Liebe Nicole Björn,
mit dieser Diagnose bist Du in diesem Forum richtig und Du wirst hier auf Gleichgesinnte treffen, die Dich verstehen und Dir raten können. Kein Mensch sollte einen Hirntumor im Kopf haben. Und wenn er einen hat, dann sollte er ihn keinesfalls ignorieren. Du tust das nicht und das ist der richtige Weg.
Deine Hausärztin kann ich nun gar nicht verstehen. In Deutschland erkranken im Jahr etwa 8000 Menschen an einem Hirntumor, davon etwa 4000 an Meningeomen. Es gibt hier mehr als 50 000 Hausärzte. Also hat nur etwa jeder 7. Hausarzt mit einem neuerkrankten Hirntumorpatienten zu tun, manche nie. Woher will sie wissen, wie sich ein Patient fühlt (!), wenn er von der Sprechstundenhilfe (!??) erfährt, dass auf dem MRT eine "Raumforderung im Kopf" zu sehen ist! Und außerdem soll diese Sprechstundenhilfe auch noch übermitteln, dass Du Dir keine Sorgen (!?) machen sollst!
Das geht gar nicht!
Als meine Hausärztin mich aus gewissen Verdachtsgründen, die sie mir vernünftigerweise nicht nannte, in ein CT schickte und danach den Befund erhielt, rief sie mich an. Sie erreichte mich indirekt in meiner Arbeitsstelle und ließ mir sagen, ich möge in ihre Praxis kommen. Dort sagte sie mir, ich solle micherst einmal hinsetzen. Sie wusste, dass ein derartiger Befund einen umhauen kann.
Du hast völlig richtig gehandelt, dass Du sofort in die Praxis gefahren bist und Dir den MRT-Befund hast geben lassen. Hast Du auch eine CD dazu erhalten?
Es ist auch richtig (und für mich erstaunlich schnell), dass Du umgehend in der Uniklinik einen Facharzt aufgesucht hast. Ich nehme doch an, dass es ein Neurochirurg war, der Dir den Befund und die Möglichkeit des Abwartens und der Kontrolle in drei Monaten empfahl.
Nun ist es so, dass er tatsächlich aus seiner Sicht Recht hat.
Je nach der Lage des Meningeoms ist diese "wait and see"-Strategie möglich.
Er wird sich die Lage angesehen haben. Er müsste Dir auch erklärt haben, welche Symptome zu erwarten wären, falls das Meningeom wächst.
(Wenn ich das richtig herausgefunden habe, könnte es bei der Lage in der Nähe der Zirbeldrüse (auch: Piniendrüse, Pinealorgan, Epiphyse) zu einem gestörten Tagesrhythmus kommen, sobald diese Drüse erreicht wird. Sie produziert das Hormon Melatonin, das die tageszeitlichen Rhythmen beim Menschen (und bei Tieren) steuert.)
Dass Meningeome zu mehr als 90% den WHO-Grad I haben, ist auch richtig. Das ist der niedrigste Grad der Einstufung von Tumoren nach der Grad-Einteilung der Weltgesundheitsorganisation (= WHO). Es gibt vier Grade.
Dass er einen Tumor im Kopf als "gutartig" bezeichnet, spricht dafür, dass er mit Dir "arztdeutsch" spricht.
Mit dem Begriff "gutartig" will er Dir sagen, dass es sich nicht um Krebs handelt.
Ein Meningeom entsteht aus den Zellen der Hirnhäute (= Meningen). Diese umgeben das Gehirn, trennen die Hirnhälften und umgeben auch andere Bereiche des Hirns.
Wenn ein Meningeom im Kopf wächst, dann wächst es sehr langsam. Es verdrängt äußerst langsam die Gehirnzellen in seiner Umgebung. Das macht dem Gehirn nichts aus. Die Zellen lassen sich verschieben und funktionieren trotzdem tadellos.
