Hallo, Ihr nach dem "Warum ... " Fragenden,
Ich finde Jens´ Bemerkung, dass "gutartig" für einen Tumor eine unpassende Bezeichnung ist, durchaus richtig. Welche Krankheit könnte man denn überhaupt als "gutartig" bezeichnen? Vor meiner ersten Meningeom- WHO I- OP (gestern vor 15 Jahren) hatte ich eine derartige Angst, dass ich an "sonstwas" dachte. Ich hatte lediglich die Alternative zwischen Tod als OP-Risiko oder Tod als Folge der zu erwartenden Gehirnverdrängung
. Leichte Entscheidung bei einer "gutartigen" Sache
. Natürlich wird keiner diese Bezeichnung ernsthaft ändern wollen, aber unpassend ist sie auf jeden Fall und drüber nachdenken ist ja nicht verboten.
Und warum finden das manche oder viele so toll, dass man "mit der OP das Schlimmste hinter sich habe", obwohl da erst die Kämpfe losgehen?
Wieso freuen sich die Leute, dass man den "Krebs besiegt habe"?
Warum sagen Behördenmenschen, dass es "ja nicht so schlimm sein kann, wenn man schon 26 Jahre damit lebt"?
Die Hirntumore sind ja nicht so häufig - in der Realität. Im Fernsehen kriegen andauernd irgendwelche Menschen Hirntumore und arbeiten fast gleich wieder. Epi-Anfälle machen sich nicht so gut, aber eine OP am Kopf, wo der Arzt als Held und der Patient als toller Kämpfer dargestellt werden, das sichert Einschaltquoten.
Zu dieser Meinung kam ich durch die für mich überraschende Frage meiner Schwiegertochter, die aufgrund des Fernsehens glaubte, dass HT viel häufiger vorkommen und viel weniger Probleme bereiten.
Eine sehr lange Lebenserwartung nach Meningeomen ist natürlich eine wirklich gute Sache. Einerseits.
Aber das Leben mit der Angst, die immer wieder mal auftaucht; die zunehmenden psychischen und Belastungs-Beeinträchtigungen und das Gefühl, von eigentlich niemandem aus dem Umfeld WIRKLICH verstanden zu werden (einige - bei mir alle - Ärzte ausgenommen), das ist auch nicht gerade immer leicht. In meinem Beruf glaubt man eben, ich litte unter der üblichen - deswegen nicht weniger schlimmen - Lehrerüberlastung. Das es nicht das - oder vielleicht nicht nur das - ist, ist nicht leicht zu übermitteln. Bei mir kommt noch hinzu, dass ich die Krankheit (letzte WHO III-OP 1999 und 2007) nicht gern akzeptiere. Ich bin gern bei meinen Schülern und nehme - wie immer schon - gern auch neue Aufgaben wahr (andere Fächer, neue Projekte, ...) - und denke nicht daran, dass ich mich dadurch hemmungslos überlaste. Einige wichtige Personen wissen das mittlerweile und bremsen mich oder helfen mir ungefragt, wenn ich mal wieder zu schnell "JA" sage. Aber ich gehe eben nicht gern damit "hausieren", dass ich eine A4-Seite voll OP und damit zusammenhängender Behandlungen im Kopf und im Auge hinter und wer weiß was noch vor mir habe. Manchmal muss ich es doch tun - und es tut verdammt weh, wenn ich anderen und damit auch MIR eingestehen muss, dass ich nicht mehr im Lehrerrat arbeiten kann, eine Klassenleitung zu belastend wäre und ich mich sogar über eine zeitweise Teildienstunfähigkeit informieren werde.
Und dann hört man von Gleichaltrigen oder Jüngeren, wie das Alter so zuschlägt - und ich fühle mich (mit 52) immer noch zu jung zum "Altwerden".
Da bleibt ja auch die Frage, was einem eigentlich lieber ist - als normaler Mensch mit irgendwelchen Zipperlein zu gelten oder als kurz vor dem Tod Stehender HT-Leidender bemitleidet zu werden. Manchmal braucht man Letzteres, aber meist ist es uns vielleicht doch lieber, nicht ständig an den HT erinnert zu werden. Und wer den Trost, Zuspruch,... - das VERSTANDENWERDEN - öfter braucht - der ist hier im Forum allerbestens aufgehoben! Dank der rührigen Moderatoren und der vielen Mitglieder!
Eure KaSy