HirnTumor-Forum

Autor Thema: Abschied vom Leben mit Glioblastom  (Gelesen 47109 mal)

Stefans Frau

  • Gast
Abschied vom Leben mit Glioblastom
« am: 17. Juli 2006, 12:49:46 »
Hallo!
Nachdem ich wochenlang nur gelesen und mich informiert habe ist heute der Tag gekommen an dem ich doch auch selbst Hilfe in Anspruch nehmen möchte.
Mein Mann (43) hatte im Verlauf seiner Krankheitsgeschichte (Glio IV seit 05/06) schon Persönlichkeitsveränderungen, bzw. ist der Tumor auch daraufhin diagnostiziert worden. Wir mussten zusammen (wie ihr alle) nun schon ein paar Mal in die Hölle gehen - aber auch wieder zurück! Wir haben in diesen Monaten viele innige Momente genossen oder gelitten - wie auch immer... Mit der üblichen Behandlung (Strahlentherapie, Temodal, Cortison) kam er super zurecht, das Kurzzeitgedächtnis hat sich gut regeneriert, Ausfälle hatte er nie, keine Epileptischen Anfälle. Er war teilweise wieder wie früher, also wie 1 Monat vor den ersten Anzeichen. Bestrahlung ist zu Ende und er soll sich erholen bevor die Chemo weitergeht. Aber bereits seit seinem 1. "freien" Tag ist mit ihm nichts mehr anzufangen. Er hat schlechte Laune, mault die Kinder ständig an, ist extrem leicht reizbar. Und jetzt wirft er mir alles mögliche vor, ich mache alles falsch. Ich hatte schon Angst, er gibt sich auf,  aber das ist es nicht...
Er fühlt sich zu Hause nicht mehr wohl, alles ist ihm zu viel. Aber ich weiß auch langsam nicht mehr, ob ich ihn nun unter - oder überfordere. Ich verlange ihm vorsichtshalber nichts ab, das würde er mir nur vorwerfen. Aber dass ich ihm alles abnehme, auch Streitereien mit den Kindern, hält er mir genauso vor.
Leider bin ich keine souveräne, mitleidsbekundende Frau, eher der typ impulsiv und aus jeder noch so beschissenen Lage das Beste machende. Ich konnte ihn bisher gut mitreißen und zum positiv denken motivieren. Leider bin ich nicht so geduldig und höre mir jeden Vorwurf schweigend an, was ihm vielleicht als schwer krankem Mann zustehen würde.  Ist das aber meine Pflicht? Ich hoffe, es gibt außer mir weitere Menschen, die sich
dazu bekennen auch bei einem Kranken auszuflippen.

bine1990

  • Gast
Re:Persönlichkeitsveränderung oder Ehekrise?
« Antwort #1 am: 17. Juli 2006, 14:39:38 »
Hallo I hope,
sorry, Krankheit hin, Krankheit her, man darf sich selbst (Angehöriger) nicht total "unterwerfen"! Ich denke man sollte Ihnen, soweit es der Zustand zulässt, sehr wohl gewisse Aufgaben zuweisen, wenn sie es nicht von selbst tun (meine Ma, Glio IV -05/05 -, kannst unter Glioblastom IV, Seiten 1-16 nachlesen, wenn du magst). In der ersten Phase nach Bestrahlung und während der Chemo war meine Ma voll fit, keinerlei Ausfälle, manchmal Probleme mit dem Kurzzeitgedächtnis, aber sie erledigte ihre ganzen Hausarbeiten und dergleichen, da hat sogar manchmal sie eher meinen Vater aufgebaut (dies ist ja seit der 2. OP im Dez. 05 nicht mehr möglich). Unsere Angehörigen brauchen auch eine Aufgabe um sich nicht ständig mit dem "Warum und wieso" zu beschäftigen, was im Unterbewußtsein bei jedem abläuft. Eine gewisse Persönlichkeitsveränderung tritt aber auf alle Fälle, denke ich, ein. Teilweise unbewusst, teilweise bewusst, wenn auch nur das bisher unterdrückte Unterbewußtsein zum Vorschein kommt. Meine Ma hat z. B. gesagt sie wolle nu dies oder das, als es mein Vater brachte, fragte sie ihn was sie damit solle (dies kann natürlich schon zu "Reizstimmungen" führen, da man auch als Angehöriger nur ein gewisses "Fell" hat. Aber das war eben unbewusst, sie hat es einfach nicht mehr gewusst.
Ich denke du musst da einfach ein bißchen ausprobieren, wie alt sind denn eure Kinder? Tut er irgendwas im Haus, hat bzw. hatte er ein Hobby, dass er auch jetzt wieder ausüben könnte? Auf alle Fälle musst du ihm auch Widersprechen, wenn er etwas macht oder behauptet was nicht stimmt, ansonsten wirst du ja wahnsinnig und du brauchst deine Kraft wahrlich noch für andere Sachen!
Wünsche euch viel Kraft und vielleicht mal ein gaaaanz offenes Gespräch!