Bis zu einer gewissen Grenze.
Wenn so genannte Risikostrukturen erreicht werden, dann können Symptome entstehen. Z.B. können die Sprache oder das Sehen oder das Riechen oder das Schmecken, oder das Hören oder die Bewegung "auffällig" werden. Oder durch den Tumor können epileptische Anfälle entstehen.
Du solltest jetzt aber nicht zwingend auf Deinen Tagesrhythmus achten. Der ist bei vielen Menschen aus den unterschiedlichsten Gründen "gestört". Und wenn man weiß, dass ein Tumor so etwas verursachen kann, dann ist das wie bei den Nebenwirkungen, die im Beipackzettel von Medikamenten stehen. Liest man sie - hat man sie. Erst Recht, wenn man drauf wartet.
Ein Meningeom kann wirklich lange, auch viele Jahre lang nur beobachtet werden.
Aber wenn es größer, zu groß wird, dann ist im Kopf nicht mehr genug Platz.
Und von "gutartig" kann zumindest dann keine Rede mehr sein!
Denn dann muss gehandelt werden, oft mit einer Operation, mitunter auch mit einer Bestrahlung, Chemotherapien gibt es nicht.
Natürlich ist "wait-and-see" eine große psychische Belastung!
Du hast jeden Grund, Dir Sorgen zu machen!
Aber die psychische Belastung kann (und wird) mit Gesprächen, mit Entspannungs-Methoden, mit Wissen (!) nach und nach etwas geringer.
Rede darüber mit denen, mit denen Du darüber reden kannst. Wenn Du Deiner Familie keine Sorgen machen möchtest dann suche Dir eine psychoonkologische Beratung oder psychotherapeutische Gespräche.
(Nach meiner Erstdiagnose konnte ich mit meinen Kindern gar nicht darüber reden, zunächst auch gar nicht mit den Arbeitskollegen und hatte meinen Chef um Stillschweigen gebeten. Meine Kinder (damals 10, 12, 14 Jahre) sind dann damit aufgewachsen, meine nahen Verwandten haben sich Sorgen gemacht, vor allem meine liebe Mama. Sie taten mir so Leid, aber ich konnte doch nichts dafür!)
Und das ist das, was auch Du Dir immer wieder klarmachen musst: Du kannst nichts dafür. Es gibt keine Ursachen für Hirntumoren, zumindest keine, die man mit irgendeiner Lebensweise beeinflussen kann. Und auch den Verlauf kann man nicht beeinflussen.
Lerne zu warten.
Übe Geduld.
Rede oder mach normal weiter.
Es ist möglich, dass das Meningeom derart langsam oder gar nicht wächst, dass auf eine Behandlung ("Therapie") verzichtet werden kann. Vielleicht und hoffentlich.
Denn eine Operation oder auch eine Bestrahlung sind immer mit Risiken verbunden, mit langen Ausfallzeiten im Beruf und vorübergehenden Einschränkungen im Familienalltag.
Lass regelmäßig die MRT-Kontrollen durchführen, zeige die Bilder dem Neurochirurgen und lass Dich beraten, ob eine Therapie erfolgen muss. Falls es erforderlich werden sollte, wird der Facharzt den richtigen Zeitpunkt erkennen und mit Dir eine passende Therapie beraten.
Ich habe allerdings noch Fragen:
Warum hattest Du vor 10 Jahren ein MRT?
Warum wolltest Du vor einem Jahr ein MRT?
Warum bist Du in neurologischer Behandlung?
Gab es bereits neurologische Auffälligkeiten?
Melde Dich gern wieder hier, hier "hören" Dir mehr Leute zu als Du denkst!
Ich wünsche Dir sehr viel Geduld, Ruhe, nach und nach eine gewisse Akzeptanz ...
Ja, das ist verdammt schwer!
Aber Du schaffst das!
Weil Du stärker bist als Du jetzt denkst.
Alles Gute!
KaSy