HirnTumor-Forum

Autor Thema: Aus dem TIEF kommen  (Gelesen 220460 mal)

Offline HeikeD

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Re:Aus dem TIEF kommen
« Antwort #165 am: 27. Dezember 2012, 08:21:21 »
Liebe Kasy,

Ich lese deine Zeilen und ich erkenne darin eine Freundin, die mir oft schreibt. Diese ist auch krank und besser wird es nicht werden.

Sich immer wieder selbst anzweifeln, das was man tut zu hinterfragen....war ich / das gut genug? Das alles kommt mir so bekanntvor.

Es tut mir weh das zu lesen, du hast so viel geschafft und durchgemacht! Da sollte kein Platz zum Selbstzweifel sein.

Hört sich vielleicht jetzt blöd an, aber machst du eine Therapie gegen die Depressionen?

Du bist ein ganz besonderer Mensch, der nicht vergleichen muss welche Geschenke besser waren, das alles ist bestimmt auch deiner Familie nicht wichtig.

Ich wünsche dir einen schönen Tag und vielleicht gelingt es dir deine Ansprüche die du selbst an dich stellst, etwas herunter zu schrauben. Vielleicht geht es dir dann etwas besser.

Lg
Heike
Von Zeit zu Zeit musst du lernen zu fliegen, wie Piloten im Nebel. Vertraue blind der Führung eines anderen. Hab Geduld, hab viel Geduld auch mit dir selbst.
Phil Bosmans

Offline krimi

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Re:Aus dem TIEF kommen
« Antwort #166 am: 27. Dezember 2012, 08:56:06 »
Liebe KaSy,

das was du beschreibst, lass ich jetzt so stehen, ohne eine Antwort darauf zu geben.
Außer: In vielem was du schreibst erkenne ich mich wieder.
Und ich weiß, dass du auch aus diesem TIEF wieder herauskommen wirst.

Du bist so bemerkenswert und ein großes Beispiel für mich.

Fühl dich umarmt.

krimi
Wer einen Platz im Herzen eines Menschen hat, ist nie allein.
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http://www.hirntumor.de/forum/index.php/topic,6956.msg50233.html#msg50233

Offline TinaF

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Re:Aus dem TIEF kommen
« Antwort #167 am: 27. Dezember 2012, 10:33:27 »
Liebe KaSy,

ich kann mich gut an früher erinnern, da konnte es mir nicht kalt und dunkel genug sein, ich war der absolute Wintermensch. Das hat sich in den vergangenen Jahren gründlich geändert, was aber aus meiner Sicht nichts mit meiner Erkrankung zu tun hat. Jetzt halte ich es bis Weihnachten / Silvester ganz gut aus, aber danach kommt dann bei mir der Brei ::). In diesem Winter fällt es mir aber insgesamt leichter, weil ich ein schönes Ziel vor Augen habe. Ich will Fasching nämlich nach gefühlten 100 Jahren mal wieder Ski fahren! Ich bin jetzt schon total aufgeregt und mache fleißig Skigymnastik, damit Kraft und Kondition gut mitspielen. Mit so einem Ziel vor Augen, fällt einem vieles leichter. Trotzdem freue ich mich jetzt schon auf die ersten Knospen und leicht wärmenden Sonnenstrahlen und das frische Grün. Durchhalten ;)!

Die Weihnachtstage sind für viele anstrengend, man hat bewusst oder unbewusst hohe Erwartungen an Friede, Freude, Eierkuchen mit möglichst der ganzen Familie und wundert sich dann, wenn man danach total ausgelutscht ist. Und dazu kommt bei uns halt noch, dass wir nun wahrlich nicht mehr so 100%-ig fit sind, egal, ob wir uns das eingestehen wollen oder nicht.

Was die Geschenke angeht, so sind die nicht wirklich wichtig. Deine Enkelkinder sind noch so klein und Deine Kinder sehen das Ganze wahrscheinlich ganz anders als Du. Die anderen machen es nicht besser, sondern nur anders. Und übrigens, wenn ich an meinen Sohn denke, als der noch so richtig klein war, da hat er am liebsten mit Wäscheklammern gespielt. "Richtiges" Spielzeug hat er meist verschmäht, aber Wäscheklammern haben ihn wirklich glücklich gemacht ;D!

