1. Aus der Sicht des Kranken:
Wie bemerkt der Patient vielleicht im vorhinein, dass evtl. ein Anfall kommt. Welche Anzeichen gibt es? Was empfindet der Kranke bei einem Anfall? Und danach und wie lange dauert ein Anfall?
Liebe regilu,
ich kann erst jetzt auf deine Frage antworten, - war im Zusammenhang mit der bevorstehenden MRT zu angespannt, um mich mit meiner einzigen schlimmen Angst, dem Nochmalerleben eines Anfalls allein zu Hause, zu äußern.
Meine Anwort muss nicht allgemeingültig sein, ich schildere, wie ich es erlebt habe.
Ich hatte zweimal epileptische Anfälle, einen Grand mal (schau bei google, dort findest du gute Definitionen) mit Bewußtseinsverlust und eine Serie kleierer Anfälle bei Bewußtssein.
Der erste Anfall fand bei mir zu Hause statt und läutete die Untersuchungen ein, die die Diagnose Hirntumor ergaben.
Es gab keine Vorzeichen.
Ich war von einem Spaziergang zurückgekehrt und redete mit meinem Hund, als ich merkte, dass meine Sprache mir nicht gehorchte und gleich darauf kam eine Lähmung in den Muskeln der rechten Gesichtshälfte und der rechten Hand.
Was es zu bedeuten hatte, ahnte ich nicht, ich dachte an einen Schlaganfall. Mir war aber sofort klar, dass etwas Schlimmes mit mir passiert und dass ich sofort einen Rettungswagen brauche. Ich war nie ängstlich in Bezug auf meine Gesundheit, aber hier war mit dem Gefühl von Panik klar: Das ist lebensbedrohlich.
Irgendwie schaffte ich es, 112 zu wählen und zu vermitteln, dass ich sofort Hilfe brauche.
Im Rettungswagen begannen die Krämpfe, bei sehr klarem Bewußtsein erlebte ich die absolute Unfähigkeit, meinen Körper zu kontrollieren, wußte, dass ich starke Zuckungen hatte . Der Rettungswagen war ohne Arzt gekommen, ich wurde nicht ganz richtig behandelt, indem man mir einen Schwamm in den Mund schob, der meine Zunge so zurück drückte, dass ich Erstickungsangst hatte, die ich aber nicht artikulieren oder irgendwie deutlich machen konnte.
Ich hatte absurde Gedanken, die zeigen, was einem da durch den Kopf geht: Todesangst und gleichzeitig das idiotische Gefühl von Verwunderung, gar Stolz, dass extra meineswegen alle ausweichen und anhalten mußten, weil wir mit Martinshorn und Blaulicht fuhren.
Ich verlor dann das Bewußtssein und habe erst wieder eine ungenaue Erinnerung an den Aufenthalt auf der Intensivstation und das Aufwachen dort. In dieser Phase, an die ich absolut keine Erinnerung habe, habe ich aber klar denkend reagiert und konnte auch wieder sprechen, denn ich habe erwirkt, der Arzt meine Tierärztin anrief um sie zu befragen, ob mein kranker Hund heute auf seine Tabletten verzichten dürfe.
Wohlgemerkt, in einer Phase, in der ich mich für bewußtlos hielt.
Meine zweite Serie von Anfällen fand Monate später in der Praxis meiner Neurologin statt (praktisch, oder?) zu einer Zeit, als ich die Antikonvulsiva ausgeschlichen hatte.
Ich war im gespräch mit der Neurologin, schilderte etwas und wieder glitt mir die Sprache weg, gehorchte mir nicht mehr. Ich wußte SOFORT, dass ich einen Anfall kriegen würde, nicht nur aus der Erfahrung des ersten mal heraus, sondern weil ich nun das Gefühl kannte, dass einen Anfall einläutet: Überklares Denken und eine totale Kraftlosigkeit und Unfähigkeit, den Körper zu beherrschen. Ich äußerte irgendwie, dass ich einen anfall bekomme, wurde zu einer Liege geleitet, und dort ging es sofort mit den Zuckungen und Krämpfen los.
Während wir auf den alarmierten Notarztwagen
mit Arzt warteten, hat meine Neurologin sich leider nicht professionell verhalten, und ihr Verhalten, das ich sehr bewußt und klar im Denken wahrnahm, hat mich wütend gemacht, da mir aber die Sprachfähigkeit fehlte, konnte ich mich nicht wehren. Sie schrie hektisch und panisch um Hilfe, und sie schob mir ein Paket Papiertaschentücher in den Mund, und wieder glaubte ich zu ersticken.
Bis der Notarzt kam, hatte ich mehrere dieser Anfälle. Sie dauerten wohl jeweils nur wenige Minuten, zwischendurch, einige Sekunden lang, war alles wieder "normal", ich bemerkte aber sofort das Herannahen des nächsten Anfalls und sagte: "Es geht wieder los".
Der Notarzt gab mir mehrere Injektionen, und die Serie wurde dann schnell unterbrochen.
Ich kam in die Notaufnahme unseres Krankenhauses, war völlig klar, aber total kraftlos für etwa geschätzt eine Stunde.
Danach war alles wie immer, ich hatte keine Nachwirkungen, weder der Anfälle noch der Medikamente.
Bei beiden Anfällen hatte ich einen extrem hohen Blutdruck.
Uff, hoffentlich habe ich mit diesem "Roman" nicht alles viel zu ausführlich geschildert, ohne dass es weiterhilft.
Mein wichtigster Eindruck war:
Ein entsetzliches Gefühl der Hilflosigkeit und des Ausgeliefertseins, des Kontrollverlustes über den Körper bei kristallklarem Bewußtsein (außer, als ich dann bewußtslos wurde).
Inzwischen habe ich Notfallmedikamente im Haus, in jedem Zimmer und in jeder Jackentasche, wenn ich draußen bin. Da ich keine weiteren Anfälle hatte, weiss ich nicht, wie gut und wie schnell sie wirken.
Deine 2. Frage: Woran erkenne ich als Angehöriger ....
ist einfach zu beatworten: es gibt keine Möglichkeit, es nicht zu erkennen, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass es vieles gibt, was für Außenstehende dramatischer abläuft.
Und zu der Frage, ob Zuckungen und Krämpfe dazugehören:
Ja! Und zwar mit einer Körperkraft, die niemand wird bändigen können!