HirnTumor-Forum

Autor Thema: Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)  (Gelesen 52944 mal)

Ulrich

  • Gast
Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)
« am: 05. Juni 2003, 10:54:44 »
Siehe auch hier: Gehirntumor: Seelische, körperliche und psychosoziale Folgen


Interessant vielleicht, daß der Begriff "Posttraumatische Belastungsstörung" nach dem Vietnam-Krieg definiert wurde. Die Vietnam-Veteranen mußten in der Öffentlichkeit sehr viel Druck machen, bis ihre Leiden anerkannt wurden. Neulich habe ich eine Radio-Sendung gehört, bei der Feldpost-Briefe von Soldaten vorgelesen wurden, die mit Napoleon gegen Russland gezogen waren, das war anfangs des 19. Jahrhunderts. Die Beschwerden waren vergleichbar. Man hat damals die Betroffenen völlig im Stich gelassen. Auch manche Kriegsheimkehrer aus dem 1. Weltkrieg hatten solche Symptome, man nannte sie die "Kriegszitterer"


Mit Genehmigung des Autors (R.B.) zitiere ich einen Beitrag, der am 5.6.03 in der Hirntumor-Mailingliste veröffentlicht wurde.

Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)

In den vergangenen Wochen habe ich an der Universität St. Gallen im Rahmen meines Wirtschaftsstudiums einen Kurs in Psychologie "Trauma und Psychologie" belegt. Die "Posttraumatische Belastungsstörung" habe ich vorher nicht gekannt. Ich denke, vielen von Euch geht es auch so. Das Posttraumatische Belastungssyndrom (PTBS) steht für ein Bündel von Symptomen, die bei Menschen nach einer "Katastrophe" auftreten können. Die Symptome können Wochen, Monate oder erst Jahre nach dem auslösenden Moment auftreten.
Das posttraumatische Belastungssyndrom äussert sich in Angststörungen, Depressionen, Schlaf- oder Konzentrationsstörungen, daneben treten psychosomatische Beschwerden wie Herzklopfen, Kopfschmerzen oder Magen-Darm-Probleme auf.

Ich habe Euch die Theorie dazu zusammengestellt. Zuerst eine Einführung in das Thema "Trauma" und im zweiten Teil, wie Ihr eine "Selbstdiagnose PTBS" durchführen könnt.


Einführung in die Traumaforschung (Begriffe / Definitionen)

Was ist ein traumatisches Ereignis?
"Ein traumatisches Erlebnis ist ein Ereignis, bei dem ein oder mehrere Menschen in ihrer körperlichen und/oder seelischen Integrität massiv gefährdet werden. Dieses Ereignis kann einen selbst oder einen nahestehenden Menschen betreffen"

Definition der traumatischen Erfahrung:
"Ein Diskrepanzerlebnis zwischen bedrohlichen Situationsfaktoren und den individuellen Bewältigungsmöglichkeit, das mit Gefühlen von Hilflosigkeit und schutzloser Preisgabe einhergeht und so eine dauerhafte Erschütterung von Selbst- und Weltverständnis bewirkt"

Zentrale Aspekte beim Erleben eines Traumas:
- Hilflosigkeit, ausgeliefert sein
- Einbruch der eigenen Existenz  (Sicherheiten lösen sich auf)
- Ausserordentliche negative  Belastung

Diagnose:
PTSD: Posttraumatic Stress Disorder
PTBS: Posttraumatische Belastungsstörung


Einfluss auf die Verarbeitung von Trauma:
- Vor dem Trauma: Stabile Entwicklung? (Stabile Kindheit => Bewältigung leichter)
- Während des Traumas: Stärke des Traumas (z.T. schwer messbar)
- Nach dem Trauma: Reaktion der Umgebung, Trauerarbeit, Selbstbild

Reaktionen auf Trauma
(Somatische Phänomene / Psychologische Phänomene)

1. Reaktionen während der Traumatisierung
- Somatische Phänomene: Auf der körperlichen Ebene eine massive Stressreaktion. Der ganze Körper richtet sich auf das Überleben aus.
- Psychologische Phänomene: Die psychologischen Reaktionen treten erst in den Hintergrund (da Flucht/Kampf) .