Und wenn die Zwerge komische Schnütchen ziehen und zu den Eltern wollen, so ist das ganz normal und hat absolut überhaupt nichts mit Dir zu tun, das weißt Du als erfahrene Mutter doch auch ganz genau.

Zitat
Kann sich dieses Gehirn nicht vernünftig benehmen
DAS denke ich mir auch immer wieder, wenn ich z.B. nicht mehr weiß, wo der Stromschalter ist, um die Lichter am Christbaum anzumachen ???!? Dabei ist der da schon seit Jahren und ich betätige ihn pro "Saison" auch unzählige Male. Aber manchmal... vor allem, wenn es ein bisschen hektisch wird... dann frage ich mich auch, wozu dieses Füllmaterial im Kopf eigentlich noch gut ist :o!? Und dabei ist meine Krankheitskarriere so viel harmloser als Deine. Und doch denke ich mir manchmal, wenn mein Kind jetzt noch einmal "Mama, schau doch mal! Mama, komm doch mal! Mama, wo bist Du! Mama, spielst Du mit mir?" sagt, dann breche ich entweder zusammen, brülle los oder laufe davon. In der Arbeit reiße ich mich zusammen, aber daheim kann ich oft nicht mehr. Verkehrte Welt, als wenn es etwas wichtigeres als mein Kind, meine kleine Familie geben würde!

Lass Dich nicht unterkriegen, auch die dunkelste Zeit geht irgendwann vorüber. Und wer weiß, vielleicht wartet hinter dem Brei ja doch das Schlaraffenland, kommt ja auch immer darauf an, wie man Schlaraffenland für sich selbst definiert. Du hast so vieles geschafft, Du bist eine starke Frau, auch wenn Du Dich momentan gar nicht so fühlst. Aber Du musst stark sein, sonst wärst Du nicht so weit gekommen.

Danke für Deine Mail, die wunderschönen Zeilen und das tolle Bild, ich habe mich sehr darüber gefreut.

Alles Liebe und Gute für Dich!

LG TinaF
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Offline Bea

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Re:Aus dem TIEF kommen
« Antwort #168 am: 28. Dezember 2012, 11:32:07 »
Liebe KaSy,

Du reflektierst Dich selbst so gut und ich kann es einfach nur nachvollziehen; da sind die vielen Dinge über die man sich freuen, gar dankbar sein sollte und dann bemerkt man selbst (augenscheinlich als einzige) wie das alles gar nicht wirklich geht.

Es ist unser eigener Blick. Den zu ändern ist so unglaublich schwer.
Mir ist das an guten Tagen möglich, wenn ich versuche mich von außen zu betrachten. Dann sehe ich mich schon so, wie mich meine Umwelt auch wahrnehmen muss. Aber es ist genau das, was ich vorgebe.

Das Loch, diesen Sumpf, ist mir sehr gut bekannt. Auch die Dinge um mich herum, die ich gerne ändern würde - und auch irgendwie mangels Kraft und Antrieb - wieder nicht.

Das was andere Menschen tun ist gut. Aber es ist nicht besser als das was wir tun. es ist anders und es ist das was sie machen und geben wollen. Ich bin mir sehr sicher, dass es in Deinem Fall so unendlich viel war, das Du gibst. Denn es ist mit einem großen Kraftaufwand und somit auch mit sehr viel Hingabe und Herzblut entstanden. Wer bitte bekommt derartige Geschenke und Zuwendungen?

KaSy, Du bist eine Bereicherung und das sehe ich nur hier. So sehr wünsche ich Dir und uns, dass Du Dich auch so sehen kannst.

Ich wünsche Dir von ganzem Herzen neuen Mut und auch sehr viel Energie.
Ganz herzliche Grüße sendet Dir,
Bea

Offline KaSy

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Re:Aus dem TIEF kommen
« Antwort #169 am: 31. Dezember 2012, 18:01:20 »
Liebe HeikeD., TinaF., Krimi und Bea,

ich habe ein paar Tage das Forum gemieden, mich ausgeruht, mich anderen Dingen gewidmet, die nach und nach aus einem wassergeschädigtem Kellerzimmer nach fast zwei Jahren endlich wieder etwas begehbares machen sollen. Das kann entspannend sein, wenn ich dort die alten Tapeten runterpuzzle und dabei Hörbücher höre.

