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Autor Thema: Berichte vom Welthirntumortag im Klinikum St. Georg Leipzig am 27.06.2022  (Gelesen 6932 mal)

Offline KaSy

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Welt-Hirntumortag 2022 -  Veranstaltung vom Klinikum St. Georg Leipzig am 27.06.2022

Problem im Kopf - Das Leben mit der Diagnose Hirntumor


Quelle: https://youtu.be/oKyRrnBs9io


Die Diagnose Hirntumor kann das Leben auf den Kopf stellen. Unter den ca. 150 verschiedenen Tumorarten werden sowohl gut- als auch bösartige Geschwülste zusammengefasst. Im Vergleich zu anderen Krebsarten kommen bösartige Hirntumoren eher sehr selten vor. Sie machen nur rund zwei Prozent aller Krebserkrankungen aus. Die komplexe Behandlung wird oft gemeinsam von verschiedenen Fachdisziplinen in enger Zusammenarbeit vorgenommen. Anlässlich des Welthirntumortages, der jährlich im Juni stattfindet und von der Hirntumorhilfe initiiert wurde, stellen wir Ihnen in unserer diesjährigen Veranstaltung diagnostische Möglichkeiten und Behandlungsmethoden sowie wichtige Erkenntnisse aus der Wissenschaft vor. Des Weiteren wird unser Psychologe Herr Fabian Schmidt zum Thema Lebensorganisation und -bewältigung referieren. Ganz besonders freuen wir uns, einen Patienten begrüßen zu dürfen, der von seiner Hirntumorerkrankung berichtet und der erfolgreich in unserer Klinik operiert wurde.


1. Vortrag

Diagnostik - Neurochirurgie – Pathologie - Strahlentherapie – Onkologie – weitere therapeutische Möglichkeiten

Redner: Dr. Oliver Sorge, Chefarzt der Neurochirurgie am Klinikum St. Georg Leipzig


2. Vortrag

Möglichkeiten der psychoonkologischen Betreuung

Redner: Diplom-Psychologe Fabian Schmidt am Klinikum St. Georg Leipzig


3. Vortrag

Bericht eines Patienten von seiner Hirntumorerkrankung

Redner: Herr Peter Lomb (Patient, der im St. Georg-Klinikum Leipzig behandelt wurde)


4. Vortrag

Antworten auf Fragen der Anwesenden

Redner: Dr. Oliver Sorge, Chefarzt der Neurochirurgie am Klinikum St. Georg Leipzig und Peter Lomb

5. Folien

Von Dr. Sorge genutzte und im Text (kursiv) aufgeführte Folien 1 bis 16
Von Dipl.-Psych Fabian Schmidt und dem Patienten Peter Lomb genutzte Folie 17
Wenn man schon im Müllkasten landet, sollte man schauen, ob er bunt angemalt ist.

Der Hirntumor hat einen geänderten und deswegen nicht weniger wertvollen Menschen aus uns gemacht!

Offline KaSy

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Welt-Hirntumortag 2022 -  Veranstaltung vom Klinikum St. Georg Leipzig am 27.06.2022

Problem im Kopf - Das Leben mit der Diagnose Hirntumor


Quelle: https://youtu.be/oKyRrnBs9io

(Ich habe das von der Deutschen Hirntumorhilfe e.V. automatisch erstellte Transkript und die originale Rede nahezu unverändert genutzt. KaSy)

1. Vortrag

Diagnostik - Neurochirurgie – Pathologie - Strahlentherapie – Onkologie – weitere therapeutische Möglichkeiten

Redner: Dr. Oliver Sorge, Chefarzt der Neurochirurgie am Klinikum St. Georg Leipzig


Einführung:

Die Diagnose Hirntumor kann das Leben auf den Kopf stellen. Unter den ca. 150 verschiedenen Tumorarten werden sowohl gutartige als auch bösartige Geschwülste zusammengefasst. Im Vergleich zu anderen Krebsarten kommen bösartige Hirntumoren eher sehr selten vor. Sie machen nur rund zwei Prozent aller Krebserkrankungen aus. Die komplexe Behandlung wird oft gemeinsam von verschiedenen Fachdisziplinen in enger Zusammenarbeit vorgenommen.
Anlässlich des Welthirntumortages, der jährlich im Juni stattfindet und von der Hirntumorhilfe initiiert wurde, stellen wir Ihnen in unserer diesjährigen Veranstaltung diagnostische Möglichkeiten und Behandlungsmethoden sowie wichtige Erkenntnisse aus der Wissenschaft vor.
Des Weiteren wird unser Psychologe Herr Fabian Schmidt zum Thema Lebensorganisation und Lebensbewältigung referieren.
Ganz besonders freuen wir uns, einen Patienten begrüßen zu dürfen, der von seiner Hirntumorerkrankung berichtet und der erfolgreich in unserer Klinik operiert wurde.


Vortrag:

Mein Name ist Oliver Sorge, ich bin der Chefarzt der Klinik für Neurochirurgie am Klinikum St. Georg Leipzig und begrüße Sie heute anlässlich des Welthirntumortages, der jedes Jahr am 8. Juni begangen wird. Im Jahr 2000 hat die Deutsche Hirntumorhilfe e.V.diesen Tag ins Leben gerufen, um an die Betroffenen und Angehörigen zu erinnern, die sich mit dieser Diagnose befassen müssen.
Es ist oft nicht so einfach, den richtigen Behandlungspartner und die richtige Station zu finden, wo man relativ gut behandelt werden kann. Und deswegen ist es ganz wichtig, dass wir eine Institution haben, die sich um die Belange kümmert, die sich zwischen den Krankenhäusern und Behandlungszentren abspielen.


Überblick über die Therapien bei Hirntumoren

Die Neurochirurgie ist natürlich nicht das einzige Fachgebiet, das sich mit der Behandlung von Hirntumoren beschäftigt, sondern es sind viele Experten, die einmal in der Woche am Dienstag im Tumorboard eine Stunde lang tagen und über die Therapie von Patienten sprechen, die einen Hirntumor haben und in der Kontrolle sind. Im einzelnen sind im Tumorboard vertreten:
- Die Neurologen befassen sich mit den Krankheiten des Zentralen Nervensystems und auch mit den Patienten, die infolge von Hirntumoren Symptome aufweisen, die behandelt werden müssen. Im Zentrum stehen dabei epileptische Anfälle.
- Die Neuroradiologen führen die Untersuchungen mit der Computertomographie (CT) und der Magnetresonanztomographie (MRT) durch und werten die dabei entstandenen Bilder aus.
- Die Neuropathologen sorgen dafür, dass das entnommene Gewebe untersucht wird, wodurch wir dem Tumor einen Namen  geben können.
- Die Strahlentherapeuten führen die Bestrahlung durch
- Die Onkologen sind die „Krebsmediziner“, die die Chemotherapien und anderweitige Immuntherapien, z.B. Therapien mit bestimmten Antikörpern, durchführen
- Mitarbeiter der Schmerz- und  Palliativmedizin, also ärztliche und pflegerische Mitarbeiter, die sich um die Patienten kümmern, die durch die Krankheit beeinträchtigt sind.
- Es sind die Psychoonkologen.
- Es sind auch die Neuropsychologen, weil einige dieser Krankheiten des Zentralen Nervensystems auch u.a. mit Gedächtnisstörungen einhergehen können.

Wir sorgen dafür, dass die Patienten im normalen Leben wieder Fuß fassen können und dazu dient auch der Übergang in die Rehabilitationsphase, die bei den meisten Patienten sinnvoll und wichtig ist.

Hirntumoren sind nicht so häufig wie die anderen typischen Krebserkrankungen, wie z.B. das Mammakarzinom (Brustkrebs), der Darmkrebs oder der Lungenkrebs. Im Jahr verzeichnet man in Deutschland etwa 7000 bis 8000 Erkrankungen an einem bösartigen Hirntumor. Das ist etwa der Faktor 10 weniger (= ein Zehntel) gegenüber den anderen Krebserkrankungen. Pro Jahr erkranken etwa 480.000 Patienten an einem Tumorleiden, jedoch unterscheiden sich diese Tumorarten hinsichtlich ihres Gewebeaufbaus.
(Folie 1)


Untersuchung des Tumorgewebes

Die Untersuchung des Tumorgewebes führt man mit Färbungen durch. Dabei hat man klassische Muster erkannt und anhand dieser Muster ordnet man die Tumoren einer entsprechenden Diagnose zu, z.B. einem Meningeom oder einem sehr bösartigen Glioblastom. Diese Unterscheidung hat jedoch nicht ausgereicht. Also untersuchte man auch die Gewebebestandteile, also die Zellkerne, die abgestorbenen Zellbestandteile usw. Das war sehr wichtig für eine WHO-Graduierung (World Health Organisation = Weltgesundheitsorganisation) mit den Graden von I bis IV.

WHO Grad I
Histologisch gutartige Tumoren, die durch eine operative Entfernung üblicherweise gut geheilt werden können. Sie wachsen in der Regel nicht wieder. Es gibt aber einige Ausnahmen. (Darauf gehe ich später noch ein.) Diese richten sich auch danach, wo sie wachsen. Manchmal muss man eben auch ein Stück des Tumors zurücklassen.
z.B. Kraniopharyngom, Neurinom, Pilozytisches Astrozytom, Meningeom, Hypophysentumoren

WHO Grad II
Histologisch gutartige, jedoch nicht ganz abgekapselte Tumoren, die infiltrativ in das gesunde Gewebe hinein wachsen. Das macht es nicht ganz einfach, sie vollständig zu entfernen. Sie wachsen weiter und neigen auch zu Rezidiven und müssen weiter behandelt werden, ohne jedoch die Überlebenszeit wesentlich einzuschränken.
z.B. Diffuses Astrozytom, Oligodendrogliom

WHO Grad III
Histologisch bösartige Tumoren. Sie wachsen eigentlich immer wieder und können dadurch die Überlebenszeit einschränken.
z.B. Anaplastisches Astrozytom, Plexuskarzinom

WHO Grad IV

Bösartige Tumoren, die mit einer deutlichen Reduktion der Überlebenszeit einhergehen, sofern keine effektive Behandlung zur Verfügung steht
z.B. Glioblastom, Medulloblastom, Astrozytom Grad IV

Diese Einteilung hat für bestimmte Fragestellungen nicht ausgereicht, weil es bestimmte Therapien gibt, für die der Gewebebefund ausschlaggebend ist. Einige Tumoren wachsen unter diesen Therapien schneller, während andere anfangs gar nicht gewachsenen sind.

Dann hat man weiter in die Tiefe geforscht. Man ist quasi in den Mikrokosmos eingestiegen und hat molekulargenetische und / oder immunologische Untersuchungen durchgeführt. Anhand von Chromosomen (Bestandteile der Erbanlagen, also der DNS = Desoxyribonukleinsäure, die in den Zellkernen als identischer Doppelstrang vorkommt) und Veränderungen von Verhaltensmustern bestimmter Enzyme, die für den Funktionsstoffwechsel in den Zellen verantwortlich sind, stellte man fest, dass sie sich unter denselben Therapien unterschiedlich verändert bzw. dargestellt haben. (Folie 2)

Das führte dazu, dass es seit März 2021 eine neue bzw. revidierte Klassifikation von Hirntumoren gibt. (Folie 3)

Diese basiert auf neuen Erkenntnissen der Chromosomenveränderungen und der Stoffwechselvorgänge, die sich in den Zellen des Tumors abspielen. Das Neue an dieser Klassifikation der Hirntumoren ist ein bestimmtes Enzym, das IDH-Enzym. (Isocitrat-Dehydrogenase). Es ist ein Bestandteil von Tumorzellen, das in manchen Gliomen verändert sein kann, also Mutationen aufweisen kann. Diese Mutationen spielen für die Prognose und das Tumorwachstum eine Schlüsselrolle.

Diese Mutationen kommen in den gutartigen Astrozytomen häufiger vor, in den bösartigen Astrozytomen sind diese Mutationen nicht vorhanden. Das spielt für die Therapiewahl eine wichtige Rolle und damit auch für die Prognose.

Das bisherige „IDH-mutierte Glioblastom“ heißt jetzt „Astrozytom IDH-mutiert WHO Grad IV“. Es gibt also jetzt neben dem „Glioblastom IHD Wildtyp mit einem nicht veränderten IDH-Enzym“ ein „Astrozytom des Grades IV“. Obwohl viele Eigenschaften gleich sind, unterscheiden sich beide hinsichtlich dieses Musters. Oligoastrozytome gibt es jetzt als eine Mischform. Die gab es vorher nicht. Oligodendrogliome und Astrozytome galten als eigenständige Tumoren. Aufgrund der Chromosomenuntersuchungen hat man viele Unterschiede zwischen diesen Tumorarten gefunden. Es gibt auf den Chromosomen 1 und 19 bei Oligodendrogliomen Veränderungen und damit kann man diese Tumoren den Oligodendrogliomen zuordnen. Wenn diese Veränderungen nicht vorhanden sind, sind es Astrozytome.

Bei vielen Kindern und jungen Erwachsenen gibt es astrozytäre Gliome, die sich deutlich von denen der Erwachsenen unterscheiden und auch unterschiedlich behandelt werden müssen.

Dann gibt es noch einen Begriff, der heißt „Gliomatosis cerebri“, der etwas irreführend war. Diesen hat man abgeschafft und ordnet jetzt alle diese „Gliomatosis cerebri-Prozesse“ den sogenannten „diffusen Gliomen“ zu und klassifiziert sie entweder in die Grade II oder III.


