Hallo, Stefan0303,
Natürlich glaubt man den Ärzten, wenn sie einem sagen, dass der Tumor im Kopf schon immer da war und mit den Kopfschmerzen nichts zu tun hat.
Sind sie nach der OP eigentlich geringer geworden? Es gibt etwa 100 Ursachen für die verschiedenen Kopfschmerzarten und die meisten haben keinen Hirntumor als Ursache.
Nach 3 Jahren war der Tumor ja auch nicht gewachsen, aber Dein Symptom "Spannungskopfschmerz" bestand noch weitere 14 Jahre.
Nun fand die OP statt und eine Bestrahlung mit Protonen sollte dem verbliebenen Rest an seiner weiteren Größenzunahme hindern.
Der Rest wurde von Deiner Neurochirurgin (NC) verantwortungsbewusst im Kopf belassen, weil sie sonst in irgendwelche wichtigen Funktionsbereiche eingedrungen wäre. Sie ist davon ausgegangen, dass sie den Tumor soweit wie möglich entfernen wird, jedoch ohne zusätzliche Schäden zu erzeugen. Das bedeutet auch, dass sie davon ausgeht, dass Du ein normal langes Leben haben wirst.
Nun ist durch die Untersuchung des entnommenen Tumormaterials festgestellt worden, dass es sich um ein Oligodendrogliom handelt. Das ist ein Tumor, der nicht abgekapselt, sondern "invasiv" wächst, das heißt, seine Zellen dringen zwischen die gesunden Gehirnzellen ein. Dort hätte Deine NC gesundes Hirngewebe entnehmen müssen, was sie nicht wollte. Deswegen wurde die Bestrahlung empfohlen und Du hast sie auch durchgezogen.
Der WHO-Grad II bedeutet, dass es ein etwas schnelleres Wachstum geben könnte. Ob die Bestrahlung wirklich alle Tumorzellen erreicht und deren DNA im Zellkern so sehr gestört hat, dass keine einzige Zelle mehr übrigbleibt, um zu einem neuen Tumor, also einem Rezidiv, heranzuwachsen, weiß weder Dein Strahlentherapeut noch Deine NC.
In den letzten 5-7 Jahren wurde festgestellt, dass Oligodendrogliome vermehrt dazu neigen, Rezidive zu bilden, wenn sie nur operiert wurden.
Demzufolge wurde empfohlen, gleich bei der ersten Therapie die komplette Kombination aus OP, Bestrahlung und Chemotherapie durchzuführen.
Deine genetische Tumorvariante (IDH-mutiert und Mutationen auf den Chromosomen 1p und 19q) spricht auf eine Chemotherapie gut an. Gezielt dafür wurde die PCV- Chemotherapie entwickelt.
Sie scheint "härter" zu sein, als die bisher übliche Temozolomid- Chemotherapie, die seit mehr als 15 Jahren bei anderen Hirntumorarten, leider nicht immer erfolgreich, eingesetzt wird.
Aber immerhin gibt es derartige Medikamente, die die Blut-Hirn-Schranke überwinden, und die PCV- Chemotherapie wurde genau für Deine Tumor-Mutation entwickelt. (Ein Hoch auf die Genanalyse!)
Sie kann zu Hause eingenommen werden. Blutkontrollen sind regelmäßig erforderlich. Wenn die Blutwerte zu schlecht sind, wird abgewartet oder (bei Dir vermutlich nicht) gegengesteuert. Geplant sind sechs Zyklen. Geschafft werden sie nicht von allen Patienten. Dann genügen auch weniger Zyklen.
Das "V" (Vincristin) wird zunächst auch gegeben, wird aber oft schlecht vertragen und dann abgesetzt, was man in Absprache mit dem Onkologen im Interesse der eigenen künftigen Gesundheit machen kann und sollte.
Du schreibst, dass Du Dein Leben lang keine Medikamente genommen hast. Wenn man gesund ist, ist das gut. Aber ein Hirntumor ist nun mal unbehandelt eine sehr schwere Krankheit, die zu schweren neurologischen Beeinträchtigungen und auch zu epileptischen Anfällen führen kann. Und da Du die OP und die Bestrahlung durchgezogen hast, dann lass auch die Chemotherapie noch folgen. Ansonsten könntest Du zu denjenigen gehören, die ein Rezidiv bekommen und die ganze Prozedur geht unter schlechteren Bedingungen von vorne los.
Ehrlicherweise weiß niemand, ob gerade Du es bist, der ohne Chemotherapie ein Rezidiv bekäme, aber es weiß auch keiner, ob die Chemotherapie Dich auf Dauer vor einem Rezidiv bewahrt. Was Du jetzt dagegen tun kannst, das tu.
In diesem Forum habe ich unter "Sonstiges" --> "Termine" eine Veranstaltung mit der Deutschen Hirntumorhilfe e.V. im St. Georg Klinikum Leipzig beschrieben. Im Vortrag des Neurochirurgen kommt genau Dein Problem vor, lies mal nach.
Dieser Verein hat auch ein Forum
www.hirntumorhilfe.de . Dort beschreibt u.a. "Mego13" ihre umfangreichen Erfahrungen als Oligodendrogliom-Patientin mit PC- Chemotherapie und sie gibt enorm viele Tipps zur Ernährung und welche Blutwerte kontrolliert werden und bei Bedarf durch bestimmte Mittel ausgeglichen werden können. Sie verschweigt auch ihre gesundheitlichen Folgen nicht, die für sie individuell sind und auf viele nicht zutreffen.
Ich hoffe, dass sich hier Oligodendrogliom-Betroffene melden, die auch diese Chemotherapie durchgeführt haben.
Ich selbst habe keine persönlichen Erfahrungen. Ich habe mir als WHO-III-Meningeom- Patientin seit 1995 bis heute über viele Jahre dieses Wissen angeeignet.
Gegen Meningeome gibt es keine Chemotherapie und so habe ich viele OPs und drei Bestrahlungs-Serien hinter mir.
Nimm die dritte Therapiemöglichkeit an, zieh das jetzt durch, auch wenn es schwer wird. Pass dabei gut auf Dich auf, geh möglichst jede Woche zu Arzt und dränge auf regelmäßige Kontrollen aller (!) erforderlichen Blutwerte. Es geht um die Vermeidung des Rezidivs und Deine künftige Gesundheit mit möglichst derselben guten Lebensqualität, die Du bisher hattest.
(Das soll jetzt keine Aufforderung sein, es ist ein wirklich gut gemeinter Rat.)
KaSy