HirnTumor-Forum

Autor Thema: Freund (31) Anaplastisches Oligodendrogliom °III  (Gelesen 12498 mal)

Medea

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Freund (31) Anaplastisches Oligodendrogliom °III
« am: 21. April 2008, 11:05:21 »
Hallo Zusammen,
ich nenne mich hier Medea, bin 31 Jahre alt und komme aus NRW.

Ich lese schon seit einiger Zeit hier in diesem Forum und habe beschlossen, mich doch endlich mal hier anzumelden. Anlass ist folgender:

Mein Freund, ebenfalls 31 Jahre, hat am 29.02.08 die Diagnose Hirntumor mitgeteilt bekommen. Das war ein großer Schock.  :'(
Er hatte bereits seit Monaten Augenflimmern und konnte besonders abends nicht mehr richtig sehen, weshalb er dann auch abends kein Auto mehr fuhr. Meiner Meinung nach war er auch etwas "verpeilt" und orientierungslos geworden und ich hab öfters gesagt, er solle mal zum Arzt gehen. Naja, Männer eben  ::) Da er sowieso einen Keratokonus der Augen hat, machte er sich darüber nicht so viele Gedanken.
Bei einer Routineuntersuchung bei seinem Hausarzt, erzählte mein Freund diesem von dem Augenflimmern und er wurde zum Augenarzt überwiesen. Dieser stellte eine massive Stauungspapille fest und schickte ihn noch am selben Tag ins Krankenhaus.
Das CT zeigte leider eine sehr große, schon riesige cerebrale Raumforderung auf und mein Freund mußte im Krankenhaus bleiben.

Es fiel schnell der Verdacht eines Oligodendroglioms. Dieser Befund wurde durch ein MRT und eine Angiographie noch erhärtet.

Tumorgröße: Umfang von ca. 6cm, stark infiltriert und teilweise verkalkt.

Lage: tempo-parietal

Das ungewöhnliche an der ganzen Sache ist, dass mein Freund bis auf das Augenflimmern keine Beschwerden hatte. Da er schon seit langen auch mit Migräne zu tun hat, kann er nicht sagen, ob Kopfschmerzen ggf. auf den Tumor zurückzuführen sind. Er hat wohl in den letzten 2 Jahren deutlich abgenommen, was nach heutigem Stand damit zusammenhängen könnte.

Epileptische Anfälle hatte bis dahin auch nicht. Nur vor ca. 4 Jahren hatte er einmal einen Anfall. Es wird heute vermutet, dass der Tumor zu diesem Zeitpunkt entstanden ist, wobei jedoch beim damaligen EEG keine Auffälligkeiten festgestellt wurden.

Jeder Arzt, der die Bilder vom Tumor gesehen hat, ohne meinen Freund gesehen zu haben, ging davon aus, dass er schon längst komatös sein müßte. Jedoch lief mein Freund bis zur OP munter umher und war voll dabei. Das machte die Situation für ihn natürlich umso schwieriger. Man merkt nichts, fühlt sich ganz gut und dann sagt ein Arzt "Sie müssen sich operieren lassen, ansonsten werden Sie sterben". Das ist sowas von unglaublich, das kann man sich einfach nicht vorstellen.

Am 11.03.08 wurde in einer 12stündigen Operation eine Teilresektion des Tumors vorgenommen, da eine Vollresektion nicht möglich war. Die Operation hat er glücklicherweise prima überstanden, keinerlei neurologische Ausfälle und somit kein Reha-Bedarf. Am 2. Tag nach der OP wurden bereits die Drainagen gezogen.  Am 3. Tag nach der OP wurde der ZVK (=zentraler Venenkatheter) entfernt und konnte er sogar wieder aufstehen und laufen, am 4. Tag war er wieder richtig munter. Das ging so rasend schnell, da kamen wir gar nicht mit  :) Auch die Ärzte waren recht Stolz. Mein Freund war Gesprächsthema Nr. 1 auf der Station, da so ein besonderer Fall zuvor nicht erlebt wurde. Vor der OP haben wir uns sicherheitshalber eine 2.Meinung eingeholt, die aber genauso ausfiel wie die 1. Meinung, also konnte schnell entschieden werden.