Ulrich

  • Gast
Re:Persönlichkeitsveränderung oder Ehekrise?
« Antwort #2 am: 17. Juli 2006, 15:17:54 »
Vielleicht interessiert dieser Text:

Persönlichkeitsveränderung bei Hirntumor.

Stefans Frau

  • Gast
Re:Persönlichkeitsveränderung oder Ehekrise?
« Antwort #3 am: 19. Juli 2006, 11:43:13 »
Hallo bine1990!
Vielen Dank für Deine schnellen aufbauenden Worte. Auch für den Text von Ulrich vielen Dank! Im Prinzip weiß man es ja, dass der Betroffene sich einfach verändert (hat). Manches passiert schleichend, und da kann man vielleicht auch etwas gegensteuern. Leider ging das jetzt bei meinem Mann einfach zu schnell. Innerhalb von ein paar Tagen vom liebevollen Vater zum absoluten Kotzbrocken ( :-X tschuldigung). Nein, ich mach ihm keine Vorwürfe wegen seiner Gefühle oder Gedanken, die er nicht steuern kann. Ich hoffe, es ist eine vorübergehende "Panikattake", die genauso schnell verschwindet wie sie gekommen ist.  Und ja, trotzdem bin ich auch der Meinung, dass sich nicht  jeder unterwerfen sollte. Und niemand wird sich ständig unbegründete Vorhaltungen anhören können, während man ja wirklich A L L E S macht, damit es dem Betroffenen einigermaßen gut geht. Dann fällt einem halt nicht sofort der Tumor ein, und dass das Gehirn einfach extrem belastet ist durch die ganze aggressive Behandlung. Mir tut es hinterher echt leid, aber ich bin leider explodiert... :-\
Also unsere drei Kinder sind unter 12 und die Hobbys die er bisher hatte kann er halt nicht mehr ausüben. Er war total aktiv und ein absoluter Allrounder, hat alles selbst gemacht. Und dann so ein Tumor - das ist echt der Supergau!
Ist halt Schade, dass bei körperlich guter Verfassung die Psyche streikt - denn umgekehrt hatten wirs halt auch schon. Als er psychisch gut drauf war gabs Probleme während der Strahlenbehandlung und er musste stationär aufgenommen werden. Aber wir werden auch diese aktuelle Krise meistern!
Ich hoffe, ich komme jetzt mal dazu die Geschichte deiner Mom zu lesen...

Stefans Frau

  • Gast
Abschied vom Leben mit Glioblastom
« Antwort #4 am: 01. Juli 2007, 02:41:33 »
Hallo ihr lieben,

ich habe mich so lange nicht gemeldet, seit ungefähr 1 1/2 Monaten mindestens. Es ging einfach nicht. Ich hatte weder die Zeit noch die Nerven mich mit anderen Schicksalen auseinanderzusetzen. Ganz großes SORRY!!! an SARABANDE, AGNES und viele andere. Ich werde mir eure Beiträge noch im nachhinein durchlesen.

Mein lieber Steff ist am 17.06.07 um 5.05 gestorben.

Ich denke mal, das letzte was ich geschrieben habe war, dass bei ihm ein zweiter Tumor im Kleinhirn entdeckt wurde. Ihm war ständig schwindlig, er hatte Sehstörungen und Schwierigkeiten mit der Sprache. Das war am 23.03.  Es ging sofort los mit neuen Bestrahlungen, Chemo lief eh schon weiter mit Temodal.  Und für mich war klar: Ich werde die nächsten Wochen nurfür ihn dasein, und nicht arbeiten, ins Internet gehen oder sonstige Dinge, die ich außer dem notwendigsten, wie Kinder, Hund, Haushalt erledigen muss, tun.

