Lieber Peter,
ich habe es zwar befürchtet, bin jetzt aber dennoch sehr erschüttert über den neuerlichen Befund Deines Vaters.
Mit der voraussichtlichen Lebenserwartung ist das so eine Sache. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es sehr schwierig ist, hier eine Prognose zu geben. Mir wurde im Dezember 2006 gesagt, dass mein Mann den Januar 2007 vermutlich nicht überleben wird, denn zu der Zeit ging es ihm sehr, sehr schlecht. Aber es war noch ein langes Auf und Ab (mit Epi-Anfällen, Wutausbrüchen, viel Weinen und tiefsten Depressionen) bis zum April 2007. An einem Tag konnte er fast nicht mehr laufen, war halbseitig gelähmt etc., am nächsten Tag saß er aufrecht auf dem Stuhl und konnte teilweise sogar wieder selbst essen. Vor allem aber konnte er sich nicht mehr mitteilen, es war furchtbar mitansehen zu müssen, dass er etwas sagen will, aber die Worte nicht mehr formulieren kann.
Ich kann Deine Mutter sehr gut verstehen, dass sie ihren Mann nicht in ein Hospiz geben will. Ich wollte meinen Mann auch so gerne zu Hause pflegen und für ihn da sein. Aber die letzten Wochen war er auch im Hospiz. Es hat mir damals unheimlich weh getan, aber es war zuhause nicht mehr zu bewältigen, da ich und auch meine damals 10-jährige Tochter psychisch und physisch komplett am Ende waren. Zu diesem Zeitpunkt hat der Hausarzt das einfach in die Hände genommen, und im nachhinein muss ich sagen, dass dies die richtige Entscheidung war (obwohl ich lange Zeit ein schlechtes Gewissen hatte).
Ich war jede freie Minute bei ihm, habe ihm sein Essen gegeben, bin mit ihm im Rollstuhl an den See gefahren (Bodensee) usw., konnte aber dennoch am Abend daheim wieder etwasKraft schöpfen. Ich konnte mich nur um ihn kümmern, den Rest der Pflege erledigten die Schwestern. Vor allem hat es mir geholfen, dass da immer jemand da war. Ich habe mich nicht mehr so hilflos gefühlt. Geh doch einfach mal selbst in ein Hospiz in eurer Nähe, schau es Dir an, sprich mit der Leiterin. Wenn du dann ein gutes Gefühl hast, versuch mit deiner Mutter darüber zu sprechen bzw. kann dies vielleicht auch euer Hausarzt übernehmen.
Ich bin in Gedanken bei Euch.
Liebe Grüsse
Brigitte
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Hallo liebe Brigitte !
Mittlerweile haben ich und die Ärzte meine Lieben davon überzeugen können, das mein Vater in den nächsten Tagen in ein Hospiz gebracht werden soll.
Das Argument das wir alle paar Tage keinen Notarzt holen können (wenn ihm schlecht wird oder er einen Anfall bekommt) und ihn nicht immer wieder ins Krankenhaus einliefern lassen können, war entscheidend.
Mama hat bis zuletzt gekämpft um ihn zu Hause behalten zu dürfen, aber irgendwann hat sie es eingesehen das sie ihm nicht die permanente und medizinische Pflege bieten kann, die ihm ein Hospiz oder ein Krankenhaus bieten kann.
Der Sozialpsychologische Dienst des Krankenhauses sucht momentan nach einem freien Hospizplatz in unserer Nähe weil wir kein Auto haben.
In der Zwischenzeit versuche ich meine Lieben mit anderweitigen Dingen abzulenken damit sie nicht andauernd weinen und depressiv sind.
Ich habe Mama einen nagelneuen Luxuskühlschrank gekauft.
Es ist das erste mal das sie etwas neues bekommt, denn mein Vater (ist geiziger als ein Schotte je sein kann) hat ihr in all den Jahren nur gebrauchte oder halb kaputte Möbel gekauft.
Den alten Kühlschrank und ein paar andere Sachen die sie schon immer gehasst hat, habe ich gleich entsorgen lassen.
Soweit ich verstanden habe, möchte sie aus ihrer derzeitigen Wohnung ausziehen wenn es mit Papa zu Ende gegangen ist.
Sie meint das sie die vielen Erinnerungen in der derzeitigen Wohnung nicht ertragen könnte, wenn er nicht mehr da ist.
Ich werde mich darum kümmern und dafür sorgen, das der Tod meines Vaters (so makaber das auch klingen mag) ihnen Freiheit und ein Leben in Wohlstand bringen wird.
Das haben sie nach 30 Jahren Unterdrückung, Tyrannerei und Gewalt verdient.
Ansonsten habe ich mich gestern mit meiner Freundin gestritten.
Du kennst das bestimmt auch, das manche Menschen sehr unsensibel und verletzendl sein können, wenn sie selber nicht betroffen sind.
Sie hat gestern Abend tatsächlich ihre Lieblingsmusik laut aufgedreht und hat dann angefangen vor mir zu tanzen.
Ich war fassungslos wie man an so einem Tag lustig rumtanzen kann.
Tja, so ist das nunmal wenn man eine Partnerin hat die 15 Jahre jünger ist.
Sie muß noch viel lernen und verstehen.
So, ich muß jetzt langsam Schluß machen.
Ich wünsche dir einen schönen Tag.
Lieben Gruß zurück, Peter !