Hallo Jolina, hallo Janine, hallo alle anderen,
ja, ich bin froh, dass mein Vater nun nicht mehr leiden muss. Die einzige Frage, die sich mir immer wieder stellt, ist warum er mit knapp 61 Jahren sterben sollte.
Aber auch darauf werde ich eines Tages eine Antwort fnden.
Die letzten Wochen waren definitiv kein wünschenswertes Leben mehr für ihn, für uns.
Wir hatten knapp ein Jahr Zeit, uns zu verabschieden seit der Diagnose Ende August. Es war eine schlimme, aber auch eine schöne Zeit, da wir viel miteinander unternahmen und es meinem Vater schön machen wollten. Ich glaube er hat noch fast bis zum Schluss gedacht, er würde den Kampf gewinnen und den Krebs besiegen, im Gegensatz zu uns. Aber auch das war gut, so hat er nicht so schnell aufgegeben.
Janine, Du hast nach dem Endstadium gefragt.
Danach hat mein Vater auch immer wieder gefragt. Es ist recht ähnlich wie bei den anderen, wenn ich das so verfolge:
Wie Du weißt, starb er Donnerstag vor einer Woche, am 14.07.05
Noch vor vier Wochen (25/26.06) konnten wir ihm im Rollstuhl durch die Gegend schieben (laufen ging nicht mehr, wegen halbseitiger Lähmung links), er aß mit uns und sprach mit uns und schlief ansonsten viel.
Vor drei Wochen (2/3.07.05) bekam er zwei heftige epileptische Anfälle hintereinander (er hatte ca 1mal pro Woche einen zum Ende hin), die ihn total niederwarfen.
Ab da stand er nicht mehr auf und lag nur noch im Bett. Zum Glück hatte er schon einen Katheter.
Vor zwei Wochen dann (9/10.07), hörte er auf zu sprechen und schaute einen nur noch an. Er schlief immer mehr. Die einzige Reaktion kam über den Händedruck. Ab und an kamen einzelne Sätze aus ihm raus.
In den letzten vier Tagen seines Lebens (11. - 14.07) dann litt er morgens und abends unter hohem Fieber (bis zu 40 Grad), Zäpfchen und kalte Umschläge halfen kaum.
Er schlief nur noch ganz fest (das nennt man dann Koma) und machte die Augen kaum noch auf. Die Atmung wurde immer lauter.
Er war nicht mehr weckbar am vorletzten Tag seines Lebens und aß nicht mehr. Wenn man ihm etwas zu trinken geben wollte, hustete er, da er nicht mehr schlucken konnte. Den Händedruck konnte er nicht mehr erwidern, die Hand lag schlaff da.
Wichtig ist, dass man den Mund feucht hält, mit Wattestäbchen und einem Getränk, das der Patient gern mag. Ich gab ihm ein bisschen Bier :-)
Auch kleine Eiswürfelchen sind angenehm im Mund. Wir wuschen ihn, auch nachts mit einem kühlen Lappen, damit er nicht so schwitzte.
Am Donnerstag, dem 14.07., als er dann gegen abend starb, hatte mein Vater diese laute Rasselatmung. Ich höre sie noch ganz deutlich in meinen Ohren. Durch das ganze Haus hörte man dieses laute Atmen.
Dann kam für 5 Minuten diese Schnappatmung, die wohl immer am Ende einsetzt. Ich kann sie nicht beschreiben, wer sie erlebt, der weiß wovon ich spreche.
Dann öffnete er seine blauen Augen, sie waren voller Angst. Wir redeten ihm gut zu, er sah uns einfach nur an, atmete schnappend noch einmal, dann war Ruhe. Noch ein Schnapper kam etwas verzögert und dann war er für immer still. Von einer Sekunde auf die andere entspannten sich seine Gesichtszüge.
Er wirkte plötzlich wieder so hübsch und jung wie vor seiner Krankheit, aller Schmerz schien von ihm gefallen.
Unser Palliativarzt riet uns übrigens sowohl von Abpumpen der Lunge als auch von einer Magensonde ab.
Ich muss dazu sagen, dass mein Vater in den letzten Monaten vom ambulanten Palliativ- und Hospizdienst in Niedersachsen betreut wurde.
Bei Interesse gebe ich die Kontaktadresse bekannt.
Ich bin sehr froh, dass wir so gut durch den Arzt und die Schwestern, sowie einen ganz tollen freiwilligen Helfer betreut wurden, insbesondere in den letzten Tagen.
Sie haben uns auf das Sterben zuhause bestens vorbereitet und waren Tag und Nacht für uns da.
Wir haben jede vermeintlich lebensverlängernden Maßnahmen in den letzten vier Tagen abgelehnt, nur noch Flüssigkeit über den Tropf gegeben und Schmerzmittel, Morphiumpflaster.
Kein Antibiotika mehr, kein Cortison, keine künstliche Ernährung. Der Arzt erklärte uns, dass ein Glio Patient daran stirbt, dass sämtliche Funktionen im Gehirn kapitulieren, und nicht an Unterernährung oder weil die Lunge nicht abgepumpt wurde. Diese Maßnahmen würden das Leiden nicht lindern, sondern ggfs. nur verlängern.
Alles in allem war es gut, dass wir auch bei seinem Sterben dabei waren, auch wenn ich jetzt im Nachhinein merke, dass ich an dieser heftigen Erfahrung noch lange zu knabbern haben werde. Und es war schön, dass er zuhause sterben konnte, und nicht im Krankenhaus.
Das möchte ich euch auch ans Herz legen:
So hart es auch sein mag und so sehr man an seine Grenzen stößt, ich glaube es ist das Beste, was einem Sterbenden passieren kann, wenn er in seiner häuslichen Umgebung sterben darf.
Informiert euch nach einem guten Pflegedienst, der euch unterstützt und sucht eine ambulante Palliativ- und Hospizbetreuung, die gibt es in jedem Bundesland.
Die Leute kennen sich hervorragend mit dem Thema Sterben und Tod aus und sind auch hervorragende Seelsorger!
Ich kann für mich behaupten, dass ich durch diese Krankheit meines Vaters und der Erfahrung des Sterbens sehr viel natürlicher mit dem Thema Tod umgehen kann als vorher.
Du hast recht Jolina, bleibt die Frage wo und wie es unseren Vätern jetzt geht.
Aber spürst Du nicht auch manchmal, dass er irgendwie noch bei Dir ist?
Liebe Grüße,
chiquita