Sonstiges zum Thema Hirntumor > Kummerecke
Plötzlich alles anders... :-(
Medea:
Hab gerad mit meinem Freund telefoniert weil ich hören wollte, was er so zu dem Blog sagt. Und ich bin platt....
"Der Arzt hat doch gesagt, ich werde von der Chemo gar nichts merken. Wieso schreibt dieser Mann hier, dass ihm zeitweise übel wird, er erschöpft ist und Stimmungsschwankungen hat???"
Darauf ich: "Das hat der Arzt vielleicht etwas zu einfach formuliert. Kein Arzt kann dir direkt sagen wie du reagieren wirst, das kann auch keine Studie aussagen. Alles KANN passieren, aber es MUß nicht passieren."
Ich finde, die Ärzte sind teilweise auch für Verwirrung hier verantwortlich bei meinem Freund.
Die Strahlentherapeutin sagte " Die Bestrahlung wird erschöpfend sein, aber die Chemo noch viel schlimmer".
Der Onkologe sagte "Von der Chemo werden sie nichts merken".
Der Satz des Operateurs "Sie müssen sich schonen" wurde von meinem Freund nur auf die OP bezogen und, naiverweise, nicht auf die komplette Behandlung.
Man sollte nie vom Schlimmsten ausgehen, aber das ganze ist nun mal kein Spaziergang. Wir reden hier nicht von Schnupfen oder so...
Ich möchte doch nur nicht, dass mein Freund irgendwann total sauer auf uns alle ist, wenn es doch anstrengender für ihn wird, als er es gerne hätte. Deshalb mein Anliegen, dass er es nicht so verharmlosen sollte. Ist das falsch von mir? ???
heifen:
hallo
dein freund ist krank, aber ein erwachsener mensch, deshalb hast du garantiert keine schuld, wenn er sich nicht informieren will...
was die aerzte anbelangt, habe ich leider auch schlechte erfahrungen gemacht, entweder sie verharmlosen oder sie jagen dir einen so grossen schrecken ein, dass du blind das machst, was sie wollen
sein wir mal ehrlich, hier geht es (leider) um viel geld...
die pharmaindustrie zahlt gut, wenn gewisse trials durchgefuehrt werden...
landet man dann zufaelligerweise in der entsprechenden abteilung, wird man schnell in irgendetwas reingerissen
mit chemo verdient es sich gut, mit bestrahlung ebenfalls, was die operationsgeraete kosten, koennen wir uns kaum vorstellen
damit will ich nicht sagen, dass alles unsinn ist, aber man muss sich dieser situation bewusst sein
zu viele interessen sind im spiel und ich glaube kaum, dass unser leben (fuer die pharmaindustrie usw) irgendeinen wert hat
krebs ist schon lange ein grosses problem und wir sind kaum weitergekommen, trotz grosser spendenaktionen usw
meine jetzige aerztin ist ehrlich...wenn ich sie frage, was mir eine gewisse therapie garantieren kann, zuckt sie die schultern
die aerzte behandeln uns auf grund ihrer statistiken, aber ein mensch ist viel zu kompliziert, um in einer statistik erfasst werden zu koennen
doch wer hat schon den mut zu sagen: versuch mal das eine oder das andere, es koennte helfen
und vor allem, welcher patient will so etwas hoeren?
der kranke will vom arzt eine loesung seiner probleme, er will keine fragen, sondern antworten hoeren
leider kennen auch die aerzte oft nur die fragen...
deshalb kann ich dir nur raten: mach dich nicht verrueckt, vielleicht ist die einstellung deines freundes im endeffekt die richtige
er soll spass haben, freude am leben
das solltest du auch!(denn wir wissen nicht, niemand von uns, ob wir morgen noch hier sind)
bacio
heifen
Medea:
Das stimmt schon, heifen. Keiner will ihm auch den Spaß nehmen, ich schon gar nicht.
Aber ist es nicht zuviel von uns Aussenstehenden erwartet, so zu tun, als wäre nichts passiert? Das kann ich nicht, das können die Freunde nicht, das kann die Familie nicht.