Betroffene berichten...
Depersonalisierung: z.B. das Gefühl neben sich zu stehen
Derealisierung: das Gefühl: es ist nicht Wirklichkeit. Es ist nur Phantasie, nur ein Traum.

2. Reaktion direkt nach der Traumatisierung:
- physiologische Reaktion: Nachdem die physische Bedrohung beseitigt ist, besteht weiterhin eine körperliche Übererregung: Schlafstörungen, Überaktivität, Ungeduld und Reizbarkeit und bis zu Aggressivität und Gewalttätigkeit.
- Psychologische Reaktionen: Alpträume und Flash-Backs. Versuche die Übererregung durch Ausweichstrategien zu vermindern: die Person versucht alles zu vermeiden, was an das Trauma erinnert: Es ist eine Art "phobisches Vermeiden".

Ein Teil der Traumatisierten entwickelt PTSD:

3. Post-Traumatische Belastungsstörungen:
- Körperliche Ebene: Die körperliche Übererregung geht weiter: Schlafstörungen, Überaktivität (bis zur Erschöpfung), Erregbarkeit, Reizbarkeit, Aggressivität, Gewalttätigkeit,
- psychosomatische Symptome: Psychische Ebene: unkontrollierbare Überflutung durch Erinnerungen an das Trauma in Form von Flashbacks und Alpträumen.
- Soziale Ebene: die Person ist z.T. auffällig: emotional erregt

4. Die chronifizierte Post-Traumatische Belastungsstörung:
Wenn die obigen Symptomen länger als 12 Monaten bestehen bleiben, verstärkt sich die Hilflosigkeit. Die Person kann
- mit Depression reagieren
- mit Drogen / Medikamenten / oder Alkohol-Konsum (um die Übererregung erträglicher zu gestalten).
- mit sozialem Rückzug
- mit Suizid ".


 Arten von Traumas
 PTBS: Posttraumatische Belastungsstörung  (Selbstdiagnose)


PTBS tritt nach einem extrem negativen Erlebnis auf, welches "ausserhalb der üblichen menschlichen Erfahrungen liegt und für fast jeden stark belastend wäre" (z.B. ernsthafte Bedrohung des eigenen Lebens oder der körperlichen Integrität; Bedrohung oder Schädigung der eigenen Kinder; des Ehepartners oder naher Verwandter und Freunde; plötzliche Zerstörung des eigenen Zuhause ; oder mitanzusehen, wie eine andere Person infolge eines Unfalls bzw. körperlicher Gewalt vor kurzem oder gerade ernsthaft verletzt wurde oder starb.

A. Das traumatische Ereignis wird ständig oder mindestens auf eine der folgenden Arten wiedererlebt:
 i. Wiederholte und sich aufdrängende Erinnerungen an das Ereignis
 ii. Wiederholte, stark belastende Träume
 iii. Plötzliches Handeln oder Fühlen, als ob das traumatische Ereignis wiedergekehrt wäre (als ob man alles noch einmal durchleben würde)
 iv. Intensives psychisches Leid bei der Konfrontation mit Ereignissen, die das traumatische Ereignis symbolisieren oder ihm in irgendeiner Weise ähnlich sind, einschliesslich Jahrestage des Traumas

B. Anhaltende Vermeidung von Stimuli, die mit dem Trauma in Verbindung stehen, oder eine Einschränkung der allgemeinen Reagibilität (war vor dem Trauma nicht vorhanden), was sich in mindestens drei der folgenden Merkmale ausgedrückt:
 i. Anstrengungen, Gedanken oder Gefühle, die mit dem Trauma in Verbindung stehen, zu vermeiden;
 ii. Anstrengungen, Aktivitäten oder Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen, zu vermeiden;
 iii. Unfähigkeit, sich an einen wichtigen Bestandteil des Traumas zu erinnern (psychogene Amnesie)
 iv. Auffallend vermindertes Interesse an bedeutenden Aktivitäten;
 v. Gefühl der Isolierung bzw. Entfremdung von anderen;
 vi. Eingeschränkter Affekt, z.B. keine zärtlichen Gefühle mehr zu empfinden;
 vii. Gefühl einer überschatteten Zukunft, z.B. erwartet nicht, Karriere zu machen, zu heiraten, Kinder zu haben oder lange leben zu können.

