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Autor Thema: Operation bei Karnofsky <70?  (Gelesen 14577 mal)

Wolf

  • Gast
Operation bei Karnofsky <70?
« am: 04. September 2003, 01:00:54 »
Kann mir jemand mitteilen, warum bei Patienten mit einem Karnofsky-Wert von unter 70% und einem Alter von über 65 Jahren generell von einem operativen Eingriff zur Entfernung eines Glioblastoms abgeraten wird? Als Begründung wird angegeben, daß sich der Zustand des Patienten i.d.R. nicht verbessert, manchmal sogar verschlechtert.

Der konkrete Fall: der Tumor meiner Mutter (69 Jahre, Karnofsky zwischen 55-60%) könnte bis zu 90% operativ entfernt werden, jedoch schrecken die Ärzte davor zurück, da schlechter allgemeiner Zustand.

Nun die Frage: wenn es heißt, daß der Zustand nach der Operation nicht verbessert werden kann (i.d.R.), bezieht sich dies auf die restliche Lebenserwartung (ca. 3-4 Monate), oder nur auf den klinischen Zustand? Entscheidend ist, ob sich die Lebenserwartung trotz schlechtem pre-operativem Zustand nicht doch verlängern läßt? Der Zustand meiner Mutter ist nicht so schlecht, oder belastend, wie es sich anhört, sodaß ich eine Nichtverbesserung der Klinik gerne in Kauf nehmen würde, wenn dadurch die Lebenserwartung um einige Monate verlängert werden könnte.

Kennt sich vielleicht irgendjemand mit dieser Materie aus?

mimi

  • Gast
Re:Operation bei Karnofsky <70?
« Antwort #1 am: 26. Oktober 2003, 17:17:24 »
Bei meinem Mann wurde im Alter von 48 Jahren ein Gliom IV diagnostiziert, mit einer Lebenserwartung von 3-4 Wochen.
Mein Mann wollte nicht operiert werden sondern lieber in Würde, mit einer guten Lebensqualität sterben.
Einige Wochen nach der Diagnose wurde langsam seine linker Arm, danach sein linkes Bein bewegungsunfähig und er bekam durch den Kopfdruck starke Schmerzen, welche wir mit Morphium behandelt haben. Mein Mann war dann insgesamt 5 Monate zu Hause. Es ging ihm nicht sonderlich gut ... Übelkeit, Epileptische Anfälle ca. 20-30 Stück am Tag. Er konnte nicht mehr aufstehen.
Nach 5 Monaten entschloss er sich sich doch operieren zu lassen.
Die OP dauerte über 7 Stunden. 2 Stunden nach Beendigung der OP war er wieder bei vollem Bewußtsein und hat (hört sich jetzt komisch an, ist aber wirklich war) noch auf der Intensiv-Station eine Currywurst mit Pommes verdrückt.
Er bekam langsam wieder Gefühl in der vorher gelähmten Seite und hat es in den 3 Monaten nach der OP sogar wieder geschafft mit Hilfe zu laufen.
Ich glaube wenn mein Mann nicht so lange ohne Krankengymnastik bewegungslos im Bett gelegen hätte wäre er direkt nach der OP wieder rumgehüpft.
Bitte wartet nicht so lange wie bei meinem Mann. Erkundigt euch schon jetzt ob man operieren kann. Wartet dann so lange wie möglich (bis Lähmungen eintreten) und lasst operieren. So kann man noch ein wenig Zeit herauszögern.
Ich weiß man soll bei solchen Sachen zu nichts raten, ich weiß aber heute was wir damals hätten besser machen können.
Ich wünsche euch alles alles Gute.
Bester für Glioblastom-OPs ist im übrigen Prof. Samii Senior an der INI Hannover. Er hat auch meinen Mann 3 x operiert. Mein Mann hat im übrigen 15 Monate anstatt 3-4 Wochen gelebt.


