Hallo Simon,
willkommen im Club.
Schade, dass Du dieses Forum erst jetzt gefunden hast.
Das hört sich bei Dir ja alles recht komplex und ungut an.
Ich würde Dir gerne erstmal ein paar Fragen stellen und Dir dann einen Tip geben.
Merkst Du seit der OP eine Verbesserung der Abduzensparese? Hatte man Dir gesagt, dass sich das wieder gibt?
Merkst Du seit der OP eine Verbesserung des Motorik der linken Körperhälfte, vielleicht auch erst seit kurzem? Hat man Dir gesagt, woher das rührt (Kleinhirn, Hirnstamm, peripherer Nerv) und ob sich das wieder bessern wird?
Hat sich wirklich noch kein einziger Deiner vom Fazialis innervierten Gesichtsmuskeln wenigstens ein wenig gerührt?
Das waren jetzt erstmal meine Fragen an Dich, vielleicht magst Du ja darauf antworten.
Und jetzt das, was mir spontan dazu einfällt.
Ich habe letztlich ein Frau kennengelernt, bei der sich erst acht Monate nach Akustikusneurinom-OP ein erstes Zucken eines Gesichtsmuskels eingestellt hat, heute (Jahre später) ist sie mit dem Zustand ihres Gesichts zufrieden, lediglich das Stirnrunzeln kann sie nicht. Sie sagt, Akupunktur hätte ihr geholfen. Dieser Verlauf ist sicher nicht bei jedem Patienten möglich, aber andererseits auch sicher kein Einzelfall. Ich weiss auch nicht, was ich von 8% gemessener Fazialisfunktion halten soll. Klingt erstmal nicht so gut. Ich kann mir dennoch eine Besserung der Funktion und auch dieses Messwertes vorstellen, der zudem vielleicht auch tagesformabhängig sein könnte, wie das auch viele Betroffene von ihrer Fazialisfunktion beschreiben.
Zur Physiotherapie fällt mir ein, dass man auch des guten zuviel tun kann. Ich hätte Angst vor Fehlsprossungen der Nervenfasern insbesondere durch Reizstromtherapie, aber auch durch übermässige Eis-/Kältetherapie. Mir fallen als Methoden eher PNF, Bobath u.a. ein. Insgesamt blicke ich bei den Physiotherapien aber (noch) nicht durch, es scheint jeder Physiotherapeut anders zu handhaben, der Trend geht möglicherweise Richtung logopädischer Behandlung bei Fazialisparese, wobei auch da immer die Ursache der Fazialisparese bedacht werden muss. Weitaus häufiger als durch Akustikusneurinom werden diese Paresen durch Infektionen (Herpes, Gürtelrose, Borreliose, oder auch idiopathisch, d.h. ohne erkennbare Ursache) hervorgerufen. In diesen Fällen kommt es oft zu einer spontanen Heilung nach ein paar Wochen, ob mit oder ohne Physiotherapie, die Therapeuten bewerten ihre Anwendungen dann trotzdem (und wohl z.T. zu recht) als hilfreich. Viele amerikanische Mediziner sind der Meinung, man kann völlig auf Physiotherapie verzichten bei Fazialisparese nach AKN, in Deutschland findet sich diese Meinung kaum. Das betrifft vielleicht auch nur die Patienten, deren Funktion zeitnah wieder einsetzt, z.B. nach 3 Monaten.
Eine Anleitung für Übungen, die Du selbst vor dem Spiegel durchführen sollst, hast Du sicherlich in der Klinik schon erhalten.
Zu den Nerventransplantationen fällt mir ein, dass die -soweit ich das in Erinnerung habe- zeitnah erfolgen sollten, nicht unbedingt frühestens erst nach 12 Monaten. Es gibt ja Patienten, bei denen beizeiten klar ist, dass der Fazialisnerv für immer kaputt sein wird, da wird so eine Transplantation natürlich früher durchgeführt. Aber genau das steht ja bei Dir noch gar nicht fest, auch wenn es im Moment so aussieht, als sei der Fazialis erledigt. Ferner ist es wohl auch so, dass diese Transplantation bei einem Teil der Patienten nicht zu einem zufriedenstellenden Ergebnis führt. Jedenfalls bin ich der Meinung, Du solltest Dich bald zu diesem Thema beraten lassen, nicht erst in ein paar Monaten.
Nun komme ich mal auf den letzten Punkt. Ich habe mich etwas gewundert, dass Du Dich in Stuttgart hast operieren lassen, denn 44 km weiter in Tübingen hat Prof. Tatagiba diese AKN-Operationen als sein Spezialgebiet. Das soll aber keineswegs heissen, dass er das besser hingekriegt hätte, ich denke mal, bei dieser Tumorgröße lassen sich Flurschäden kaum vermeiden.
Hier nun meine dringende Empfehlung:
Wenn Du eine Zweitmeinung haben möchtest oder eine Einschätzung Deines aktuellen Zustandes nach AKN oder wenn Du Informationen über eine Nerventransplantation haben möchtest, Dich vielleicht sogar auf eine zweite Operation einlassen würdest (auch wenn Du Dich nur von demselben Neurochirurgen operieren lassen möchtest), dann wende Dich bitte an Prof. Tatagiba. Ein Profi in Sachen AKN. Er ist der Chefarzt der Neurochirurgie der Universitätsklinik Tübingen. Du musst dazu in der Privatsprechstunde anrufen, nicht in der allgemeinen Ambulanz. Die Sekretärin ist normalerweise ganz nett. Das kostet Dich zwischen etwa 60 und 160 Euro (am besten nochmal nachfragen am Telefon bei Terminvereinbarung), je nach Aufwand. Das ist es aber auf jeden Fall wert. Wartezeit auf einen Termin etwa 2 bis 3 Wochen. Das bringt es aber nur, wenn Du Deine wichtigsten Unterlagen dabei hast,also z.B. MRT vor OP (auf CD?), MRTs nach OP, Fazialisfunktionstest, etc. In Deinem Fall würde ich sogar darüber nachdenken, dem Professor die Unterlagen schon vorher auf einem sicheren Weg persönlich zukommen zu lassen, inklusive ein Anschreiben an Ihn, in dem Du Dein
Anliegen kurz schilderst. Es ist nämlich so, dass er auch in der Privatsprechstunde unter Zeitdruck ist und er sich Deine Unterlagen dann vielleicht schon vorher angeschaut hat, dann habt ihr mehr Zeit zum reden.
Das war das, was ich Dir sagen wollte.
Bei Dir gibt es möglicherweise noch einiges zu retten.
Also höre bitte einfach auf mich und hole Dir bald (nächste Woche?) einen Termin in Tübingen.
http://www.medizin.uni-tuebingen.de/neurochir/home/home.phpIch wünsche Dir gute Besserung und ein möglichst frohes Pfingstfest.
Achim Nick