An Ostern hat er sich nur ausgekotzt und konnte ohne Hilfe nicht mehr gehen. Kurz danach hat er seinen Rollstuhl bekommen. Trotzdem wollte er immer wieder unbedingt wissen, was er noch alleine schafft und hat etliche schwere Stürze erlitten mit Platzwunden und anderen unschönen Blessuren. Er war trotz allem meistens gut drauf und wollte auch mit Rollstuhl überall hin - ins Eiscafe (allgemeiner Treffpunkt in unserem Ort) zu Aldi, einfach unter die Leute. Ich habe ihm oft gesagt, wie lieb er ist, und dass ich ihn wahrscheinlich oft anmaulen würde, wenn es umgekehrt wäre. Er hat wirklich alles mit Würde getragen. Und es kamen immer wieder Rückschritte hinzu. Wobei er vom Gedanklichen, persönlichen und auch logischen her immer besser drauf war. Somit war stets die Hoffnung da, dass sich nach der Bestrahlung auch die anderen Symptome bessern würden.

Dann kam am 19.05. der absolute Tiefpunkt. Über den Tag hinweg  ging es ihm immer schlechter. Er hat schnell geatmet und hatte keine Kraft mehr. So, dass er scheinbar morgens schon Erbrochenes in die Lunge gekriegt hat, weil ihm die Kraft fehlte, sich über seinen ständigen Begleiter, den Eimer zu beugen. Ich war den ganzen Tag schon mit dem Hospitzverein in Verbindung, bis gegen abend dann die Krankenschwester da war und eine Ärztin anrief. Die stellte eine beginnende Lungenentzündung fest. Sie kannte uns noch nicht näher und wusste nicht so recht wie wir zu den Dingen stehen. Jedenfalls hat sie vorgeschlagen, dass man das auch zu Hause behandeln kann. Wir haben aber entschieden in die Klinik zu gehen. Sie hat uns dabei unterstützt und alles weitere veranlasst. Mein Mann wurde abgeholt und ich bin mit meinem Auto zur Klinik gefahren. War ja alles irgendwie harmlos.

In der Klinik angekommen, durfte ich nicht zu ihm. Der Arzt hat mir unmissverständlich klar gemacht, dass dies eine äußerst lebensbedrohliche Situation ist, und sie jetzt von mir wissen müssten, was sie mit ihm machen sollen. Ob er lebensverlängernde Maßnahmen will oder nicht. Ich hab seine Patientenverfügung erstmal nicht erwähnt. Nach einiger Zeit durfte ich ihn sehen. Zuvor hatte ich mit einem weiteren Arzt ein ähnliches Gespräch, und es war klar, er könnte sterben, bzw. haben mir diese beiden Ärzte schon gesagt, dass auch ein gesunder Mensch mit einer Sepsis bei Pneumonie wenig Überlebenschancen hat. Als ich ihn dann endlich sehen durfte, war mir sofort klar, dass er an diesem Tag nicht sterben würde. Anschließend hatte ich mit einer Ärztin von der Intensivstation ein Gespräch, wieder das gleiche. Ich habe gesagt, sie brauchen sich gar keine Gedanken mehr über die Intensivmedizin machen, weil er das nicht brauchen wird, er schafft das auch ohne. Daran haben 3 Ärzte unabhängig voneinander nicht geglaubt. sie haben uns ein schönes Zimmer auf Station besorgt, weil sie dachten, nach der nacht ist es eh vorbei.

Aber Steff sollte noch nicht sterben. Ich wusste das. Und was ich in dieser Nacht noch erlebt habe, kann ich gern denjenigen in einer persönlichen Mitteilung erzählen, die über das Thema Glaube und Gott etwas lesen wollen.

Er erholte sich so unfassbar schnell, es war der Hammer. Am nächsten Mittag schon hatte er völlig normal Werte und es ging ihm richtig gut. Die Ärzte standen vor einem Rätsel und haben sich einfach nur gefreut. Er war insgesamt 10 Tage in der Klinik. Ich war jede Nacht bei ihm. Das Zimmer war sehr komfortabel, ich hatte mein Bett und wir haben es uns echt gemütlich gemacht.  Er war sehr geschwächt und konnte noch weniger selbständig tun als vorher. Wir dachten, das kommt auch wieder. Wir müssen ihn halt zu Hause aufpäppeln.

Kaum zu Hause, war wieder der MDK da und hat ihn sehr schnell auf Pflegestufe III hochgestuft. Ich hatte mittlerweile Pflegebett, Toillettensitz und Duschsitz zu hause. Der Pflegedienst kam auch. Ich konnte es nicht mehr alleine schaffen, ihn morgens fertig zu machen. Es waren harte Tage, an denen ich dachte, ich stehe vor einem so hochen Berg dass ich nicht darüber schauen kann. Ich wusste nicht, wie ich das alles schaffen sollte.