Nadja

  • Gast
Re:Operation bei Karnofsky <70?
« Antwort #2 am: 27. November 2003, 00:35:51 »
Hallo Wolf, ich möchte dir gerne meine Sicht der Dinge mitteilen und hoffe du kannst mich einigermaßen verstehen.
Mein Freund ist letzten Freitag an einem Glioblastom IV verstorben. Bereits im April letzten Jahres erhielten wir die Nachricht Astrozytom III. Im Mai letzten Jahres wurde er operiert - sehr erfolgreich - es konnte alles entfernt werden. Im Februar dieses Jahres war auf den MRT Bildern nichts mehr von dem Tumor zu sehen. 2 Monate später jedoch war er wieder nachgewachsen - leider inoperabel. Die Chemo - Temodal sowie Strahlenterapie konnten das Wachstum allerdings nur bremsen, den Tumor jedoch nicht verkleinern.
Ich muss ganz offen sein - wenn es darum geht das Leben nur um wenige Monate zu verlängern und die Lebensqualität dabei nicht mehr das wahre ist, muss man dem Betroffenen nur mehr eines wünschen - dass er/sie es schnell hinter sich bringt und ohne jegliche Schmerzen. Wir haben unsere Zeit genützt um Abschied zu nehmen und so gut und normal wie möglich weiter zu machen. Mein Freund war bis zum Schluss immer positiv und tapfer, und ich bin stolz auf ihn und dankbar, so grotesk es auch klingen mag, dass ich ihn auf seinem Weg begleiten durfte.
Ich glaube man darf nicht egoistisch sein und an sich denken, dass man diesen Menschen nicht verlieren will, man muss das für ihn beste wünschen - auch wenn wir dabei zurück bleiben und leiden...
Ich hoffe ihr versteht mich nicht falsch, aber ich wollte euch nur mal eine andere Art des Kampfes näher bringen.
Hoffen und kämpfen ist nie falsch - bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, denn dann kann ein geliebter Mensch auch in Frieden von uns gehen.
Ich wünsche euch allen viel Glück und Kraft.
Zugleich nütze ich die Gelegenheit mich von meinem Schatz CIO zu bedanken und zu verabschieden. Wir hatten eine wunderbare Zeit und die kann uns niemand nehmen.
lg Nadja

Ulrich

  • Gast
Re:Operation bei Karnofsky <70?
« Antwort #3 am: 18. Dezember 2003, 15:46:37 »
Karnofsky-Index
Der Karnofsky-Index beurteilt den Allgemeinzustand des Patienten. Anhand der Karnofsky-Punkte wird beispielsweise eine Indikation zur Rezidiv-Operation bei malignem Hirntumor gestellt. Liegt der Karnofsky-Index unter 70, so wird zumeist keine weitere Operation mehr durchgeführt.

Punkte Definition
100 gesund, ohne Beschwerden
90 normale Aktivität mit geringen Beschwerden
80 normale Aktivität mit Anstrengung
70 kann sich noch selbst versorgen
60 braucht bei der Selbstversorgung gelegentlich Hilfe
50 braucht wesentliche Unterstützung und medizinische Versorgung
40 invalid, braucht Hilfe und Betreuung
30 schwer krank, jedoch nicht in unmittelbarer Lebensgefahr
20 aktive, vitale Unterstützung nötig
10 moribund
0 tot


Offline KaSy

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Re:Operation bei Karnofsky <70?
« Antwort #4 am: 11. Juni 2015, 20:57:03 »
Aus heutiger ärztlicher Sicht - im Jahr 2015 - trifft es nicht mehr unbedingt zu, dass eine Operation bzw. die weiteren Standardtherapien (Strahlentherapie und Chemotherapie) bei einem KI < 70  nicht mehr durchgeführt werden. Verschiedene Varianten individueller Heilversuche könnten die Lebensqualität etwas länger erhalten. Das sollte immer mit dem Patienten besprochen und in seinem Sinn entschieden werden.
KaSy (nach Informationen aus den Hirntumorinformationstagen)
Wenn man schon im Müllkasten landet, sollte man schauen, ob er bunt angemalt ist.

Der Hirntumor hat einen geänderten und deswegen nicht weniger wertvollen Menschen aus uns gemacht!

 



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