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Autor Thema: sein letztes Lebensjahr  (Gelesen 8266 mal)

Miriam

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sein letztes Lebensjahr
« am: 13. November 2010, 13:46:00 »
Hallo alle zusammen,

ich habe Simon vor 1,5 Jahren kennengelernt.

Ich bin schon lange in einer Selbsthilfegruppe, da ich ein Oligoastrozytom habe.
Simon entdeckte unsere Selbsthilfe-Broschüre in einem Geschäft, rief uns an, besuchte uns und wurde Mitglied.

Er hatte ein Astrozytom und war beruflich sehr beschäftigt.
Wir beide trafen uns ab und zu, und ich lernte ihn immer besser kennen. Ein super positiver, lachender Mensch, der schon alles auf der Welt gesehen hat.

Dann begann er zu erzählen, daß er immer mehr Schwierigkeiten hat zu arbeiten. Er kann sich schlechter konzentrieren, verstehen...und bekam Kopfschmerzen.
Ich fragte Simon wann er sein letztes MRT hatte. Im Endeffekt: Plötzlich stand er bei mir vor der Haustür, mit seinen MRT Bildern und fragte: Hast du mal ein Kaffee?

Simon hat ein Glioblastom und wurde November letzten Jahres operiert (Bonn), bekam die Bestrahlung und nimmt seitdem die Chemo ohne Pause.

Er (44 Jahre alt) zog zu seinen lieben Eltern, da er immer mehr Hilfe brauchte.

Ich telefoniere täglich mit ihm.
Er hat ein riesiges Glück mich und die Leiterin der Selbsthilfegruppe kenngelernt zu haben. Denn ALLE Freunde (außer seinem besten) verlor er immer mehr mit dieser schweren Krankheit. Niemand wußte mehr wie man mit so einem Menschen umgeht.

Er wußte, daß sein Leben noch ca. 1 Jahr ist. Wir unterhielten uns viel darüber, und dachten positiv!
Wie im typischem Verlauf wurde er schlechter und schlechter. Simon wurde immer verzweifelter.

Ich kann ein Buch über ihn schreiben...

Aber was mich sehr verzweifelt, kaum hatte er Grad IV wird er nur noch "oberflächlich" behandelt.
Medizinische Therapie, aber kein Arzt interessiert die Symptomatik in so einem Verlauf. Mit schwerem Kampf war er mal in einer Reha-Klinik, aber später keine amb. Therapie (die priv. Krankenkasse zahlte schon nicht mehr) bla, bla, bla...

Plötzlich konnte er im Oktober nicht mehr richtig gehen und leidet nun unter großen Kopfschmerzen.
Bonn machte ein MRT, und bis heute weiß man nichts. Die Klinik, wo er jetzt liegt (im Ort seiner Eltern) wendete sich vor einer Woche an eine andere Uni-Klinik und fragt nach.
Am Montag kommt es evtl. zum Gespräch (wir haben November!!!). OP oder keine oder ...?

Das ist ein ungerechtes, verzweifeltes Lebensende.
Warum lernen die Ärzte/Niemand nicht, sich mit der Familie hinzusetzen und über die Wahrheit zu sprechen. Warum?

Das ist ein Schock.

LG, Miriam
      
 
« Letzte Änderung: 13. November 2010, 14:32:58 von Bluebird »

Offline Bea

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Re:sein letztes Lebensjahr
« Antwort #1 am: 13. November 2010, 17:21:54 »
Hallo Miriam,

es ist schön, dass dein Freund simon Menschen wie dich, seine Eltern etc hat.

Als ich die ersten Sätze deines Posts gelesen habe, habe ich durch dieÜberschrift und die Vergangenheitsform die du wählst die schlimmsten Befürchtungen gehabt.

Aber so besteht durch das inholen weiterer Fachmeinungen und einer evtl. Therapie vielleicht doch noch Hoffnung.

Die Betreuung und information bleibt offensichtlich in vielen Kliniken auf der Strecke. Man muss einfach immer wieder (mehrere) Fachärzte fragen, sich umhören und Infos sammeln. diese sollte man mit den behandelnden fachärzten auch sachlich besprechen.

Ich wünsche deinem Freund von ganzem Herzen dass er einen möglichst guten Weg finden kann.

LG,
Bea

Miriam

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Re:sein letztes Lebensjahr
« Antwort #2 am: 13. November 2010, 20:42:28 »
Die Betreuung und information bleibt offensichtlich in vielen Kliniken auf der Strecke.


Hi Bea,

ja, dieser Satz stimmt wirklich! Man muß verstehen, daß schwerkranke Patienten mit Familie/Angehörigen nicht gleich wissen wie man sich verhält, welchen Weg man geht, damit umgeht und die Infos holt.
Das macht sehr traurig.

