Hallo Ihr Lieben
Ich habe mich länger nicht mehr gemeldet. Irgendwie wurde mir für den Moment alles zuviel und ich habe einige Zeit gebraucht um mich wieder aufzurappeln. Im Moment ist da eine Riesenlast auf meinen Schultern oder in meinem Herzen, die ich nicht beschreiben geschweige den fassen kann.
Ich lese hier soviele schlimme Schicksale über Todesfälle von Hirntumorpatienten, den Angehörigen dessen Schmerz ich nur erahnen kann. Manchmal stelle ich mir vor, wie es wohl sein wird wenn mein Freund einmal sterben sollte und nicht mal im jetzigen Zustand, wo er noch bei mir ist und es ihm einigermassen gutgeht,... kann ich den Gedanken ertragen oder einordnen. Da ist nur eine wahnsinnige Leere und die Angst sitzt mir im Nacken. Noch nie in meinem Leben hatte ich solche Angst...
Ich kann nicht sehr viel mehr erzählen. Einige Wochen nach der Biopsie hat mein Freund damit rausgerückt dass Ableger an seinen Lymphknoten in seinem Hals (die wurden ebenfalls biopsiert, weil immer geschwollen und er Mühe mit schlucken hat) gefunden worden sind. Sieht böse aus. Aber die Ärzte sagen (so wie er meint), dass es nicht vom Tumor kommen kann, da dieser ja gutartig sein sollte (laut Biopsie immer noch Astro II).. Ich bin total durch den Wind, mein Freund hats bis jetzt noch nicht geschafft nach Basel seinem Spezialisten anzurufen und endlich einen Termin auszumachen für eine zweite Biopsie (um ganz sicher zu gehen) und um zu besprechen weis weitergeht. Wenn die Geschwüre bösartig sind, müssen die doch schnellstmöglich raus...
Jetzt wein ich schon wieder, ich kann das einfach nicht verstehen. Er kann sich einfach nicht damit abfinden, sagt immer er werde wieder gesund aber was dagegen unternehmen?! Es läuft alles so schleppend und wenn es endlich mal vorwärts geht... zieht er doch wieder den Schwanz ein (entschuldigt) weil die Angst doch zu gross ist...
ich weiss langsam nicht mehr was ich tun soll. Keine Ahnung ob jemand nachvollziehen oder nachempfinden kann, wenn man zuschauen muss wie sich der Partner langsam und sicher selber in den Tod bringt.
Und ich kann einfach nichts tun... Ausser immer wieder sagen, dass ich ihn brauche. Das ich mir wünsche, dass er wieder gesund wird, dass er kämpfen soll... Für unsere Zukunft...
Dann sehe ich in seine tränenerstickten Augen und er sagt mir immer wieder "Bitte bitte, lass es mich auf meinen Weg machen, ich werde wieder gesund für Dich, ganz bestimmt. Bitte setz mich nicht unter Druck, ich kann damit nicht umgehen"...
Ich möchte ihn ja auch nicht unter Druck setzen. Aber die Zeit rennt uns davon. Die Zeit die er braucht, hat er einfach nicht (mehr) Viel zu lange hat er schon gewartet. Er sucht sich immer wieder Ärzte die noch eine andere Methode ausser OP anbieten können. Aber es sagen ihm alle das gleiche... Operieren --> sonst keine Chance mehr...
Er hängt so an seinem Leben, niemand sieht ihm an wie krank er wirklich ist. Niemand DARF es sehen. Niemand. Sonst bricht sein ganzes Kartenhaus zusammen. Alles wofür er jahrelang gekämpft hat... Er sagt immer wenn die in seinem Job wissen wies um ihn steht wird er nie mehr die chancen erhalten, welche ihm jetzt vorausbestehen...
Aber ich frage mich:.... Wem nützt er noch etwas wenn er unter der Erde liegt???
So, jetzt habe ich mich wiedermal "ausgekotzt". Hat gutgetan. Heute vor genau einem Jahr haben wir uns kennengelernt. Wir gehen "feiern"
Mein Freund sagt immer wir sollen die Zeit geniessen die wir haben und ich soll mir nicht soviele Sorgen machen, es werde alles wieder gut.
Alles wird gut... Jeden Tag sage ich mir: alles wird gut... Irgendwann...
Danke fürs zulesen!
Edit: Ich wollte noch schreiben wies ihm im Moment so geht. Erstaunlicherweise könnte man meinem es geht ihm besser. Er ist schon länger nicht mehr ohnmächtig geworden, die schmerzen halten sich im Rahmen (keine schlimmen Schmerzattacken mehr oder selten), die Epianfälle sind auch zurückgegangen, manchmal in der Nacht beim einschlafen und am morgen Zuckungen am ganzen Körper, aber die sind "handelbar". Er hat wunderbare 6 Kilo zugenommen, (er hatte eine Phase der Apettitlosigkeit und durfte nicht noch mehr Gewicht verlieren), seine Sprachprobleme jedoch haben sich verschlimmert. Er verhaspelt sich immer mehr, sagt teilweise Wörter die es nicht gibt und kann sich an Namen nicht mehr erinnern. Auch hat er schon mehrmals die falsche Uhrzeit gesagt wenn er auf die Uhr geschaut hat. Aber im grossen und ganzen geht es ihm erstaunlich gut. Ich denke das hat auch viel damit zu tun, dass ich immer gucke dass er mindestens 8 Stunden schläft, regelmässig isst, nicht immer nur am rumrennen ist etc. Er hat sich allgemein sehr beruhigt und entspannt. Ich denke dass hat zu seinem Allgemeinzustand viel beigetragen und das freut mich natürlich riesig. Auch in der Beziehung erleben wir im Moment nach einer Phase der Traurigkeit und Angst, wo es auch mal lauter wurde eine sehr innige und liebevolle Zeit. Wir sind uns sehr nah und könnten die ganze Zeit aneinander kleben wie die Kletten. Ich habe gelernt ein Stückweit "ihn ziehen zu lassen" "machen zu lassen" "loszulassen", was seine Krankheit betrifft. Das ist auch für mich ein grosser Schritt nach vorne, hätte nie gedacht das ich das kann. Aber ich denke das macht meine Liebe zu ihm aus, dass ich hinter ihm stehen kann und sagen "es ist gut was Du tust, ich stehe zu Dir"... Trotzdem wenns mich überfällt dann muss ich wiedermal ne Runde weinen. Er tröstet mich dann immer und sagt, wie oben erwähnt "alles wird gut"
Lieben heisst loslassen... Hat bei mir eine ganz grosse Bedeutung bekommen in den letzten Monaten. Auch wenn es ein loslassen im übertragenen Sinn ist...
So, genug geschwafelt
Wünsche allen einen schönen Abend!