Erst gestern habe ich dann Eure lieben, aufmunternden und optimistischen Worte an mich gelesen und bin wie immer sehr froh, dass ich hier schreiben kann. Denn bereits das Schreiben über die Katastrophe mindert sie ein wenig ab, lässt einen auch wieder Wege sehen und beschreiten.

Eigentlich wäre es ja auch komisch, wenn ich nach einer derartigen "Karriere" gesund, glücklich, heiter und froh für immer sein könnte.

Mein 30-jähriges Mittelkind, der Papa von der schwerkrank geborenen Klara, hat mir gesagt, ich solle heute Nacht die bösen Geister mit einer oder 2 oder 3 Raketen vertreiben. Das ist überhaupt nicht mein Ding. Aber er erzählte, dass er vor einem Jahr für Klara, seine Frau und sich je eine Rakete in den Berliner Himmel gejagt hat und die Klara ist nun bis auf die üblichen Krankheiten gesund, darf alles essen, klettert die Stufen hoch und sicherheitshalber rückwärts wieder runter, plappert, ... und ist gestern das erste Mal zu ihrem Papa gelaufen, ohne sich mit dem letzten Schritt in seine Arme plumpsen zu lassen. Sicher hatte sie die Nase voll davon, immer um einen Finger betteln zu müssen, um zu laufen, was sie seit dem ersten Schritt an ihrem 1. Geburtstag am 8. Oktober immer wieder getan hat.

Jedenfalls sind die bösen Geister weggewesen und nun werde ich es auch versuchen. Es gab bloß einen Zehnerpack ... naja, zum Glück feiere ich bei meinen Eltern, wo auch mein Bruder mit Frau sein wird, der hilft mir ...

Und Euch und allen Foris wünsche ich auch ein Böse-Geister-freies Jahr 2013!!

Eure KaSy
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Offline KaSy

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Re:Aus dem TIEF kommen
« Antwort #170 am: 14. Januar 2013, 00:12:22 »
Ihr Lieben,

ich habe es in der Silvesternacht tatsächlich geschafft, meine Silvesterraketenzündenundstartenpanik zu überwinden und alle zehn Raketen in den Himmel zu schicken, wo sie bestimmt diese oder jene bösen Geister geärgert und vertrieben haben.
Von mir, von meiner Familie, den Kindern und Enkeln weg.

Und dann begann das Neue Jahr im Forum mit so traurigen Nachrichten.  :-\

Hab ich die bösen Geister in die falsche Richtung vertrieben?
Oder waren es gute Geister, die mehreren schwer Kranken aus dem Forum eine still erhoffte Erlösung brachten? Die die bösen Geister des Leidens, der Schmerzen, der enttäuschten Hoffnungen wegschickten.

Es hat viele aus dem Forum gelähmt.  :-X

Ich wollte viel lieber sofort in der Glücksecke von meinem angenehmen Silvesterabend, den nach Mitternacht vom Himmel herabsinkenden grünen, roten, weißen Sternen berichten, vom fröhlichen Jahresbeginn nach dem von dem Mayakalender angedrohten, aber nicht stattgefundenen „Weltuntergang“.
Ich konnte es nicht.  :-X
Irgendwie fand ich es unpassend.:-[
Auch weil ich keine Worte des Mitfühlens fand, die zu schreiben es wert gewesen wären.

War es die Trauer im Forum, war es die sich hinter Wolken verbergende Sonne, das fehlende Licht? Ich ging zum Sport – ging … , ich raffte mich dazu auf. Ein neues „Kleingerät“ war uns geheimnisvoll angekündigt worden, mit dem wir „spielerisch“ mal etwas anders trainieren könnten. Es war ein Ball.
Und er hat mich kein bisschen aufgemuntert. Ich habe ihn beinahe gehasst.
Einen Ball?!!
Na ja, ich habe die Bewegungsabläufe mit diesem Ball nicht kapiert, jeder Hinweis der gut meinenden Trainerinnen war mir zu viel, war böseste Kritik in meinen Ohren. Ich wollte es verweigern – und machte doch weiter – 1. Runde, 2. Runde, dazwischen doch ein fröhliches Wort zu den anderen, 3. Runde – wieso dauert das so lange, blöder Ball.
Geschafft.
Die Runden und mich.
Auf dem Heimweg nach dem 5. Training dieses Jahres gestern habe ich den Hass und die Wut aus mir rausgeheult. (Zum Glück war es kalt und im hochgezogenen dicken Mantelkragen sah es keiner.) Tränen können so heilsam sein.