Die Pathologie ergab, dass der Tumor größtenteils aus einem Oligodendrogliom II bestand. Dieser Teil konnte auch entfernt werden. Leider hat sich der Tumor aber stellenweise schon in ein anaplastisches Oligodendrogliom III verändert und genau dieser Teil ist noch im Hirn verblieben und konnte nicht entfernt werden.

Die Ärzte sagen, dass es ein Wunder sei, dass mein Freund noch lebt, besonders bei der Tumorgröße. Sie können es sich nur so erklären, dass sich das Gehirn an den Tumor gewöhnt haben muß und es bisher dadurch nicht zu größeren Komplikationen gekommen sei. Es kann also durchaus sein, dass er diesen Tumor schon seit einigen Jahren hat. Erst vor Monaten hat er sich dann durch das Augenflimmern bemerkbar gemacht und es wurde nun wirklich höchste Zeit, etwas zu unternehmen.

Nach 3 Wochen wurde mein Freund dann aus der Klinik nach Hause entlassen. Wir sind so Froh, dass sich unsere Befürchtungen hinsichtlich der OP nicht bestätigt haben und er immer noch unser "Schatz" ist.

Das sollte all denjenigen Mut machen, denen sowas noch bevorsteht!!! :)

Sein größter Vorteil ist, dass er jung und ohne Begleiterkrankungen ist. Die Tatsache, dass eher Kinder und ältere Menschen diese Art Tumor bekommen macht ihn jedoch zu einen Sonderfall.

Derzeit läuft die Vorbereitung zur Bestrahlung. Und eine gleichzeitige Chemo ist auch in Vorbereitung. Zur Chemo liegt allerdings noch kein genauer Therapieplan vor. Bisher ist die Rede von Temodal.

Seit dem 29.02.08 recherchiere ich schon, was das Zeug hält und ich muß sagen, dass es ziemlich ernüchternt ist, was man so liest  :'(

Die psychische Belastung ist enorm, besonders wenn man mehr weiß, als der Betroffene selber, der sich nicht gerne mit dem Thema beschäftigen mag.

Fakt ist, es gibt keine Heilung. Wir können nur hoffen, dass durch die weitere Behandlung das Wachstum der restlichen Krebszellen verhindert wird und er noch lange bei uns bleiben kann.

Es erstaunt mich, dass in der heutigen Zeit das Thema "Hirntumor" immer noch im Verhältnis so wenig erforscht ist.

Auch wenn der Anlaß, hier zu sein ein traurig ist, dennoch freue ich mich über die Möglichkeit, mich mit Gleichgesinnten auszutauschen.

Viele Grüße
Medea

Medea

  • Gast
Re:Freund (31) anaplastisches Oligodendrogliom III
« Antwort #1 am: 21. April 2008, 11:32:00 »
PS: Ich bitte Rechtschreibfehler zu entschuldigen. Ich bin immer sehr aufgeregt, wenn es um dieses Thema geht und ich schreibe meist schneller als ich vielleicht mal denken sollte.  :-[

