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Autor Thema: Meine Krankengschichte Bekla1958 Keilbeinflügelmeningeom  (Gelesen 7716 mal)

bekla1958

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Mein Name ist  Beate, ich bin 52 Jahre alt. Am 18 August wurde bei mir ein Keilbeinflügelmeningeom festgestellt. Ich hatte immer wieder HWS-Beschwerden (cervicale Spinalkanalstenose). Gelegentlich hatte ich Sensibilitätsstörungen in der rechten Wange, deshalb wurde ein MRT von Schädel und HWS gemacht. Als mir die Radiologin den Befund mitteilte habe ich gedacht mir geht die Bodenhaftung verloren. Ich ging danach zur Neurologin und zum Hausarzt. Im Internet haben mein Mann und ich nach Neurozentren gesucht. Freiburg, Tübingen und Karlsruhe kamen, auch  durch die räumliche Nähe, in die nähere Wahl.
Wir haben Termine in den jeweiligen Sprechstunden gemacht, um von verschiedenen Personen eine Meinung zu hören und eine Meinungsfindung zu erleichtern. Man lässt sich ja nicht gerade mal von jedem am und im Kopf operieren. Zusätzlich haben wir die Unterlagen zu Professor Samii nach Hannover geschickt, um ein Gutachten erstellen zu lassen. Weitere Unterlagen schickten wir zu Gamma-Knife und Cyber-Knife nach Aachen und München. Die Bestrahlungstherapie wurde von Cyber-Knife aufgrund der Größe und der Nähe zum Sehnerv ausgeschlossen.

Alle Konsultierten empfahlen eine operative Therapie. Nach einer Vorstellung in Freiburg, Karlsruhe und Tübingen entschied ich mich für die Uniklinik Freiburg. Im Vorfeld war ich zum EEG und augenärztlichen Konzil (Visus und Gesichtsfeld). Am 13. Oktober hatte ich einen Aufnahmetermin zur OP. An diesem Tag wurden die OP-Vorbereitung und ein Dünnschicht-CT gemacht. Der 14.Oktober war der OP-Tag. Ich war sehr aufgeregt und hatte große Angst vor neurologischen Defiziten. Als ich das erste Mal bewusst wach wurde, fiel mir ein Stein vom Herzen, denn ich konnte alles bewegen, wahrnehmen und sehen, hören, fühlen. Es war wunderbar und mein Herzenswunsch, ohne neurologische Defizite aufzuwachen, war in Erfüllung gegangen.
Ich war zunächst auf der Intensivstation (mein Mann sagt ca 5-6 Stunden), dann auf der neurochirurgischen Allgemeinstation und wurde gut überwacht und versorgt. Am nächsten Tag konnte ich bereits an den Bettrand sitzen und ein paar Schritte laufen. Der Kreislauf war ein bisschen knapp, aber ok. Schmerzen waren mit Ibuprofen, Novalgin und Magenschutz gut eingestellt.
So ging jeden Tag ein bisschen mehr und ich konnte am sechsten postoperativen Tag entlassen werden. Allein sollte man jedoch nicht zuhause sein, denn man ist ziemlich kaputt und braucht schon Hilfe. Mein Mann und meine Familie haben mich sehr unterstützt und gaben mir viel Kraft. Der Kopf „ziepte“ schon ordentlich, wahrscheinlich durch die Spannung der Klammern. Schmerzmittel mussten weiter eingenommen werden. Körperlich ging es mir ganz gut, aber die Seele hatte einen Durchhänger. Da ich sonst ein eher sonniges Gemüt habe,  hat mich das in eine depressive Stimmung gebracht.
Am Donnerstag, den 29. Oktober (also am 15.postoperativen Tag) ging ich in Reha. Dort angekommen. erstes Gespräch mit Arzt und Schwestern, alle sehr nett. Das Zimmer und der Gebäudekomplex sehr barock und in die Jahre gekommen. Für die angeschlagene Psyche nicht gerade förderlich. Eine Umgebung, die nicht gerade ansprechend ist verstärkt den Wohlfühlfaktor nicht gerade. Nach vier Tagen, Montag, dann endlich Therapiebeginn. Therapie und Einführung waren  o.k., Ablenkung dringend nötig. Trotz allem genügend Zeit zur Erholung und um etwas Persönliches zu tun. Ich war in der Freizeitecke zum Töpfern und es hat Spaß gemacht. Auch ein Spaziergang war möglich. Gott sei Dank war mein Mann dabei, denn alleine traute ich mich nicht von der Klinik weg. da ich Phasen hatte, in denen ich sehr schlecht bzw. verzerrt gesehen habe und dadurch sehr unsicher war (Viel Schwindel !) Überhaupt war ich sehr froh, dass mein Mann dabei war. Er war mir eine große Hilfe, vor allem in meinen depressiven Verstimmungen. Ich weiß nicht wie es mir gegangen wäre, wenn er mich nicht aufgerichtet hätte. Er ist ein toller, liebevoller Mann. Er gibt mir viel Kraft, Selbstbewusstsein und Halt. Positives Denken ist die Devise!!  Ebenso viel Energie und Kraft gibt mir meine Familie und Freunde. Sie sind für mich und meinen Mann da und unterstützen uns wo es möglich ist. Darüber bin ich sehr froh und kann mich nur bei allen ganz herzlich bedanken. Ich hab euch alle sehr gern. DANKE!!! Ich möchte mich mit schneller Genesung und Rückkehr ins normale Leben bei euch bedanken.
Wie gesagt, waren das Sehen und der Schwindel während der Reha ein großes Problem. Die Arbeitstherapie am PC war zum Teil frustrierend, da ich eben Sehprobleme hatte. Im Laufe der Zeit wurde es besser, aber es dauerte noch lange Zeit nach der Reha, bis der Sehwert stabil war und ich eine neue Brille bestellen konnte (Sehstärke um 1 Dioptrien verschlechtert). Schwindel, schlechteres Sehen, extreme Geräuschempfindlichkeit und schlechteres Hören stressen z.T. immer noch sehr. In ein Kaufhaus, Supermarkt, Restaurant oder ähnliches zu gehen, wo viele Einflüsse zusammen kommen, war für mich lange Zeit ein Alptraum. Vier bis fünf Monate nach der OP stresst mich das teilweise immer noch sehr. Viele Geräusche und Einflüsse bringen meine Birne immer noch zum Schwingen. Ich bin jetzt wieder sicherer, aber längst nicht wie vorher. Eine Stunde in der Stadt ist für mich eher Last als Lust. Die Stadt macht mich auch sehr müde. Die Müdigkeit ist seit der OP enorm. Es bessert sich zwar im lauf der Zeit, aber auch nach fünf Monaten ist der Akku vielleicht grade mal halb voll. Je nach Aktivität bin ich nach 2 bis 3 Stunden erschöpft.
Ich habe Angst vor dem Stress bei der Arbeit, am schlimmsten ist aber der Stress der Seele. Die Seele ist sehr sensibel und manche dummen Sprüche und „gut gemeinten Ratschläge“ können einen in tiefe Abgründe stürzen. Psychologische Betreuung ist sehr wichtig. Aber auch Ehemann, Freunde und Familie sind sehr wichtig. Trotzdem muss man den Weg alleine finden. Ich brauche Zeit, um die Sicherheit wieder zu finden. Der Weg ist für jeden anders. Ich bin sehr glücklich, dass ich ein zweites leben geschenkt bekommen habe, sehr glücklich, dass ich keine neurologischen Ausfälle habe und es mir gut geht. Mein Verhältnis zu Gott hat sich intensiviert. Ich bete jeden Tag und bedanke mich, dass ich soviel Glück hatte. Bin dankbar für die alltäglichen Dinge, die vor der OP oft selbstverständlich waren. Heute weiß ich, dass sie alle etwas Besonderes sind, da man Angst hatte, sie nicht mehr zu spüren, zu fühlen oder sie nicht mehr ausüben zu können.
Ich bin zuversichtlich, dass alles wieder gut wird. Ich habe viel gelernt, Prioritäten haben sich neu gemischt. Ich möchte mir mehr Zeit für mich, meinen Mann, meine Familie und Freunde nehmen.
« Letzte Änderung: 07. Juni 2010, 07:53:46 von fips2 »