Am 5. Tag zu hause erneut Beschwerden. Wieder in die Klinik. Verdacht auf erneut aufgekeimte Lungenentzündung. Diesmal nicht mehr die Frage, ob Intensivmedizin noch wünschenswert war, sondern schon das Antibiotikum war scheinbar zu viel des guten. Das wollte ich nicht mehr selbst entscheiden. Also hab ich ihm das überlassen. Er sollte sich das genau überlegen, ob er nochmal alles mitmacht. ich konnte ihm nur versichern, dass ich ihn pflege, so lange es dauert, dasss ich es gerne mache, auch die Kinder, alle Freunde, jeder. Aber er ist der Mann, wenn er nur noch seine Ruhe haben will, dann müssen wir das akzeptieren. Er hat stundenlang überlegt. In dieser Zeit war mir klar - lieber weiterhin das alles machen, als ihn zu verlieren. Und der Berg war weg. Er hat sich entschieden weiter zu kämpfen.

Dieses mal hatte er nicht die gleichen Highlights wie zuvor. Aber auch nichts an der Lunge. Die war total i. O. Jetzt war es ein Harnwegsinfekt. Und ich dachte: Klasse, und da überlegen die, ob sie ihm überhaupt noch Antibiotika antun sollen. Es war so ein Zustand der allgemeinen Schwäche, und das hat stagniert. Nach einer Woche in der Klinik gab es schon eine dramatische Situation, wo ich nicht wusste, was hier abgeht. Es ging ihm schlecht. Für mich erkennbar. Der gerufene Arzt konnte nichts feststellen. Herz, Lunge, Blutdruck, Puls, Blutwerde - alles wunderbar. Am Tag zuvor habe ich das allererste Mal festgestellt, dass er jetzt leidet. Keine Schmerzen, aber eben ein Leiden, das mir angst machte. Danach habe ich meine Kinder mitgenommen und den Großen gesagt, sie sollen sich verabschieden.

2 Tage später wurde er aus der Klinik entlassen. Medizinisch hat ihm nichts gefehlt außer seinen Tumoren, von denen keiner wusste, wie sie sich verhalten haben. Wir hatten soviel Hoffnung, weil er wirklich so aufnahmefähig war und sich alles merken konnte. Sein Hirn hat im Gegensatz zu früheren Zeiten super funktioniert. Ich hatte schon den kurzen Gedanken daran, dass ja nach ein paar Tagen wieder was sein könnte. Und da hab ich schon beschlossen, ihn nicht mehr in die Klinik zu bringen. Jetzt weiß ich aber, dass das seine Gedanken und Gefühle in mir waren, dass ich immer wusste, was für ihn das richtige war.

Am Mittwoch, den 13.06. kam er also das zweite mal aus der Klinik heim. Wieder schwächer. Mittlerweile musste er gefüttert werden. Er war seit Sonntag bettlägrig. Die nächsten paar Tage gab es ebenso wunderschöne wie furchtbare Situationen.

