Liebe Flumpy,
da kann man nur ganz doll die Daumen drücken, daß dein Mann alles gut verkraftet und euch noch ein bißchen Zeit bleibt - einfach zum Reden, Spüren und vielleicht Abschied nehmen. Und daß er wenigstens nicht groß leiden muß. Ich weiß, das ist kein Trost. Es ist nur unendlich traurig!
Ich befinde mich grad in einer ähnlichen Situation. Und weil es mich so umtreibt und ich nicht schlafen kann, sitze ich um diese Zeit hier.
Ich schreibe jetzt grad zum 2. Mal. Bin neu im Forum, habe aber schon unendlich viel gelesen. Immer wieder ähneln sich die Geschichten. Es ist zum verrückt werden.
Auch mein Mann wurde Ende Jan. 06 operiert, zum Großteil konnte man Tumorgewebe entfernen, aber ein Rest ist stehen geblieben. Temodal und Bestrahlung - das übliche. Sein Tumor ist links im Sprachzentrum. Ab ca. 2 Wochen vor der OP konnte er nicht mehr sprechen und war rechts vollständig gelähmt. Er lernte dann wieder sprechen, lesen, gehen und der rechte Arm blieb aber relativ eingeschränkt.
Er hatte einen wirklich guten Sommer bis Anfang September. Dann wg. starkem Ödem wieder Krankenhaus. Der Rest-Tumor hatte begonnen, sich innerhalb seines Gewebes umzubilden - ein Wachstum war noch nicht gegeben. Aber der Arzt meinte schon: Das wird wohl jetzt nach und nach weiter fortschreiten. Die schon bekannten Ausfallerscheinungen - Sprache und Gehen- werden als erstes wiederkommen. Er hatte sich zwar wieder etwas erholt, aber seit ca. 2-3 Wochen sehe ich, daß diese Funktionen immer schlechter werden.
Ins Krankenhaus will er grad nicht. Da er nicht mehr viel sprechen kann, kann ich auch nicht richtig mit ihm drüber reden bzw. kriege keine Antwort auf meine Fragen, was wir denn nun machen. Mistel hat er nicht vertragen - das war noch meine kleine Hoffnung. Mal sagt er, er will garnichts mehr machen, mal nickt er nur leicht, wenn ich ihn ins Krankenhaus bringen will. Die Infusionen gegen das Ödem haben ihm immer gut geholfen - aber ich weiß ja nicht genau, was in seinem Kopf los ist. Hat nur wieder das Ödem zugenommen (Hoffmung!!) oder ist der Tumor gewachsen, so, wie alle Ärzte bisher vorausgesagt haben und wie man es hier auch immer wieder liest?
Er hat sich bis jetzt immer auf mich verlassen. Soll ich ihn drängen, überreden, in Ruhe lassen, weil ja letztendlich doch nichts hilft?! Wie kann man diese Verantwortung für einen anderen Menschen tragen? Fragen über Fragen, und man steht irgendwie alleine da.
Es handelt sich um meinen geschiedenen Mann (schon seit 20 Jahren). Er ist jetzt 57, und seit gut 1 Jahr kümmere ich mich um ihn. Alle "lieben Freundinnen und Freunde" waren plötzlich weg. Ein paar wenige besuchen ihn manchmal - aber so richtig von der Krankheit und der damit verbundenen Arbeit will niemand was wissen.
Ach, ich habe nun so viel Text geschrieben, und dennoch ist das ein minimaler Auszug dessen, was in dem Jahr alles passiert ist. Unsere Uni-Klinik hier im Saarland hat schon letztes Jahr im Dezember ihn entlassen mit der Aussage, daß nichts mehr zu machen sei. Zum Glück habe ich eine andere Klinik gefunden, die sofort bereit waren, zu operieren und nicht lange überlegen mußten und sich das zutrauten. Das war wirklich eine Chance für ihn. Wie gesagt, er hatte einen wirklich guten Sommer.
Melde mich bestimmt öfter mal zu Wort. Ich merke nun schon, daß das Schreiben irgendwie hilft und der innerliche Druck etwas nachläßt. Ich glaube, wenn ich es als Krankengeschichte schreibe, wird es unendlich lange. Man hat soviel zu sagen. Jeder hat seine eigene Geschichte und dennoch sind alle gleich.
Wir haben noch eine gemeinsame Firma, aus der ich mich seit Anfang 2003 komplett zurückgezogen hatte. Nun bin ich vor 1 Jahr wieder voll eingestiegen, weil ich ihn ersetzen mußte. Allein da weiß ich manchmal schon nicht, wo mir der Kopf steht - und dann das tägliche Kümmern um ihn - es ist ein Kraftakt.
Danke an alle, die mir durch ihre Geschichten zeigen, daß man nicht ganz alleine ist.
Versuche jetzt nochmal, ob mit dem Schlafen was geht.
Liebe Grüße Doro