Symptome, die durch Hirntumoren erzeugt werden können

Es gibt die Unterscheidung zwischen akuten Symptomen und sich langsam entwickelnden Symptomen.
Akute Symptome sind Bewusstlosigkeit und Übelkeit / Erbrechen. Das sind Notfall-Symptome, da erfolgt eine Einweisung durch den Notarzt, den man rufen muss, weil es sich um eine lebensbedrohliche Erkrankung handelt.

Es gibt auch allgemeine Symptome, wobei der Kopfschmerz eher bei anderen Erkrankungen auftritt und seltener bei den Hirntumoren. Wir haben festgestellt, dass es bei Kopfschmerzen über 200 verschiedene Arten gibt, das heißt also, dass es relativ selten ist, dass ein Kopfschmerz eine Ursache für einen Hirntumor ist. Kopfschmerzen können aber begleitend auftreten, z.B. wenn epileptische Anfälle oder Wesensänderungen oder Bewusstseinsstörungen auftreten, dann kann das ein Hinweis sein, dass sich ein Tumor entwickeln kann.

Spezielle Symptome sind Sprachstörungen, Lähmungserscheinungen und Missempfindungen auf nur einer Körperhälfte oder eines Armes oder eines Beines, Störung der Sinne des Sehens, des Hörens, des Geruchs, des Geschmacks oder des Gleichgewichts. Solche Symptome können durch Hirntumoren ausgelöst werden. Je nachdem, in welchen Hirnregionen die Tumoren angesiedelt sind, können sie einem Schlaganfall ähneln, so dass die Patienten nicht selten mit einem Verdacht auf einen Schlaganfall ins Krankenhaus eingewiesen werden. Dann führt man eine Untersuchung durch und sieht auf den Bildern, dass kein Schlaganfall die Ursache war, sondern dass ein Hirntumor z.B. auf diese Zentren drückt.

Ablauf bei akuten Notsituationen
Wenn solche Notsituationen nachgewiesen sind, dann fährt der Notarzt in das nächste Krankenhaus und dort wird eine Computertomographie (CT) durchgeführt, die das weitere dann steuert. Zeigt die Computertomographie einen Tumor, dann erfolgt in den nächsten Tagen eine MRT-Untersuchung und dann eine Vorstellung in unserer Sprechstunde. Wir werden diese Fälle dann gemeinsam in unserem Tumorboard mit den anderen Spezialisten ausführlich besprechen und dem Betroffenen eine Behandlung vorschlagen.

Ablauf bei allgemeinen Symptomen
Der Patient geht zum Hausarzt und schildert seine Symptome. Bei neurologischen Auffälligkeiten schickt ihn der Hausarzt in den meisten Fällen zum Facharzt für Neurologie und hier erfolgt dann die Überweisung zum CT, zum MRT und dann die Überweisungen in unsere Sprechstunde.


Operation

In den meisten Fällen steht am Anfang der Hirntumortherapie eine Operation. (Folie 4)
Ich sage, in den meisten Fällen, denn es gibt einige Beispiele, wo man nicht gleich operieren muss, wo man im Prinzip auch mal eine abwartende Strategie fahren kann, indem man Verlaufsbeobachtungen mit den MRT-Bildern durchführt.

In vielen Fällen wissen wir aber nicht, wie dieser Tumor heißt und deswegen müssen wir eine Gewebeuntersuchung durchführen und das Gewebe einschicken.

Bei großen Tumoren muss die Lebensgefahr beseitigt werden, indem der große Tumor entfernt wird. Denn durch dessen Wachstum drückt er ja auf das Gehirn und das Gehirn kann nicht ausweichen, weil es von den Knochen des Kopfes umgeben ist. Also müssen wir sozusagen den Druck im Kopf durch die Entfernung des Tumors wieder normalisieren. Wir streben natürlich eine vollständige Entfernung dieses Tumors an. Wir möchten natürlich mit der Operation auch die Symptome verbessern. Was wir nicht erreichen möchten, ist, dass nach der Operation Ausfälle auftreten. Das sind Lähmungserscheinungen, Sprachstörungen oder auch andere Symptome. Das möchten wir auf jeden Fall vermeiden und das ist auch der Grund, weswegen ich vorhin gesagt habe, dass es auch Ausnahmen gibt.
Man muss mitunter Anteile von Tumoren zurücklassen, die man dann entweder beobachtet oder mit alternativen Behandlungsverfahren behandelt.

Das Prinzip der Neurochirurgie besteht darin, dass wir möglichst viel von der Krankheit entfernen wollen, mit der maximalen Sicherheit, und wir wollen möglichst wenig invasiv tätig sein, damit durch den operativen Eingriff an sich keine großen Erkrankungen auftreten.

Dafür haben wir verschiedene Hilfsmittel. (Folie 5)

Für die Mikrochirurgie haben wir das Operationsmikroskop. Es hat eine bis zu 40-fache Vergrößerung für das Operationsfeld. Das gewährleistet, dass wir sehr gut zwischen dem Gehirngewebe und dem Tumorgewebe differenzieren können.

Das Endoskop haben wir für bestimmte Operationsmethoden – Stichwort „Schlüsseltechnologie“. Mit dem Endoskop kann man die Krankheit über kleine Öffnungen behandeln.

Wir haben die Möglichkeit, eine minimalinvasive Biopsie über kleine Löcher durchzuführen. Damit können wir dann auch tief liegende Tumoren operieren, wenn das erforderlich ist.

Wir haben die Möglichkeit der Überwachung bestimmter Nervenfunktionen während der Operation.

Wir haben die Möglichkeit, auch bei Patienten, die einen Tumor im Sprachzentrum oder im Bewegungszentrum haben, eine sogenannte „Wachoperation“ durchzuführen. Man lässt die Patienten während der Operation munter werden. Das ist nicht schmerzhaft, also der Patient verspürt keine Schmerzen. (Das Gehirn selbst verfügt über keine Schmerzrezeptoren.) Man kann mit dem Patienten sprechen, man kann ihn Aufgaben lösen lassen. So kann man am besten das Sprachzentrum schonen.

Wir haben die Möglichkeit, während der Operation Bilder zu machen, um zu gucken, wie weit der Fortschritt der Operation ist.

Mit Hilfe der Navigation (ähnlich wie die Navigationsdaten, mit denen Autos ausgestattet sind) können wir auf dem schnellsten oder auf einem optimalen Weg an den Tumor herankommen.

Wir haben die Möglichkeit, manche Tumoren zu markieren, um sie dadurch besser zu sehen und sie vollständiger entfernen zu können.

Wir haben auch das intraoperative Neuro-Monitoring. In den meisten Fällen schlafen die Patienten, während ihnen Elektroden an den Kopf und an den Armen und Beinen angeschlossen werden. So können wir die Nervenleitung vom Kopf zu den Armen und Beinen und von den Armen und Beinen zum Kopf verfolgen. Wenn irgendetwas auf dieser Strecke nicht gut funktioniert, wissen wir, dass wir dort mit der Operation vorsichtig sein müssen.

(Er zeigt auf eine Folie mit einer schematischen Darstellung eines Gehirn mit verschiedene Farben:)
Hier sehen Sie, wie wir mit Reizen das Sprachzentrum und das Bewegungszentrum identifizieren können und erkennen, wo ihre genaue Lage ist:

An diesem Beispiel der Wachoperation sehen Sie, dass sich das Sprachzentrum beim Rechtshänder meist auf der linken Gehirnhälfte und beim Linkshänder auf der rechten Gehirnhälfte befindet. Die Sprache ist sozusagen hauptsächlich im sogenannten Stirnlappen fokussiert. Aber Sprache ist ja etwas sehr Komplexes, das heißt, viele Informationen erhält das Sprachzentrum auch aus den anderen Regionen des Gehirns.

Das Sehzentrum ist in der Hinterhauptregion, also am Hinterkopf lokalisiert.

Der Geruch und der Geschmack befinden sich hier in diesem Schläfenbereich.

Das Bewegungszentrum ist hier im Schädelbereich.

Diese Informationen sind natürlich auch fließend. Es gibt hier ein engmaschiges Netzwerk zum Sprachzentrum, das wir natürlich bei der Operation berücksichtigen müssen, um nichts zu verletzen. Man hat herausgefunden, dass Patienten, die mit einer Wachoperation behandelt worden sind, z.B. bei Glioblastomen, die sich in den Bereichen der Sprache und der Bewegung befanden, also dass diese Patienten ein besseres Überleben und eine bessere Überlebenschance haben, wenn wir die Sprache und die Bewegung während der Operation überwachen. Dann ist es auch möglich, mehr vom Tumor zu entfernen. Denn, wenn man die Sprache nicht überwachen kann, ist man bei der Operation als Neurochirurg noch vorsichtiger und entfernt nicht zu viel Gewebe, als wenn man direkt in den Kontakt mit dem Patienten treten kann.


Das sind die Geräte, die wir für die Navigation nutzen. (Folie 6) Wir können vor der Operation eine sehr präzise Planung der Operation durchführen, indem wir praktisch das gesamte Gehirn, den Tumor und die ganzen lebenswichtigen Bereiche um den Tumor herum darstellen. Wir können die Operation sehr präzise planen und am nächsten oder am übernächsten Tag dann durchführen. Weiterhin haben wir damit Grundlagen für die vollständige Tumorentfernung, indem wir während der Operation überprüfen, wie viel vom Tumor entfernt worden ist. Wir können die Operation aufzeichnen und dokumentieren, was ja auch sehr wichtig ist.


Ablauf nach der Operation (Folie 7)

Bei den gutartigen Tumoren der Grade I und II ist meistens die Operation die einzige Therapie.
Es gibt natürlich Ausnahmen. Wenn ein Tumor nicht vollständig entfernt werden kann und er wächst dann irgendwann mal wieder, dann kann man auch über eine Bestrahlung nachdenken. Denn es gibt auch die Möglichkeit, gutartige Tumoren ganz präzise zu bestrahlen, ohne dass man über die Jahre Nebenwirkungen der Bestrahlung verzeichnen muss. In den meisten Fällen ist das aber nicht notwendig.

Unsere Patienten werden dann zur Rehabilitation geschickt und danach zur Nachsorge regelmäßig einbestellt. Man versucht natürlich, die Einschränkungen, die man durch die Tumor-Operation hat, und das tut mir wirklich Leid, möglichst durch die Rehabilitation wieder zu verbessern oder zu beseitigen.

Bösartige Tumoren müssen leider nachbehandelt werden, auch wenn sie vollständig entfernt wurden. Nach dem MRT schließt sich in den meisten Fällen eine Bestrahlungsbehandlung und eine Chemotherapie an oder beide Verfahren in Kombination. Manchmal gibt es noch weitere therapeutische Möglichkeiten, die man dann ausschöpfen möchte, damit der Tumor nicht wieder wächst.

Nach erfolgter Behandlung wird auch hier eine Rehabilitation durchgeführt und eine Nachsorge. In der Regel ist es so, dass man nach drei Monaten die erste MRT-Kontrolle durchführt, nach einem halben Jahr die nächste und, wenn alles so weit in Ordnung ist, dann wird das Intervall immer weiter ausgedehnt. In der Regel ist es so, dass man nach einem Jahr auf Jahresintervalle übergeht. Das macht man dann bis zum fünften Jahr und dann schätzt man ab, je nachdem wie der Tumor heißt, ob man weitere Kontrollen macht oder ob man dann auf die Kontrollen verzichten kann.

Denn für die MRT-Untersuchungen sind immer Kontrastmittel erforderlich. Diese führen natürlich auch zu einer Kontrastmittel-Anreicherung im Körper, denn nicht das gesamte Kontrastmittel wird wieder ausgeschieden, sondern es lagert sich manchmal auch im Gewebe ab. Es kann sein, wenn man jetzt über die Jahre sehr viele MRT machen muss, dass die Nierenfunktion eingeschränkt sein kann. Deswegen überlegt man immer unter Abwägung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses, ob man eine weiterführende Diagnostik nach fünf Jahren macht. In vielen Fällen machen wir es, in manchen Fällen müssen wir es aber nicht mehr tun.


Das folgende Thema ist eine Ergänzung, die der Redner dazwischen schob:

Leitlinien / Studien

Im Jahr 2021 ist die neue Leitlinie zur Behandlung von Gliomen, also Astrozytomen, Oligodendrogliomen, Ependymomen und Glioblastomen, erschienen. (Folie 8 ) Daran haben auch unsere Mitarbeiter der Hirntumorhilfe sehr aktiv mitgearbeitet. Man hat festgestellt, dass es bei einer Gruppe von Grad-II-Tumoren, wo ich gesagt hatte, dass keine weitere Behandlung notwendig ist, also dass es bei diesen Grad-II-Tumoren erforderlich ist, sie nach einer Operation mit einer Radio-Chemotherapie weiter zu behandeln. Das ist eine relativ komplexe Chemotherapie. Aber trotzdem haben diese Patienten eine deutlich bessere oder längere Zeit des Überlebens im Vergleich zu denen, die nach der Operation eine alleinige Strahlentherapie bekommen haben. Wir reden aber von Gliomen, nicht von Meningeomen, nicht von Neurinomen, da ist diese Behandlung nicht erforderlich. Aber bei den Gliomen wird es empfohlen.

Es gibt weitere Studien, die durchgeführt worden sind. Sie wissen ja, Studien werden erstmal durchgeführt, um die Verträglichkeit zu testen und dann, ob die Therapie einen Vorteil bringt. Und wenn die Studien dann diesen Vorteil erbracht haben, werden sie in die klinische Praxis überführt.

