionen an der Injektionsstelle und gelegentlich Fieber waren keine Nebenwirkungen zu beobachten, ebensowenig Zeichen einer Autoimmunität. Noch fehlen aber einheitlichen Kriterien, etwa zu Therapiedauer und Menge an dendritischen Zellen, zu Häufigkeit, Art und Ort der Applikation.
Dendritische Zellen in der HautDendritische Zellen sind Antigen-präsentierende Zellen, die etwa in der Haut als Langerhans-Zellen sowie in Blut und Lymphe als Schleierzellen auftreten. Sie sind typisch für Gewebe, die den Organismus gegen die Umwelt abgrenzen. Dort fungieren sie als Wächter gegen eindringende Pathogene. Zunächst sind sie noch wenig differenziert, doch in Gegenwart von Entzündungssignalen nehmen sie schnell fremde Antigene auf, zerlegen sie und stellen die Bruchstücke zur Schau. Sie wandern in die sekundären lymphoiden Gewebe, vor allem in die T-Zellregion der drainierenden Lymphknoten. Dort suchen sie Kontakt zu T-Lymphozyten. Durch den Kontakt tauchen an der Oberfläche der dendritischen Zellen weitere kostimulatorische Moleküle auf. Die Erregungsschwelle für die Aktivierung der T-Zellen ist erreicht, und die Lymphozyten können infizierte oder maligne Körperzellen abtöten. (ars)