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Autor Thema: Stereotaktische Strahlenbehandlung schädelbasisnaher Meningeome und Schwannome  (Gelesen 9033 mal)

Ulrich

  • Gast
Quelle: http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=41328

Zitat:
Thilmann, Christoph; Schulz-Ertner, Daniela; Unterberg, Andreas; Wannenmacher, Michael; Debus, Jürgen

Stereotaktische Strahlenbehandlung schädelbasisnaher Meningeome und Schwannome

Deutsches Ärzteblatt 101, Ausgabe 15 vom 09.04.2004, Seite A-1022 / B-846 / C-827

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Zusammenfassung
Gutartige schädelbasisnahe Tumoren galten bisher als wenig strahlensensibel. Die beeindruckende Steigerung der Behandlungsergebnisse, die mit der Strahlentherapie im letzten Jahrzehnt erzielt werden konnte, beruht neben der Verbesserung der Bildgebung und -verarbeitung vorwiegend auf der Einführung der stereotaktischen Bestrahlungstechnik. Hierdurch können vor allem bei Meningeomen und Neurinomen Behandlungsergebnisse erreicht werden, die hinsichtlich der Langzeitkontrolle und des Komplikationsrisikos vielversprechend sind. Daher ist ein Einsatz der Strahlentherapie in spezialisierten Zentren gerechtfertigt. Ob diese als Einzeitbestrahlung oder als fraktionierte Therapie durchzuführen ist, und ob vorher eine Tumorresektion oder Tumorverkleinerung angestrebt wird, ist von der Art, der Größe und der Lage des Tumors abhängig. Im Folgenden wird über die klinischen Erfahrungen und Behandlungsergebnisse berichtet und die mögliche Indikationsstellung erläutert.

Schlüsselwörter: Schwannom, Meningeom, Strahlentherapie, Akustikusneurinom, Stereotaxie

Summary
Stereotactic Radiotherapy of Meningiomas and Schwannomas at the Base of the Skull
Historically, benign tumours at the base of the skull were considered to be resistant to radiotherapy. The impressive improvements in treatment results obtained with radiotherapy in the last decade are based on the progress in imaging, image processing and on the implementation of stereotactic radiotherapy. Using modern radiation techniques in the treatment of meningiomas and schwannomas, local control rates comparable to neurosurgery can be obtained with a low risk of side effects. Therefore, an application of radiotherapy in specialized centers is justified. Whether radiotherapy should be carried out with conventional fractionation or as a single dose treatment or whether a tumour resection is considered before radiotherapy, depends on the tumour entity, size and location. Clinical experience and results in stereotactic radiotherapy are reported and treatment algorithms for benign tumours of the base of skull are discussed.