C. Anhaltende Symptome eines erhöhten Erregungsniveaus (waren vor der Trauma nicht vorhanden), durch mindestens zwei der folgenden Merkmale gekennzeichnet:
 i. Ein- oder Durchschlafstörungen;
 ii. Reizbarkeit oder Wutausbrüche;
 iii. Konzentrationsschwierigkeiten;
 iv. Hypervigilanz ("besonders wach sein");
 v. Übertriebene Schreckreaktionen;
 vi. Physiologische Reaktionen bei der Konfrontation mit Ereignissen, die einem Bestandteil des traumatischen Ereignisses ähneln oder es symbolisieren (z.B. eine Frau kriegt Schweissausbrüche beim Betreten eines Aufzuges. Sie wurde in einem Aufzug vergewaltigt)

D. Die Dauer der Störung (Symptome A, B und C) beträgt mindestens einen Monat.



Falls also im A mindestens eine Art + im B mindestens drei Merkmale + im C mindestens zwei Merkmale + im D die Dauer von einem Monat kumulativ mit JA beantwortet werden können, deutet dies auf ein PTBS hin.

Zusätzlich kann zwischen einer akuten PTBS und einer chronischen Form unterschieden werden. Bei der akuten PTBS treten die Symptome bis zu drei Monate lang auf, bei der chronischen PTBS länger als drei Monate. Die Störung muss eine wesentliche Einschränkung der Lebensqualität beim Betroffenen auslösen.




Literaturliste:
Perren-Klingler, G. (1995): Menschliche Reaktionen auf traumatische Erlebnisse. In: Perren-Klingler, G. (Hg.): Trauma. Bern: Haupt. S. 7-30


Suchbegriffe: Psyche, psychische Folgen, Belastung, Trauma, Psychosyndrom

Titus

  • Gast
Re:Posttraumatische Belastungsstörung
« Antwort #1 am: 04. März 2005, 23:53:55 »
hallo,
ich habe den Artikel zwar nur kurz überflogen, aber es kommt mir einiges sehr bekannt vor.

Ich als Mutter habe meinen Sohn in die Kliniken begleitet und alles mitbekommen. Es war nicht immer nur gut, vieles ist in meinen Augen auch echt schief gelaufen. Man verdrängt es ganz toll, bis es eben knallt und das war jetzt bei mir der Fall, Auslöser waren erhebliche Differenzen mit dem betreuenden Klinikarzt.

Ich bin nervilich und seelisch einfach nur noch fertig. Ich bin total am rudern, weil ich von dem betreffenden Arzt auf meine Bitten hin das wir uns mal unterhalten müssten, es läuft da was schief, nicht ernst genommen wurde. Das ist total schlimm und für mich verschärft es die Situation total. Denn ER ist der Auslöser bei mir für meine Probleme und ER wendet sich ab. Leider hat ER auch die Leitung der Klinik.

Na ja, wenigstens hat er meinem Wunsch entsprochen, das wir sofort von einem anderen Arzt betreut werden, und der ist sehr, sehr nett. Aber wenn ich nur mit starken Beruhigungsmitteln in die Klinik kann und meinen Sohn (nach Angebot des neuen Arztes, der diese Wochen Nachtdienst hat und nächste Woche nicht da ist) dann spätabends dort vorstelle, weil ich Panik bekomme, wenn ich nur daran denke, das ich dem Leiter dort begegnen könnte, dann stimmt etwas absolut nicht.

Ich weiß auch nicht, wer mir helfen könnte, eine wirklich gute Diskussion ist schon in einem anderen Forum entstanden, aber was nützt es mich, wenn ich mich bei Menschen ausserhalb der Klinik ausheule, wenn die Ursache nicht behoben wird. Das ist Symptomflickerei.