Diese Studie (Folie 9) hat gezeigt, dass eben auch hier (bei älteren Patienten) eine zusätzliche Chemotherapie mit Temozolomid, das ist meistens das Medikament, das bei den Glioblastomen und Astrozytomen Grad III über zwölf Zyklen gegeben wird, einen Vorteil gegenüber der alleinigen Strahlentherapie bei Patienten mit dem WHO-Grad III, den sogenannten anaplastischen Tumoren, bringt. Und man hat auch gesehen, dass bei Gliomen mit der IDH-Mutation, die ich am Anfang vorgestellt habe, und auch bei den Oligodendrogliomen mit und ohne diese Mutation ein verlängertes Leben zu beobachten ist.

Die elektrischen Wechselfelder, „Tumor Treating Fields“, TTF genannt, hat man auch in einer Studie untersucht. Ein sehr bekannter Therapeut, der die Glioblastom-Therapie revolutionär entwickelt hat, hat festgestellt, dass man bei einem neu diagnostizierten Glioblastom diese Wechselfelder anwendet und dadurch wurde auch ein verbessertes Gesamtüberleben nachgewiesen. Dazu komme ich aber noch einmal später.

Hier setzt der Redner bei den Therapien der bösartigen Tumoren fort (nicht mit TTF):
Das Glioblastom ist ja der am schnellsten wieder wachsende Tumor, leider, trotz dieser komplexen Therapie. Man hat aber festgestellt, dass bei älteren Patienten, also bei Patienten, die älter als 70 Jahre sind, diese Therapie im Sinne einer Kombinationstherapie relativ gut vertragen wird. Bis vor einiger Zeit hat man nämlich noch gesagt, wenn jemand älter als 70 Jahre ist, wird entweder bestrahlt oder eine Chemotherapie angewandt. Das hat etwas mit dem Tumor zu tun. Man hat dann aber gesehen, dass viele Leute, die älter als 70 Jahre sind, vom Allgemeinzustand noch so gut waren, dass man gesagt hat, wir gucken mal, ob wir dem Patienten beide Therapien zumuten können. Man hat festgestellt, dass es wirklich so ist, dass man deutlich verbesserte Überlebenszeiten festgestellt hat, auch wenn man beide Therapien gleichzeitig durchgeführt hat.

Die nächste interessante Erkenntnis, und das haben wir ja schon umgesetzt, ist, dass bei Glioblastomen die Chemotherapie mit Temozolomid (Handelsname Temodal) durchgeführt wird und wenn man noch ein weiteres Chemotherapeutikum, das „Lomustin“ heißt oder CCNU, hinzufügt, dass diejenigen Patienten davon profitieren, die einen sogenannten MGMT-Promoter-Status haben. (MGMT = O-6-Methylguanin-DNA Methyltransferase ist ein Enzym im Zellkern. Ist das MGMT-Enzym in der DNA vorhanden, dann wirkt die Therapie besser, weil MGMT als „Reparatur-Gen“ gilt. Gemeinsam mit der Chemotherapie wirkt es gegen den Tumor. Wenn MGMT in der DNA fehlt, wirkt nur die Chemotherapie und die Prognose ist ungünstiger.)

In der Rezidivtherapie des Glioblastoms zeigt eine Kombination aus dem Bevacizumab (Handelsname Avastin) und dem Lomustin einen Zugewinn an progressionsfreier Überlebenszeit. Das ist aber eine Studie, die derzeit noch eingeschränkt ist, weil das Bevacizumab leider zur Zeit für die Tumortherapie noch nicht genehmigt ist. Das war eine Zeitlang so, dass man bei strahlenbedingten Schäden im Hirn, also bei Strahlennekrosen, das Bevacizumab als Therapie genommen hat. Die Krankenkassen haben das dann aber nicht mehr unterstützt. Wenn man das Bevacizumab einsetzen möchte, muss man sich an einer solchen Studie beteiligen.

Das geht dann auch in die allgemeinen Empfehlungen bei der Glioblastom-Behandlung über (Folie 10) , dass der Standard-Radio-Chemotherapie, die in der Regel bei Patienten mit einem Glioblastom durchgeführt werden sollte, eine Temozolomid-Chemotherapie mit sechs Zyklen folgen sollte. Das wäre also das sogenannte Stupp-Behandlungs-Schema, welches in den letzten zehn Jahren eigentlich zur Standard-Therapie gehört. Eine verlängerte Therapie wird nicht empfohlen. Sie ist nicht evidenzbasiert („auf empirische Belege gestützt“). Wenn im Laufe dieser Behandlung der Tumor wieder wächst, dann gilt das auch für den Einsatz von Bevacizumab, die elektrischen Wechselfelder oder Temozolomid.
Eine Wieder-Operation wird immer individuell geprüft, das geht, diese Möglichkeit gibt es auch noch.
Experimentelle Behandlungsverfahren sollten eigentlich nur in Studien durchgeführt werden. Außerhalb von Studien ist diese Behandlung vor allem mit dem Bevacizumab eigentlich nicht mehr „erlaubt“.


Weitere therapeutische Möglichkeiten (Folie 11)

Es gibt als spezielle Bestrahlungsverfahren die sogenannte Protonenbestrahlung, die wird z.B. in Dresden durchgeführt. Es gibt das sogenannte Cyberknife oder Gammaknife, das wird in Zentren z.B. in Erfurt oder München durchgeführt.

Es gibt Antikörpertherapien im Sinne der Immuntherapie.

Es gibt onkolytische Viren, das sind aber alles Verfahren, die im Rahmen von Studien durchgeführt werden. Sie stellen auch keine etablierte Behandlung bei diesen Tumoren dar.

Wir sind selber an einer internationalen Studie beteiligt, das ist die sogenannte INTRAGO-2-Studie. Das ist eine Studie, die sich als Ziel setzt, das Überleben der Glioblastompatienten zu verlängern, indem man zusätzlich zu der Standardtherapie während der Operation eine Bestrahlungsbehandlung durchführt. Das heißt also, die Patienten werden operiert, man entfernt den Tumor und bestrahlt in der gleichen Narkose dieses Tumorgebiet.
Ich denke, in zwei bis drei Jahren wissen wir, ob diese zusätzliche Behandlung einen Vorteil gebracht hat. Denn die Bestrahlung im Tumorgebiet hat den Vorteil, dass die Strahlen wirklich im Tumorgebiet wirken und nach außen hin abgeschwächt sind. Sie schädigen also das umgebende Gehirngewebe und das Gewebe, das normal ist, weniger. Wenn die Bestrahlung von außen durchgeführt wird, kann sie nicht mit einer so hohen Dosis durchgeführt werden, weil sie eben in der Regel gesundes Gewebe durchdringen muss und dieses natürlich schädigen kann.
Mit diesem Bestrahlungsgerät wird nach der Entfernung des Tumors in der Regel so 30 bis 60 Minuten eine Bestrahlung durchgeführt, und das mit ungefähr der Hälfte der Gesamtdosis, die man dann noch nach der Operation bekommt. Nach einer Operation wird ungefähr mit einer Dosis von 60 Gy (Gray) von außen bestrahlt. Bei so einer Operation kann man 30 Gy, also die Hälfte dieser großen Dosis, schon in dieses Tumorgebiet geben, und nach der Operation muss mit nur 30 Gy schonender von außen bestrahlt werden.
Wir hoffen, dass wir dadurch auch einen Fortschritt erzielen können. Die Ergebnisse werden, wie gesagt, erst in zwei bis drei Jahren erhältlich sein.

Die Tumortherapiewechselfelder kennen viele schon. (Folie 12)
Das Prinzip besteht darin, dass durch diese Wechselfelder elektrische Felder aufgebaut werden und im Rahmen dieser elektrischen Felder die Tumoren nicht mehr weiter wachsen können, dass diese Tumorzellen dann sozusagen zerfallen und der Tumor dann etwas kleiner werden soll. Das ist das Prinzip.
Und diese Studie von Stupp und Mitarbeitern aus dem Jahr 2017, die ich vorhin erwähnte, hat ja gezeigt, dass bei den Patienten, bei denen ein Glioblastom neu diagnostiziert worden ist, sich das Überleben um 4,9 Monate verlängert hat. Diese Studie hat aber auch einige Nachteile.
Und deswegen fordern viele und auch die Hirntumorhilfe, dass eine Doppelblindstudie aufgenommen wird, in der die Betroffenen nicht wissen, ob so ein elektrisches Wechselfeld angelegt ist. Denn man weiß, dass durch die intensive Hausbesuchstätigkeit der Techniker, die für die Behandlung mit diesen Wechselfeldern notwendig ist, diesen Patienten natürlich auch mehr Lebensqualität gegeben wird und diese sozusagen positiv stimuliert werden. Dadurch könnte ein sekundärer positiver Effekt entstanden sein.
Deswegen möchte man erst mal eine Doppelblindstudie durchführen, um wirklich den Nachweis zu erbringen, diese Wechselfelder isoliert zu betrachten und den psychologischen Effekt auszublenden.

Viele fragen natürlich: Kann Cannabis den Tumor heilen?
(Folie 13)
Es gab ja mal wieder solche Meldungen, dass mit Cannabis jede Krankheit besiegbar ist.
Man hat in der Tat im Labor nachweisen können, da gibt es eine chinesisch-deutsche Arbeitsgruppe, die gezeigt hat, dass man mit Tetrahydrocannabinol (THC, psychoaktiv, rauschwirkend) und Cannabidiol (CBD, entkrampfend, entzündungshemmend, angstlösend, gegen Übelkeit) ein Fertiggemisch herstellen kann, also ein Spray. (Nabiximols, Handelsname Sativex, ist ein Mundspray, das auf die Innenseite der Wange gesprüht wird.) Damit kann man ein Tumorwachstum beim Glioblastom bremsen.
Dieses Medikament hat seine Zulassung schon für die Behandlung von spastischen, also von Lähmungserscheinungen bei Patienten mit Multipler Sklerose und es wird auch bei Patienten mit sogenannten chronischen Schmerzen, die über die Nerven in die Arme und Beine ausstrahlen, zum Einsatz gebracht.
Die Wirkungsweise ist so, dass es praktisch über ein Transportsystem in die Tumorzelle geht und es kann dort die Chromosomen zerstören. Es bewirkt also einen Destruktionsmechanismus und kann dann zum Tumorzelltod führen.
Da gibt es eine Studie (Folie 14) mit 21 Patienten mit einem rezidivierten Glioblastom und die hat gezeigt, dass die Nebenwirkungen dieses Medikaments mit Müdigkeit, Schwindel, Übelkeit und Kopfschmerzen nicht das Ausmaß übersteigt, was man ansonsten als Nebenwirkung einer Therapie sieht.
In beiden Gruppen war eine stabile Krankheit bei einem Drittel zu beobachten, da gab es also keine Unterschiede. Aber man hat das Einjahres-Überleben verglichen und das hat gezeigt, dass bei dieser kleinen Gruppe von Patienten doch ein deutlich besseres Überleben in der Cannabidiol-Gruppe zu verzeichnen war. Das gibt natürlich Anlass für weitere Studien.
Aber mit 21 Patienten ist es nicht sicher zu sagen, dass es auf jeden Fall so ist. Jetzt werden größere Studien aufgelegt, um den Beweis wirklich anzutreten, ob man das Cannabidiol wirklich ansetzen kann. Wir bleiben gespannt und hoffen, dass wir bald ein Ergebnis haben werden.

Es gibt noch weitere spezielle Tumortherapien in laufenden Studien. Da möchte ich jetzt nicht näher darauf eingehen, weil das ja wirklich relativ komplex ist. Da weiß ich, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Hirntumorhilfe da sehr gut Auskunft geben können, wo man an entsprechenden Studien teilnehmen kann, wo welche Studie läuft und welche Studie für welche Erkrankung in Frage kommt.

Beispielsweise bei Studien, in der es um Anti-Gliom-Impfungen geht, da sind auch in Deutschland einige Studien geplant oder sie werden schon durchgeführt. Das richtet sich danach, dass viele Tumoren eben diese IDH-Mutation haben und dass gegen diese IDH-Strukturen bestimmte Vakzine entwickelt werden, die man dann impft. Die werden dann in den Tumor hinein getragen und das soll dann zum Tumor-Zelltod führen.


Nachbehandlung (Folie 15)

Da gibt es zwei Möglichkeiten. Die Patienten, die gutartige Tumoren haben, auf die ich heute leider nicht eingehen konnte, nicht eingegangen bin, kommen in unsere Neurochirurgie-Sprechstunde mit ihren Kontroll-MRT-Aufnahmen, die die Grundlage für die Behandlung sind. Die Patienten, die gemeinsam durch die Strahlentherapeuten und Onkologen behandelt worden sind, diese Patienten sehen wir dann einmal im Monat in einer gemeinsamen Sprechstunde. Und so soll das auch sein, dass Patienten, die wir an Tumoren behandelt haben, egal ob gut- oder bösartig, dass die Patienten immer regelmäßig zu uns in die Behandlung, also in die Dispensair-Sprechstunde kommen, und über den Hausarzt und den Facharzt immer mit betreut werden. Denn es gibt ja neben den klinischen Symptomen viele andere Dinge, die die Patienten anbringen.