Auf einmal sah ich wieder die Welt, ging am Nachmittag anderthalb Stunden durch den dünnen Schnee, nahm mir den liegen gelassenen Papierkram vor, war heute wieder am Werkeln im Kellerzimmer und konnte mich am Telefon über meine drei (+ 5) Kinder freuen und ihnen stolz vom Weiterkommen an den Kellerwänden erzählen. Mit den verschiedensten Antworten:
Der Mittelste: „Schön, ich komm´dann streichen!“  :D (So weit ist es nun noch nicht.)
Die Jüngste. “Toll, Mama, wieder eine Etappe geschafft.“ :)
Und der Große: „Na iiiih, schäm Dich, das ist ja schrecklich.“  ;D  ;)
Und so ist die Welt in Ordnung. :)
Für heute, am 13.01.13.

Gestern ist vorbei und morgen ist ein anderer Tag.


Sehr bewegt haben mich die Worte, die unser Josch seiner Mutter in den PC diktiert hat. Ich war – bin so erschüttert.  :'( Er hat nie viel geschrieben, aber immer mal tauchten von ihm aufmunternde Bildchen und Sprüche per PN bei mir auf. Auch dieser:

„Stark sein bedeutet nicht, nie zu fallen. Stark sein bedeutet, immer wieder aufzustehen.“

Josch kann nicht mehr aufstehen. Aber innerlich steht er weiter auf, immer wieder.

(Bis ihn die guten Geister von den bösen Geistern erlösen? NEIN! Ich darf das doch nicht so schreiben! Das macht man doch nicht. :-[ Er soll bei uns bleiben …  :'( ...  Bitte! Aber wenn er nicht mehr kann …?)
Wenn einer nicht mehr kann ...

Mir kommt ein Teil eines Songtextes von Gerhard Gundermann** in den Sinn:

„Alle, die kommen wollen, sollen kommen können.
Alle, die bleiben wollen, sollen bleiben können.
Alle, die gehen wollen, sollen gehen können.“


Aber:  Wenn einer bleiben will, aber gehen muss?? :-X

Heute ist heute. Und morgen ist ein anderer Tag!

KaSy


** Ich war bereits dreimal (2009, 2010, 2012) kurz vor dem Jahresende im „FRITZ-Club“ im alten Postbahnhof am Berliner Ostbahnhof, bei dem die „Randgruppencombo*“ Lieder von „Gundi Gundermann“ singt und immer wieder Begeisterungsstürme und lautes Mitsingen auslöst. Den Zuhörern und Mitsängern fällt zum Teil das lange Stehen schwer, denn stets sah ich eine Altersstruktur von etwa 7 -70 Jahren. Eine wahnsinnig gute Stimmung – und eine gute Tradition zum Jahresende.

* gegründet vor gut zehn Jahren im Tübinger Landestheater von Heiner Kondschak, der auf den Baggerführer und Liedsänger aus der Lausitz Gerhard Gundermann aufmerksam wurde und seine Mitarbeiter mit Liedkassetten von Gundermann „infizierte“. ... Und nun "Ost" begeistert und "West" mit wachsendem Erfolg bis zur Begeisterung infiziert.
« Letzte Änderung: 14. Januar 2013, 01:06:32 von KaSy »
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Offline KaSy

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Re:Aus dem TIEF kommen
« Antwort #171 am: 29. Januar 2013, 23:50:56 »
Hallo, Freunde,

Ratzebär hat in "Neurochirurgie" einen Link zu einer (zumindest mich) sehr bewegenden Lebensgeschichte eines Kindes (geb. im Jahr 2000) veröffentlicht, dem als Kleinstkind eine Hirnhälfte herausoperiert wurde und das in eine normale Grundschule eingeschult werden konnte.

