http://www.aerztezeitung.de/docs/2005/12/14/226a1301.asp?cat=/medizin/krebsÄrzte Zeitung, 14.12.2005
Protonentherapie gegen Krebs gibt es demnächst in MünchenPatienten können an fünf Plätzen bestrahlt werden / Protonen geben meiste Energie im Tumor ab / Gesundes Gewebe wird geschont
MÜNCHEN (wst). In der Radiotherapie gegen bösartige Tumoren erwächst der konventionellen Röntgenbestrahlung Konkurrenz: Protonenstrahlen sollen den Tumor millimetergenau treffen und das gesunde umgebende Gewebe weniger belasten, als dies mit anderen bisher verfügbaren therapeutischen Bestrahlungstechniken möglich ist.
Das europaweit erste vollklinische Protonentherapie-Zentrum wird voraussichtlich Mitte Februar in München in Betrieb genommen. Privatdozent Hans Rinecker ist Hausherr des "Rinecker Proton Therapy Center" (RPTC).
Was ist der Unterschied zwischen Röntgen- und Protonentherapie? Bei den von einer externen Quelle emittierten herkömmlichen Röntgenstrahlen (elektromagnetische Wellen) nimmt die Dosis mit zunehmender Eindringtiefe ab. So wird gesundes Gewebe vor dem Tumor einer höheren Dosis ausgesetzt als der Tumor selbst.
Auch hinter den Tumor gelangen Strahlen. Um die Strahlendosis im Tumor möglichst hoch und im umgebenden Gewebe möglichst niedrig zu halten, wird der Tumor überlappend aus verschiedenen Richtungen bestrahlt. Trotz dieser Strategie können nicht immer so hohe Strahlendosen wie gewünscht verabreicht werden, weil umliegendes Gewebe zu stark geschädigt würde.
Die Protonen erreichen bis zu 60 Prozent der Lichtgeschwindigkeit.
Anders bei der Protonentherapie, so Rinecker. Mit einer insgesamt etwa 150 Tonnen schweren, beweglichen Zielvorrichtung (Gantry) können Protonen (positiv geladene Atomkernteilchen) an jeder Stelle im Körper punktgenau auf den Tumor gerichtet werden. Der Patient liegt dabei in einer Konturmatratze, die seinen Körper fixiert.
In einem Hochleistungs-Zyklotron werden die Protonen auf 180 000 km/Sekunde beschleunigt - das sind etwa 60 Prozent der Lichtgeschwindigkeit. Der Protonenstrahl läßt sich so manipulieren, daß er das Maximum seiner Energie im Tumor entfaltet.
Dadurch wird vor dem Tumor liegendes gesundes Gewebe Rineckers Angaben zufolge deutlich schwächer belastet als bei Röntgenstrahlen, und nachgelagertes gesundes Gewebe schon nach wenigen Zentimetern oder gar Millimetern überhaupt nicht mehr (Stop-Effekt der Protonen).
Bei ähnlicher Dosis im Tumor ist die Gesamtstrahlendosis im gesunden Gewebe deshalb bei der Protonentherapie um den Faktor drei bis fünf geringer als mit einer herkömmlichen Röntgenbestrahlung.
Dennoch wird die Protonentherapie von Radioonkologen kontrovers diskutiert, etwa mit dem Argument, daß tiefer im Körper liegende Tumoren mit dieser Methode nur ungenügend erreichbar seien. Eine solche Limitierung treffe jedoch nur für ältere, leistungsschwächere Protonenstrahleinrichtungen zu, so Rinecker. Die in seiner Anlage auf 180 000 km/Sekunde beschleunigten Protonen können bis 38 Zentimeter in den Körper eindringen.
Durch Lagerung des Patienten und Zieleinstellung sei damit jeder Tumor erreichbar. Lediglich wenn eine möglichst großflächige Bestrahlung erwünscht ist, etwa bei malignen Lymphomen, bringe eine Protonentherapie im Vergleich zur konventionellen Röntgenstrahlentherapie keinen Vorteil.
Ansonst sei die Protonentherapie mindestens so wirksam wie die Röntgenbestrahlung. Lediglich eine noch ungenügende Verfügbarkeit der Protonentherapie rechtfertige noch den breiten Einsatz der Röntgenbestrahlung, so Rinecker.
Mit den fünf Behandlungsräumen (vier mit je einer Gantry, einer mit "Fixed-Beam"-Therapieplatz speziell für Tumoren im Augen- und Schädelbereich) ist das Münchener Protonentherapie-Zentrum für jährlich bis zu 4000 Patienten ausgelegt. Der Grundstein für ein zweites Zentrum, das "Rhein Proton Therapy Center" in Köln, wurde im Mai 2005 gelegt. Ein drittes Zentrum unter Rineckers Federführung ist in Leipzig geplant.
