Zwei Placebo- und eine Nocebo-Geschichte(n):
In Griechenland sah ich vor Jahren in einer Kirche mittelalterliche Fresken von irgendwelchen Heiligen. Bei jedem Heiligen waren (in 5 m Höhe) die Augen ausgekratzt. Richtig ausgebohrt. Warum? Man erklärte mir, die Gläubigen hätten die Putz-Brösel gegessen und sich dadurch Heilung gegen Augenerkrankungen erhofft.
Diese Situation war mir wieder eingefallen, nachdem ich im Sommer 2011 den Film
"Vier Leben" sah, in dem ein alter Ziegenhirte allabendlich gegen seinen Husten ein Pulver einnahm, das sich als Kirchenstaub herausstellte, den er bei der Mesnerin (die vorher die Kirche ausgefegt hatte) gegen eine Flasche Ziegenmilch getauscht hatte.
Nach diesen beiden Geschichten, bei denen von Stoffen (Wandputz, Kirchenstaub), die nicht gerade als "Medizin" bezeichnet werden können, gewissermaßen "magische" heilende Wirkungen erwartet wurden, jetzt ein Beispiel für das Gegenteil. "Nichts" wirkt sich beinahe tödlich aus:
J. Faulstich
1) berichtet in seinem Buch
Das heilende Bewußtsein (ich zitiere nicht, ich erzähle die Geschichte verkürzt und in meinen Worten) über einen Patienten mit schweren Depressionen. Diesem wurde die Teilnahme an einer Studie angeboten. Er sagte zu, wußte aber natürlich nicht, in welchem "Ast" er war (
Doppelblindstudie, Placebo-kontrolliert). Jedenfalls waren seine Depressionen eines Tages so stark, daß er sich suizidieren wollte und alle 29 restlichen Pillen
2) auf einen Schlag einnahm. Es ging ihm schlechter und schlechter. Er bereute. Er ließ sich in die Klinik einweisen, es ging ihm schlechter und schlechter. Schließlich kam jemand auf den Gedanken, den Studien-Arzt anzurufen. Und siehe da, er hatte nur die Zuckerpillen geschluckt. Als man ihm das sagte war es ihm bald besser, Blutdruck, Puls, Kreislauf normalisierten sich.
Alles spielt sich im Kopf ab. Das Bewußtsein wirkt auf den Körper, der Körper auf das Bewußtsein.
1) Ich wollte mich eigentlich zuerst an das Vorbild eines
fränkischen Barons halten und die Sache nicht weiter recherchieren (in der Jugendsprache gibt es jetzt das Verb "guttenbergen", wenn man abschreiben, abkupfern, plagiieren meint). Aber das wäre dem Herrn Faulstich gegenüber recht unfair. So habe ich dann doch noch die Seitenzahl herausgesucht (S. 219) und die Fußnote recherchiert (Fußnote 71). Darin verweist Faulstich auf
H. Pilcher: The science of Voodoo. When mind attacks body, in New Scientist Magazine Issue 2708 (2009). Das Wort
Voodoo hat mich interessiert.
Hier die Quelle:
http://www.newscientist.com/article/mg20227081.100-the-science-of-voodoo-when-mind-attacks-body.html2) Diese Geschichte kam jetzt auch in der ZEIT
http://www.zeit.de/zeit-wissen/2012/02/Dossier-Noceboeffekt