Das hat mich sehr beschäftigt.

Besonders diese Sätze, die er kurz vor seinem 3. Geburtstag sagt:

Zitat aus „Schwarzes Loch im Kopf“:
"Los jetzt", sagt er zu der Krankengymnastin, die gerade eingetroffen ist, "dalli!" Er hat sich daran gewöhnt, dass Erwachsene tun, was er will. Sein Schicksal verunsichert sie. Nur wenige muten ihm Verbote zu.



Ich selbst wusste es auch, als mir die Diagnose „Hirntumor“ gesagt wurde.
Nun würde man mich mit Mitleid betrachten, mich mit Vorsicht behandeln, mir keine Verbote zumuten.

Aber ich wollte nicht wie ein rohes Ei behandelt werden.

Deshalb vermied ich das Bekanntwerden dieser Diagnose so lange wie möglich.

Natürlich wurde sie irgendwann doch bekannt. Aber da mein Schicksal die Menschen verunsicherte, erfuhren es die Schüler nicht.

Ich wollte normal sein. Ich wollte – wie gewöhnliche Menschen – auch mal in die Pfanne geschlagen werden.

Und ich wurde in die Pfanne geschlagen - und war stolz, denn ich hielt es aus, hielt dagegen – mit Erfolg.
Ich konnte es also und wollte weiter ein gewöhnlicher Mensch sein.

Aber irgendetwas trieb mich dazu, ein wenig genauer, ein wenig netter, ein wenig fleißiger, ein wenig entgegenkommender, ein wenig hilfsbereiter zu sein.

Für andere.

Hat mein Schicksal auch mich verunsichert?

Hätte ich mein Leben ein wenig oder sehr ändern sollen? Aber ich wollte doch normal sein. Und ein wenig besser.
Will das nicht jeder? Normal und ein wenig besser?
Ich konnte es doch.

Bis zu einem Punkt, den ich unbemerkt überschritt. Den Punkt, ab dem ich nicht mehr besser sein konnte, aber es trotzdem, trotzig wollte.

Irgendwann lernte ich die Engel kennen, die mich schützten, die mir halfen, die mich zu mir bringen wollten, die mir durch Gefahren halfen, sie von mir fernhielten – die mich wie auf Flügeln durch schwierige Zeiten trugen. Immer wieder.

Sie waren überall.

Aber es fiel mir schwer, sie zu rufen.

Sie haben mich trotzdem nicht fallen lassen.
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Offline KaSy

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Re:Aus dem TIEF kommen
« Antwort #172 am: 30. Januar 2013, 00:04:17 »
... und ich erinnerte mich auch an meine Gedanken vor meiner letzten HT-OP im Juli 2011 und ein Jahr danach, im Juli 2012, als ich jeweils in der Sächsischen Schweiz Ruhe fand:


In der Johanniskirche in Bad Schandau kleben seit mehreren Jahren gelbe Zettel an den Rücklehnen der Stühle, auf denen Sprüche geschrieben stehen.

Ich bin nicht religiös aufgewachsen und halte von der Kirche als Institution überhaupt nichts, im Gegenteil.

Aber seitdem ich mich immer wieder in Krankenhäusern aufhalten muss, zieht es mich zu Orten, die das Nachdenken ermöglichen, auf Wiesen, in Parks, an einen nahen See oder eine Brücke über ein kleines Flüsschen, auch an die „Orte der Stille“, die in Krankenhäusern entstanden. Ich suche auch dort nach Worten, die mir vielleicht irgend etwas sagen, mir einen Weg zeigen. Meist werde ich enttäuscht. Manchmal nicht.

Die Johanniskirche in Bad Schandau, im Elbsandsteingebirge nahe der Elbe erbaut, hat bereits viele Überflutungen durch Elbehochwässer erfahren müssen und widerstand immer wieder. Vor zehn Jahren, im August 2002, war der Wasserstand in der Kirche so hoch, dass er kaum noch markiert werden konnte. Sie ist ein Symbol für den Lebenswillen der Menschen. Vielleicht ist diese Kirche deshalb den Menschen offener zugewandt, unabhängig von deren Glauben.