Was ich hier nicht aufgeführt habe, sind die unterstützenden Einrichtungen, wie die Tumorberatungstelle. Viele Dinge, viele offene Fragen müssen geklärt werden, die auch wichtig für die Gesunderhaltung sind. Und da komme ich zum Ende meines Vortrages auch schon zur Überleitung. Im St. Georg-Klinikum haben wir eine Tumorberatungsstelle, in der auch der Diplom-Psychologe Fabian Schmidt tätig ist. Wir haben die Deutsche Hirntumorhilfe, die ich dann noch vorstellen möchte als Institution, die im Rahmen der Behandlung sehr wichtig ist.


Zusammenfassung (Folie 16)

Nicht jeder Tumor ist bösartig, auch wenn es jetzt im Rahmen des Vortrages so erschienen ist. Es gibt weitaus mehr gutartige Tumoren, die man relativ gut kontrollieren kann, die man behandeln kann. Man kann moderne Behandlungsverfahren anwenden, die ich vorgestellt habe. Und dadurch wird auch die Lebensqualität der Patienten besser, das Risiko für Schäden für die Gesundheit, also Lähmungssymptome, neurologische Ausfälle werden geringer durch diese modernen Therapieverfahren. Wir haben ein Tumorboard, in dem Spezialisten jeden Fall individuell bewerten. Denn es gibt nicht so eine pauschale Beurteilung, sondern es gibt immer eine individuelle Einschätzung des Gesundheitszustandes, des Tumors und auch der Behandlung. Jeder Patient erhält einen Behandlungsvorschlag von uns. Wir versuchen natürlich, durch regelmäßige Nachkontrollen möglichst das Wiederwachsen dieser Tumoren nicht zuzulassen. Und wenn sie wieder wachsen, behandeln wir frühzeitig.


Ja, das war es von meiner Seite aus. Gibt es Fragen von Ihnen? Ich weiß, ich habe Sie ja mit sehr vielen Informationen versehen, das tut mir sehr Leid, aber man weiß auch nicht, was von Interesse ist. Wenn es jetzt keine Fragen gibt, dann können wir auch noch mal individuell nach der Veranstaltung miteinander reden, das geht. Ja, gerne bin ich dann da, wenn jemand möchte.
(→ 4. „Vortrag“)


Kontaktdaten:

Telefon: 0341 / 909 3719
Fax:       0341 / 909 3717
E-Mail:  Neurochirurgie@sanktgeorg.de


(Das kursiv gedruckte stammt von mir. KaSy)
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Der Hirntumor hat einen geänderten und deswegen nicht weniger wertvollen Menschen aus uns gemacht!

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Welt-Hirntumortag 2022 -  Veranstaltung vom Klinikum St. Georg Leipzig am 27.06.2022

Problem im Kopf - Das Leben mit der Diagnose Hirntumor


Quelle: https://youtu.be/oKyRrnBs9io

(Ich habe das von der Deutschen Hirntumorhilfe e.V. automatisch erstellte Transkript und die originale Rede nahezu unverändert genutzt. KaSy)

Dr. Oliver Sorge: Ich möchte Ihnen den Diplom-Psychologen Fabian Schmidt vorstellen. Er ist bei uns in der  Tumorberatungsstelle und hat sehr viel Erfahrung in der Beratung von Patienten und Angehörigen, die mit Hirntumoren zu tun haben.Wir möchten Ihnen gerne einen Überblick verschaffen, welche Möglichkeiten es in der psychoonkologischen Betreuung gibt.

2. Vortrag

Möglichkeiten der psychoonkologischen Betreuung

Redner: Diplom-Psychologe Fabian Schmidt am Klinikum St. Georg Leipzig


Auch von meiner Seite noch mal ein herzliches Willkommen und ganz vielen Dank an Dr. Sorge für die Einladung heute und den spannenden Überblick an dieser Stelle. Mein Name ist Fabian Schmidt. Ich arbeite in der Tumorberatungsstelle des St. Georg-Klinikums, parallel noch in einer ambulanten psychotherapeutischen Praxis und als Yoga-Lehrer. Als mich Herr Sorge eingeladen hat, so ein bisschen  mit dem Themenwunsch Lebensorganisation, Lebensbewältigung, da dachte ich, das ist ja ein großes Thema, bezogen auf die 25 Minuten, die ich zur Verfügung habe, um da jetzt ein bisschen darüber zu sprechen. Deswegen habe ich mich entschieden, Ihnen da auch, wie soll ich sagen, recht „groß“ zu antworten mit einer Theorie, die sich sehr damit beschäftigt:
Wie bleibe ich im Angesicht von solchen existenziellen Krisen, die Hirntumoren und onkologische Diagnosen im Allgemeinen darstellen, wie bleibe ich da besonders psychisch gesund?


Das Modell Salutogenese (Aron Antonovsky) (Folie 17)

Das Modell, das ich Ihnen an dieser Stelle vorstellen möchte und das ich auch immer wieder in Bezug zu Hirntumorerkrankungen bringen möchte, und mit dem ich Ihnen gleichzeitig ein paar Einblicke in die Arbeit der pschoonkologischen Beratungsstelle geben möchte, ist die sogenannte Salutogenese. Ein Modell, das von der Wortherkunft erst mal aus „salus“= Gesundheit und „Genese“ = Entstehung besteht. Es geht also um die Entstehung und Aufrechterhaltung der Gesundheit, im Gegensatz zur „Pathogenese“ (pathos = Krankheit), wo es um das Verstehen der Entstehung von Krankheit geht.

Das Modell wurde Ende der 1970er Jahre von Aron Antonovsky entwickelt, seines Zeichens Medizinsoziologe, der viel u.a. auch mit KZ-überlebenden Frauen geforscht hat. Er hat dann irgendwann festgestellt, obwohl diese Menschen solche großen Traumata, solche großen Gräuel überlebt haben, ist ein Drittel dieser Menschen im Nachhinein psychisch recht unauffällig, psychisch gesund geblieben. Er hat sich gefragt, wie kann das sein, was hat dazu beigetragen, dass diese Menschen gesund geblieben sind und in diesem Sinne passt für mich dieses Modell auch gut.

Ich möchte das inhaltlich natürlich nicht vergleichen und doch stellt so eine Hirntumordiagnose für die allermeisten Menschen einen großen Schock bis zu einem Trauma dar. Egal, ob es jetzt so eine oder eine andere traumatische Erfahrung ist oder selbst so ein Alltagsstress, den ich habe, für den ich wenig Zeit habe. Man kann das inhaltlich natürlich nicht vergleichen, aber es erzeugt immer, wenn wir das physiologisch betrachten, relativ ähnliche Stressreaktionen, die je nach Stärke des Stresses natürlich noch mal sehr unterschiedlich ausgeprägt sind.

Es geht ein bisschen zu weit, darauf jetzt noch weiter einzugehen. Wenn Sie das interessiert, also die Zusammenhänge von einer Hirntumordiagnose oder generellen onkologischen Diagnose mit Traumata und Traumafolgestörungen, aber auch einem traumatischen Wachstum, dann sind Sie ganz herzlich eingeladen, an der Patientenveranstaltung im August 2022 zum Thema „Krebs, Trauma und Traumawachstum“ zu kommen.

Heute geht es hier darum, wie bleibe ich gesund. Und bei Aron Antonovsky gab es drei wesentliche Bereiche, die dazu beitragen, dass wir im Angesicht einer Krise gesund bleiben.


1. Verstehbarkeit und Vorhersagbarkeit

Das erste, was für ihn entscheidend ist, ist das Verstehen oder die Vorhersagbarkeit von den Dingen, die in unserem Leben passieren.

Aber wenn ich etwas nicht verstehe, also wenn Sie sich vorstellen, dass bei der Arbeit ein neues Computersystem eingeführt wird und Sie verstehen das aber gar nicht, dann kriegen Sie Stress. Oder Sie sind in einer fremden Stadt, Sie haben keinen Stadtplan dabei, wollen aber zurück in ihr Hotel und verstehen nicht, wie komme ich da zurück und Sie können nicht vorhersagen, was hinter der nächsten Ecke steht, dann entsteht auch an dieser Stelle Stress.

Und genau so ist es. Das höre ich auch von vielen Patientinnen und Patienten, die mit einer Tumor-Diagnose zu uns kommen. Da passiert erst mal so ein Schock durch eine onkologische Diagnose. Da gibt es ganz viel zu verstehen. Und viele Menschen überfordert das erst mal total. Was bedeutet das medizinisch? Was wird medizinisch durchgeführt? Was bedeutet das für mein weiteres Leben?

Es wird also ganz viel in Frage gestellt, und auch die Vorhersehbarkeit ist natürlich auch medizinisch ein Stück eingeschränkt, weil niemand hundertprozentig den Verlauf einer Diagnose vorhersehen kann.

An der Stelle ermutigen wir die Patientinnen und Patienten, die zu uns kommen, auch immer wieder: Fragen Sie da nach! Manche Menschen erzählen mir, ich habe die Ärzte jetzt gefragt und sie haben es mir dreimal erklärt und ich habe es immer noch nicht verstanden. Das ist etwas ganz Normales, weil unter so einem Schockzustand recht wenig an Sachinformation ankommt, und deswegen fragen Sie da wirklich nach! Das ist ein ganz essenzieller Teil im psychischen Gesundbleiben, wenn Sie einer so starken Belastung in so einer Krise ausgesetzt sind.

Wenn so eine Krise wie eine Tumorerkrankung auftritt, dann stoßen Sie auch immer etwas Biografisches an. Also, wenn Sie sich vorstellen, Sie sind in einem Elternhaus aufgewachsen mit drogenabhängigen Eltern oder anders psychisch kranken Eltern, wo Sie nicht vorhersehen konnten, nicht verstehen konnten, wie reagieren die jetzt auf mich als Kind. Sie haben sich täglich anders verhalten und Sie haben das gelernt, weil Sie es gar nicht vorhersagen konnten, nicht wussten, wie Mama oder Papa jetzt auf mich reagiert. Dann wird Sie so ein erneutes Erleben einer Unvorhersehbarkeit natürlich noch mal ein Stück stärker erschüttern, als wenn Sie in Ihrem Leben gelernt haben, dass ich die Dinge verstehen kann, einigermaßen weiß, was passiert. Da geht es bei uns in der psychoonkologischen Beratung einerseits um das Verstehen dieser biografischen Zusammenhänge, teilweise auch einer gewissen Korrektur, wobei das schon auch ein sehr psychotherapeutisches Feld ist.

Gleichzeitig geht es aber auch um ein Akzeptieren dieser Unvorhersehbarkeit. Als Menschen versuchen wir ja immer, das irgendwie noch zu verstehen, vorherzusagen.Gleichzeitig lässt sich nicht alles vorhersagen. Und das Akzeptieren kann schon eine Entlastung bringen, was im Individuellen, in der individuellen Arbeit oder durch verschiedene Techniken und Methoden wie Achtsamkeitstraining, Achtsamkeitsverfahren und andere Methoden möglich ist.


2. Handhabbarkeit und Ressourcen

Das zweite, was für Aron Antonovsky als entscheidend für die psychische Gesundheit gilt, ist der Punkt der Handhabbarkeit, worunter er auch den Punkt der individuellen Ressourcen zusammenfasst.

Wenn Sie sich vorstellen, Sie sind in einer Situation und können das nicht mehr irgendwie steuern, handhaben oder so und Sie haben keine Ressourcen dafür zur Verfügung, das macht auch erst mal Stress und erzeugt häufig ein Gefühl von Ohnmacht, Hilflosigkeit.

Und auch hier trifft das natürlich auch wieder auf biografische Bezüge. Wenn Sie in Ihrer Handhabbarkeit, in Ihrer Selbstwirksamkeit häufig frustriert wurden und so etwas immer wieder probiert haben und das nie eine so positive Resonanz gezeigt hat, dann hören Menschen irgendwann auf, zu versuchen, die Dinge handhabbar zu machen. Die sogenannte „erlernte Hilflosigkeit“ kann auch zur Entstehung von Depressionen führen.

Und auch hier ist natürlich einerseits entscheidend, das Nicht-Handhabbare erst mal zu realisieren und dass gewisse Ressourcen auch wahrscheinlich abhanden kommen können im Rahmen einer Krebserkrankung. Ja, da sind manche Dinge nicht handhabbar.

Ich erlebe das häufig, dass die Menschen nach Abschluss der eigentlichen medizinischen Behandlung und dann der Anschlussheilbehandlung herkommen. Das war ja alles noch eine Zeit, wo ja etwas getan wurde, wo sie etwas getan haben. Sie haben wohl eine konkrete Handhabbarkeit der Bewältigung dieser Erkrankung gefühlt. Nach dieser Anschlussheilbehandlung gibt es ja noch weiterhin die Nachfolgeüberwachung. Aber die Menschen berichten häufig an dieser Stelle, dass sie jetzt ein Stück weit eingeholt werden von diesem Gefühl der Angst und Hilflosigkeit. Was kann ich mit dieser Diagnose jetzt tun, wie kann ich damit irgendwie umgehen? Wie kann ich da wieder eine selbstbestimmte selbstwirksame Handhabbarkeit bekommen?

Und auch da geht es natürlich darum, das einerseits zu begreifen, ein Stück weit auch zu realisieren, dass manche Dinge nicht mehr so handhabbar sind wie vorher. Je nachdem, was wir jetzt für einen Tumor haben, entweder einen Hirntumor oder eine andere Tumorart, hat das häufig eine Einschränkung unserer Bewegungsfähigkeit oder körperlichen Fitness oder was auch immer zur Folge, was es zu betrauern gilt. Und gleichzeitig gilt es, in der Beratung aber auch wieder den Fokus darauf zu lenken, was ist noch handhabbar! Denn neben dem, was uns vielleicht durch eine Krankheit genommen wurde, bleibt ganz viel, was handhabbar ist. Und das gilt es auch in der Beratung immer wieder in den Fokus zu bringen und diese Bereiche zu stärken, von dem, was in uns handhabbar ist, um da wieder ein Gefühl zu bekommen von, ja, von Kontrolle und Sicherheit. Gleichzeitig natürlich die Ressourcen zu stärken, andere aufzubauen und darauf zurückzugreifen.