Key words: schwannoma, meningioma, radiotherapy, acoustic neuroma, stereotaxy

Für viele Tumoren im Bereich der Schädelbasis stellt die operative Resektion die initiale Therapie der Wahl dar. Aufgrund der Schwere des Eingriffs ist jedoch oft eine individuelle Therapieanpassung notwendig, insbesondere wenn der klinische Zustand des Patienten (höheres Lebensalter, multiple Komorbiditäten) ein chirurgisches Vorgehen nicht zulässt. Darüber hinaus kann die ungünstige Lage des Tumors, zum Beispiel bei Ummauerung versorgender Gefäßstrukturen, einen radikalen operativen Eingriff verbieten (10). In der Vergangenheit wurde die Strahlenbehandlung bei Schädelbasistumoren als wenig wirksam eingeschätzt, da sich in Anbetracht der kritischen Lage in der Regel mit konventionellen Techniken keine suffiziente Dosis im Tumor erzielen lässt, ohne die Toleranz der involvierten Risikostrukturen zu überschreiten. Daher wurden verschiedene Techniken zur Hochpräzisionsbestrahlung entwickelt und etabliert. Voraussetzung ist die exakte Abgrenzung des Zielvolumens gegenüber den Risikostrukturen. Hierzu ist ergänzend zur Computertomographie eine Kernspinresonanztomographie (MRT) mit Kontrastmittelgabe unumgänglich. Sinnvoll ist dabei eine Korrelation der Bildinformation, damit eine Zielvolumendefinition in der MRT durchgeführt und unmittelbar in den dreidimensionalen Datensatz der CT-Bildgebung übertragen werden kann (Abbildung 1).
Voraussetzung für eine hochkonformierende Präzisionsstrahlentherapie ist außerdem eine Lagerungs- und Fixationstechnik, die eine exakt reproduzierbare Position sowohl bei der Bestrahlung als auch bei den Untersuchungen zur Bestrahlungsplanung erlaubt. Erfolgt die Zielpunktdefinition und die Positionierung des Patienten anhand eines dreidimensionalen Koordinatensystems, spricht man von stereotaktischer Strahlentherapie. Diese Behandlungsform wurde erstmals 1951 von L. Leksell als einzeitige Bestrahlung durchgeführt (11). Für die stereotaktische Applikation der gesamten Dosis in einer Sitzung wurde der Begriff Radiochirurgie (RS) geprägt. Die RS erfolgte zunächst mit dem von Leksell entwickelten Gamma-Knife, einem Bestrahlungsgerät mit 201 schalenförmig angeordneten Co-Quellen, das eine hochpräzise Bestrahlung mit einer konzentrischen Dosisverteilung ermöglicht. Eine Konformation an irregulär geformte Zielvolumina erfolgt durch die Überlagerung verschiedener Dosisverteilungen unterschiedlicher Zielpunkte. Für die Radiochirurgie kann alternativ auch ein an die Erfordernisse der Radiochirurgie angepasster Linearbeschleuniger eingesetzt werden. Die Abweichung der Zielpunkteinstellung im Patienten und der Isozentrumeinstellung des Bestrahlungsgerätes darf
1 mm nicht überschreiten. Für eine radiochirurgische Einzeitbestrahlung sind dann mindestens sechs konvergente Bestrahlungsbögen von mehr als 100° oder mindestens acht isozentrische irreguläre Bestrahlungsfelder einzusetzen. Der Vorteil der stereotaktischen Konvergenzbestrahlung mit einem Linearbeschleuniger ist, dass sie – falls erforderlich – als fraktionierte Behandlung durchgeführt werden kann. Hierbei wird die Präzision der Stereotaxie kombiniert mit dem strahlenbiologischen Vorteil der Fraktionierung. In der Regel kann über vier bis sechs irregulär geformte Bestrahlungsfelder eine hochkonformierende Dosisverteilung erzeugt werden, die es bei ausreichender Schonung der Risikoorgane ermöglicht, eine zur Tumorkontrolle erforderliche Gesamtdosis zu applizieren. Die stereotaktische Konvergenzbestrahlung wird meist mit Bestrahlungsfeldern durchgeführt, über deren Feldquerschnitt eine homogene Intensität eingestrahlt wird. Dies macht eine Schonung der Risikostrukturen schwierig, wenn diese in ein konkav geformtes Zielvolumen eingebettet sind. Bei der so genannten intensitätsmodulierten Radiotherapie (IMRT) arbeitet