Liebe Lucie,
mein Mann hat nach der Diagnose Glioblastom ausdrücklich gesagt, dass er keine Statistiken hören will. Fand ich auch gut. Nun ist er gerade vor zwei Wochen eher zufällig darüber gestolpert und war naturgemäß ziemlich schockiert. Zu wissen, dass der Tumor jederzeit wiederkommen kann, ist etwas anderes als zu wissen, dass er das statistisch auch in allernächster Zeit tun wird.
Wie wir damit umgehen ? Es ist unendlich schwer, diese Auseinandersetzung mit der Endlichkeit, das wird hier jeder bestätigen können. Hoffnung macht aber doch die Tatsache, dass es so viele Menschen gibt, die die Statistiken um viele Jahre überleben. Mein Mann war beispielsweise nach einem Astrocytom WHO II ganze 14 (!) Jahre rezidivfrei und die Glioblastom-Diagnose ist auch schon wieder drei Jahre alt. Zudem haben jüngere Menschen offenbar allgemein eine bessere Prognose. Und nicht zuletzt werden ständig neue Behandlungsmethoden erforscht, vielleicht finden sie ja in absehbarer Zeit etwas hilfreiches ...
Eine Ärztin hat mal zu mir gesagt, dass man die Statistiken nicht als "ablaufende Frist" ansehen darf, sondern sich klarmachen muss, dass sich mit jedem weiteren (positiven) Monat zeigt, dass der Tumor auf die Behandlung anspricht. Und je länger er das tut, um so besser sind die Chancen, dass es auch so bleibt. Deshalb sollten wir die Zeit, die schon vergangen ist, als echte Chance auf noch mehr Zeit ansehen.
Nun hilft Hoffnung allein nicht über den Tag und so versuchen wir, uns viel Normalität zu erhalten und dabei möglichst viel Schönes zu erleben. Wir beschäftigen uns mit möglichst vielen krankheitsfernen Zielen und Projekten (das nächste Familientreffen, ein Wochenendausflug, die Renovierung des Hauses - einschließlich neuer Küche, wie gesagt, Schönes ist wichtig
). Und ja, man lernt einfach, mit der Angst zu leben und ihr ein wenig mehr Gelassenheit entgegenzusetzen. Trotzdem hat man immer wieder ein Tief, das bewältigt werden will. Manchmal hilft es schon, wenn man die Realität einfach mal ein Weilchen verdrängt, ansonsten ist vielleicht psychotherapeutische Unterstützung hilfreich, wenn man sonst niemanden zum Reden hat. Hier muss jeder selbst den Weg finden, mit dem er zurechtkommt, auch Du wirst Deinen finden.
Du, Lucie, bist ganz am Anfang Deiner Therapie, alle Wege stehen Dir offen. Bleib weiter positiv, es gibt allen Grund dazu. Und Du hast es ja schon gesagt - zieh erst mal Deine Kinder groß, dann sehen wir weiter ...
Lieben Gruß, Caro