Ich für mich kann die letzten Wochen nicht vergessen. Das Bild von ihm, am Tag nach der OP auf der Intensivstation, dieser Anblick...der hat sich so sehr in meinen Kopf eingebrannt. Der liebste Mensch auf Erden, total orientierungslos nach der Narkose, Schläuche im Kopf, mit Schmerzen und so. Die furchtbare Angst um ihn in der ganzen Zeit, die Worte der Ärzte, deren Bedeutung ich schnell realisiert habe, bei der sofort die Alarmglocken angingen und ich sofort wußte, dass einige wichtige Dingen nun erledigt werden müssen. Sowas kann man doch nicht einfach áusbelnden. Das beeinflusst einen. Und wenn man merkt, dass sich der Erkrankte kein Stück selber um irgendwas kümmert, weil es ihn alles nicht interessiert, weil ihn nicht interessiert, was mit ihm selber eigentlich passiert und er nur nimmt und nimmt und nimmt und da kommt gar nichts zurück, im Gegenteil, es wird immer mehr gefordert...kurzum, es ist eine verdammt harte Beziehungsprobe :'(
Ich liebe ihn, aber seine Krankheit macht mich selber krank mittlerweile. Ist es wirklich gut wenn man so eine ernsthafte Erkrankung so verharmlost und die Chance, Dinge zu verändern, zu verbessern, die Lebenführung zu überdenken im Bezug auf "gesünder" Leben einfach nicht nutzt. Es passiert nichts von alleine. Er muß genauso mitarbeiten, es ist schließlich sein eigenes Leben, um das es geht. Und mitanzusehen, wie derjenige immer wieder enttäuscht wird, weil seine Erwartung, dass alles sich alles von selbst erledigt eben nicht erfüllt wird....das tut verdammt weh. :'(
Hab lange Gespräche mit seinen Freunden geführt und die sehen das ganz genau so, wie ich. Wir sind alle irgendwie machtlos. Wie soll das bloß weitergehen??? :'( :'( :'(
Sein Leben wurde vorläufig gerettet, dessen ist er sich gar nicht bewußt. Er hat eine Krankheit, die durchaus tödlich bzw. Lebensverkürzend ist. Das ist ein entscheidender Wendepunkt im Leben. Das kann man doch nicht ignorieren???
Ich weiß jedenfalls nicht, ob ich dauerhaft noch stark genug bin, um das alles so mitzumachen.... :'( Darf ein Erkrankter seine Situation "ausnutzen" und braucht auf die Gefühle seiner Mitmenschen überhaupt keine Rücksicht nehmen? Das Leben sollte doch ein Miteinander sein...alle Beteiligten müssen sich arrangieren.
Mein Freund und ich führen an sich eine harmonische Beziehung, streiten uns nie, obwohl ich ein sehr aufbrausend sein kann. Er hingegen ist immer die Ruuuuuuhe selbst. Unsere Freunde meinten, es müssen ruhig auch mal Fetzen fliegen, ich darf mir nicht alles gefallen lassen, sonst gehe ich kapputt und er merkt es nicht mal.
Es gibt durchaus Dinge, die ich ihn um die Ohren hauen möchte. Ich habe nur Angst, dass sich das dann auch seine Psyche auswirkt und die ist am Gesundsprozess doch auch beteiligt. Er kann nicht arbeiten und er hat Krebs. Wenn seine Freundin jetzt auch noch "Streß" macht und unbequem wird....ich möchte ihm nicht den Rest geben.
Großes Dilemma, welches ich nur selbst lösen kann....
Scheiß Krebs, was tust du den Menschen bloß an!!!!!!!!!!!!! >:(
Medea:
Nach langem hin und her haben wir uns endlich mal richtig ausgesprochen....so generell jetzt und natürlich auch im Bezug auf die Krankheit. Und es war gut, dass wir es getan haben auch wenn Einiges nicht einfach und vielleicht nicht so schön war. Es stimmt tatsächlich, trotz Krankheit darf man niemanden zu sehr in Watte packen, das macht alles nur schlimmer.
Mittlerweile informiert sich mein Freund auch so in Maßen wie er es "verträgt" aber dennoch soviel wie nötig, um zu verstehen, was da so vor sich geht. Das beruhigt ich sehr.
Kurzum: Dem Kummer lassen wir derzeit keine Chance! Und das ist gut so. Das Thema kommt zwar jeden Tag mal zur Sprache aber wir (also speziell er und ich) können mitlerweile relativ gut damit umgehen. Ich hoffe, das bleibt auch so....
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