man mit Bestrahlungsfeldern, bei denen einzelne Teilbereiche mit unterschiedlicher Intensität bestrahlt werden. Dies ermöglicht eine gezielte Dosisreduktion an Risikostrukturen, ohne Dosiseinbußen im Zielvolumen hinnehmen zu müssen. Die Autoren konnten zeigen, dass die IMRT besondere Vorteile bei unregelmäßig geformten Tumoren der Schädelbasis bietet, wenn mit konventionellen Bestrahlungstechniken keine befriedigende Dosisverteilung erreicht werden kann (18). Mit der fraktionierten stereotaktischen Radiotherapie (FSRT) – in der konventionellen Form oder als IMRT – steht eine hochwirksame, komplikationsarme und wenig beeinträchtigende Alternative auch in den Fällen zur Verfügung, bei denen bei unmittelbarem Kontakt des Tumors zu Risikostrukturen oder aufgrund der Tumorgröße mit einem erhöhten Komplikationsrisiko durch die Radiochirurgie zu rechnen ist.
Meningeome
Meningeome machen 15 bis 20 Prozent aller Hirntumoren im Erwachsenenalter aus. Sie gehen von den Hirnhäuten aus, und ihre Pathologie ist vielschichtig. Etwa 90 Prozent werden dem WHO-Grad I zugeordnet (21). Eine Behandlungsindikation wird im Allgemeinen bei dem Vorliegen einer neurologischen Symptomatik oder bei nachgewiesenem Größenprogress gesehen. Bei Konvexitätsmeningeomen kann in bis zu 96 Prozent der Fälle eine komplette Resektion erreicht werden, wohingegen dies im Bereich der Schädelbasis nur in weniger als 60 Prozent der Fälle gelingt (15). Bei makroskopisch verbliebenem Tumorrest liegt das
progressionsfreie 10-Jahres-Überleben zwischen 55 Prozent und 18 Prozent (12, 15, 27). Bei makroskopisch vollständiger Resektion Grad 1 nach Simpson, also unter Einschluss der duralen Anhaftungsstelle und gegebenenfalls des veränderten Knochens (26), liegt das Risiko für ein erneutes Tumorwachstum lediglich bei etwa vier Prozent nach fünf Jahren (12). Daher ist die mikrochirurgische Resektion die Methode der Wahl, sofern diese mit vertretbarem Risiko durchführbar ist. Ein weiterer Vorteil der Operation ist, dass dann Gewebe zur histopathologischen Begutachtung vorliegt.
Für die Radiochirurgie konnte gezeigt werden, dass sie eine ebenso gute lokale Kontrolle erreicht wie eine chirurgisch vollständige Resektion Grad 1 nach Simpson (20). In dieser Untersuchung wurden in der Mehrzahl Schädelbasismeningeome behandelt. Die mittlere Größe lag bei 2,4 cm. Die Komplikationsrate war nach Radiochirurgie mit zehn Prozent sogar geringer als bei der mikrochirurgischen Resektion mit 22 Prozent, die Unterschiede waren jedoch nicht statistisch signifikant.
Die meisten Zentren empfehlen eine Radiochirurgie als Alternative zur mikrochirurgischen Resektion bis zu einer maximalen Größe von 3 cm, da bei größeren Schädelbasismeningeomen das Risiko für Spätkomplikationen drastisch ansteigt (4, 7). Von entscheidender Bedeutung ist der Abstand des Tumors von der Sehbahn, der mehr als 2 mm betragen sollte (16).
Anhand der eigenen Untersuchung von 189 Patienten mit Schädelbasismeningeomen konnte gezeigt werden, dass mit einer stereotaktisch geführten fraktionierten Konformationsstrahlentherapie mit einer Gesamtdosis von 55 bis 59 Gy in konventioneller Fraktionierung eine exzellente lokale Kontrolle bei gleichzeitig geringem Komplikationsrisiko erzielt wird (2). Das aktuarische progressionsfreie 10-Jahres-Überleben betrug in der Untersuchung der Autoren in der Gruppe der Patienten mit Meningeom WHO Grad I (n = 180) 96 Prozent. Es zeigte sich kein signifikanter Unterschied für Patienten mit histopathologisch gesichertem Meningeom WHO Grad I und Patienten mit dem radiologischen Bild eines Meningeoms WHO Grad I ohne histopathologische Begutachtung. Nach diesen Ergebnissen erscheint bei symptomarmen Patienten mit eindeutigem
