Tumoren "aushungern" - wie funktioniert die Anti-Angiogenese?(Quelle:
Krebsinformationsdienst)
Für viel Wirbel sorgen seit 1998 Meldungen, die eine neue Methode der Krebsbehandlung ankündigen: das ?Aushungern" von Krebsgeschwülsten durch die Hemmung der Blutgefäße, die sie mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgen. Körpereigene Prozesse sollen dazu genutzt werden, und eine gezielte Therapie nur des Tumors scheint in greifbare Nähe zu rücken.
Was in manchen Meldungen unterging: Die Forschung zur sogenannten Anti-Angiogenese (damit wird das eigentliche Prinzip der Therapie bezeichnet, die Hemmung der Blutgefäßneubildung) steht noch weitgehend am Anfang. Weltweit konnten erst vergleichsweise wenige Patienten behandelt werden. Ob das neue Verfahren wirklich hilft, ob es keine oder zumindest nur vertretbare Nebenwirkungen hat - all das wird derzeit noch erforscht und in Studien überprüft.
Anti-Angiogenese: So sieht das Modell aus Überschreitet ihre Größe wenige Millimeter, können Krebsgeschwülste aus dem umliegenden Gewebe nicht mehr genug Sauerstoff und Nährstoffe aufnehmen: Sie brauchen eigene Blutgefäße. Die Neubildung und das Wachstum von Adern, die Angiogenese, werden - bei Tumoren wie bei gesundem Gewebe - von biologischen Wachstums- und Steuerungsfaktoren reguliert. Der amerikanische Krebsforscher Judah Folkman entwickelte schon in den 70er Jahren die Modellvorstellung, daß man durch eine Blockade dieser Angiogenese auch das Krebswachstum hemmen könnte. Daraus entwickelte sich die (Wunsch-)Vorstellung, Tumoren regelrecht auszuhungern und vom Körper des Patienten "abzunabeln".
Vom Modell zur Therapie ist der Weg jedoch weit: Viele Schritte in der Gefäßbildung sind noch nicht identifiziert. Bekannt sind inzwischen mehrere natürliche Steuerungsfaktoren, die das ?stop-and-go" beim Aderwachstum regeln. Auch einige künstliche Substanzen greifen in die Angiogenese ein. Während die letzteren zum Teil altbekannte Medikamente oder sogar Chemotherapeutika sind, zum Beispiel das Contergan bzw. Thalidomid, das in den 50er und 60er Jahren als Schlafmittel bei schwangeren Frauen Mißbildungen des Kindes verursachte, bereiten ausgerechnet die natürlichen Stoffe den Forschern große technische Probleme: Sie lassen sich nur schwer identifizieren, herstellen bzw. gentechnisch nachbauen und reinigen, so daß selbst für einfachste Tests die verfügbaren Mengen oft kaum ausreichen. Sowohl die Tierversuche wie auch Studien mit Patienten sind daher mit den künstlichen Stoffen fast generell weiter gediehen als mit den körpereigenen natürlichen Faktoren.
Studien: Nur wenige Patienten werden behandelt Da die Neubildung von Blutgefäßen sowohl bei Tumoren wie auch bei gesundem Gewebe noch nicht vollständig verstanden ist, sind viele Studien zur Hemmung der Angiogenese noch in sehr frühen Stadien: Es können also, wenn überhaupt, nur wenige Patienten mit sehr fortgeschrittenen Krebserkrankungen behandelt werden. Oder die jeweilige Methode muß sogar noch erst an Tieren getestet werden, um möglicherweise gefährliche Nebenwirkungen zu identifizieren, bevor Menschen die Substanzen erhalten. Wie solche Krebstherapiestudien im allgemeinen aussehen und wie heute Krebsmedikamente entwickelt und geprüft werden, lesen Sie hier (LINK ist nicht mehr erreichbar).
Das bedeutet für die meisten Patienten: Betroffene, für die geprüfte und bewährte Behandlungsverfahren wie zum Beispiel eine Operation, eine Bestrahlung oder eine Chemotherapie zur Verfügung stehen, sollten diese vorrangig nutzen, solange über die Anti-Angiogenese-Medikamente noch nicht mehr bekannt ist. In einigen wird sogar geprüft, ob die neuen Substanzen nicht sogar am besten zusammen mit einer Chemotherapie wirken. Ein Ersatz für eine geprüfte Behandlung wie die Behandlung mit Zellgiften sind die Angiogenesehemmer also bisher auf keinen Fall.