3. Sinnhaftigkeit und Zugehörigkeit

Für Aron Antonovsky waren diese beiden Punkte wichtig, aber sie konnten auch eine Zeit lang abhanden sein. Sie können sich vielleicht vorstellen, dass von seiner Ausgangsforschung her die KZ-überlebenden Frauen wenig Verstehbarkeit und Vorhersehbarkeit, was passiert hier, wenig Handhabbarkeit in dieser Situation hatten.
Der für ihn wichtigste dritte Punkt ist der einer Sinnhaftigkeit, also das Erleben von einem persönlichen individuellen Lebenssinn, womit er auch das Gefühl der Zugehörigkeit zusammenfasst.
Das ist auch das, was diese Frauen damals beschrieben haben, die psychisch ja weitestgehend gesund geblieben sind, dass sie dieser schrecklichen Situation einen größeren Sinn abringen konnten, entweder im religiösen, spirituellen, persönlichen Sinn. Und gleichzeitig haben sie auch ein sehr großes Zugehörigkeitsgefühl erlebt zu diesen Menschen, mit denen sie in dieser Situation waren.

Und so erlebe ich das auch ganz häufig, dass eine Hirntumor- oder onkologische Diagnose, die das Erleben von Sinnhaftigkeit und Zugehörigkeit erst mal sehr erschüttert, im Sinne von:
Was bin ich noch wert, wenn ich nicht mehr so leistungsfähig bin bei der Arbeit, wenn ich nicht mehr so attraktiv bin, wenn ich nicht mehr so stark bin.

Ich hatte gerade letzte Woche eine Lungenkrebspatientin mit Metastasen, die mir gesagt hat, mir ist der ganze Sinn abhanden gekommen, weil für sie der Sinn ihres Lebens war, zu arbeiten, produktiv zu sein, etwas zu schaffen, Projekte umzusetzen. Das geht erst mal nicht mehr.

Und an dieser Stelle klingt es zum Beginn einer psychoonkologischen Beratung manchmal ein bisschen, ja, unvorstellbar, vielleicht sogar ein bisschen makaber, aber gleichzeitig ist diese große Herausforderung, diese große Krise, in die wir geraten mit dieser Diagnose, auch für viele Menschen eine große Chance, zu dem zu kommen, was für sie wirklich Sinn macht. Das ist das, was am Ende einer psychologischen Beratung sehr viele Menschen sagen, ja, das war eine schreckliche Erfahrung, diese Krebserfahrung, aber gleichzeitig hat sie mir gezeigt, was wirklich für mich wichtig ist.

Also, ich erlebe viele Menschen, die noch mal in einen Klärungsprozess mit ihrer Familie gingen, denen es ganz wichtig war, in ihrer Familie, im Freundeskreis etwas zu klären, da wieder Kontakt aufzunehmen und zu erleben, ja, eigentlich sind es Beziehungen und Menschen, die mir wichtig sind, oder Menschen, die sagen, ja, so viel arbeiten wie vorher will ich eigentlich nicht mehr. Ich will schauen, womit ich diese Chance füllen kann, die mir jetzt nochmal gegeben wird. Und in dem Sinne eine Chance zu haben, zu einem tieferen Sinn zu kommen und auch ein Stück darüber, zu sich selbst zu kommen.


Diese drei Punkte, je nachdem, wie stark sie ausgeprägt sind für uns oder wie schwach sie ausgeprägt sind, fasst Aron Antonovsky zu dem sogenannten „Kohärenzgefühl“ oder auf englisch „Sense of Coherence“ (SOC) zusammen.

Wenn diese Punkte eben sehr stark ausgeprägt sind, dann besteht entsprechend eine geringe Wahrscheinlichkeit, psychische Symptome zu entwickeln. Wenn diese Punkte insgesamt eher schwach ausgeprägt sind, besteht eine entsprechend höhere Wahrscheinlichkeit, da auch irgendwelche psychischen krankhaften Symptome zu entwickeln.

Und für mich ist das ein ganz schöner Punkt an diesem Modell, dass dieses Kohärenzgefühl, also dieses Konzept anders als manche andere Konzepte, wie z.B. „Resilienz“ als „Widerstandskraft“, die wir mitgegeben bekommen haben in unserem Leben oder nicht, da ist so ein Kohärenzgefühl etwas, was Sie gestalten können. Sie können dieses Kohärenzgefühl aktiv verändern und somit zu Ihrer Gesundheit beitragen. Also, Sie können dazu beitragen, die Dinge, die Sie umgeben und Ihre Welt zu verstehen. Sie können dazu beitragen, die Dinge handhabbar zu machen und Ressourcen aufzubauen und sich selbst wieder einen Sinn in Ihrem Leben zu geben.
Das ist das, was, ja für mich auch die psychonkologische Arbeit ganz greifbar macht.


Dr. Oliver Sorge:
Das ist wirklich auch für uns sehr wichtig als Ärzte. Wir haben ja die Aufgabe, mit unseren Patienten über eine Diagnose zu reden und über eine relativ schnelle Therapie. Und wir haben oftmals die Erfahrung, aber unsere Patienten werden natürlich mit der Diagnose sofort konfrontiert, also ihr Leben wird auf den Kopf gestellt im wahrsten Sinne des Wortes. Und oftmals hängen dann viele Dinge hinterher.
Herr Schmidt hat das gerade angesprochen, dass man dann erst mal nach diesem Trauma, nach der Erfahrung, einen Tumor zu haben, der behandelt werden muss, dass dann sofort Gedankenprozesse einsetzen. Man überlegt, bin ich dann wirklich für die Familie noch so viel Wert, kann ich meiner Familie noch sehr viele Dinge aktiv zurückgeben. Und das sind immer Dinge, die auch im Laufe der Behandlung immer hochkommen und mit uns sozusagen kommuniziert werden.
Wir als Neurochirurgen haben seit einigen Jahren auch erkannt, und in unserem Tumorzentrum gibt es solche Möglichkeiten, dass wir eben unsere Psychoonkologen mit ins Boot holen, wenn die Patienten einen sofortigen Bedarf haben, aber auch im späteren Zeitpunkt, wenn die Ersttherapie gelaufen ist und für den Patienten erst mal der Schmerz abgehakt ist, also der Operationsschmerz. Dann tauchen aber die ganzen Fragen auf, wie geht es weiter, wie sicher kann ich mich fühlen, wie sieht die Diagnose aus, und so weiter.
Und da ist es eben doch sicherlich auch sehr sinnvoll, die Familienangehörigen mit einzubeziehen und natürlich auch mit dem Psychoonkologen gemeinsam zu sprechen, wie es für den Betreffenden am besten weiter gehen kann.


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Problem im Kopf - Das Leben mit der Diagnose Hirntumor


Quelle: https://youtu.be/oKyRrnBs9io

(Ich habe das von der Deutschen Hirntumorhilfe e.V. automatisch erstellte Transkript und die originale Rede nahezu unverändert genutzt. KaSy)

Dr. Oliver Sorge:
Ich komme dann zum nächsten Punkt und freue mich ganz besonders, dass sich ein ehemaliger Patient von uns bereit erklärt hat, aus seiner Sicht seine Erfahrungen darzustellen. Die Ärzte können natürlich immer sagen, die Operation ist gut geworden, der Patient ist zu Hause und so.
Aber welche Dinge in einem Patienten selber vorgehen vor der Operation, während der Behandlung, nach der Operation und dann auch in den Kontrollintervallen, das kann Ihnen jemand am besten schildern, der selbst davon betroffen ist.
Ich darf Herrn Peter Lomb auf die Bühne bitten. Vielen, vielen Dank, Herr Lomb, dass Sie sich bereit erklärt haben.
Herr Lomb ist jetzt wieder voll im Arbeitsleben angekommen und ist auch ehrenamtlich extrem aktiv unterwegs. Ich übergebe jetzt das Wort an Herrn Lomb.


3. Vortrag

Bericht eines Patienten von seiner Hirntumorerkrankung

Redner: Herr Peter Lomb (Patient, der im St. Georg-Klinikum Leipzig behandelt wurde)


Herzlichen Dank!
Ich würde Sie bitten, Herr Dr. Sorge, wenn Sie die letzte Folie von Herrn Schmidt (Folie 17) dort lassen würden. Das ist ja für mich ein „Hangelbild“, da kann ich mich „dran lang hangeln“, denn ich habe nämlich keine Folie.
Ich habe mich sehr gefreut über die Einladung von Dr. Sorge und ich freue mich auch sehr, heute hier zu sein. Es geht mir gut. Und wenn jetzt jemand unter Ihnen ist, der eine ähnliche Krankheit hatte, und ich ihm zu flapsig oder zu froh gelaunt bin, verzeihen Sie mir das, aber ich hab`s gehabt und es geht mir wirklich gut und ich kann das auch nicht verheimlichen und vor allem will ich das auch gar nicht verheimlichen.

Was ist passiert? Es war nicht verstehbar und nicht vorhersehbar. Ich bin vor der Kneipe gestürzt. Der große Mann fällt um. Ich bin einfach ausgerutscht. Ich hatte auch nicht zu viel getrunken, aber man hat es mir nicht abgenommen.

Sie haben ein CT gemacht und dann kam der Punkt Eins. Da ist was und es gehört da nicht hin. Und es ist groß.

Verstehbarkeit, das ist der erste Schock.
Das kann man nicht verstehen, also ich konnte das nicht verstehen. Man stellt sich ja als erstes die Frage: Warum ich? Ja, ich war doch immer lieb und artig, ich habe Sport getrieben, ich habe mich vielleicht sogar gesund ernährt. Ich habe über alles nachgedacht. Warum ich, warum nicht jemand anders? Diese Frage, damit muss man ja erst mal umgehen. Das ist so die erste, das ist der Schock.
Wenn man das verdaut hat und gesagt hat, okay, ich bin`s nun mal. Warum? Die Frage hat mir eigentlich nie jemand beantwortet. Aber wenn ich das geschluckt habe und sage, okay, ich hab`s. Es ist dort. Es ist groß. Und es gehört dort nicht hin.

Wir werden ein MRT machen, CT, MRT, dann werden wir mehr wissen. Das dauert ein paar Tage vom CT zum MRT. Das sind schlechte Tage. Da konnte auch ein Dr. Sorge, ein Dr. Mousa oder Dr. Maess nicht sagen, Herr Lomb, das wird schon, das wird wahrscheinlich ein Meningeom sein, das machen wir hier täglich, das nehmen wir raus und fertig ist. Das können die ja nicht machen, weil, das kann ja noch ganz anders verlaufen. Also können die mich da nicht trösten oder mir schöne Bilder für die Zukunft malen.

Insofern ist man in diesen Tagen entweder alleine oder, wie in meinem Fall, hat man Familie. Und in meinem Fall auch noch besonders gut, ich habe meinen Gott, ich bin jetzt auch noch sehr gläubig und sehr christlich. Ich bin also gar nicht allein, sondern habe da immer noch jemanden in petto, wo ich weiß, der meint`s gut mit mir. Das hat mir über diese Tage geholfen, wie über alles.

Außerdem war ich hier schon in dem dritten Punkt irgendwo schon „verhaftet“, weil ich da schon eine gewisse Dankbarkeit empfunden habe, dass ich in diesem Land in dieser Situation geboren wurde. Wäre ich in einem anderen Land geboren worden, wäre ich wahrscheinlich nicht vor der Kneipe gestürzt, sondern irgendwo in der Wüste. Es hätte mich keiner gefunden, es hätte auch keiner ein CT gemacht. Ich wäre gestorben, weil das Ding einfach größer geworden wäre.

Eine tiefe Dankbarkeit macht sich breit, dass ich in so ein Krankenhaus in diesem Land aufgenommen werde. Mit dieser Diagnostik, wo als erstes festgestellt wird: Was hast du?

Dafür muss man erst mal bei der Sinnhaftigkeit sagen: Hey danke, dass es mir so geht, dass ich hier geboren bin, dass das möglich ist. Es ist längst nicht überall so. Aber bei uns! Und da greife ich ein bisschen in diesen dritten Punkt vor, dass man darüber, dass ich das Gefühl schon hatte: Es wird gut.
Weil, es ist jemand da, meine Frau ist nah, mein Gott ist da, der hat ja nie Pause. Es ist, ja, es kümmern sich Leute um mich. Das hat mir geholfen zu verstehen.

Und dann diese Vorhersehbarkeit.
Das, was die Ärzte tun konnten, was ihnen erlaubt ist, ohne rosa Wölkchen an den Himmel zu malen, das haben sie ja getan.

Und dann kam das MRT und dann wurde mir ja gesagt, Tatsache, es ist ein Meningeom, ein frontobasales.
Sie haben ja die Folien gesehen, das ist die WHO I.
Damit war ich schon mal ganz gut gesetzt. Dann sagte mir auch noch, ich weiß nicht mehr, ob es Dr. Mousa oder Dr. Maess war oder Sie sogar (Dr. Sorge), wo der sitzt. Gut, Herr Lomb, den holen wir da raus. Auch wenn der Walnuss-groß ist, aber der sitzt gut.
Puh. Positive Inputs! Mut macht sich breit.
Der saß in diesem Geschmacks-, Geruchs-, in dieser Ecke.