radiologischen Befund ein invasiver Eingriff zur Materialgewinnung nicht zwingend erforderlich, wenn aufgrund der Tumorausdehnung oder von Begleiterkrankungen ein erhöhtes Operationsrisiko besteht. Bei Patienten mit einer neurologischen Symptomatik ist eine Operation vorzuziehen, wenn durch eine Teilresektion eine Dekompression erreicht werden kann.
Das mittlere Tumorvolumen im Patientenkollektiv der Autoren betrug 52,5 cm2 (entsprechend eines Durchmessers von 4,5 cm) und das maximale behandelte Tumorvolumen 370 cm2. Dennoch lag die Rate der gravierenden Spätkomplikationen (Radiation Therapy Oncology Group [RTOG] III) lediglich bei 2,1 Prozent. Eine Reaktion RTOG IV war nicht aufgetreten. Somit können im Gegensatz zur Einzeitbestrahlung mit einer fraktionierten stereotaktischen Konformationsbestrahlung auch große Tumoren erfolgreich behandelt werden. In diesen Fällen ist sie bei vergleichbarer Kontrollrate wie bei kompletter Resektion oder Radiochirurgie insgesamt eine risikoarme Behandlungsmethode und sollte mit dem Patienten als mögliche Alternative diskutiert werden. Ein Nachteil ist bei konventioneller Fraktionierung von fünf Sitzungen pro Woche mit 1,8 bis 2 Gy die lange Gesamtbehandlungszeit von etwa sechs Wochen.
Das Vorgehen nach Teilresektion eines Meningeoms WHO Grad I ist
im Einzelfall vom Wachstumsverhalten vor der Operation abhängig. Ist dieses nicht bekannt oder hat das Meningeom in der Vergangenheit nur langsam an Größe zugenommen, kann in vielen Fällen eine abwartende Haltung eingenommen werden. Erst wenn im weiteren Krankheitsverlauf eine Größenzunahme nachzuweisen ist, sollte eine Therapie durchgeführt werden. Hierbei kann, sofern keine tumorbedingten Symptome vorliegen, die stereotaktisch fraktionierte Strahlentherapie bevorzugt eingesetzt werden, da die histopathologische Einordnung des Tumors bereits erfolgt und eine sekundäre
Malignisierung selten ist. Das Beispiel der Abbildung 1 zeigt ein ausgedehn-
tes petroclivales Meningeom nach erfolgter Teilresektion über einen links gelegenen subokzipitalen Zugang. Die histologische Begutachtung ergab ein meningoendotheliomatöses Meningeom WHO Grad I. Auf eine weitere Tumorreduktion war zugunsten der Strahlentherapie verzichtet worden. Zur besseren Schonung der Risikostrukturen, insbesondere zur Dosisreduktion im Temporallappen, wurde die stereotaktisch fraktionierte Radiotherapie als intensitätsmodulierte Strahlenbehandlung durchgeführt.
Anders sieht die Situation bei höhergradigen Meningeomen aus. Hier ist im Allgemeinen eine möglichst vollständige Operation anzustreben und auch bei makroskopisch kompletter Resektion eine adjuvante Strahlentherapie durchzuführen. Hiermit kann die krankheitsfreie 5-Jahres-Überlebensrate nach kompletter Tumorresektion von 28 Prozent auf 57 Prozent gesteigert werden (3). Nach inkompletter Resektion und postoperativer Bestrahlung oder als primäre Radiatio bleiben die lokalen Kontrollraten mit einer Photonenbestrahlung unbefriedigend (6). Es sind bei Meningeomen WHO Grad II/III Bestrahlungsdosen von deutlich mehr als 60 Gy erforderlich, die aufgrund der Lage des Tumors zu Risikostrukturen auch mit einer hochkonformalen Technik nur unter hohem Komplikationsrisiko zu applizieren sind. In diesen Situationen hat eine Strahlentherapie mit geladenen Teilchen Vorteile (9).
Vestibularisschwannome
Vestibularisschwannome (Akustikusneurinome) sind die häufigsten Tumoren des Kleinhirnbrückenwinkels. Typische tumorbedingte Symptome sind Hörminderung und Schwindel. Gelegentlich ist auch die Funktion weiterer Hirnnerven eingeschränkt, und die Patienten leiden an Trigeminusneuralgien und -dysästhesien, Fazialisparesen oder Geschmacksstörungen. Da mit der mikrochirurgischen Resektion, mit der Radiochirurgie und der fraktionierten stereotaktischen Radiotherapie unterschiedliche Therapieoptionen mit vergleichbaren lokalen Kontrollraten von mehr als 95 Prozent (nach 5 Jahren) zur Verfügung stehen, ist eine allgemeine Therapieempfehlung schwierig. Zur Entscheidungsfindung sind neben tumorspezifischen Gesichtspunkten und den speziellen Risiken der einzelnen Behandlungsformen die individuelle Situation des Patienten und seine Erwartungen an die Therapie zu berücksichtigen.