Seit den 1950er Jahren erhielten weltweit mehr als 40 000 Krebspatienten eine Protonentherapie. Rinecker hat die Therapie leicht verständlich in seinem Buch "Protonentherapie - Neue Chancen bei Krebs" (Herbig Verlag 2005, 26,00 Euro, ISBN 3-7766-2422-1) beschrieben.
Weitere Infos im Internet unter:
www.rptc.deSo gewinnt man die Protonen
Protonen für eine Strahlungssitzung werden aus Wasserstoffgas gewonnen. Für eine Sitzung bedarf es eines Wasserstoffgas-Volumens, das kleiner ist als eine Champagnerperle. Das Wasserstoffgas wird zunächst in die faustgroße Ionisierungskammer des RPTC geleitet, in der die Elektronen von den Wasserstoffatomen getrennt werden. Übrig bleiben die Protonen. Sie werden im Zyklotron auf 180 000 km/Sekunde beschleunigt. In dem etwa 160 Meter langen luftleeren Strahlrohr wird der Protonenstrahl an den fünf hintereinander liegenden Therapieplätzen vorbei geführt. Ultrastarke Elektromagneten entlang des Rohrs sorgen dafür, daß der Protonenstrahl gebündelt und in der gewünschten Richtung bleibt. Biegemagneten leiten den Protonenstrahl vom Hauptstrahlrohr in die aktive Zielvorrichtung (Gantry) des gewünschten Behandlungsplatzes ab. (wst)
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http://www.aerztezeitung.de/docs/2005/12/14/226a0501.asp?cat=/medizin/krebsÄrzte Zeitung, 14.12.2005
Protonentherapie-Zentrum für Krebspatienten vor dem StartProtonen können auf den Millimeter genau in Tumoren gelenkt werden / Gesundes Gewebe wird geschont / Eine Sitzung dauert 60 Sekunden
MÜNCHEN (sto). Voraussichtlich Mitte Februar 2006 soll in München Europas erstes Protonentherapie-Zentrum für die Behandlung von Krebspatienten an den Start gehen. Im "Rinecker Proton Therapy Center" (RPTC) können an fünf Behandlungsplätzen pro Jahr etwa 4000 Patienten behandelt werden.
Sie müssen den Original-Artikel aufrufen, um das Foto sehen zu können.Ein Patient liegt an einem Protonentherapie-Platz des RPTC. Foto: ProHealth AG
Privatdozent Hans Rinecker, Initiator des RPTC, hat das Zentrum jetzt bei der 43. internationalen Protonentherapie-Konferenz in München vorgestellt. Er nannte wichtige Vorteile der Protonentherapie: Tumoren können im Vergleich zur konventionellen Röntgentherapie zielgenauer bestrahlt werden, das umliegende Gewebe wird weitgehend geschont.
Deshalb sind hohe Dosen in den Tumoren möglich bei gleichzeitiger Reduktion von unerwünschten Effekten. Denn: Bei einer Behandlung mit Röntgenstrahlen wird immer die gesamte Körperpartie, in der der Tumor sitzt, durchstrahlt. Das Maximum der Dosis liege in der Regel knapp unter der Haut, erläuterte Rinecker. Bestrahlt werde auch das gesunde Gewebe hinter einem Tumor.
Ganz anders ist das physikalische Verhalten von Protonen. Ihre Eindringtiefe hängt von ihrer Geschwindigkeit ab. So sei es möglich, Protonen millimetergenau in Tumoren zu lenken, wo sie die höchste Dosis erreichen. Das hinter dem Krebs liegende Gewebe werde nicht belastet, sagte Rinecker.
Das ist etwa bei Tumoren am Auge oder Rückenmark, in Lunge oder Gehirn besonders wichtig, die dicht an empfindlichen Geweben liegen. Die Strahlenbelastung betrage bei einer Protonentherapie - bei gleicher Tumordosis - lediglich ein Drittel der Belastung einer Behandlung mit Röntgenstrahlen.
Nach Rineckers Angaben haben bereits die AOK Bayern, der BKK Landesverband Bayern und die Landwirtschaftlichen Krankenkassen in Bayern Versorgungsverträge mit dem Protonentherapie-Zentrum abge-schlossen. Sie sehen eine pauschale Vergütung von 17 500 Euro pro Patient für Diagnostik und Therapie vor.
Pro Patient seien bis zu 25 Bestrahlungen von jeweils 60 Sekunden Dauer, eine Sitzung pro Tag, erforderlich. Bislang wurden nach Rineckers Angaben seit den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts weltweit mehr als 40 000 Patienten mit Protonenstrahlen behandelt.
Der Bau des RPTC wurde mit etwa 150 Millionen Euro von einem privaten Investoren-Konsortium finanziert. Betreibergesellschaft ist die 1999 von Rinecker gegründete ProHealth AG. Für ein weiteres Therapie-Zentrum wurde im Mai in Köln-Merheim der Grundstein gelegt; ein drittes Therapie-Zentrum ist in Leipzig geplant.
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