Vor einem Jahr war ich in meinem Urlaub vor der Operation zweier weiterer Hirntumore in diese Kirche gegangen, um einige Minuten Ruhe zu finden. Zufällig fiel mein Blick auf den gelben Zettel am Stuhl vor mir und er drückte genau das aus, was ich in dieser Situation brauchte:

Herr,
ich will nicht beten,
dass du meine Verantwortung von mir nimmst,
vielmehr will ich beten,
dass du mir die Kraft gibst,
meine Pflicht
zum Wohle anderer zu tun.

            Johnson Gnanabaranom

 
Die Erde hat sich einmal um ihr Zentralgestirn, die Sonne, bewegt und meine Welt ist eine andere geworden. Ist dieser Spruch noch richtig? Wird er in einigen Monaten wieder das ausdrücken, was ich möchte und auch kann?

Oder ist es dieser Spruch, den ich diesmal vor mir sah? Wie lange wird er gelten? Für eine gewisse Zeit? Oder für immer?

Ich glaube, dass Gott besser geehrt wird,
wenn wir das Leben, das er uns gegeben hat,
in allen seinen Werten erkennen und ausschöpfen und lieben
und darum auch den Schmerz über beeinträchtigte oder verlorene Lebenswerte
stark und aufrichtig empfinden,
als wenn man gegen das Leben stumpf ist
und daher auch gegen den Schmerz stumpf sein kann.

      Dietrich Bonhoeffer, „Widerstand und Ergebung“, Brief vom 23.1 1944

KaSy
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Offline krimi

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Re:Aus dem TIEF kommen
« Antwort #173 am: 01. Februar 2013, 23:38:49 »
Liebe KaSy,

deinen Beitrag habe ich mir förmlich „auf der Zunge zergehen“ lassen, sprich mit den Augen aufgesogen.

Deine unruhigen Wanderungen bzw. die Suche nach ruhigen Orten, an denen du zu dir kommen kannst. Du hast die Natur und Gebäude der Besinnlichkeit für dich gefunden.
 
Orte für die Bewältigung deines TIEFS, deiner Depression.

Ich habe ein Zitat von C.G.Jung gefunden: "Die Depression ist gleich einer Dame in Schwarz. Sie tritt auf, so weise sie nicht weg, sondern bitte sie als Gast zu Tisch und höre, was sie zu sagen hat." (zitiert nach: Daniel Hell: Welchen Sinn macht Depression. Hamburg 1992.)

In dieser Umgebung hast du zugehört, was die Depression zu sagen hat. Du hast Texte in der Kirche gefunden und daraus Kraft gesammelt.

Du hast dir dort Fragen gestellt, wie: Wie ist es jetzt? Was brauche ich heute? Wie geht es weiter?

Solche Fragen stelle ich mir auch öfters.

Und es gibt eine Antwort darauf.

Da losgehen, wo man steht, nicht, wo man sich wünscht zu stehen.

In einem anderen Forum habe ich gelesen:

„Für die depressiven Einschüsse in meine Gedanken hab ich ein Wort gefunden,  Gelumpe - das trifft es für mich.
Sonnenstrahlen kann man nicht konservieren, aber sich die Möglichkeit geben, sie auch zu erhaschen. Das erfordert sich aufmachen, den Lichtblick suchen.“

Lichtblicke zu dieser Jahreszeit sind  vielleicht die ersten vorwitzigen Knospen einiger Sträucher oder sogar schon Knospen von Krokussen. (Die erste Krokusknospe, ein zartes Lila habe ich heute durch Zufall im Garten gefunden.) Ich habe dieses Bild in meinen Kopf eingescannt und versuche daraus Kraft zu schöpfen. Der erste Bote einer helleren, freundlicheren Jahreszeit.

Es gibt einen Spruch von Francis Picabia: Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann.

- Da ist es am besten, das Denken in keine Schublade zu stecken. Dort sitzt es dann leider fest.

Und doch tun wir es. Und dann kommen wir da so schlecht wieder raus.