Die mikrochirurgische Resektion ist im Standardfall die Methode der Wahl. Die Mortalität wird mit etwa einem Prozent angegeben (24). Allgemeine Operationsrisiken wie Liquorfistel, Blutung und Infektion treten bei der Radiochirurgie nicht auf. Spezielle Risiken wie Sehstörungen, Fazialisparese oder Geschmacksstörungen werden von den operierten Patienten häufiger angegeben als bei den primär mit
Radiochirurgie behandelten (22). Insgesamt konnte jedoch sowohl beim operativen als auch beim radiochirurgischen Vorgehen das Komplikationsrisiko durch eine verbesserte Technik drastisch gesenkt werden. Bei der Radiochirurgie konnte dies im Wesentlichen durch eine Reduktion der minimalen Tumordosis auf 12 bis 13 Gy und durch Einführung der MR-Tomographie zur Definition des Zielvolumens und der Risikostrukturen erreicht werden. Die Abbildung 2 zeigt das Bei-
spiel eines Patienten mit Akustikusneurinom, bei dem aus allgemeininternistischen Gründen ein erhöhtes Operationsrisiko bestand. Daher wurde der Patient in Übereinstimmung mit den neurochirurgischen Kollegen einer Strahlenbehandlung zugeführt. Diese wurde als Einzeitbestrahlung mit einem Linearbeschleuniger in stereotaktischer isozentrischer Vielfeldertechnik durchgeführt.
Bei neueren Untersuchungen von primär radiochirurgisch behandelten Patienten verschlechtert sich nur in etwa zwei Prozent der Fälle die Fazialisfunktion im Vergleich zum prätherapeutischen Ausgangsbefund. Demgegenüber ist dies bei der Rezidivbehandlung mit Radiochirurgie nach vorangegangener Resektion mit 23 Prozent sehr viel häufiger der Fall (19).
Die Entwicklung des Hörvermögens bei den unterschiedlichen Behandlungsformen hängt von zahlreichen Faktoren wie Tumorgröße, Patientenalter, Anteil der Patienten mit Neurofibromatose, dem Zugangsweg aber auch von der Dauer der Nachbeobachtung ab. Prospektive vergleichende Studien, die nach den entsprechenden Faktoren stratifizieren, fehlen. Bei der Radiochirurgie geht bei etwa 30 bis 50 Prozent der Patienten, die prätherapeutisch über ein brauchbares Hörvermögen verfügen, dieses verloren (25). Das ist vergleichbar mit den Ergebnissen der Resektion, bei der in Abhängigkeit vom Zugangsweg ein Hörerhalt in 33 bis 74 Prozent der Fälle angegeben wird (13).
Sowohl für die Radiochirurgie als auch die Resektion steigt das Behandlungsrisiko mit der Tumorgröße drastisch an. Für die Radiochirurgie scheint zusätzlich das Verhältnis des Tumorvolumens zur Größe der hinteren Schädelgrube von Bedeutung (17), da es drei bis neun Monate posttherapeutisch zu einer vorübergehenden Größenzunahme des Tumors kommen kann. Daher ist besonders bei großen Akustikusneurinomen eine fraktionierte Strahlenbehandlung in hochpräziser, konformierender Technik zu erwägen (5). Wie die Ergebnisse der von den Autoren behandelten Patienten zeigen, erreicht eine konventionell fraktionierte Bestrahlung in stereotaktisch geführter Konformationstechnik mit einer medianen Gesamtdosis von 57,6 Gy auch beim Akustikusneurinom eine exzellente lokale Kontrolle (progressionsfreies 5-Jahres-Überleben von 97,6 Prozent) bei hervorragendem funktionellem Ergebnis. Lediglich bei vier Patienten mit Neurofibromatose Typ 2 ist es zu einem kompletten Hörverlust gekommen. Bei keinem andern Patienten ist dauerhaft ein Hörverlust oder eine Fazialisparese aufgetreten. Andere Autoren konnten zeigen, dass mit einer fraktionierten stereotaktischen Strahlenbehandlung ein Hörverlust im Vergleich zu einer abwartenden Haltung verzögert werden kann (23). Ob mit einer FSRT eine vergleichbare Langzeitkontrolle bei einem geringeren Komplikationsrisiko wie nach Resektion oder Radiochirurgie erreicht werden kann, müsste in einer prospektiv randomisierten Studie geprüft werden. Eine hypofraktionierte Bestrahlung mit fünf Fraktionen von 5 Gy zeigte keine Vorteile gegenüber einer Einzeitbestrahlung (14).