Also wenn der liebe Gott mir gesagt hätte. Nur sieben Sinne und du bist jetzt 54, jetzt hätte ich gerne mal zwei und du kriegst die auch nicht wieder. Ich hätte Riechen und Schmecken genommen.

Also: Ressourcen, Handhabbarkeit
Vielleicht ist das weg. Wir wussten noch gar nicht, ob es ganz weg ist. Vielleicht bleibt es auch, aber das ist das, was passiert. Natürlich kann alles passieren. Ich hatte zu dieser Zeit 30 kg mehr auf den Rippen. Dr. Sorge hat das, höflich wie er ist, angemerkt, vor der Operation. Wie gesagt, dass das, was ich da vor mir her trage, durchaus zu Komplikationen und zu einer längeren Verweildauer im OP führen könnte. Ich hab dran gearbeitet. Aber es ist halt alles nicht vorhersehbar, wie es läuft.

Die nächste Frage, die man sich hier oben stellt oder was man machen sollte, ist ja. Wem sage ich das jetzt überhaupt. Hab ich Eltern, die vielleicht damit überhaupt gar nicht umgehen können, dass die Möglichkeit besteht, dass das Kind von ihnen geht. Wir wissen ja nun wirklich nicht, läuft das rund?

Das muss man sich ja auch mal klar machen, es ist eine OP im Gehirn. Meine hat acht Stunden gedauert. Bei acht Stunden, da kann ja was passieren.

Also, wem sag ich`s, wer kann damit umgehen? Die Frage stellt man sich. Ist es vielleicht verantwortungslos, wenn man Leute damit konfrontiert, wo ich Sorge habe, dass die damit gar nicht umgehen können, wie es mir geht? Andersrum, als es dann bekannt wurde, muss man auch, und das habe ich am Anfang nicht gekonnt, verzeihen können, wenn nicht jeder aus dem Freundeskreis kommt: „Ach, Peter, ich bin bei dir. Und, Peter, du schaffst das, Peter.“ Das kann gar nicht jeder. Das habe ich erst kapiert, als mein Pfarrer bei mir war und ich sagte: „Ich bin ein bisschen traurig. Es kommt so wenig Besuch.“

Da sagte er. „Was haben Sie denn erwartet? Die Leute haben Angst, hierher zu kommen. Die wissen doch gar nicht, wie es Ihnen geht, wie Sie das nehmen. Die haben Angst, dass sie Sie trösten müssen, was sie vielleicht nicht können. Also verzeihen Sie, wenn Sie es den Menschen gesagt haben. Oder wenn es die Runde gemacht hat, müssen Sie den Menschen verzeihen können, die sich nicht um Sie gekümmert haben, weil sie das vielleicht nicht können. Sie wissen das bestimmt viel besser als ich. Aber das kann nicht jeder. Und der, der es nicht kann, der kommt Sie nicht besuchen. Der ruft Sie auch nicht an, weil er Angst davor hat. Verzeihen Sie es! So sind die Menschen. Und so sind wir vielleicht auch. Ich kann das auch sehr schlecht. Wenn ich höre, dass jemand vielleicht todkrank ist, dahin zu gehen und zu sagen, komm, ich nehme dich in meinen Arm, oder so. Ich weiß auch nicht, will er das? Das ist eine Situation, wo ich gelernt habe, nachsichtig zu sein. Das habe ich für wichtig gehalten.“

Meine Familie war bei mir. Meine Mutter hat mit 69 die Diagnose Krebs bekommen. Das blöde Ding saß bei ihr in der Lunge und der hatte gestreut, was das Zeug hielt. Meine Mutter hatte nach der Diagnose noch ein halbes Jahr.
Ich hatte schon Angst.
Aber nachdem ich gesagt bekam, ein Meningeom, ein frontobasales Meningeom, das gut sitzt, so groß wie eine Walnuss ist. Herr Lomb, das holen wir raus. Das war die Phase nach dem MRT, also die drei Tage waren vorbei. Jetzt kam die Phase der Aufklärung im St. Georgs Spital mit Dr Sorge, Dr. Mousa und Dr. Maess. Die sagten, so ist es, das können wir tun, das, was Dr. Sorge vorhin auch gesagt hat. Das ist unser Plan.

Ich fand das ganz witzig, als hätte ich Nein sagen können. Ich hätte ja auch sagen können, Nein, lassen wir mal drin. Nee, quatsch. So lieb, wie er das sagt. Wir stellen Ihnen den Plan vor und natürlich nehmen Sie den Plan an. Was sollte ich tun?

Ja, also ich war trotzdem sehr dankbar, dass mir gesagt wurde, was wird passieren. Und in den Möglichkeiten, die ich hatte, das zu verstehen. Meine Frau hat das besser verstanden als ich, auch mit den 3D-Bildern und so, die hat das viel besser kapiert als ich. Hier sei auch gesagt, ich habe mich am Anfang geärgert, dass ich das nicht so gut kapiere wie meine Frau. Sowieso nicht, wie die Ärzte, was sie mir da vorgemacht haben, wie sie das holen.

Seien Sie nachsichtig mit sich selbst. Sie müssen das nicht verstehen. Es geht um den Erfolg. Die müssen das hinkriegen, was sie Ihnen erzählen. Und dann ist einfach das Vertrauen da. Dass man sagt, okay. Aber ich war froh, dass sie es erklärt haben. Das war viel wert für mich. Und ich habe mich sehr umsorgt gefühlt.

Ich bin deshalb auch voller Mut in den OP gebracht worden und die mussten beide Türen aufmachen, denn ich hatte ja meinen lieben Gott dabei. Wir sind ja immer zu zweit, also sehen Sie es uns nach. Wir haben da ein bisschen mehr Platz gebraucht. Im Krankenhaus wurde schon geschmunzelt, aber es geht mir gut damit.

Ich war auch vor meiner OP noch drei Tage in Wechselburg im Benediktinerkloster und hab noch mal runtergefahren und habe mich mental vorbereitet. Wer das kann, wem das gegeben ist, an diesen Gott zu glauben, dem ist geholfen.

Nach der OP, die gut verlaufen war, hatte ich mir überlegt, meine Handhabbarkeit und die Ressourcen zu überprüfen. Das muss ganz witzig gewesen sein für meine Frau und für Dr. Sorge, der da ausgeharrt hat an meinem Bettchen. Der nach der Sonderschicht dann noch da geblieben ist, um zu gucken, wie ich aufwache.
Und ich hatte mir überlegt, als erstes werde ich anfangen, die Finger und Zehen zu bewegen, um zu gucken, klappt noch alles? Und dann hatte ich mir überlegt, ich habe mir gemerkt die Namen von meinem Patensohn Malte Joel, seine Schwester heißt Luca Patrice und die andere Schwester heißt Nelly Anouk. Das sind keine gewöhnlichen Namen. Sie sehen, die sind schwer. Da habe ich mir gedacht, wenn du wach wirst und die Namen noch kennst, dann ist der Kopf auch noch in Ordnung. Also habe ich als erstes den Namen gemurmelt. Meine Frau wusste davon nichts, Dr. Sorge sowieso nicht. Die waren ein bisschen verwirrt, als ich die Namen murmelte und meine Zehen und Hände bewegte. Aber ich wusste, meine Ressourcen sind da. Ich bin gut wieder gekommen.

Und ich habe dann alles gemacht, was man mir gesagt hat, und wurde nach einer Woche entlassen. Ich hätte Fotos mitbringen können, wie das aussah. Das wollen wir lieber nicht sehen. Nach einer Woche durfte ich raus. Das war sehr schön. Wir hatten Hochzeitstag, meine Frau hatte Geburtstag. Sie hat lecker gekocht.

Und jetzt kam die „Kelle“. Ich aß also meine Lieblingsnudeln mit Rucola und Serrano-Schinken und einer leichten Weißweinsoße. Dazu kredenzte mir meine liebe Frau einen italienischen Weißwein, den ich sehr liebe. Und das schmeckte nach kaltem Zitronensaft mit bisschen Sprudel. Und die Nudeln, selbst Rucola, da war nix.

Ich bin Somelier. Ich bin anerkannter Fachberater für deutsche Weine. Ich habe Restaurantfachmann gelernt. Ich habe gekocht. Ich habe ein eigenes Restaurant gehabt. Ich habe in der Dortmunder Hotelfachschule Betriebswirtschaft studiert. Das war ein großer Teil meines Lebens, der dort weg war.

Ressourcen, was habe ich noch?
Ich kann sehen. Dahinten sitzt mein Freund Maurice, der hat eine ähnliche Krankheit gehabt. Er kann nicht mehr sehen. Es ist nicht so weit weg in dem kleinen Gehirn, wo das Meningeom auch liegen kann. Ich habe dem lieben Gott ja auch gesagt, also, wenn ich zwei Sinne abgeben müsste, dann die beiden. Es ist okay. Ich habe jetzt inzwischen gelernt.
Riechen kann ich gar nicht mehr. Also wenn man mir einen intensiven Geruch unter die Nase halten würde, da passiert nichts. Auch wenn bei mir in der Wohnung das Gas an wäre, ich würde es nicht merken. Es gibt eben auch schlimmen Sachen.
Schmecken kann ich bitter, salzig, sauer, scharf, süß, das ist alles da. Und unser Gehirn hat das Essen gespeichert, das ist schön. Das ist alles „auf der Festplatte“. Wenn ich Leberkäs mit Kraut esse, weiß ich genau, wie das schmecken muss. Ich esse das und mein Hirn sagt mir, wie das schmeckt. Ich denke gar nicht mehr daran, dass ich das nicht mehr weiß. Hey! Nur wenn einer sagt: „Sag mal, schmeckst Du das jetzt gar nicht, oder?“ Dann werde ich kurz traurig, aber nur kurz.
Beim Riechen ist es anders. Das haben wir, ich weiß nicht warum, wir haben das nicht „auf unserer Festplatte“, da war wohl kein Platz mehr dafür. Als ich das erste Mal am Meer gestanden habe und das Meer nicht gerochen habe, da hatte ich Tränchen in den Augen. Das ist nicht schön. Die Geruchsnerven sind weg und die Gerüche sind nicht gespeichert. Ich weiß nicht mehr, wie ein Bärlauchfeld riecht, ich kann das nicht abrufen. Das muss meine Frau versuchen, es mir zu erklären. Und das ist schwer.

Sinnhaftigkeit und Zugehörigkeit sind einfach dort aufgehoben.
Was ich am Anfang schon gesagt habe, eine tiefe Dankbarkeit, dass das, was passiert ist, hier auf Grund verschiedener Faktoren so gelöst werden konnte.
Die medizinische Versorgung. Die Familie, die zu mir gestanden hat. Mein Glaube, der mich gehalten hat. Freunde, die dazu kamen. Auch die Freunde, die nicht dazu kamen (!), die sich einfach nicht getraut haben. Der Riesenkerl, plötzlich ist er so krank. Ja, um Gottes Willen. Der, der immer lustig war, wie mag er wohl jetzt sein? Alles kein Problem. Das kann nicht jeder, da kann nicht jeder kommen. Und dann ist es auch gut so. Verzeihen können.
Aber trotzdem die Sinnhaftigkeit, diese tiefe Dankbarkeit, dass es mir so geht, wie es mir geht. Ich habe ein Ehrenamt gefunden in der Audiodeskription. Ich mache jetzt Bildbeschreibung für Blinde und Sehbehinderte, sehr häufig im Sport und in der Kultur. Von denen kriege ich dann auch was zurück. Also von Maurice, der kocht mal für mich. Der sagt mir, was er gekocht hat und wie es schmeckt. So ergänzen wir uns ganz prima.

Und das ist der Punkt, wo ich sage, damit schließt sich hier das Kohärenzgefühl.
Es ist so, wie es ist. Es ist gut, dass es so gekommen ist.
Wie gesagt, nicht böse sein für alle die, wo es schlimmere Krebsarten sind oder so. Nehmen Sie mir das nicht übel, wenn das ein bisschen flapsig rüberkommt. Ich habe tiefstes Mitleid und tiefste Sympathie.
Ich kann alle unterstützen, wenn sie Fragen haben. Auch ich bin ja noch eine Weile da. Gerne dann oder jetzt auch hier. (Er ergänzt seine Erfahrungen im 4. "Vortrag".)
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!


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Quelle: https://youtu.be/oKyRrnBs9io

(Ich habe das von der Deutschen Hirntumorhilfe e.V. automatisch erstellte Transkript und die originale Rede nahezu unverändert genutzt. KaSy)

4. Antworten auf Fragen der Anwesenden


Frage:  Welche Ursachen gibt es für Hirntumoren?

Dr. Sorge:
Das ist eine Frage, die nicht so einfach beantwortet werden kann. Also, es gibt da viele Dinge. Es gibt erworbene Faktoren. Also das Rauchen für Lungenkrebs, da gibt es einen Zusammenhang. Es gibt aber auch Faktoren, die wir in unserem Körper tragen. Vererbbarkeit. Also auf den Chromosomen, die wir haben, gibt es leider auch Dinge, die nicht so gut funktionieren und da kann es eben sein, dass irgendwann mal ein Chromosom sich nicht so weiterentwickelt, sondern, dass daraus eben auch Krebszellen werden können. Ja, es gibt innere und äußere Ursachen, aber man kann es leider nur so pauschalisiert beantworten.


Frage:  Sie sagen, es wird falsch abgelesen. Warum haben es auch jüngere Menschen bereits? Dann sagen Sie, das ist Vererbung.