Am Samstag morgen um 5.30 bin ich aufgewacht und aufgesprungen. Ich hab ihn angesehen und er mich. Ich hab gesagt. Steff, du musst jetzt was trinken. Ich gab ihm mit dem Teelöffel etwas Tee in den Mund und es kam wieder hervor mit  weißem Schaum. Da wusste ich, das wars. Ich hab ihm dann gesagt, dass ich jetzt seinen besten Freund anrufe. Da hat er mich noch angesehen und dann die Augen zugemacht. Ich hab den Hospizverein, seine ganze Familie, seine ganzen Freunde, meine besten Freundinnen angerufen. Um sechs Uhr war unser Haus schon ziemlich voll. Dann herrschte etwas Hektik. Den Pfarrer anrufen, die restlichen Leute anrufen usw. Wir dachten alle, in  ner halben Stunde ist alles vorbei. Er wurde immer ruhiger, je mehr Leute da waren. Unser Kleiner Sohn hat oben geschlafen, und ich dachte, bevor der aufwacht, ist es vorbei. Aber als er um 9.30 aufgestanden ist, war bereits alles so friedlich, und ich dachte, auf ihn hat er jetzt noch gewartet. Marian ging hin, nachdem ich ihm gesagt hatte, dass sein Papa heute sterben muss, weil das Leben zu schwer für ihn geworden war, und dass er gerne noch bei ihm bleiben würde, das aber einfach nicht kann, und dass er zum lieben Gott gehen wird weil er dort wieder gesund sein wird. Marian wusste eh schon bescheid, er war schließlich derjenige, der zwei Tage zuvor das erste Mal in dieser ganzen Krankengeschichte, wo über alles so frei gesprochen wurde, weinte und sagte, er will dass Papas Tumore weggehen und Papa soll nicht sterben. Das Kind lebt einfach vom Gefühl, und nachdem er immer alles aussprechen konnte und da aber erstmals vom sterben sprach, bekam ich schon Angst, ob er vielleicht was ahnt was ich noch nicht ahnen kann... Er hat sich zu ihm ins Bett gelegt und ihm lauter süße Sachen ins Ohr geflüstert. Ich hab ihm dann versichert, dass er ruhig spielen gehen darf, dass Papa sich darüber freut. Unsere Freunde waren so toll, dass sie sogar ihren gleichaltrigen Sohn geholt haben, damit die beiden zusammen spielen können. Im Laufe des Tages kamen immer mehr Leute, es gingen auch mal welche zwischendurch, es kamen mehr Kinder dazu. Und auch meine Großen, die erstmal Abstand gebraucht hatten, konnten wieder ohne angst dazukommen, nachdem ich ihnen versichert hatte, dass es nichts gibt, wovor sie angst haben müssten, dass Dad einfach friedlich schläft und schnauft, aber sehr wohl weiß wer da ist und dass er sie braucht und auch ich und der Kleine.  

Wir waren ca 30 Leute im Haus. Es wurde soviel geweint, es wurde gelacht, es wurde gekocht und gegessen. die Kinder sprangen draußen in den Pool und wenn sie reinkamen haben sie Steff gestreichelt, und davon geschwärmt, wie er immer gezaubert hat. Jeder hat sich einzeln von ihm verabschieden können, manchmal waren fast alle im Raum, manchmal nur die eltern und ich. diesen Tag wird keiner von uns je vergessen. Er hat sich sogar zwischendurch richtig "erholt". Da kam sofort wieder Hoffnung auf . Für mich war dann aber klar, das allerletzte mal. Danach will ich nicht mehr hoffen, sondern es gut sein lassen. Wir hatten schon so ungefähr 18 Stunden so verbracht, als ich etwas seltsames in mir bemerkte. Das war der zeitpunkt, als seine Seele schon unter uns unterwegs war. jeder hat sich dann gefragt, wie lange es noch dauern würde. Ich hatte das bild vom morgengrauen vor mir. als ich dann mal kurz allein war, hab ich mir selbst diese Frage gestellt, wann wird es so weit sein? Ich hab ganz klar mit offenen augen die 5 vor mir gesehen und dann auch den "ungeduldigen" die sich schon gefragt haben, warum er denn jetzt nicht "erlöst" wird gesagt, dass es nicht vor 5 uhr sein würde. Wir hatten uns schon am Abend überlegt, was wir tun sollten, wenn er denn eingeschlafen ist. Ich hatte die Idee, ganz viele Teelichter auf seinem Pool schwimmen zu lassen. Die Freunde haben dann mit den Kindern seinen Namen aus Teelichtern geformt auf Bretter gelegt, die Mädchen haben es mit Blumen geschmückt. Es war alles vorbereitet, wir waren alle vorbereitet. Aber Steff hat es scheinbar so genossen, alle um sich zu haben. Er hat sich einfach Zeit gelassen. Ich wusste genau wann und wie alles sein würde und genau so war es. Er hat einen vorletzten Atemzug gemacht und dann kam lange nichts. In dieser zeit hab ich dauernd gesagt, es soll keiner erschrecken, es kommt noch was - ein mal noch. Und dann hat er nur noch alles Leben ausgehaucht. Ich hatte die ganze zeit meine hand auf seinem herzen und habe es immer schwächer schlagen gespürt.

Ich hab ihm dann gesagt, wie dankbar ich dafür bin, dass ich so eins mit ihm geworden bin, dass ich so froh bin, dass er mir zu verstehen gegeben hat, wie alles ablaufen würde und es einfach schön ist, die Gewissheit zu haben, dass er genau der richtige für mich war. Ich habe Gott dafür gedankt, dass es keine einzige unwürdige Situation gab und Steff einfach in Frieden gehen durfte. Ohne Anfall, ohne Stöhnen, ohne Winden oder Augen aufreißen. In diesem Moment dachte ich nie und nimmer, dass es mich dermassen schwer treffen könnte, wenn er dann tatsächlich nicht mehr da ist.