Manuela

Offline sm332

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Re: Posttraumatische Belastungsstörung
« Antwort #2 am: 05. Januar 2009, 12:54:01 »
Zufällig bin ich auf diesen Artikel gestoßen. Ich hatte vorhzer keine Anhung, was das bedeutet. Ich habe es gelesen und als ich fertig war habe ich gedacht, dass hier eine Auflistung wichtiger psychologischer Ereignisse meines Lebens niedergheschrieben wurde. Nun klingelts entlich bei mir. Ich frage mich nur, was ich dagegen tun kann außer der Option mich bei einem "Seelenklempner" aus zu weinen. Ich meine wenn man schon das Pech hat eine chronische  Posttraumatische BS zu haben muss einem doch jedenfalls geholfen werden. Ich für meinen Teil musste selber herausfinden, was ich in psychologischer Hinsicht habe, damit ich nun dagegen angehen kann. Das finde ich, in Anbetracht meinerr Geschichte, ziemlich bitter. Das ist doch ein Armutszeugnis für die Psychologen, die mich untersucht haben.
Ich befinde mich also im chronifiziertemm Stadium, wenn man das so schreiben kann. Was kann ich tun? Hilfe?

Offline Ciconia

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Re: Posttraumatische Belastungsstörung
« Antwort #3 am: 05. Januar 2009, 16:53:33 »
Hallo,

auf jeden Fall solltest du dir prof. Hilfe holen. Dies kann auch schon durch einen Anruf bei der Notfallseelsorge geschehen. Dort kann man dir auch Adressen nennen, wo du Hilfe bekommst.
Außerdem kannst du hier einmal anrufen:
http://www.hirntumor.de/forum/index.php/topic,2385.0.html

Wichtig ist, dass auch ein Nervenarzt die Diagnose stellt. Zwar vermutest du es bei dir, weil viele Dinge aus dem Beitrag dir bekannt vorkommen. Letztendlich muß erstmal der Arzt dies bestätigen. Dann kann dir auch entsprechend geholfen werden. Keine Angst vor dem "Seelenklempner". Du brauchst Hilfe und wirst sie auch bekommen.

LG
Ciconia
« Letzte Änderung: 05. Januar 2009, 16:55:32 von Ciconia »
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Offline Bluebird

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Studie zur Behandlung posttraumatischer Belastungsstörung
« Antwort #4 am: 28. April 2010, 12:00:37 »
Zitat
Hilfe für traumatisierte Patienten: Studie zu EMDR-Behandlung bei posttraumatischer Belastungsstörung
Tanja Schmidhofer, Pressestelle
Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München
28.04.2010 11:42   

 EMDR-Behandlung durch PD Dr. Martin Sack

Klinikum rechts der Isar

Die Klinik für Psychosomatische Medizin des Klinikums rechts der Isar der TU München startet ein Forschungsprojekt zur Behandlung von Patienten mit posttraumatischen Belastungsstörungen. Untersucht werden die Wirkmechanismen der sogenannten EMDR-Methode, mit deren Hilfe die Folgen schwerer psychischer Traumatisierungen behandelt werden können. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert die experimentelle Studie, die in Kooperation mit der Justus-Liebig Universität Gießen durchgeführt wird, zunächst für einen Zeitraum von drei Jahren.
EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) ist ein Verfahren zur Behandlung von Patienten mit posttraumatischen Belastungsstörungen. Bei dieser Methode folgt der Patient mit den Augen der sich hin und her bewegenden Hand des Therapeuten, während er sich an das belastende Erlebnis erinnert.
Die Wirksamkeit der EMDR-Behandlung ist wissenschaftlich bereits sehr gut nachgewiesen. Dennoch ist nach wie vor unklar, ob der spezifische Effekt durch die bilaterale Stimulation durch Augenbewegungen erfolgt und die Therapie auf diese Weise ähnliche Verarbeitungsprozesse wie der REM-Schlaf aktiviert. In dieser Schlafphase bewegen sich die Augen schnell hin und her und es wird intensiv geträumt. Andere Hypothesen gehen davon aus, dass der Blick auf die bewegte Hand Orientierungsreaktionen auslöst oder dass durch den dualen Aufmerksamkeitsmodus während der Exposition eine gezielte Ablenkung stattfindet.

 http://idw-online.de/de/news366541


Bluebird
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Offline KarlNapf

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Offline KarlNapf

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Offline Mike

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