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Autor Thema: Schilddrüsenkarzinom, Hypophysen-Adenom  (Gelesen 11665 mal)

ute49

  • Gast
Schilddrüsenkarzinom, Hypophysen-Adenom
« am: 09. Oktober 2003, 17:32:08 »
Hallo!
Ich habe eine Mutmacher-Geschichte beizutragen:

Mitte Mai '92 spürte ich zufällig eine leichte Verdickung im rechten Halsbereich. Ich fackelte nicht lange und suchte meinen Hausarzt auf, der auf eine Zyste im Schilddrüsenbereich tippte. Homonbefund war ok, Ultraschall zeigte auch etwas, das eine Zyste sein könnte. Ein Szintigramm ergab den Befund: ziemlich viele kalte Knoten. Das hörte sich für mich recht harmlos an. Ich folgte dem Rat, mir bald die Schilddrüse operieren zu lassen, recht zügig.

Ich kam auf den OP-Tisch und schlief ein. Dann wurde ich wach und spürte, dass ich keine Luft bekam: ich konnte einfach nicht atmen. Die Ärzte bemerkten die Panik und legten mich gleich wieder flach. Als ich das nächste Mal aufwachte, hatte ich Plastikschläuche im Mund und merkte, dass ich beatmet wurde. Mein Mann kam in die Intensivstation und die Ärtze erklärten mir, dass sie unter der OP ein  Schilddrüsenkarzinom entdeckt und entfernt hätten. In den Tumor, der bis zur Luftröhrenwand reichte, war der rechte Nervus recurrens einbezogen und durchtrennt worden. Der linke Recurrens war angegriffen, beide Stimmbänder standen ziemlich mittig in der Luftröhe, deshalb die Beatmung. So lag ich bis abends und wartete darauf, dass endlich die Beatmung wieder entfernt würde. Als es soweit war, bereute ich das ganz schnell: ich bekam so wenig Luft, als würde ich durch einen einzigen Strohhalm atmen müssen. Nach einer halben Stunde hatte ich Brustmuskelschmerzen von der Anstrengung. Ganz langsam über die Nachtstunden hinweg wurde es etwas leichter. Nach drei Tagen Intensivstation bei Sommerhitze kam ich dann auf die Station und ließ mir vom Chefarzt die Sache ganz genau erklären. Er gab mir zwei Adressen, eine bei einem HNO-Spezialisten in Bremen, die andere bei einem Nuklearmediziner in Münster. Ich sollte mir beides ansehen und mich dann aber für ein Behandlungszentrum entscheiden. Ich nahm Münster und habe das nicht bereut.

Während der ersten sich anschließenden Radiojodtherapie etwa sechs Wochen später (ohne Hormone, da geht man schon etwas auf dem Zahnfleisch) kam der nächste Hammer. Die Radiojodtherapie selbst ist unspektakular: man schluckt eine Kapsel radioaktives Jod, das sich in den noch vorhandenen Schilddrüsenresten anreichert (Rest wird schnell ausgeschieden). Dann wird man gescannt, und wenn man "ausgestrahlt" hat, geht es nach Hause. Der Hammer war die Vermutung des Chefarztes, ich könnte Akromegalie haben. Eine Röntgenaufnahme des Kopfes ergab eine Erweiterung der Sella, ein MRT zeigte ein 18 x 20 x 18 großes Adenom. Bingo! Es hatte Kontakt zur Kreuzung der Sehnerven, aber weitere Untersuchungen ergaben, dass noch keine Sehschäden eingetreten waren. Allerdings war es in dieser Größe und Lage nicht operabel. Also erhielt ich zunächst eine Sandostatin-Therapie: dreimal täglich eine Spritze setzen (sehr teure Angelegenheit, großes Lob an meine Krankenkasse!), abwarten.

Inzwischen folgte ich dem Rat, mir wegen der gelähmten Stimmbänder ein Tracheostoma legen zu lassen. Bei Lokalanästhesie wurde der Schnitt gelegt und eine Kanüle angepasst. Einen Tag später sollte ich mit Gebrauchsanleitungen dafür entlassen werden. Allerdings kam vormittags eine Schwester und fragte mich, warum ich nicht gesagt hätte, dass ich Diabetes habe. Sie hätten über 300 festgestellt. Also statt nach Hause in die Innere. Dort ein Glucose-Belastungstest, bei dem alle sich wunderten, dass ich noch bei Bewusstsein war und rumlief. Eine Woche lang bekam ich regelmäßig Insulin und Diät, dann durfte ich heim, zusätzlich bewaffnet mit Blutmessgerät und Streifen.