Nachdem meine Kinder sich dann ein allerletztes mal von ihrem Vater verabschiedet haben und ich sie morgens um 6.30 wieder ins Bett gebracht habe war auch ich noch mal ganz allein mit ihm. Seine Seele war auf jeden Fall im Raum, aber jeglicher Geist war aus dem Gesicht, aus dem Körper verschwunden. Als ich eine Stunde lang versucht habe zu schlafen, es aber nicht konnte, war es mir nur noch wichtig, dafür zu sorgen, dass er so schnell wie möglihch abgeholt wird. Ich wollte mir und den Kindern den Anblick ersparen wie er vom Bestatter rausgefahren wird. Danach bin ich dann doch noch total zusammengebrochen mit dem Gefühl, dass ich diese überwältigende Traurigkeit nicht überleben könnte - ich wollte aber.  Als ich dann genau wie mein Mann reagiert habe und alle Anzeichen, die wir immer an ihm beobachtet haben so real für mich fühlbar waren - ich konnte weder richtig sprechen, noch hatte ich Kontrolle über meinen Körper- war mir klar, dass er mir und denen, die noch da waren zeigen wollte, wie es ihm immer ging. Und das war so unerträglich, dass ich wirklich nach einem Arzt verlangen musste. Es war nicht auszuhalten. Aus diesem Grund weiß ich heute, er konnte nicht mehr kämpfen. Es war besser für ihn, zu gehen.

Am 21.06. war die Aussegnungsfeier und nach dem offiziellen Teil und dem leidlichen Verwandchaftsgeplänkel haben wir unsere "etwas andere Trauerfeier" ganz nach Steffs Geschmack gestaltet. Er stand sein Leben lang gerne im Mittlelpunkt und hat auch das noch genossen. Er ist einfach ganz nah bei uns und wir fühlen uns auf einer Welle getragen, was vieles so sehr erleichtert. Bis jetzt geht es uns nicht wirklich schlecht, weil wir wissen, es war alles gut so wie es war und es war in seinem Sinn.

Ich hoffe, ich kann mit unserer Geschichte Mut machen ohne jemandem die Hoffnung auf Heilung zu nehmen. Ich habe erfahren, dass ALLES möglich ist. Es ist schön, daran zu glauben. Die Hoffnung stirbt nie, denn selbst beim Sterben ist die Hoffnung auf einen friedlichen Tod und ein ewiges Leben vorhanden.

Eure Ihope

Offline agnes

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Re:Abschied vom Leben mit Glioblastom
« Antwort #5 am: 01. Juli 2007, 10:53:01 »
Liebe Ihope!

Mein allerherzlichstes Beileid :'( :'(

Du hast diesen Eintrag so schön geschrieben, ich habe nur geheult.....
Du hast die letzten Stunden im Leben Deines Mannes so toll gestaltet, ich weiss nicht, ob ich die Kraft dazu hätte...

Ich bin zur Zeit nur verzweifelt, sehe wie es meinem Mann jeden Tag ein Stück schlechter geht und  ich habe so große Angst vor dem, was noch kommt, wie ich das alles schaffen soll....aber Du und viele andere haben es auch geschafft :'( :'(

Ich wünsche Dir und Deinen Kindern viel Kraft für die kommende Zeit
alles Liebe Hilde


Offline Doro66

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Re:Abschied vom Leben mit Glioblastom
« Antwort #6 am: 01. Juli 2007, 11:32:32 »
Liebe Ihope,

d  a  n  k  e

daß wir an deinem / eurem Abschied von deinem geliebten Steff teilnehmen durften.
Ich glaube, ich habe nie was "Schöneres" gelesen.

Wenn jemand so gehen darf, nimmt es dem Tod den Schrecken; -- und für uns alle wird irgendwann dieser Tag kommen.

