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Autor Thema: Patientenverfügung / Vorsorgevollmacht  (Gelesen 28344 mal)


Ulrich

  • Gast
Trägt die Patientenverfügung zur Selbstbestimmung bei?
« Antwort #1 am: 04. August 2004, 09:20:29 »

 
http://www.nzz.ch/servlets/ch.nzz.newzz.DruckformatServlet?url=/2004/08/04/fe/article9QM5S.nzzoml

4. August 2004,  06:20, Neue Zürcher Zeitung

Vorlaufen zum Tode

Trägt die Patientenverfügung zur Selbstbestimmung bei?

Ein neues Formular verbreitet sich: die Patientenverfügung. Auch am Lebensende soll der moderne Patient autonom agieren können. Der Wunsch, nicht der Apparatemedizin ausgeliefert zu werden, ist gewiss legitim. Wird mit der Aussicht auf Selbstbestimmung im Sterben aber nicht zu viel versprochen? - Einige sondierende Überlegungen.

Der Tod gehört ganz offenbar zum Kanon der unverrückbaren Fundamentalfragen des menschlichen Daseins. Der Philosoph Wittgenstein war nicht der Erste, der überzeugt war, zu der Frage lasse sich nichts sagen. Nichts, oder nur so viel: dass es dem Menschen verwehrt sei, den Tod zu erleben. Apodiktisch bemerkte er in der «Logisch-philosophischen Abhandlung»: «Der Tod ist kein Ereignis des Lebens.» Gegen diese Einsicht stemmt sich die Gegenwart und kehrt Wittgensteins Wort in sein Gegenteil: Den Tod zum «Ereignis des Lebens» machen, auf diese Formel lassen sich die gegenwärtigen Bemühungen um Einführung der sogenannten Patientenverfügung bringen. In Amerika zirkuliert besagtes Formular schon seit geraumer Zeit unter dem vielsagenden Titel «living will». Gut möglich, dass die Soziologen die vertraute These von der Verdrängung des Todes demnächst revidieren müssen. Noch umweht ein Hauch der Revolte die zahllosen Wortführer, welche in der Nachfolge der amerikanisch-schweizerischen Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross dazu ermuntern, das Schweigen zu brechen und den Tod endlich wieder beim Namen zu nennen. Aber ist dieser Einbruch der Rede in das vermeintliche Tabu auch notwendig eine Befreiung?

Erkenne dich selbst!

Ins breite öffentliche Bewusstsein geriet die Patientenverfügung mit einem Entscheid des deutschen Bundesgerichtshofes, der im März 2003 zu dem Schluss kam, dass eine solche Verfügung nicht ausreiche, um eine medizinisch indizierte lebenserhaltende Massnahme zu verweigern. Zur Beurteilung gelangte der Fall eines 72-jährigen Patienten, der im Jahr 2000 einen schweren Infarkt erlitten hatte und seither im Koma lag. Sein Sohn verlangte von den behandelnden Ärzten, dass sie dem Wunsch des Vaters entsprächen und die künstliche Ernährung einstellten. Diesen durchaus legitimen Wunsch hatte der Vater, zwei Jahre bevor er ins Koma fiel, in einer Patientenverfügung festgehalten. Das Bundesgericht entschied, dass bei Abbruch lebenserhaltender Massnahmen eine Zustimmung des Vormundschaftsgerichts notwendig sei, auch wenn eine Patientenverfügung vorliege. Doch hielt das Gericht ebenso fest, es sei zu wünschen, dass der Gesetzgeber sich des neuen Phänomens der Patientenverfügung bald annehme.