Studien: Wer sind die Ansprechpartner? Patienten, die trotzdem eine Angiogenesebehandlung in Betracht ziehen möchten, etwa weil andere Therapiemöglichkeiten nicht den erwünschten Erfolg gezeigt haben und sie in den Medien von neuen Erfolgen mit der Methode gehört haben, müssen sich darauf gefaßt machen, daß eine geeignete Studie für sie nicht oder nur sehr schwer gefunden werden kann. Für die meisten dieser Studien sind die Aufnahmekriterien sehr streng: Zumindest in frühen Phasen werden in der Regel weniger als 20 Personen aufgenommen, nicht zuletzt, weil oft die verfügbare Menge des zu prüfenden Medikamentes nicht größer ist. Studien im Ausland sind oft für deutsche Patienten gar nicht zugänglich.
Da in Deutschland
zentrale Register für Krebstherapiestudien noch im Aufbau sind oder nur regionale Informationen liefern, kann der Krebsinformationsdienst keinen generellen Überblick über laufende und zugängliche Studien geben. Auch ändern sich diese Informationen oft sehr kurzfristig. Für welche Tumorerkrankungen aktuelle Informationen bei KID zu laufenden Studien vorliegen, läßt sich daher am besten in einem
Anruf bei KID klären.
Der wichtigste Ansprechpartner ist jedoch der behandelnde Arzt oder die behandelnde Ärztin. Nur sie können Patienten und ihren Angehörigen sagen, ob eine experimentelle Therapie mit all ihren unbekannten Aspekten überhaupt notwendig ist. Auch haben sie in der Regel gute Kontakte zu den nächstgelegenen spezialisierten Zentren, in denen klinische Studien durchgeführt werden, und können sich für ihre Patienten vor Ort erkundigen.
Medikamente: Noch gibt es keine Zulassung Frei verkäuflich oder auch nur für die Angiogenesehemmung zugelassen ist noch keine der Substanzen, die auf das Blutgefäßwachstum wirken - weder in Europa noch in den USA. Studien mit einigen chemischen Substanzen, wie zum Beispiel Marimastat oder Thalidomid (dem wegen der Schädigung ungeborener Kinder lange sehr umstrittenen Contergan), sind allerdings mit größeren Gruppen von Patienten durchgeführt worden. Bei ihnen scheint eine Zulassung im Zeitraum der nächsten drei Jahre möglich - vorausgesetzt, sie rechtfertigen die in sie gesetzten Hoffnungen. Sehr viele Medikamente, die im Tierversuch sehr gut wirkten, versagten bei Krebspatienten in diesen ersten Studien.
Angiostatin und Endostatin, die beiden natürlichen Substanzen, über die wohl am meisten in den Medien berichtet wurde, befinden sich noch im Tierversuchsstadium. Das amerikanische Krebsforschungsinstitut (National Cancer Institute) und die an der Entwicklung beteiligten Firmen kündigen seit längerem erste Versuche mit Patienten an.
Auch in Deutschland wird viel zur Anti-Angiogenese geforscht: Da keine Hoffnungen geweckt werden sollen, die später möglicherweise nicht erfüllt werden können, und in Deutschland meist zurückhaltender über frühe Studienphasen berichtet wird, sind deutsche Forscher jedoch sehr vorsichtig mit der öffentlichen Bekanntgabe des jeweiligen Studienbeginns und der Aufnahmekriterien: Dies gilt vor allem, wenn sie vielleicht nur acht oder zehn Patienten auf einmal behandeln können. Interessierte wenden sich am besten an ihre behandelnden Ärzte, die Zugang zu den entsprechenden Fachinformationen haben. Patienten, die in Studien zum Beispiel in einer Universitätsklinik oder einem anderen spezialisierten Krankenhaus aufgenommen wurden, entstehen in der Regel keine besonderen Kosten.
Links zur Anti-Angiogenese "Den Saft abdrehen" ist ein Bericht der Zeitschrift des Deutschen Krebsforschungszentrums einblick zur Angiogeneseforschung. In
"Gut versorgt" berichtet einblick über die Möglichkeiten, die die Beobachtung der Gefäßneubildung in Tumoren heute schon für die Diagnose von Tumorerkrankungen birgt.
Eine Vielzahl ausführlicher Informationen und Links zur Anti-Angiogenese, auch zu laufenden Studien, stellt das Nationale Krebsforschungsinstitut der Vereinigten Staaten (National Cancer Institute, NCI) in seinen Studieninformationen in englischer Sprache bereit. Achtung: Ein Teil der hier genannten Studien steht möglicherweise nur amerikanischen Staatsbürgern offen.
Betroffene erkundigen sich am besten bei ihrem behandelnden Arzt, dem nächstgelegenen
Tumorzentrum oder der
Deutschen Krebsgesellschaft, ob vergleichbare Studien auch in Deutschland zur Verfügung stehen.
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