Offline heifen

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Re:Freund (31) anaplastisches Oligodendrogliom III
« Antwort #2 am: 21. April 2008, 12:30:07 »
liebe medea
ich bin kein arzt, nur eine betroffene, mit oligoastro grad 3, auch bei mir teilresektion...also erst einmal kopf hoch, einige der dinge, die du schreibst, sind ein gutes ohmen...zuerst natuerlich, dass nach der op keine neurologischen ausfaelle aufgetreten sind...weiterhin, dass dein freund lange keine beschwerden hatte...mir ging es aehnlich, habe epianfaelle 20 tage nach der geburt meiner tochter bekommen (ich war damals 27), die wurden auf die entbindung geschoben und so hab ich 8 jahre ohne richtige diagnose weitergelebt, die anfaelle blieben aus und mir ging es pudelwohl...dann kam es zur trennung von meinem exmann und diese geschichte hat mich total zerstoert, die anfaelle kamen wieder und damit auch die richtige diagnose: gliom, wahrscheinlich niedriggradig..., weiterhin keine ausfaelle, nur epi...dann op 1995, weitere 2003, die mich linksseitig gelaehmt hat, hab mich aber wieder einigermassen erholt, wieder nur epi...
bei deinem freund scheint das gliom auch schon eine recht lange zeit dort zu sitzen, deshalb ist der verlauf langsam(bei mir sind es im ganzen jetzt 24 jahre), bleib an seiner seite, das ist jetzt sehr wichtig(mir hat die trennung eine ordentliche verschlechterung der symptome eingebracht), er kann sicher keinen stress gebrauchen (den hat er schon durch die diagnose)
das biest kann auch eine lange zeit friedlich bleiben und nicht wachsen
ich hatte pech, weil ich 3 jahre nach der letzten op einen unfall hatte und meinen kopf an die scheibe geschmettert habe,danach habe ich ein kleines rezidiv, das aber nicht waechst
mir geht es bis auf die linke seite und die epi gut, muesste eben mehr krankengymnastik machen, bin aber entsetzlich faul...die epi werde ich frueher oder spaeter wieder in den griff bekommen, hab auch lange zeiten ohne epi gelebt...es geht schon, man darf sich nicht unterkriegen lassen...
was auch immer passiert, denk dran, die aerzte haben statistiken in den haenden, aber jeder fall gilt fuer sich, eine positive einstellung ist gold wert und wenn du fest dran glaubst, dass alles gut wird, uebertraegst du diese ueberzeugung auf deinen freundund der braucht das
wuensche uns allen gesundheit
heifen

Medea

  • Gast
Re:Freund (31) anaplastisches Oligodendrogliom III
« Antwort #3 am: 21. April 2008, 13:37:42 »
Vielen Dank für deine Antwort.

Es ist in der Tat erstaunlich, wie lange so ein Ding unbemerkt bleiben kann. Und deine Geschichte zeigt wie sehr auch Streß die ganze Sache beeinflussen kann. Erschreckend  :-\

Es ist natürlich schwierig, die positiven Dinge zu sehen, wenn man mit so einer Diagnose konfrontiert wird. Man wird so aus dem Leben gerissen. Die ganze Zukunft wird in Frage gestellt, hat man überhaupt eine Zukunft? Undundund....

Die ersten Tage nach dem Klinikaufenthalt waren natürlich besonders schwer, weil alle ihre Gefühle und Ängste erstmal ordnen mußten, nachdem die schlimmsten Stunden in der Klinik überstanden waren.

Mittlerweile ist sogar teilweise das lachen wieder zurückgekehrt. Das sind dann kurze Lichtblicke, die einem für einen Moment die schlimme Realität vergessen lassen.

Man darf wirklich nicht den Kopf hängen lassen, aber das ist auch verdammt schwierig.

Wenn ich bei ihm bin, versuche ich so "normal" wie möglich zu sein. Das gelingt mir auch ganz gut. Ich starre zwar oft unbemerkt seine große OP-Narbe an aber ich habe dennoch keinerlei Berührungsängste. Es ist erstaunlich, wozu man fähig ist, wenn man wirklich liebt, man kann über sich hinauswachsen und zu Dingen fähig sein, die man vorher nicht für möglich gehalten hätte. Schade, dass es oftmals eine derartige Notsituation braucht, um sowas zu erkennen aber ummso schöner ist, wenn man es dann weiß.

Meine Güte, im November/Dezember haben wir eine 4wöchige Australien-Reise gemacht. Man fragt sich natürlich schon, was gewesen wäre, wenn er mitten in der menschenleeren Pampas plötzlich umgekippt wäre oder so. Solche Albträume verfolgen einen schon ab und zu.

Nun ja, er hat ja nicht nur mit seiner Diagnose zu kämpfen. Wenn es kommt, dann richtig dicke. Er hatte vor unserem Urlaub seinen Job gekündigt, weil der Streß durch Überstunden einfach zu belastend war und er keine Aufstiegsmöglichkeiten hatte. Das hat ihm natürlich eine 3monatige Sperrzeit eingebracht. Der aber aber unglücklicherweise in dieser Sperrzeit erkrankte hat das Arbeitsamt die Leistung komplett eingestellt (d. h. Arbeitslosengeld bekam er durch die Sperrzeit ja eh nicht, aber es wurden Beiträge zur Krankenversicherung abgeführt). Da er aber dem Grunde nach die Leistung des Arbeitsamtes vorranging gegenüber der Leistung der Krankenkasse ist (in Form von Krankengeld) hat er auch nichts von der Krankenkasse bekommen. Kurzum, er war dann plötzlich rückwirkend ab 29.02. nicht mehr versichert. Was für ein Schock!!!! Und ja, das ist gesetzlich tatsächlich so festgelegt, so unglaublich das auch klingen mag. Rückwirkend konnten wir jedoch eine freiwillige Versicherung einrichten, sodaß er nicht auf den hohen Behandlungskosten sitzen bleibt. Aber der damit verbundene Streß und Papierkrieg ist wirklich unschön.