Es sollte kein Ruf in der Wüste sein. Im September letzten Jahres setzte die deutsche Bundesjustizministerin Zypries eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe ein, die sich mit der Frage der rechtlichen Verbindlichkeit von Patientenverfügungen auseinandersetzen sollte. Im vergangenen Juni lieferte die Arbeitsgruppe ihren Bericht «Patientenautonomie am Lebensende» pflichtgemäss ab, auf dieser Grundlage soll nun demnächst ein Gesetzesentwurf erarbeitet werden. Zum obersten Prinzip wird erwartungsgemäss das Selbstbestimmungsrecht des Patienten erklärt: Jeder ärztliche Eingriff bedürfe ganz grundsätzlich der Einwilligung. Im Falle einwilligungsunfähiger Patienten gelte es, sofern Patientenverfügungen vorliegen, diese zu Rate zu ziehen. Patientenverfügungen sollen «Festlegungen in Form von voraus erteilten Einwilligungen in die Einleitung, den Umfang oder die Beendigung bestimmter Massnahmen» enthalten. Sie müssen, so hält die Arbeitsgruppe fest, situationsbezogen sein und medizinische Massnahmen konkret benennen. Wie in Deutschland ist auch in der Schweiz eine rechtliche Regelung noch ausstehend. Indessen empfiehlt die Expertenkommission des Bundes in ihrem im Juni 2003 publizierten Bericht zur Revision des Vormundschaftsrechts die Einführung des neuen Rechtsinstituts.

Wirft man einen Blick auf die Patientenverfügungen, die derzeit im Umlauf sind, so fällt bald auf, dass hier mehr auf dem Spiel zu stehen scheint als der durchaus legitime Wunsch, von der sogenannten Apparatemedizin nicht unnötig behelligt zu werden (beziehungsweise, und das wird heute vielleicht zu wenig bedacht, mittels des besagten Formulars ihren uneingeschränkten Einsatz zu fordern). So fragt man sich, weshalb nicht alle Patientenverfügungen so kurz gehalten sind wie jene, die von der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) zur Verfügung gestellt wird und bloss den Wunsch des Patienten vermerkt, auf alle Massnahmen zu verzichten, die das Sterben unnötig hinauszögern. Unerklärlich, weshalb die Betreffenden nach Dafürhalten der deutschen Arbeitsgruppe dazu aufgefordert werden sollen, über ihre Wertvorstellungen Rechenschaft abzulegen, wenn doch der die Medizin betreffende Fragenkatalog schematisch beschränkt ist und die Antwortmöglichkeiten sich auf ein Entweder-oder reduzieren. Weshalb sollen Patienten Fragen wie «Wurde ich enttäuscht vom Leben? Würde ich es anders führen, wenn ich nochmals von vorn anfangen könnte?» beantworten, wenn es doch bloss darum geht, sich gegen die Inhumanität der Technik zu behaupten? Zeichnet sich hier ab, was auch an der zeitgenössischen bioethischen Reflexion ein erkennbarer Zug ist: die Verknüpfung der Sorge um das Selbst mit der Aufforderung zur Selbsterkenntnis? Kehrt das Geständnis zurück, die Lebensbeichte?

Der moderne Mensch, so wie er im bioethischen Diskurs der Gegenwart figuriert, möchte auch dann autonom agieren, wenn die körperliche Verfasstheit es nicht mehr gestattet. Daran nehmen auch die unerbittlichsten Gegner der Sterbehilfe keineswegs Anstoss. Dem religiös sensiblen Menschen weiss der Bischof von Limburg die «christliche Patientenverfügung» zu empfehlen, die die Selbstbestimmung kranker Menschen stärke, «ohne ethische Grundsätze zu verletzen». Freilich ist die begehrte Autonomie einzig unter der Bedingung möglich, dass klassische Situationen des medizinischen Alltags durchgespielt und die gewünschten Verhaltens- und Behandlungsweisen vom Notar schriftlich festgehalten werden: Angenommen, ich sollte dereinst auf der Intensivstation im Wachkoma liegen, soll man mich in einem solchen Fall künstlich ernähren? Sollen Wiederbelebungsmassnahmen ergriffen werden, wenn die Atmung plötzlich aussetzt?

Die deutsche Arbeitsgruppe spricht in solchen Fällen von «Selbstbestimmung», doch stellt sich die Frage, ob sie damit nicht zu viel verspricht. Schliesst der Begriff der Autonomie nicht auch und gerade die Freiheit ein, sich im letzten Augenblick anders entscheiden zu können? Diese Autonomie können auch Patientenverfügungen nicht gewährleisten. Was sie leisten, ist denn auch nicht eine Restitution, sondern eine Kompensation der eingebüssten Autonomie des einwilligungsunfähigen Patienten. Also wäre die Patientenverfügung nichts anderes als eine vorsorgliche Prothese. Der Preis, der für sie zu entrichten ist, besteht darin, im Voraus bestimmen zu müssen, was dereinst geschehen soll.

