Hallo Birdy,
auch wenn die "Verdrängungstaktik" für viele hier unverständlich scheinen mag, so ist sie doch eine (von vielen) Taktiken, mit der Krankheit umzugehen und hat somit ihre Berechtigung. Zumal sie im Moment die Taktik ist, die Deiner Frau am meisten hilft.
Meine Mutter bekam die Diagnose Glio im Januar 2006. Sie hat die erste OP gut überstanden, die nachfolgende Bestahlung und Chemo mit Temodal ebenfalls. Als sie wieder nach Hause kam, hat sie sich erst einmal im Sportstudio um die Ecke angemeldet und einen Zweijahresvertrag abgeschlossen.
Ich dachte, ich werde verrückt - angesichts der Diagnose und allem, was ich hier und im Internet gelesen hatte, war ich mit dem Kopf schon so viel weiter als sie und ständig im Konflikt, was ich ihr sagen soll.
In meiner Not habe ich damals einen Psychologen aufgesucht, der mit Krebspatienten und deren Angehörigen viel Erfahrung hat. Sein Rat hat mir sehr geholfen: er war der Meinung, dass jeder Mensch das Tempo und die Taktik selbst bestimmt, dass es nicht meine Aufgabe sei, sie aufzuklären.
Es war außerdem der Meinung, dass jeder Tumorpatient im tiefsten Inneren über seine Krankheit Bescheid weiss, die schreckliche Wahrheit aber verdrängen will, weil er (noch) nicht damit umgehen kann bzw. das Kämpfen gegen die Krankheit so viel Kraft benötigt, dass für die psychische Aufarbeitung des Ganzen keine Reserven mehr da sind. Mich hat das sehr entlastet, ich habe auf Fragen ehrlich geantwortet, ihr aber keine Informationen aufgezwungen.
Mein Weg wäre das nicht gewesen, ich hätte mich nie nur auf andere verlassen, aber meine Mutter hat Verantwortung immer gescheut und so meinem Vater und mir alles überlassen.
Meine Mutter hat super verdrängt und hatte keinen Zweifel, dass sie wieder gesund wird. Sie hat dann 2 Jahre rezidivfrei und fröhlich weitergelebt. Es war einfach ihre Taktik, von der sie nicht abwich.
Genauso ist sie mit zwei weiteren OPs umgegangen und unzähligen Zyklen Temodal usw.
Und sie hatte absolut lebenswerte Jahre bisher.
Für Dich ist es wichtig, einen Ort (wie diesen hier) zu haben, wo Du frei sprechen kannst, sonst erdrückt Dich die Last.
Ich stimme auch Caro zu, die oben sagt, dass man manche Dinge nicht in aller Deutlichkeit aussprechen muss. Du wirst sehen, im entscheidenden Moment, wo es um Therapiemaßnahmen etc geht, wird Deine Frau eine Meinung haben, was getan werden soll und was nicht.
Diese Entscheidungen fällte meine Mutter für uns immer wieder überraschend glasklar selbst.
Alles, alles Gute !
Kaja