Liebe Hilde,
ich kann deine Angst, wenn dein Mann allein mit dem Auto fahren will, sehr gut verstehen - ich erinnere mich noch gut, welche Angst ich hatte, als meine Schwester - Schmetterlingsglioblastom mit Krampfanfällen - allein schwimmen gehen wollte. Und wie wütend sie war, wenn man in ihrer Nähe bleiben wollte oder sie dauernd beobachtet hat - aus Angst vor einem Krampfanfall. Ich verstehe auch ihre Wut bzw. die Wut deines Mannes, denn es ist schrecklich, wenn man dauern beobachtet wird und man will doch nur so leben wie früher. Bei meiner Schwester denke ich, es war gut, dass sie getan hat was sie wollte. Auch wenn es für uns schwer war, das auszuhalten. Das war unser Problem, und ihr Problem war sicher größer. Aber eine richtige Lösung gibt es nicht, weil die Situation einer solchen Krankheit schon so falsch ist. Ich kenne den Trotz und die Wut auch von meiner Schwester - meiner Meinung nach einerseits ein Zeichen der Wesensveränderung durch den Tumor, andererseits eine völlig normale Reaktion auf eine Situation, die einen wütend machen muss. Auch wenn die Wut natürlich die Falschen trifft.
Ich habe jetzt nicht verfolgt, warum dein Mann kein Cortison nehmen will. Meine Schwester wurde in der Habichtswaldklinik in Göttingen mit Weihrauch substituiert - das war glaube ich im Frühjahr 2002. Vor Cortison war sie eine normale 39er Größe-Frau von Ende 20, mit Cortison auf aufgeschwemmtes Monster, dem die Leute - je nach Charakter - kichernd, lästernd, tuschelnd hinterher guckten, dem die Haut zerriss und das sich auch nicht mehr richtig bewegen konnte. Und auch wenn Martina ein Mensch war, der nie besonders viel Wert auf Äußerlichkeiten gelegt hat, in dieser körperlichen Verfassung ist es sehr schwer, sein Leben zu genießen, was bei Krebs eine der wichtigsten Therapien ist und einem bei der Diagnose Glioblastom ja auch gerne von den Ärzten für die letzen Monate geraten wird (HarrHarr). Bei Martina waren es übrigens 4 1/2 Jahre, ohne OP (Diagnose in Bonn, inoparabel), ohne Chemo, ohne Bestrahlung. Sie hat alles aus dem Bauch heraus entschieden. Zwar ist sie im November 2005 gestorben, trotzdem glaube ich immer und für jeden, dass ein Wunder möglich ist. Sie war auch schon ein kleines Wunder. Bloß hatte sie dann keine Kraft mehr. Auf jeden Fall hat sie das Weihrauch gut vertragen - ich weiß allerdings von ihrer behandelnden Ärztin, dass es da oft Probleme mit dem Magen gibt und sie echt Glück hatte, denke aber, Cortison ist auch nicht problemlos. Auffällig war bei den Kontroll-MRT's durchgehend die geringe Ödembildung. Natürlich musste sie Weihrauch selbst bezahlen, das war aber nicht all zu teuer.
Martina hatte einen HP der sich für sie 'den Arsch aufgerissen hat' um eine Therapie zu finden. Sie hat sehr viel ausprobiert. Die Krankenkasse ist verpflichtet, bei Krankheiten, für die es keine schulmedizinische Therapie gibt, einen Teil der alternativen Heilmittelkosten zu übernehmen. Bei der AOK hat sie den Antrag auch erfolgreich gestellt. War zwar nicht viel, aber immerhin was. Ich weiß allerdings nicht, wie der aktuelle Stand nach Gesundheitsreform ist. Prinzipiell warten die Kassen ja gerne auf die 'biologische Lösung' - also erst mal ablehnen. Immer wieder beantragen und lästig sein hilft - wenn man die Kraft hat.
Webz