Standardisierung

Im Rahmen der Patientenverfügungen reduzieren sich die Entscheidungsmöglichkeiten freilich auf die Alternative der Einwilligung bzw. Ablehnung spezifischer medizinischer Massnahmen. Was als Wunsch nach Selbstbestimmung seinen Anfang nahm, endet in den Bahnen eines genormten Todes. Über die Bedingungen des modernen Lebens und Sterbens soll man sich nicht täuschen. Der bürokratische Betrieb beruht auf Standardisierung; auf die vorgegebenen Fragen sind klare Antworten erwünscht und gefordert: Organtransplantation - ja oder nein, Ruhigstellung - ja oder nein, künstliche Ernährung - ja oder nein, künstliche Beatmung - ja oder nein, Dialyse - ja oder nein, Antibiotika - ja oder nein. Immerhin ist auf dem entsprechenden Formular des «Humanistischen Vereins Deutschlands» die Möglichkeit vorgesehen, auf die Frage, ob die Ärzte den potenziellen Patienten bei Komplikationen konsequent sterben lassen sollen, mit «weiss nicht» zu antworten. Auch dies - eine Entscheidung.

Carlo Caduff

Carlo Caduff ist Kulturanthropologe und doktoriert derzeit an der University of California in Berkeley. Er ist (gemeinsam mit Tobias Rees) Herausgeber und Übersetzer von Paul Rabinow: «Anthropologie der Vernunft. Studien zu Wissenschaft und Lebensführung» (Suhrkamp 2004).
 
« Letzte Änderung: 05. August 2006, 15:59:52 von Ulrich »

fips2

  • Gast
Re:Patientenverfügung / Vorsorgevollmacht
« Antwort #2 am: 22. März 2010, 20:26:15 »
Hallo Ihr lieben waren heute beim Notar.

Ganz wichtig für alle mit Eigenheim und Kindern unter18 Jahren!!!!!!!!!!!!!!

Testament machen und einen Erben einsetzten sonst droht bei gestzlicher Erbfolge einschaltung des Amtsgerichtes um die Interessen des Kindes zu wahren.

Z.B. Kann man sein eigenes Haus nicht mehr so einfach verkaufen.

Ebenfalls ganz wichtig   GENERALVOLLMACHT   auf gegenseitigkeit erteilen.Die sogenannte Betreuungsvollmacht gilt nur bis zum ableben,dann drohen Probleme mit den Ämtern.

Viele Grüssse Sunny

Danke für den Hinweis an Member Sunny  Mod

Offline Bluebird

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Re:Patientenverfügung / Vorsorgevollmacht
« Antwort #3 am: 24. März 2010, 22:14:36 »

In diesem Zusammenhang gibt uns unser Mitglied Andorra den Hinweis auf das
" Berliner Testament "

http://de.wikipedia.org/wiki/Berliner_Testament

Diverse Websites und Formulierungsbeispiele sind im Internet zu finden.
Das Testament muss handschriftlich aufgesetzt sein.

Da es sich teilweise um kommerzielle Anbieter handelt, wird auf die Verlinkung verzichtet.


Bluebird
« Letzte Änderung: 24. März 2010, 22:20:47 von Bluebird »
The best time to plant a tree was 20 years ago.
The second best time is NOW.
(Chinesisches Sprichwort)

Offline KarlNapf

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Re:Patientenverfügung / Vorsorgevollmacht
« Antwort #4 am: 09. September 2012, 15:54:11 »
Aus meiner Sicht bietet diese Seite derzeit die aktuellsten Textbausteine:

http://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/broschueren_fuer_warenkorb/Anlagen/Patientenverfuegung_Textbausteine_pdf.pdf?__blob=publicationFile

Siehe bei den Buchtipps: http://www.hirntumor.de/forum/index.php/topic,8589.0.html

Auf der Seite http://www.bmj.de kann man auch je eine Vorlage finden für Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung.
Dum spiro, spero = So lange ich atme, hoffe ich. (Cicero, ad Atticum 9,11)

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Offline KarlNapf

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