Meine herzliche Anteilnahme und viel Kraft für dich

Doro

PS: Wünsche auch uns allen viel, viel Kraft für die Zukunft

Stefans Frau

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Re:Abschied vom Leben mit Glioblastom
« Antwort #7 am: 01. Juli 2007, 21:27:42 »
Liebe agnes, liebe Doro,

vielen Dank  für eure Anteilnahme. Es war einfach auch schön. Alle, die dabei waren sind so innig miteinander verbunden (ausgenommen seine Familie, die uns das nicht gönnt) dadurch, und keiner von uns verbíndet mit dem Sterben etwas furchtbares mehr. Meine Kinder und ich kommen so gut zurecht, wir genießen einfach auch wieder die Freiheiten, die wir jetzt wieder haben, obwohl wir wirklich kaum etwas unternehmen. Es kommen sowieso jeden Tag immer andere Freunde die sich nach uns umsehen.
Es war einfach gut so wie es war. Steff wollte scheinbar unbedingt nach hause, hat dafür gesorgt, dass seine ganzen Werte für eine Entlassung aus der Klinik sprechen und er wollte auch dass alle dabei sind. Wieso hätte er sonst an eínem Samstag-Morgen angefangen zu sterben? An jedem anderen Tag hätten viele nicht so viel Zeit gehabt. Für mich war halt auch seit einer Woche klar, dass er leidet. Und das wollte auch ich nicht mehr. Aber es ist doch gut, dass er ansonsten eine meist gute Zeit hatte. Es waren 14 Monate mit allen Auf und Abs, und am schönsten war sein Triumphzug von Weihnachten bis nach Fasching, als er nochmal Snowboard fuhr und Fahrrad und sonst auch richtig Gas gegeben hat. Und alles Schlimme hat er mit so viel Würde getragen.

Das, was ich ihm in den 14 Monaten gegeben habe, hatte er mir schon die 10 Jahre zuvor gegeben. Ich bin so dankbar, dass ich das noch konnte. Ein plötzlicher Tod wegen Unfall z.B. wäre viel, viel schlimmer für uns alle.  

Ne scheiß Krankheit ist das - aber wir haben das beste draus gemacht!!!

Liebe Grüße,
Ihope

Offline Phoenix

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Re:Abschied vom Leben mit Glioblastom
« Antwort #8 am: 01. Juli 2007, 23:07:43 »
Liebe IHope...........

auch ich mußte bei deinem Beitrag heulen wie ein Schloßhund.........teileweise erinnerte es mich sehr an unsere Situation, gerade wie du schreibst mit der Antibiotikabehandlung und den lebensverlängernden Maßnahmen.....diese Fragen,dessen Konsequenzen fast nicht zu tragen sind..........wie in einem falschen Film, man dreht sich um und denkt........mit wem redet der da? Mit mir ? Geht nicht, wie kann ich entscheiden.........und auch ich habe es dann einfach auch meinem Mann überlassen...........er hat soviel bekommen wie ich es für nötig befunden habe, es tat ihm aber nicht so gut........dann hab ich gesagt......so, jetzt ist es deine Entscheidung was daraus wird..............


Das Sterben deines Mannes ist sehr friedlich verlaufen  und du hast es wunderschön gestaltet...........ich wünsche dir, das diese Kraft dich weitertragen kann...............

Alles Liebe Esther

petra69

  • Gast
Re:Abschied vom Leben mit Glioblastom
« Antwort #9 am: 02. Juli 2007, 16:28:28 »
 :'( :'( :'(

ich sitzte hier schon sehr lange und weiß eigentlich nicht recht was ich schreiben soll oder will (habe viel im Kopf und bekomme es nicht aufs Papier)
Es tut mir so leid,
wenn du vor mir stehen würdest, würde ich dich am liebsten knuddeln.
Ich wünsche dir alle Kraft der Welt und die tollsten Freunde brauche ich dir nicht zu wünschen, die hast du schon gefunden.
Die etwas durcheinandere
Petra

Sarabande

  • Gast
Re:Abschied vom Leben mit Glioblastom
« Antwort #10 am: 03. Juli 2007, 11:09:16 »
Liebe IHope,

In Salman Rushdie’s “Shalimar the Clown” gibt es eine Episode, wo die Frau eines Mannes unerwartet während eine Feier stirbt.  Die Leute sind eingeschneit, alles läuft schief.  Aber der Mann fängt plötzlich an, die Indische Liebesgöttin zu loben.  Alle andere halten ihm für Verrückt, aber er erklärt, „Erst jetzt, wo sie nicht mehr da ist, weiß ich wirklich, was ich an ihr hatte, was für ein unglaubliches Glück ich mit diese Ehe hatte…“ (oder so ähnliches – ich schreib nur aus dem Gedächtnis).  

