Hallo, Bluebird,
vielen Dank für den Hinweis auf den Artikel aus der Ärzte-Zeitung!
Meines Erachtens werden in dem Artikel zwei verschiedene Sachen miteinander vermischt.
Erstens: Ich finde es äußerst wichtig, dass man bei Patienten die Tumorentfernung bei Bewusstsein durchführt, wenn der Tumor in Bereiche eingedrungen ist, deren Beschädigung dauerhafte nachteilige Folgen für den Operierten hätte. Der Patient wird während der Eröffnung des Schädels in Narkose versetzt und danach geweckt. Es ist zwar für ihn sehr ungewöhnlich, seine Operation am offenen Schädel bewusst mitzuerleben, aber es ist (zumindest zurzeit) die einzige Methode, ein zu weites Eindringen in gesunde, aber vom Tumor durchdrungene Bereiche zu vermeiden oder wenigstens so gering zu halten, dass eine Nachbehandlung erfolgreich sein wird. Für die Ärzte ist dies sicher auch nicht ganz einfach! Der Patient verspürt während des „Hantierens“ der Chirurgen in Gehirn keine Schmerzen, da das Gehirn über keine Schmerzrezeptoren verfügt. Um es dem Patienten so angenehm wie möglich zu machen, darf er sich eine Musik auswählen, die er während der OP hören möchte. Manche Patienten verzichten darauf, da sie sich voll auf die entsprechenden Prüfungen der Gehirnfunktionen konzentrieren wollen. Voraussetzung ist natürlich nicht nur bei sensiblen Patienten ein hohes Vertrauen in die OP-Mannschaft sowie das Verständnis dafür, warum die Operation am wachen Patienten unbedingt im Interesse des Kranken und seiner späteren möglichst vollständigen Genesung notwendig ist.
Jetzt kommen wir nun zu der ganz anderen Sache:Hier könnten nämlich Ärzte in die Versuchung kommen, eine derartige OP am schwer kranken Menschen für die Forschung zu missbrauchen. Natürlich ist Forschung wichtig, gerade im Bereich Hirntumor. Das ist uns hier allen ganz besonders klar. Aber die Tumor-OP nicht auf die tatsächlich betroffenen Regionen zu beschränken, halte ich für äußerst problematisch.
Es gibt verschiedene Bildgebende Verfahren, die es ermöglichen, am gesunden(!) Menschen diejenigen Gehirnregionen durch spezielle Stimulation darzustellen und einzugrenzen, die bestimmte Aufgabenbereiche erfüllen. Es ist auch möglich, Menschen mit bestimmten Beeinträchtigungen wie Blindheit, Gehörlosigkeit, Autismus, Hochbegabung, o.ä. zu gewinnen, um aus dem Fehlen bestimmter Fähigkeiten auf die Stellen oder Bereiche zu schließen, die für diese Fähigkeiten zuständig sind – oder bereits andere Aufgaben übernommen haben.
In jedem Fall muss aber die ausdrückliche Einwilligung der Versuchsperson vorliegen, die ohne jeglichen Zwang einzuholen ist.
Und da wären wir wieder bei der ersten Sache. In welche Situation wird ein Hirntumorpatient gebracht, dem sein Arzt, zu dem er unbedingtes Vertrauen hat und auch haben muss, überzeugend sagt, dass bei ihm aus og. Gründen eine Operation bei Bewusstsein das beste Verfahren ist und dass es doch sinnvoll sei, wenn man den Schädel schon offen hat, gleich mal weitere Funktionen des Gehirns zu testen. Der Patient steht doch ohnehin in einer bestimmten Weise allein durch diese Diagnose unter Schock. Er kann sich allein nicht helfen, er vertraut also dem Arzt. Und stimmt zu, denn er ist dem Arzt derart dankbar, dass der so ein kompliziertes Verfahren auf sich nimmt, um ihm zu helfen. Es ist doch sehr wichtig, hört er den Arzt sagen, für die Bekämpfung der Hirntumore einen Beitrag zu leisten …
Und das wäre Ausübung von Druck!
Ganz sicher ist das Letzte ganz doll übertrieben und ich glaube nicht, dass ein Arzt tatsächlich so reagiert.
Aber die Versuchung ist auf jeden Fall gegeben!Also lassen wir uns nicht als Versuchstiere missbrauchen, solange es andere Möglichkeiten für die Forschung gibt.Meine hier verwendeten Kenntnisse habe ich aus „Bild der Wissenschaft“, die ich abonniere, und von einer DVD „Expedition ins Gehirn – Eine Reise in die mysteriöse Welt der Hochbegabten“ (Produktion von „colourFIELD“ mit Arte, WDR, MDR, RAI, u.a. , erschienen im Jahr 2006,
www.tr-verlag,de)
Gruß
KaSy