Dr. Sorge:
Zum Beispiel ja, also die Erbanlagen spielen da auch noch eine Rolle mit. Also, es gibt direkt vererbbare Erkrankungen. Es gibt auch Erkrankungen, die bei der Geburt, also im neuen Chromosomensatz des Kindes entstehen.
Und es ist natürlich auch so, dass diese Erbanlagen, die wir ja täglich neu in den Körperzellen produzieren, und die ja auch bestimmte Stoffwechselvorgänge machen müssen, die können auch kaputt gehen. Und der Körper hat viele Reparaturmechanismen, um das wieder ganz zu machen. Und das hat man bei den Hirntumoren gesehen. Wenn solche Reparaturmechanismen nicht so gut funktionieren, können dann auch solche Tumoren entstehen. Also, es ist so, dass hat man herausgefunden, dass sich in unserem Körper immer wieder Tumorzellen entwickeln können, die aber durch so eine „Körperpolizei“ wieder neutralisiert werden und dass dadurch so eine Art Gleichgewicht entsteht. Und dann gibt es eben bei dem Patienten ein gestörtes Gleichgewicht, dass die Tumorzellen dann überhand nehmen und gewinnen und nicht wieder im Körper neutralisiert werden können. Vielleicht kann man es so pauschal sagen.


Frage:  Welche neuen Behandlungsansätze gibt es bei den WHO-IV-Glioblastomen? Welche Studien gibt es insbesondere bei den IDH 1 und IDH 2 nicht mutierten Glioblastomen und bei den schwach methylisierten Tumoren? Haben sich die Behandlungsmöglichkeiten in den letzten Jahren mehr oder weniger verbessert? Wie kann man das so einschätzen?

Dr. Sorge:
Vielen Dank für die Frage. Sie haben sich ja wirklich intensiv mit der Thematik beschäftigt. Aber leider ist das Glioblastom nach wie vor doch mit einer sehr schlechten Prognose behaftet. Deswegen versucht man immer, andere Therapiemöglichkeiten zu finden.
Das Standardschema ist die Operation, die Strahlentherapie und die Chemotherapie mit dem Temozolomid.
Nach der Operation werden bestimmte Prognosefaktoren bestimmt oder ermittelt. Das eine ist im Prinzip das IDH. Das andere ist der Methylierungsfaktor. (siehe 1. Vortrag) Das MGMT ist auch so ein Reparaturenzym, was da nicht so gut funktioniert. Und wenn diese beiden mutierten Varianten nachgewiesen worden sind, hat man mit einer Chemotherapie eine bessere Ansatzmöglichkeit als bei denen, die eben nicht diese Mutationen haben. Also bei diesen sogenannten „Wildtyp“-Tumoren sind diese Behandlungen eingeschränkt. Also die meisten Chemotherapien zielen eben auf diese Mutationen.
Man versucht es mit Kombinationsmechanismen, also dass man das Temozolomid mit dem Lomustin bei dem Glioblastom kombiniert.
Oder dass man in Studien das Bevacizumab einsetzt.
Eine Studie habe ich erwähnt, wo wir während der Operation direkt die Bestrahlung einsetzen, bevor sich die Zellen wieder geteilt haben, und dann erst eine Strahlentherapie von außen einsetzt.
Im einzelnen kann Ihnen die Deutsche Hirntumorhilfe helfen, die haben so eine Auflistung von diesen Studien.
Eine Studie habe ich nur als Bild gezeigt, aber nicht erläutert, das sind diese Vakzin-Studien, diese Antikörper-Studien, die gibt es, da müssten Sie aber nachfragen.


Frage:  Ich habe jetzt seit vielen Jahren diese MRT-Untersuchungen gemacht und Sie haben gesagt, wenn man regelmäßig die MRT-Untersuchungen macht, dass dann dieses Kontrastmittel irgendwo angreifen kann. Von den Praxen wird dann gesagt, na ja, alle zwei Jahre sollte man es mit Kontrastmittel machen. Ist das schlimm oder ist das nicht schlimm?

Dr. Sorge:
Wenn man über viele Jahre ein MRT benötigt, dann machen wir das im Einzelfall immer davon abhängig, wie sieht der Tumor oder der restliche Tumor im MRT aus. Wenn man ihn gut einschätzen kann, dann muss nicht bei jeder MRT-Untersuchung ein Kontrastmittel gegeben werden, sondern nur alle zwei oder drei Untersuchungen. Wichtig ist für uns ein stabiler gesundheitlicher Zustand, das heißt, keine neuen neurologischen Auffälligkeiten. Und dann ein MRT, das im Vergleich zum vorigen MRT mit Kontrastmittel identisch aussieht, da verzichten wir auf das Kontrastmittel und auch viele Praxen sagen, wir geben ihnen das Kontrastmittel dann, wenn wir in der Untersuchung ohne Kontrastmittel irgendwas Neues gesehen haben. Das ist zumindest die bessere Variante, als wenn man dann über viele Jahre dieses Kontrastmittel bekommt.

Ja, das kann man (der Patient) natürlich alles ansprechen, dass man zwischen dem ersten MRT ohne Kontrastmittel sagt, ich (der Patient) möchte gerne nach dem MRT noch mal mit Ihnen (dem Radiologen) reden. Und wenn Sie sagen, wie sieht es denn aus? Und die (Radiologen) sagen also, ich sehe jetzt zum Vorjahr keinen Unterschied, dann kann man (der Radiologe und Patient) durchaus auch auf das Kontrastmittel verzichten. Das muss man (der Radiologe) aber immer individuell entscheiden.
Das kann jetzt nicht so als Pauschale gelten lassen, aber wir machen es bei unseren Patienten so.


Frage:  Bei meiner letzten MRT-Kontrolle wurde vorher eine Röntgen-Untersuchung gemacht und nach dem MRT nochmal eine Röntgen-Untersuchung. Sie sagten dort, da könne sich vielleicht irgend etwas verschieben und damit können irgendwelche Ausschlüsse gemacht werden oder damit sich keine Regressforderungen oder so anschließen können, keine Ahnung. Jedenfalls wurde davor und danach geröntgt, und das fand ich nicht so gut.

Dr. Sorge:
Im MRT ist ja ein sehr starkes Magnetfeld, das dort aufgebaut wird. Und wenn man dort irgendwelche Metalle im Körper hat, darf man das MRT nur unter diesen Umständen machen, dass es nicht zu einer Erwärmung im Körper führt oder dass es sozusagen auch nicht dazu führt, dass das Metall im Körper verrutschen kann. Das kann ja durchaus in so einem Magnetfeld passieren.
Wir setzen ja zum Beispiel auch solche Ableitungssysteme ein. Und diese Ableitungssysteme werden vom Hersteller geprüft. In den meisten Fällen halten alle diese Ableitungssysteme 1,5 Tesla aus. Besonders ausgewiesen ist es, wenn es ein 3 Tesla-MRT ist.
Also in der Regel ist es so, dass die meisten MRTs in Leipzig bis zu 3 Tesla gehen. Man kann aber auch vorher fragen, was für eine Feldstärke eingesetzt wird. Denn man muss ja auch in dieser Einverständniserklärung zum MRT ausfüllen, dass man so ein Implantat trägt, welches metallisch ist. Und da gucken sie (die Radiologen) schon nach, was haben sie (in der Praxis) für ein System. Die Patienten haben ja so einen Ausweis, wo drauf steht, was es für ein Inhaltsstoff ist. Und wenn die (Radiologen) dann sagen, okay, es ist bedenkenlos machbar, dann wird das MRT durchgeführt.
Ansonsten haben wir auch schon Anrufe bekommen und die MRT-Leute haben gesagt, wir haben jetzt einen Patienten von Ihnen, der hat ein Implantat eingesetzt bekommen. Können wir das MRT durchführen? Dann gucken wir in den Krankenberichten nach und dann steht meistens drin, dass es ein Präparat ist, was man im MRT nehmen kann. Die meisten Implantate, die man heutzutage einsetzt, außer dem Herzschrittmacher oder dem Hirnstimulator, sind eigentlich MRT-kompatibel. Im Zweifelsfall muss man immer noch mal miteinander reden.
Zwischenfrage derselben Patientin:  Ich denke doch, dass es kompatibel ist. (Es bleibt unklar, ob sie ein Ableitungssystem eingesetzt bekam.)
Dr. Sorge:
Mit dem Röntgenbild, was Sie erwähnt haben, da guckt man, ob sich das Ventil verstellt hat. Es gibt ja solche verstellbaren implantierten Ventile und die verstellen sich im MRT naturgemäß. Das passiert leider.
Und deswegen machen wir das immer so, dass die Patienten von uns zu uns in die Sprechstunde kommen, am nächsten oder am übernächsten Tag. Wir haben da so eine Kontrolleinheit, die man drauf hält. Also, wir müssen bei den Patienten bei uns kein Röntgenbild machen, sondern wir halten die Kontrolleinheit drauf und wir können dann die sogenannte Einstellung überprüfen. Und dann können wir die Korrektur wieder vornehmen, falls es sich verstellt hat. Das können wir bei unseren Patienten machen.
Aber es gibt so viele verschiedene Ventil-Einheiten, da kann man nicht alle Kontrollgeräte dafür vorhalten. Und deswegen machen wir, wenn wir Patienten von einer anderen Einrichtung notfallmäßig untersuchen, auch mal ein Röntgenbild, um zu gucken, wie die Einstellung dieses Ventil-Systems ist. Da gibt es im Internet solche Tabellen, da kann man das dann gut ablesen.


Frage:  Röntgenstrahlen sind doch schädlich?

Dr. Sorge:
Naja, Röntgenstrahlen sind ja leider auch nicht gesund. Also ab einer bestimmten Menge, die man bekommt, kann man auch durch Röntgenstrahlen Krebs auslösen. Das haben wir ja gerade besprochen, aber danke für die Frage.


Frage:  Welche Ergebnisse gibt es bezüglich Vitaminen, konkret Vitamin C, und Glioblastomen?

Dr. Sorge:
Also, die Antwort muss ich schuldig bleiben. Vitamine sind auf jeden Fall extrem wichtig, aber jetzt speziell der Einfluss des Vitamin C auf das Glioblastom, da habe ich keine Studie parat, deren Ergebnis ich präsentieren kann. Ich weiß nur, dass es auch Überdosierungen von Vitamin C gibt, die man auch beachten muss.


Frage:  Mistel kann bei Hirntumoren Hirnschwellungen auslösen, wissen Sie etwas darüber?

Dr. Sorge:
Die Misteltherapie wird ja bei der Krebstherapie eingesetzt. Wir selber haben jetzt erfreulicherweise keinen Patienten gesehen, der durch eine Misteltherapie direkt eine Hirnschwellung oder ein Hirnödem entwickelt hat. Aber dieses kann man natürlich medikamentös behandeln, wenn es auftritt.


Frage:  Wie häufig kommt es vor, dass ein Tumor nicht operativ entfernt werden kann, da er sich im Bewegungszentrum des Gehirns befindet? Gibt es da irgendwelche Statistiken?

Dr. Sorge:
Also, es gibt ja verschiedene Tumorarten. Sagen wir mal so, ich fange erst mal mit dem Positiven an.
Die Meningeome zum Beispiel, die sich im Bewegungszentrum oder im Sprachzentrum befinden, kann man vollständig entfernen, ohne dass die Sprache oder die Bewegung gefährdet sind. Es gibt ein gewisses Risiko bei der Operation, das liegt aber unter 2 %, dass man dort eine dauerhafte Störung haben kann.
Es gibt aber auch Meningeome, die (so liegen), dass man Anteile des Tumors zurück lassen muss. Aber das sind nur ganz geringe Teile und das ist auch sehr selten.
Bei den anderen Tumoren, den sogenannten Gliomen, über die wir heute schon geredet haben, diese Gliome sind Tumoren, die sich sozusagen inflatorisch zwischen den gesunden Zellen entwickeln. Und da ist es gefährlich. Das stimmt, dass man die nicht vollständig entfernen kann.
Es gibt aber keine Prozentzahlen, die man nennen kann, soundsoviel Prozent der Tumore wachsen im Bewegungszentrum.
Sondern man kann nur pauschal sagen, wenn sie dort wachsen, dann kann man eigentlich diese Tumoren zu mindestens 50 % entfernen. Mit der Möglichkeit, das per Sprachmonitor, also beim wachen Patienten, zu operieren, und mit der Hilfe dieser Überwachungsmethoden, die ich genannt habe. Also um 50 % lassen sich diese Tumoren reduzieren, und die anderen 50 % zum großen Teil.
Da hatte ich gesagt, dass man Gewebe zurück lässt, auch unter der Maßgabe, dass eben diese Funktion nicht beeinträchtigt werden darf.
Das hatte ich noch nicht gesagt. Kommt es durch eine Operation zu einer Funktionsstörung, also zu einer Sprachstörung oder zu einer Bewegungsstörung, also einer Lähmung, die das Laufen nicht mehr ermöglicht, dann versterben mehr Patienten, als wenn man diese Einschränkung nicht hat, und zwar nicht an dem Tumor an sich, sondern an den Begleiterkrankungen, die man dann entwickelt. Sturz oder nicht mehr kommunizieren, man zieht sich zurück. Also solche Dinge muss man auch mit berücksichtigen.