Bei Schwannomen anderer Hirnnerven ist ein vergleichbares Vorgehen wie beim Vestibularisschwannom zu erwägen. Auch hier ist die mikrochirurgische Resektion die Methode der Wahl. Insbesondere beim Trigeminusneurinom ist beim Vorliegen von Schmerzen eine effektive chirurgische Therapie der Symptomatik möglich (1). Die Radiochirurgie von Nicht-Akustikus-Schwannomen erreicht bei vergleichbaren Dosen ähnlich gute Kontrollraten wie beim Akustikusneurinom (8). Die Autoren konnten zeigen, dass die FSRT vor allem bei großen Nicht-Akustikus-Schwannomen eine wirkungsvolle Therapieoption darstellt (28). Die lokale Kontrollrate betrug 100 Prozent. Allerdings war die Patientenzahl mit 13 Patienten klein und die mediane Nachbeobachtungszeit mit 33 Monaten kurz.
Schlussfolgerungen
Im letzten Jahrzehnt konnten die Behandlungsergebnisse, die in der Strahlentherapie von Meningeomen und Schwannomen der Schädelbasis erreicht wurden, auf beeindruckende Weise verbessert werden. Dies wurde durch Fortschritte der Bildgebung und -verarbeitung und der Bestrahlungstechnik ermöglicht. Dies beinhaltet effektive Fixationsverfahren, neue Formen der Dosisberechnung wie dreidimensionale und inverse Bestrahlungsplanung und der Dosisapplikation wie stereotaktisch geführte Bestrahlung und Intensitätsmodulation. Die genannten Techniken stellen eine Alternative und Ergänzung zu operativen Verfahren bei der Behandlung von Meningeomen und Schwannomen der Schädelbasis dar. Ob eine komplette Tumorresektion oder Tumorverkleinerung anzustreben ist, ob eine Strahlentherapie frühzeitig additiv oder alternativ eingesetzt werden soll, ob diese als Einzeitbestrahlung oder als fraktionierte Therapie durchzuführen ist, hängt von der Art, der Größe und der Lage des Tumors ab. Die Wahl des Behandlungszeitpunkts ergibt sich aus der Abschätzung des Spontanverlaufs bei bekannter oder erwarteter Größenzunahme des Tumors und den möglichen Risiken der einzelnen Behandlungsformen im individuellen Fall. Daher sollte in enger Zusammenarbeit zwischen Neurochirurgen und Strahlentherapeuten im Einzelfall das Risiko der unterschiedlichen Behandlungsformen gegeneinander abgewogen werden. Die Behandlung sollte in Zentren erfolgen, die über umfassende Erfahrungen sowohl im Bereich der Oto-/Neurochirurgie als auch der Strahlentherapie verfügen. Nach Ansicht der Autoren sollte bei allen Patienten, die für eine Strahlentherapie infrage kommen, zuvor in einer gemeinsamen Tumorsprechstunde unter Mitwirkung von Otochirurgen, Neurochirurgen und Strahlentherapeuten untersucht werden, wobei dann die zu wählende Therapiemodalität zusammen festgelegt wird. An strahlentherapeutischen Behandlungsmöglichkeiten sollten sowohl die Radiochirurgie als auch die fraktionierte stereotaktische Radiotherapie zur Verfügung stehen, damit der Patient der optimalen, wenn nötig multimodalen Therapie zugeführt werden kann.
Sowohl bei Meningeomen als auch bei Neurinomen müssen sich Therapieempfehlungen bisher in der überwiegenden Mehrzahl auf retrospektive Untersuchungen stützen. Für die Indikationsstellung ist im individuellen Fall das erwartete Verhalten bei Spontanverlauf, das wahrscheinliche Verhalten nach subtotaler oder kompletter Resektion mit oder ohne Strahlentherapie oder nach alleiniger Strahlentherapie gegeneinander abzuwägen. Um eine Therapieentscheidung auf hohem Evidenzniveau treffen zu können, wäre eine Behandlung der verschiedenen Schädelbasistumoren innerhalb prospektiver, wenn nötig randomisierter Studien sinnvoll.

