Guten Abend, nach längerer Unsicherheit werde ich mich jetzt doch vorstellen und mich in die Liste der verzweifelten Angehörigen einreihen.
Zu unserer Geschichte:
Mein jüngerer Bruder kam im juli 2005 ins krankenhaus nachdem er mehrere fokale anfälle in seinem rechten arm hatte. Zwei wochen später, in denen ich mit seiner freundin bei ihm im krankenhaus war, wurde das, was ich als ehemalige krankenschwester auf den bildern und anhand der gespräche der ärzte gedeutet habe, wahr und dann stand die diagnose fest: tumore, und nach op auch das böse wort glioblastom grad IV. der erste arzt auf der neurologischen station war unglaublich toll, die darauffolgenden *nur* distanziert professionell. bei der mitteilung der diagnsoe war uns dreien extrem übel, extreme anspannung und die erde schien still zu stehen.
Er ist 28, hat mehrmals die woche sport getrieben, lebte gesund, kein alkohol, keine zigaretten, toller job ( selbständig mit seinem wunschberuf) und ne klasse frau an seiner seite.
Die therapie so wie hier oft geschrieben, bestrahlung, temodal.
Es ist ein drahtseilakt einem kranken, der von allen seiten infos, Tipps und tricks erhält, beim filtern zu helfen und ihn auf das wesentliche hinzuweisen ohne seine belastungsgrenze zu überschreiten. Er könnte sicherlich noch *mehr* tun, aber der eigene wunsch, dass er noch mehr kämpft und tut, ist egoistisch, und alles vermeintlich wichtige muss dosiert an ihn herangetragen werden. seine einstellung und seine kraft ist bewundernswert. Er tut viel für sich, lässt es sich, wenn er kann gut gehen, lässt sich massagen geben und lernt zu meditieren und zu visualisieren. Leider kam Freitag mitten beim umzug in seiner heimatstadt dann der dritte befund, vom letzten mrt und die tumore sind innerhalb von etwas über 10 wochen unbeeindruckt von chemo und co auf die vierfache fläche weiter gewachsen. Er leidet sehr unter der temodaltherapie, kann ab dem 3. tag im zyklus dann nichts mehr essen.
Es fällt so schwer loszulassen , es anzunehmen, dass er gehen wird, die eigenen erwartungen zu begrenzen. Es ist unglaublich was an emotionen frei wird, wie die menschen um ihn herum reagieren und agieren. Ich habe oft das gefühl jeden moment zusammenzubrechen, und weiß doch, dass nicht ich es bin die gehen muss und schäme mich dann sehr.
Ich habe oft gelesen was hier alle geleistet haben, fragte mich oft wie man es durchhalten kann. Es wird bei uns zwar geredet, nichts totgeschwiegen, dennoch scheint jeder sich ein stück weit in sich zurückgezogen zu haben und überall spürt man die unsicherheit wenn man reden möchte, da jeder an einem anderen punkt steht. Jeder will stark sein, und eigentlich ist es in wirklichkeit nur mein bruder.
Ich bin froh, dass es dieses forum gibt, in erster linie in bezug auf das zwischenmenschliche. Es hilft mir meine trauer und inzwischen auch hin wieder etwas wut rauszulassen zu können, einfach beim lesen eurer geschichten.
DANKE
S.