An dies musste ich bei deinem Bericht denken. Ich bewundere deine positive Kraft durch diese unmöglich schwierige Zeit, und freue mich für euch, das ihr das alles so schön gestaltet haben.  

Mein herzliches Beileid auch. Ich wünsche euch weiterhin viel Kraft. Es kommen noch schwierige Tage, Wochen, und Monate. Lass dir von deinem wunderbaren Freundeskreis weiterhin unterstützen,

Alles Liebe,

S.

Andrea Jobs

  • Gast
Re:Abschied vom Leben mit Glioblastom
« Antwort #11 am: 04. Juli 2007, 22:47:01 »
hallo dein eintrag ist einfach wunderbar ich bewundere dich wie du so offen über alles reden kannst ,mir kamen die tränen

Liebe grüsse andrea

Stefans Frau

  • Gast
Re:Abschied vom Leben mit Glioblastom
« Antwort #12 am: 06. Juli 2007, 17:30:35 »
Liebe phoenix, jussi, petra, sarabande und andrea!

Vielen Dank für eure lieben Antworten, eure Anteilnahme dass ihr scheinbar unsere Begeisterung über das wie und wann teilen könnt.

Heute war die Urnenbeisetzung. Auch dabei hielten wir uns sehr tapfer, bzw. gab es keinen Grund für irgendein Unwohlsein. Kein Gefühl dieser Urne gegenüber. Das war auch schon so als wir bei der Aussegnung am Sarg standen. Da kam nichts rüber, es war nur eine Holzkiste mit einer Körperhülle darin. Steff war in diesen Momenten anders bei uns. Als der gleiche Sänger, der schon bei unserer Hochzeit so wunderschön gesungen hat, anfing mit "tears in heaven" waren die ersten Takte noch schwer. Und dann hab ích Steff nur noch dazu pfeifen gehört und gespürt wie sehr ihm das gefällt. Ich musste direkt aufpassen nicht offensichtlich zu grinsen, denn innerlich hab ich das getan. Auch meine Kinder hatten es nicht schwer. Wir hatten teilweise das Gefühl, die vielen (es waren hunderte) Leute (manche waren in Tränen aufgelöst) trösten zu müssen. Wir standen da wie der Fels in der Brandung mit unserem inneren Frieden und wahrscheinlich haben auch viele gedacht, ich bin entweder gefühlskalt oder mit Medikamenten vollgepumpt. Aber ich kann mich wirklich nicht jedem erklären.
Es war alles stimmig und rund und ohne jede Verzweiflung. Das hatte ich ja alles schon lange hinter mir. Ich hab schon so viele Tränen um unser altes und mein neues Leben geweint.

Ich hoffe nun einfach, dass mich das alles noch lange trägt. Es kommen vielleicht noch andere Zeiten, aber jetzt hab ich erstmal die Gelegenheit mich zu erholen und mich auch in meiner Haut wieder wohl zu fühlen- ohne die ständige Zerrissenheit zwischen Kindern und Steff. Jeder wollte mich, jeder brauchte mich. Ich konnte mich teilweise nicht mehr bewegen weil ich nur noch Schmerzen hatte vom vielen Heben und abgenommen hab ich auch zu viel. Ich hab jedenfalls keine Panik mehr in mir, auch was die eigentlich katastrophale finanzielle Situation angeht. Es wird alles werden - mit Gottes Hilfe. Darauf vertraue ich.

Seid alle lieb gegrüßt von
Ihope

Andrea Jobs

  • Gast
Re:Abschied vom Leben mit Glioblastom
« Antwort #13 am: 06. Juli 2007, 22:32:50 »
du bist wunderbar wie du alles meisterst
denk nun an dich und deine kinder
und ihr habt jetzt einen schutzengel der auf euch aufpasst
gruss andrea

Knusperflakes

  • Gast
Re:Abschied vom Leben mit Glioblastom
« Antwort #14 am: 10. Juli 2007, 13:14:29 »
Liebe Ihope!

Mit deiner Geschichte hier gibtst Du wirklich Mut; das Gefühl, dass es schon gehen wird und dass alles zu einem "ordentlichen" Ende kommen wird...

ich traue meiner Mamaauch zu, dass sie es in gewisser Weise steuert, wenn es dann so weit ist...

Klingt jetzt vielleicht blöd, aber irgendwie bin ich fast ein bisschen "gespannt" darauf (ein besseres Wort fällt mir gerade nicht ein...)

 



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