Ich weiß nicht wie lange es dauert, aber wir - du/ich - schaffen es aus dieser, unserer Schublade wieder herauszukommen.

krimi

« Letzte Änderung: 08. Februar 2013, 17:38:38 von krimi »
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Offline KaSy

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Re:Aus dem TIEF kommen
« Antwort #174 am: 10. April 2013, 18:53:07 »
 :) MRT super :D
Eure ;D KaSy
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Offline Pem34

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Re:Aus dem TIEF kommen
« Antwort #175 am: 10. April 2013, 18:59:21 »
Wow! Glückwünsche gaaaanz viele von mir!
Pem ;D ;D ;D

Offline TinaF

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Re:Aus dem TIEF kommen
« Antwort #176 am: 10. April 2013, 19:10:32 »
Liebe KaSy,

ach, wie schön, ich freue mich so sehr für Dich! Das sind tolle Nachrichten, mach unbedingt weiter so!!!

GlG TinaF
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Offline gaby56

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Re:Aus dem TIEF kommen
« Antwort #177 am: 10. April 2013, 19:40:44 »
Hallo liebe KaSy,

wir freuen uns sehr mit dir über dieses super Ergebnis.

Jetzt schau "diesem Leben, das du so nicht wolltest" ins Gesicht und trotz ihm alles ab, was es noch an wunderschönen Dingen für dich bereithält.

Ganz liebe Grüsse von Gaby und Manfred
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Offline krimi

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Re:Aus dem TIEF kommen
« Antwort #178 am: 10. April 2013, 21:38:39 »
Liebe KaSy,

dieses gute Ergebnis fordert zum auf.

Ich freue mich so mit dir.

Ganz liebe Grüße

Deine krimi  :-*
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Offline KaSy

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Re:Aus dem TIEF kommen
« Antwort #179 am: 10. April 2013, 23:15:18 »
Danke, danke,

Für die eine Nacht im KH wurde bei mir auch ein Grund erzeugt:
Das Kontrastmittel fand seinen Weg nicht dahin, wo es hin sollte, sondern wollte gern einen Tumor in meiner Hand nachweisen, ohne zu wissen, dass die Hand gar nicht ins MRT durfte. Dafür bekam ich noch eine Portion für den Kopf und durfte die erste in der Hand mit nach Hause nehmen.

(Im Ernst: Ich habe zwar beim Reinspritzen durch den vorher auf der Station gelegten Zugang gleich gesagt, dass es in der Hand wehtut, es auch gezeigt - so weit das mit "gefesseltem" Kopf in der Röhre möglich ist, aber ... na ja ... es war auf der Skale von 1 bis 10 mindestends Schmerzstufe 10, ich habe mich nicht zusammenreißen können, geheult, gezittert, geschwitzt wie kurz vorm Kreislaufkollaps, das hat noch viele Stunden so wehgetan und man sah mir die Schmerzen auch an, an Lächeln war nicht zu denken. Ich verbrauchte mehrere Kühldinger ... jetzt sehen sich beide Hände langsam wieder ähnlicher ... immer wieder was Neues und da denke ich ... aber ich soll wohl weiter Erfahrungen sammeln ...)

Aber ansonsten waren alle alle sehr lieb und nett, auch die Bettnachbarin (ca. 30 J.), von der ich jede Menge über das Borderline-Symptom lernen konnte. Wir haben uns prima verstanden. (Sie war allerdings von der benachbarten HNO-Station, hat mindestens 5 mal "Hier" geschrieen. Hals, Nase, Ohren, Knie, Psyche.)
Der absolute Superknaller war der NC-Oberarzt, in dessen Sprechstunde ich mich reinschieben ließ. Es ist so toll zu erleben, wie wahnsinnig gern der seine Arbeit mit den Menschen macht und wieviel Freude der ausströmt ... enorm!

Ja, die ganze Sache hat mich trotzdem psychisch sehr belastet, obwohl alles gut war. Ich habe nach der letzten Aktion bei einer Terminänderung in der Strahlentherapie bereits vot der Tür wohl einen so miserabel-konfusen Eindruck gemacht, dass die liebe Schwester mir besorgt Hilfe anbot.
Hat noch ein paar Stunden gedauert, ehe ich mich für zu Hause und die  :) :D ;D - Info gewappnet fühlte.

Aber dann gleich zum Sport und aus dem Glücksgefühl nicht mehr rasugekommen.  ;)
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