Derzeit fechten wir beim Arbeitsamt eine rückwirkende Aufhebung der Sperrzeit an, da sich heute rückwirkend ärztlich bestätigen lässt, dass die Überlastung tatsächlich auch gesundheitliche Gründe hatte und auf den Tumor zurückzuführen sind. Wenn man aus gesundheitlichen Gründen selber kündigt und dies ärztlich bestätigen lassen kann, sind die Chancen gut, dass man keine Sperrzeit bekommt.

Das ist ein Nervenkrieg...

Für meinen Freund besonders traurig: In der ersten Woche seines Klinikaufenthaltes hatte er eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch auf das er sich sehr gefreut hatte.

Ja, er hätte nicht kündigen sollen, ohne einen neuen Job sicher zu haben. Er hat den Arbeitsmarkt einfach unterschätzt. Diese Naivität sieht er heute ein. Nachdem es lang genug gedauert hat, um überhaupt Rückmeldung auf seine Bewerbungen zu bekommen, macht ihm jetzt der scheiß Tumor auch noch einen gewaltigen Strich durch die rechnung.

Ich mein, was soll er machen? Wer stellt jemanden mit Hirntumor ein? Er arbeitet in der Werbebranche, also freie Wirtschaft. Welcher Arbeitgeber möchte einen Mitarbeiter, der öfters und länger mal ausfallen kann? Mein Schatz will unbedingt wieder arbeiten....

Aber zunächst muß die Therapie gut über die Bühne gehen. Ich könnte mir vorstellen, dass er die auch sehr gut hinbekommt. Ich werde auf jeden Fall berichten.

Ja, Statistiken sind ernüchternd aber können tatsächlich nicht auf einen Einzelfall herabgebrochen werden. Nur mehr Infos bekommt man ja meist nicht.

Heifen, ich drück dir und allen anderen hier auch die Däumchen und wünsche das Beste.

Man bekommt durch so eine geschichte eine völlig neue Sichtweise auf viele Dinge...zuvor Wichtiges wird plötzlich unwichtig und man erkennt, wie schnell es einen doch selber irgendwie treffen kann  :-\

Medea

  • Gast
Re:Freund (31) Anaplastisches Oligodendrogliom °III
« Antwort #4 am: 12. Juni 2008, 23:14:53 »
So, nach einer Weile möcht ich mich hier auch mal wieder melden.

Bisher hat mein Freund seinen 1. PCV Zyklus hinter sich und ihn sehr gut vertragen.

Sein MRT letzte Woche (das erste nach der OP vor 3 Monaten) hat gezeigt, dass der Rest-Tumor nicht gewachsen ist.

Das hat uns riesig gefreut, so soll es bitte bleiben.

Die Bestrahlung heben wir uns somit definitiv für später auf, falls es notwendig werden sollte.

Es ist wieder halbwegs Alltag bei uns eingekehrt und wir können auch wieder lachen...auch wenn ES immer da ist und auch immer bleiben wird...


lea

  • Gast
Re:Freund (31) Anaplastisches Oligodendrogliom °III
« Antwort #5 am: 13. Juni 2008, 15:27:23 »
Hallo Medea,
ich weiß wie Du Dich fühlst. Meine Geschichte kannst Du hier auch nachlesen. Diese tollen Zeiten muss man genießen und ES so gut es geht vergessen! Das HEUTE zählt und die schönen Momente. Man weiß nie was das Leben bringt.
Ich hoffe, dass ihr diese schöne Zeit sehr sehr lange genießen könnt. Die Hoffnung darf man nie aufgeben, denn Ausnahmen bestätigen die Regel.
Alles Gute wünscht Euch,
Lea

 



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