LG, Miriam

Miriam

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Re:sein letztes Lebensjahr
« Antwort #3 am: 29. November 2010, 22:16:17 »
Es war traurig. Ja, wir fragten 4 Neurochirurgen wie es jetzt aussieht...Op?, andere Chemo? Leider haben die Kliniken 1 Woche gebraucht um eine Antwort zu geben. Zwei Tage bevor Simon eingeschlafen ist, konnte ich ihm dann sagen, daß wir nicht mehr helfen können.
Ich hoffe, daß man sich in Zukunft mit den Ärzten frühzeitig und offen über den kranken Verlauf unterhalten kann.
Ganz liebe Grüße
Miriam
 

Offline josch

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Re:sein letztes Lebensjahr
« Antwort #4 am: 29. November 2010, 22:35:59 »
Hallo Miriam,

es tut mir so leid, das du einen guten Freund verloren hast.

Meine Aufrichtige Anteilnahme.

josch
Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können.
Jean Paul

Miriam

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Re:sein letztes Lebensjahr
« Antwort #5 am: 29. November 2010, 22:55:44 »
Vielen Dank Josch.
Simon fühlte sich sehr verzweifelt. Sein Inneres suchte nach Ärzten, die vor ihm stehen und das Ergebnis sagen. Erst dann hätte er sich beruhigt.
Wenn Simon schon gelähmt daliegt, nicht mehr sprechen kann und wenig versteht, ist es schwer. Das ist ein Punkt, wo Ärzte davon flüchten. Ich malte dann Bilder von der letzten Besprechung. Das verstand er und wurde ruhiger. Schade, daß kein Arzt neben ihm auf dem Stuhl saß.
Ich möchte mich nicht über jeden Arzt aufregen! Ich verstehe, daß dies schwer ist, aber sie müssen auch lernen wie man mit Patienten, Familie und Angehörigen umgeht.
Ich habe früher auch in der Klinik gearbeitet. Es gibt Ärzte die kämpfen dafür und nehmen den Schritt, andere (die meisten) gehen ins Arztzimmer und schließen die Tür.

GlG, Miriam

Offline josch

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Re:sein letztes Lebensjahr
« Antwort #6 am: 29. November 2010, 23:17:33 »
 Für Miriam!!!

      zur Erinnerung an Simon

An einen seidenen Faden hing sein Leben,
leider hielt dieser Faden nicht das Gewicht.
Ihr konntet nur noch zuschauen, wie der
Faden berstete, so oft ihr ihn auch flicktet
und knotete, es half leider nichts, er riss.
Es riss aber nicht nur der Faden,
sondern auch ein Teil aus eueren Herzen.

(js)
« Letzte Änderung: 30. November 2010, 10:04:26 von josch »
Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können.
Jean Paul

Offline menno-meningo

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Re:sein letztes Lebensjahr
« Antwort #7 am: 30. November 2010, 14:08:40 »
Liebe Miriam,

eine traurige Nachricht, das Endgültige schmerzt.

Aber ich glaube, daß du etwas sehr Wichtiges und Tröstendes für deinen Freund getan hast. Du hast seine Verzweiflung mitgetragen, hast ihm die Bilder gemalt und ihm die Verbindung nach "draußen" gehalten. Er hat sich verstanden gefühlt, ist ruhiger geworden. Das kann sehr viel sein für die letzten Stunden.

Ja, bei der Begleitung in den letzten Stunden liegt in den Krankenhäusern oder ähnlichen Institutionen manches im Argen. Aus Personalmangel, aus Unvermögen,aus Angst vor dem Sterben. Es bessert sich langsam, das läßt hoffen.

Um die Angehörigen, die Pflegenden des Schwerstkranken kümmert sich oft keiner. Dabei gehen die meisten oft über die Grenzen ihrer eigenen Belastbarkeit hinaus.

Aber reg dich nicht über die Ärzte auf, nimmt diese Kraft für deine eigene Zukunft und auch für die Trauer um deinen Freund.

LG
menno-meningo


   
"Leben ist das, was einem zustösst, während man gerade eifrig andere Pläne schmiedet."

John Lennon

Miriam

  • Gast
Re:sein letztes Lebensjahr
« Antwort #8 am: 30. November 2010, 22:34:59 »
Lieber Josch, vielen Dank!!! Mir kamen die Tränen, aber es war und ist so.


Liebe(r) Menno-Meningo, als ich deinen Brief las, dachte ich: genau so ist es. Danke!
Ich stehe nicht da, rege mich nicht so auf, daß ich ausraste, - es macht mich tief traurig. Ich weiß aber, daß ich immer mehr lerne: selber in Klinik (auf Intensivstation) gearbeitet, selber krank, kenne eine Selbsthilfegruppe, ich bin seit 3 Jahren hier im Forum und kann mich mit euch unterhalten... Das macht eine "Erfahrung".
Du hast aber recht, ich muß mich auch um meine eigene Zukunft kümmern. Oft ist meine Energie im Keller.

GlG, Miriam

 



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