Manuskript eingereicht: 6. 10. 2003, revidierte Fassung angenommen: 15. 12. 2003

zZitierweise dieses Beitrags:
Dtsch Arztebl 2004; 101: A 1022–1026 [Heft 15]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit1504 abrufbar ist.

Anschrift für die Verfasser:
Priv.-Doz. Dr. med. Christoph Thilmann
Klinische Radiologie der
Universität Heidelberg
INF 400
69120 Heidelberg
E-Mail: c.thilmann@dkfz.de
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© Deutscher Ärzte-Verlag  
« Letzte Änderung: 20. Oktober 2008, 11:07:06 von Ulrich »

Ulrich

  • Gast
Gamma Knife Radiosurgery for Skull Base Meningiomas: Long-Term Radiologic and Clinical Outcome.

Quelle:  Int J Radiat Oncol Biol Phys. 2008 Oct 13. [Epub ahead of print]

Autoren: Han JH, Kim DG, Chung HT, Park CK, Paek SH, Kim CY, Jung HW.

Abstract (Zitat):

PURPOSE: To analyze the long-term outcomes in patients with skull base meningiomas (SBMNGs) treated with Gamma Knife radiosurgery (GKRS).
METHODS AND MATERIALS: Of the 98 consecutive patients with SBMNGs treated with GKRS between 1998 and 2002, 63 were followed up for more than 48 months. The mean (+/-SD) age of the patients was 50 +/- 12 years, the mean tumor volume was 6.5 cm(3) (range, 0.5-18.4 cm(3)), the mean marginal dose was 12.6 Gy (range, 7.0-20.0 Gy), and the mean follow-up duration was 77 +/- 18 months. The mean number of shots was 13.7 +/- 3.8. The tumor volume was decreased at the last follow-up in 28 patients (44.4%) and increased in 6 (9.6%). The actuarial tumor control rate was 90.2% at 5 years. No notable prognostic factor related to tumor control was identified. Ten patients (15.9%) with a cranial neuropathy showed unfavorable outcomes. The rate of improvement in patients with a cranial neuropathy was 45.1%. Age >70 years was likely correlated with an unfavorable outcome in patients with cranial neuropathy (odds ratio = 0.027; p = 0.025; 95% confidence interval 0.001-0.632). Cavernous sinus location was significantly associated with improvement of a cranial neuropathy (odds ratio = 7.314; p = 0.007; 95% confidence interval 1.707-31.34).
CONCLUSIONS: Gamma Knife radiosurgery is an effective modality for the treatment of SBMNGs and provides favorable outcomes in patients with cranial neuropathy, even in the long-term follow-up period. However, radiosurgery for patients with no or only mild symptoms should be performed cautiously because neither complication rate is low enough to be negligible, especially in elderly patients. A cranial neuropathy by MNGs involving the cavernous sinus seems to have a higher chance of improvement after radiosurgery than other SBMNGs.

Offline KarlNapf

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Ein neuer Artikel über Gamma-Knife-Strahlentherapie von Meningeomen an der Schädelbasis:

Gamma Knife radiosurgery for skull base meningioma: long-term results of low-dose treatment

Interessant war: Das größte Meningeom, das bestrahlt wurde, hatte 55 ml Volumen. Wenn ich mich nicht verrechnet habe, läuft dies auf einen RADIUS von etwa 2,3 cm hinaus bzw. einen DURCHMESSER des kugelförmig gedachten Meningeoms von über 4-5 cm. Schon beachtlich.
Dum spiro, spero = So lange ich atme, hoffe ich. (Cicero, ad Atticum 9,11)

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