Liebe Martina,
als ich Dein Thema las, dachte ich sofort, Dir geht es so wie mir und das ist tatsächlich nicht schön.
Ich selbst bin dreimal an Meningeomen operiert worden. 1995 war die Angst davor gewaltig und die Erleichterung danach genauso groß, so dass ich nach AHB und der verordneten Berufspause von einem halben Jahr (!) mit schrittweiser Wiedereingliederung gut und subjektiv besser als zuvor in mein normales Leben einsteigen konnte.
1999 wurde ein WHO III- Meningeom-Rezidiv festgestellt. Der Heilungsverlauf nach der OP gestaltete sich schwierig. Dadurch musste ich sechs Wochen lang auf die sechswöchige Bestrahlung und auf die sich anschließende AHB warten. Diese insgesamt 4 Monate hatten mich doch sehr belastet und ich nahm einige Wochen später dann (ungern) Antidepressiva. Allerdings hatte ich mit Nebenwirkungen und nicht als gut empfundener Einstellung auf die richtige Dosis zu kämpfen. Ich hatte allerdings bald danach mit einer beruflichen Versetzung gegen meinen Willen zu tun und mit einer sich (dadurch ?) verschlimmernden Augenkrankheit. Nach drei Jahren "ersetzte" ich die "Psychodrogen" durch Sport in einem Fitnesstudio und das war sehr gut. Meine drei Kinder sagten mir auch immer wieder, wie ausgleichend und aufmunternd der Sport wirken würde. Gearbeitet habe ich etwa nach einem dreiviertel Jahr mit schrittweiser Wiedereingliederung und war in meinem Beruf weiterhin erfolgreich und zufrieden, ja glücklich.
2007 fand sich - an einer anderen Stelle im Kopf - ein weiteres WHO III-Meningeom. Ich war bereits wieder unter normaler beruflicher Belastung. Allerdings wurde ich drei Tage nach der OP wegen meines äußeren Wohlbefindens aus dem Krankenhaus entlassen und der neue Arzt war der Meinung, ich könne nach 14 Tagen wieder arbeiten gehen. Von einer AHB war keine Rede. Ich wartete die Entscheidung der Tumorkonferenz über eine Nachbestrahlung ab und ging nach knapp zwei Monaten in die schrittweise Wiedereingliederung.
Und da traten die Depressionen auf. Ich kann es heute nicht begreifen, wieso ich nicht wieder aufgehört habe zu arbeiten, sondern mich auf Antidepressiva eingelassen habe. Ein halbes Jahr Ruhe wäre ganz sicher wieder angebracht gewesen. Und so kämpfe ich seitdem mit verschiedenen Antidepressiva in verschiedenen Dosierungen gegen diese psychischen Probleme, begleitend nutze ich eine mir subjektiv sehr gut tuende Psychotherapie.
Es ist ein verdammtes Auf und Ab zwischen Hochs und Tiefs, zwischen "Ich kann nicht mehr." und "Ich will es schaffen.", zwischen "nicht mehr lachen können", Selbstzweifeln, Optimismus, "anderen ungewollt wehtun und es sogleich zutiefst bereuen", sich verkriechen wollen und doch bewusst Kontakte suchen. Der Sport, den ich weiterhin betreibe, bringt leider nicht mehr diese positiven Effekte, jedenfalls nur relativ kurzzeitig. Eine Reha habe ich mir mit meiner Krankenkasse organisiert, die zwei Jahre nach der OP stattfand und mir sehr half. Mittlerweile bin ich dabei einzusehen, dass ich beruflich kürzer treten muss, mir mehr Ruhe gönnen muss, um meinen eigenen beruflichen Anforderungen zu genügen und auch noch Zeit und Kraft für das eigene Leben, für das Genießen zu haben. Im Beruf finde ich nach wie vor sehr viel Freude. Ich habe festgestellt, dass ich durch meine psychischen Probleme viel besser mit psychisch beeinträchtigten Menschen umgehen kann, was mir ein Gefühl des ganz dringend Gebrauchtwerdens gibt. Und da ist sie nun, die Zwickmühle. Ich will so gern Gutes tun und laufe dabei immer wieder Gefahr, an meine psychischen Belastbarkeits-Grenzen zu stoßen.
Das klingt nicht gerade aufmunternd für Dich.
Aber ich habe vor anderthalb Jahren dieses Forum entdeckt und hier einen Platz gefunden, wo ich mir etwas von der Seele schreiben kann, garantiert auf Verständnis treffe und auch noch liebe Antworten erhalte. Andererseits gebe ich gern anderen Betroffenen oder Angehörigen Tipps und Hilfe und auch das tut mir gut, wenn ich mit meinen Erfahrungen von drei OPs und sozusagen als Langzeitüberlebende Gutes tun kann. Ich denke, dass es sich auch für Deine Tätigkeit mit Menschen einmal als positiv erweisen könnte, eine psychische Erkrankung durchgemacht zu haben, weil sich Dein Einfühlungsvermögen dadurch erweitern könnte.
Ich wünsche Dir gutes Gelingen mit Deiner richtigen Entscheidung!
Ich würde mich sehr freuen, vom weiteren Verlauf Deiner Situation zu erfahren.
Ich wünsche Dir alles Gute.
KaSy
PS: Falls es für Dich von Interesse sein sollte:
Im Bereich "Sonstiges zum Thema Hirntumor" findest Du in "Psychologische Betreuung" mein Thema "Aus dem Tief kommen" und in "Krankengeschichten" (zur Zeit auf S.2) meine Krankengeschichte.