Deswegen gilt immer das Gesetz „Funktionserhalt geht über die Vollständigkeit der Entfernung eines Tumors!“


Herr Lomb:
Herr Lomb hat sich so schön an der Folie entlang gehangelt, dass er eine wichtige Sache vergessen hat, die ich wirklich allen mit auf den Weg geben möchte. Ich habe natürlich auch die Möglichkeit der Rehabehandlung genutzt. Ich habe also direkt nach der OP eine Reha in Bad Lausick gemacht, wo es eigentlich darum geht, körperlich wieder zurückzukommen. Nehmen Sie alles mit, was Sie kriegen können! Und danach hat mir die Neurologin gesagt, als ich dann wieder einsteigen wollte zu arbeiten, dass sie das als Medizinerin besser entscheiden kann und nicht ich als Betriebswirt. Und sie hat mich in die „kognitive Neuropsychiatrie“ der Uniklinik Leipzig geschickt. Da war ich vier Wochen und in diesen vier Wochen habe ich so viel gelernt über das Sprachzentrum, über mein Kurzzeitgedächtnis, Langzeitgedächtnis, was ich wo abspeichern soll, damit ich wieder besser werde. Denn das hatte alles doch schon ein bisschen gelitten. Also, das kann ich nur jedem empfehlen. Nehmen Sie an Reha mit, was Sie kriegen können! Nehmen Sie es Ernst! Steigen Sie ein in die Möglichkeiten, die Ihnen dieses Land und dieses Gesundheitssystem bietet. Und nehmen Sie alles mit! Das hat mir unglaublich geholfen. Ich bin zutiefst dankbar dafür.


Dr. Sorge:
Vielen Dank für den wertvollen Beitrag!
Das ist wirklich so, dass man erst mal wahrscheinlich, wenn man entlassen ist und zu Hause ist, erst mal so Einschränkungen bekommt, die man im Krankenhaus nicht braucht. Vieles wird einem abgenommen. Vieles wird für einen getan. Und zu Hause merkt man erst mal, dass man nicht mehr drei Treppen steigen kann oder, dass einem der Einkaufszettel fehlt, dass man viele Dinge vergisst.
Also solche Dinge, die Sie (Herr Lomb) da sagen und die die Rehabilitationseinrichtungen machen, das sind keine pauschalen Rehas, sondern es wird immer angepasst an die Ausfälle, die man hat, oder an die Einschränkung, die man hat. Und danach wird auch das Behandlungskonzept ausgerichtet, in Richtung körperlicher Ertüchtigung, in Richtung seelischer Gesundheit und auch in Richtung auch auf die weitere Lebensgestaltung. Also das ist wirklich eine sehr sinnvolle Maßnahme.

Vielen Dank, dass Sie gekommen sind. Mir hat diese Veranstaltung wieder sehr viel gegeben. Wir werden sie im nächsten Jahr wiederholen. Vielen Dank auch an die Referenten und an die Hirntumorhilfe. Bleiben Sie gesund und kommen Sie gut nach Hause.


(Das kursiv gedruckte stammt von mir. KaSy)
Wenn man schon im Müllkasten landet, sollte man schauen, ob er bunt angemalt ist.

Der Hirntumor hat einen geänderten und deswegen nicht weniger wertvollen Menschen aus uns gemacht!

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Welt-Hirntumortag 2022 -  Veranstaltung vom Klinikum St. Georg Leipzig am 27.06.2022

Problem im Kopf - Das Leben mit der Diagnose Hirntumor


Quelle: https://youtu.be/oKyRrnBs9io


Folie 1

Hirntumoren

Häufigkeit:
2 % aller Tumorerkrankungen

2 Altersgipfel:
- Kinder
- Erwachsene zwischen 50 und 70 Jahren

Bösartige Hirntumoren:        ca.    7000 / Jahr
Brustkrebs                              ca.  70000 / Jahr
Darmkrebs                              ca.  60000 / Jahr
Lungenkrebs                          ca.  50000 / Jahr

Gesamt                                  ca. 480000 / Jahr


Folie 2

Tumoridentifizierung, „Histologie“

Gewebeart                                          tumortypisches Muster, z.B. Meningeom
Gewebebestandteile                           Zellkern; Zellteilungsrate; abgestorbene Bestandteile; usw.
                                                  ==>  Wichtig für den WHO-Grad

Molekulargenetische und
Immunologische Untersuchungen      Chromosomenveränderungen; Enzyme; usw.
                                                   ==>  Neue WHO-Klassifikation der Hirntumoren 2021


Folie 3

Was ist neu ?

Mutationen in den Isocitratdehydrogenase (IDH)-Genen 1 und 2
spielen eine entscheidende Rolle bei der Klaasifikation von Gliomen

IDH-mutiertes Glioblastom heißt jetzt Astrozytom, IHD-mutiert, ZNS-WHO-Grad 4

Gliome ohne IDH-Mutation mit verschiedenen anderen möglichen Mutationen oder Chromosomenveränderungen heißen jetzt Glioblastom; IDH-Wildtyp, ZNS-WHO-Grad 4

Oligoastrozytome gibt es nicht mehr

Oligodendrogliome haben Veränderungen in den Chromosomen 1 und 19

Neue Gliome vom pädiatrischen Typ, vorkommen bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen,
abgrenzend von Gliomen beim erwachsenen Typ

„Gliomatosis cerebri“ gibt es nicht mehr, jetzt „diffuse Gliome“


Folie 4

Am Anfang steht die Operation ...

Ziele:
Gewebeuntersuchung
Beseitigen der Lebensgefahr
möglichst vollständige Tumorentfernung
Symptomverbesserung
möglichst keine Verschlechterung der Lebensqualität
Minimale Invasivität und maximale Sicherheit!


Folie 5

Prinzipien der modernen operativen Neurochirurgie
Mikrochirurgie / Neuroendoskopie
Minimal-invasive Tumorbiopsie
Intraoperatives Neuromonitoring
Wachoperation
Intraoperative Bildgebung
Navigation
Intraoperative Tumormarkierung


Folie 6

Die Navigation
Präzise Planung
Darstellen wichtiger Regionen im Gehirn
Ermöglicht minimal-invasive Operationen
Grundlage für eine vollständige Tumorentfernung
Dokumentation der Operation


Folie 7

Nach erfolgter Operation

Je nach dem Ergebnis der Gewebeuntersuchung werden weitere Behandlungen notwendig sein

Gutartige Tumore                                                   Bösartige Tumore
meist WHO Grad 1 und 2                                       WHO Grad 3 und 4

Selten Bestrahlung oder                                         Bestrahlung
Chemotherapie                                                       Chemotherapie
                                                                               Ggf. ergänzende
                                                                               Weiterbehandlungen

Rehabilitation                                                          Rehabilitation
Neuroonkologische ambulante                                Neuroonkologische ambulante
Nachsorge mit MRT-Verlaufskontrollen                     Nachsorge mit MRT-Verlaufskontrollen


Folie 8

Neue Leitlinie des Glioms 2021

Diffuses Gliom Grad 2

Die European Organisation for Research and Treatment of Cancer (EORTC) – 22033 – Studie zeigte im Vergleich einer Chemotherapie mit Temozolomid und einer Radiotherapie keine Unterschiede im progressionsfreien oder im Gesamtüberleben bei Patienten mit behandlungsbedürftigen diffusen Gliomen des WHO Grades 2 (Baumert et al 2017)

Die Radiation Therapy Onkology Group (RTOG) – 9802 – Studie zeigte für Patienten mit behandlungsbedürftigen diffusen Gliomen des WHO Grades 2 eine Überlegenheit einer Radiochemotherapie mit Procarbazin, CCNU (Lomustin) und Vincristin (PCV) gegenüber einer alleinigen Radiotherapie (Buckner et al 2016).


Folie 9

Neue Leitlinie des Glioms 2021

Glioblastom

In der National Cancer Institute of Canada (ICIC) CE.6/EORTC-28062-Studie war eine hypofraktionierte Radiochemotherapie mit Temozolomid und bis zu 12 Erhaltungszyklen Temozolomid einer alleinigen Radiotherapie in der Primärtherapie von älteren Patienten mit Glioblastom überlegen.

Möglicherweise verlängert eine Therapie mit Lomustin zusätzlich zu einer Radiochemotherapie mit Temozolomid das Überleben von Patienten mit MGMT-Promotor-methylierten Glioblastomen in der Primärtherapie (Herrlinger et al 2019)

In der Rezidivtherapie des Glioblastoms zeigt eine Kombination aus Bevacizumab und Lomustin einen Zugewinn an progressionsfreier Überlebenszeit ohne Verlängerung der Gesamtlebenszeit Wick et al 2017)


Folie 10

Neue Leitlinie des Glioms 2021

Glioblastome  Allgemeine Empfehlungen

Eine Standardradiochemotherapie sollte in der Regel bei Patienten bei normalfraktionierter Radiotherapie (außerhalb der Situation bei älteren Patienten) von 6 Zyklen einer Temozolomidchemotherapie gefolgt werden.

Die Fortsetzung derselben tumorspezifischen Therapie über ein bestätigtes Wieder- oder Weiterwachsen eines Glioblastoms hinaus ist nicht evidenzbasiert. Dies gilt für Bevacizumab, elektrische Wechselfelder und Temozolomid in einem der alternativen Dosierungsschemata.

Experimentelle Behandlungsverfahren sollten trotz der schlechten Prognose vieler Patienten mit malignen Gliomen, insbesondere Glioblastomen, nur in Studien umgesetzt werden.


Folie 11

Weitere Therapien / Ausblick


Studien, Laborversuche, erste klinische Anwendungen
Spezielle Bestrahlungsformen:
- Protonenbestrahlung
- CYBER-Knife
- GAMMA-Knife
Immuntherapie:
- Antikörper
Virustherapien:
- Onkolytische Viren
INTRAGO-Studie:
Intraoperative Bestrahlung von neu diagnostizierten Glioblastomen Multicentre-Studie, an der die Kliniken für Neurochirurgie und Strahlentherapie / Radioonkologie teilnehmen


Folie 12

Weitere Therapien / Ausblick

Behandlung mit elektromagnetischen Feldern
„Tumor Treating Fields“ (TTF)

Randomisierte Studien beim Glioblastom (EF-11 mit n=237 und EF-14 mit n= 695)
EF-14 ergab für die zusätzliche Erstlinientherapie mit TTFields ein um 4,9 Monate verlängertes Überleben, für die Rezidivtherapie nicht.

Schwäche der Studie
- keine Verblindung
- Einschluss erst 3,8 Monate nach der Erstdiagnose
- Einfluss der regelmäßigen Hausbesuche bei TTF-Patienten („intensive Nachsorge“) auf das progressionsfreie und Gesamtüberleben
- Bewertung der Lebensqualität

Daher neue randomisierte kontrollierte Doppelblindstudie gefordert


Folie 13

Weitere Therapien / Ausblick

Cannabidiol bei Glioblastomen

Cannabidiol converts NF-xB into a tumor supressor in glioblastoma with defined antioxidative properties
(…?... 2021 Nov …?   )
https://pubmed.ncbi.ntm.nih.gov/33864076 (?)

Nabiximols ist ein cannabidiolbasiertes Fertigarzneimittel, das das Cannabinoide DElta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) in einem definierten Verhältnis entält. Die Anwendung erfolgt als Oromukosalspray. Nabiximols wird bei Patienten mit multipler Sklerose zur symptomatischen Behandlung von Spastik eingesetzt und hat Effekte bei Patienten mit chronischen neuropathischen Schmerzen.

In einer deutsch-chinesischen Kooperation zwischen der TU München und der Medizinischen Hochschule Zunyl (?) konnte ebenfalls nachgewiesen werden, dass CBD als tumorhemmendes Präparat wirkt.


Folie 14

Weitere Therapien / Ausblick

Cannabidiol bei Glioblastomen

Studienbezeichnung … 2021 Feb ...

Phase 1b Studie an 21 Patienten

Nabiximolsgruppe, Placebogruppe

Symptome:
- Müdigkeit
- Schwindel
- Übelkeit
- Kopfschmerz

Stabile Krankheit in beiden Gruppen über 6 Monate bei 33 %

Einjahresüberleben:
- CBD-Gruppe  83 %
- Placebogruppe  44 %  (O = 0,042 %)


Folie 15

Die Nachbehandlung

1. Neurochirurgische Sprechstunde
2. Spezialambulanzen, z.B. Gemeinsame Sprechstunde Neurochirurgie und Strahlentherapie

Kontakt:
Tel.:  0341 909 3719
Fax:  0341 909 3717
email: Neurochirurgie@sanktgeorg.de

Tumorberatungsstelle St Georg:  Haus 56 im Klinikgelände


Folie 16

Nicht jeder Tumor ist bösartig

Durch moderne Behandlungsverfahren
- hat sich die Prognose vieler Hirntumoren verbessert
- ist das Risiko bleibender Schäden für die Gesundheit reduziert

Die Therapie wird durch ein interdisziplinäres Ärzteteam durchgeführt

Durch regelmäßige Nachkontrollen wird ein Wiederwachsen des Tumors frühzeitig erkannt


Folie 17 (Dipl.-Psych. Fabian Schmidt)

Lebensorganisation und Erhaltung psychischer Gesundheit

Salutogenese (A. Antonovsky)

Verstehbarkeit, Vorhersehbarkeit
Handhabbarkeit, Ressourcen
Sinnhaftigkeit, Zugehörigkeit
==> Kohärenzgefühl  (soc = sense of coherence)


KaSy
Wenn man schon im Müllkasten landet, sollte man schauen, ob er bunt angemalt ist.

Der Hirntumor hat einen geänderten und deswegen nicht weniger wertvollen Menschen aus uns gemacht!

 



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