Offline Bluebird

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Re:Meine Krankengschichte.......
« Antwort #1 am: 12. Mai 2010, 18:29:33 »

Hallo,

vielen Dank, Bekla, für diesen interessanten Bericht, der sehr realistisch auch die weniger schönen Seiten eines solchen Eingriffs aufzeigt und doch so sehr positiv ist.
Eine optimistische Einstellung, verständnisvolle Menschen, die motivieren und- wie in Deinem Fall- ein fester Glauben, können sehr hilfreich sein auf dem nicht immer ebenen Weg zur Gesundung.
Weiterhin alles Gute!

LG
Bluebird
The best time to plant a tree was 20 years ago.
The second best time is NOW.
(Chinesisches Sprichwort)

fips2

  • Gast
Re:Meine Krankengschichte.......
« Antwort #2 am: 12. Mai 2010, 21:03:25 »
Hallo Bekla
Dein Bericht könnte exakt von meiner Frau geschrieben sein. So deckungsgleich sind Lage und Verläufe nach der OP.
Wenn du willst, kann ich dir gern anbieten dich mal mit uns, bzw. meiner Frau auszutauschen. Gern auch per Telefon.
Schick mir dann einfach eine PN.

Gruß und weiterhin gute Genesung. Denk dran . Du bist erst am Anfang. Lass dir Zeit. Meine Frau ist nun 4 Jahre operiert. Es gibt sich fast alles. Das Eine geht recht schnell, das Andre braucht etwas länger. Aber es wird......
Du hast geschrieben, dass sich deine Prioritäten verändert haben. Das ist gut so.
Viele wollen mit Gewalt in die alten Schienen zurück und machen sich damit selbst das Leben schwer. Ziele ja. Aber in realistischen Rahmen.
Und die Sonne scheint heller, die Vogel singen lauter und schöner.... Das Leben ist lebenswert...
Leider verblasst allzuschnell der Sinn dafür in unserer hektischen Welt.
Man sollte die Chance nützen.

Gruß Fips2
« Letzte Änderung: 12. Mai 2010, 21:20:45 von fips2 »

 



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