In den nächsten vier Monaten kam dann nichts mehr dazu.

Ich spritzte mein Sandostatin (das teure) und hielt Diät. Abends "redete" ich mit meinem Adenom (hab versucht, meine Psyche darauf anzusetzen). Im Oktober dann wieder ein MRT, das eine Verringerung des Adenoms um knapp zwei Millimeter zeigte: die entscheidenen Millimeter.

Anfang Dezember wurde ich dann in Hamburg-Eppendorf operiert. Durch die Nase. Die OP dauerte sieben Stunden und sollte eigentlich gefilmt werden (aber das klappte dann nicht. Ich weiß nicht, ob mir das leid tut oder nicht  ;-) ). Der Hohlraum wurde mit einem Stück Fettgewebe aus dem Oberschenkel gestopft. Der Operateur hatte außerdem meine total verkrümmte Nasenscheidewand begradigt. Eine Nacht verbrachte ich in der Intensivstation, dann wurden am nächsten Morgen zwei Meter (oder so) Tamponaden aus beiden Nasenlöchern gezogen (das treibt Tränen in die Augen!) und zurück ging es auf die Station. Die Atemschwierigkeiten wegen der geschwollenen Nase, von der die meisten anderen Patienten berichten, hatte ich nicht, denn ich konnte ja meine Abkürzung durch das Tracheostoma benutzen. Das war eine große Erleichterung. (Wenn man allerdings duschen will, hat man gewisse Probleme.....) Zwei Tage musste ich Buch führen über Trink- und Urinmengen, dann war klar, dass die Hypophyse nicht beschädigt worden war. Nach einem weiteren Tag spazierte ich bereits durch das weihnachtliche Eppendorf. Nach einer Woche ging es nach Hause. Ich merkte, dass der linke Stimmbandnerv sich regeneriert hatte und klebte probehalber mein "Spundloch" in der Kanüle zu. Dann trainierte ich so das Fahrradfahren bergauf. Mitte Januar ließ ich dann das Tracheostoma wieder verschließen.

Nach den Osterferien begann ich wieder zu arbeiten (im Schuldienst, zunächst mit halber Stundenzahl), nach den Sommerferien wieder voll.

Ich habe immer noch jedes halbe Jahr einen Untersuchungstermin in Münster bei der Nuklearmedizin, etwa alle zwei Jahre einen Radiojodtest. So fühle ich mich sehr gut überwacht.

Seit über zehn Jahren ist nichts mehr aufgetreten, kein Rezidiv, keine Komplikation. Es war ein hartes halbes Jahr seinerzeit, aber es ist alles gut gegangen. Und ich schaue auch wieder gern in den Spiegel, denn schon einen Tag nach der Hypophysenoperation begannen die Schwellungen im Gesicht und an Händen und Füßen zu schwinden.

Ich fühle mich runderneuert .... :-)))

Liebe Grüße, und Kopf hoch!

Ute

ute49

  • Gast
Re:Schilddrüsenkarzinom, Hypophysen-Adenom
« Antwort #1 am: 14. September 2006, 21:53:28 »
Kurzer Nachtrag:

Ich bin immer noch gesund. Inzwischen sind die Kontrolluntersuchungen bezüglich der Akromegalie eingestelllt worden ("Wenn bisher noch nichts aufgetreten ist, wird ziemlich sicher auch nichts mehr kommen. Außerdem kennen Sie ja jetzt die Symptome."). Nur eine Darmspiegelung alle zwei Jahre soll ich machen lassen, denn durch die per Akromegalie verursachte Darmvergrößerung gibt es häufiger Polypen und die Gefahr von Darmkrebs ist etwas größer. Ein Polyp wurde mir vor einigen Jahren entfernt, seitdem ist auch da Ruhe.

Die Kontrolluntersuchungen wegen des Schilddrüsenkarzinoms sind auf einmal jährlich ausgedeht worden und auch die stationäre JRD gibt es immer seltener.

Grüße von Ute

 



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