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Das Glück der anderen

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evlat:
Seit drei Monaten wissen wir, dass meine Mama (50) ein GBM IV hat. Mittlerweile kommt mir alles nicht mehr real vor. Mein Lachen ist gestellt, das Lachen der anderen kommt mir vor wie der blanke Hohn. Mich zerfrisst es, dass ich weiß, wie es weitergeht. Dass sie gelähmt sein wird, verwirrt, nicht mehr sprechen kann, dann nur noch schläft...

Wie soll man damit umgehen? Wie soll ich mit meinen 29 Jahren noch an irgendein Glück glauben? Sie hat sich so sehr gewünscht Enkel zu haben; jetzt aber hat sie keine Haare mehr und hat nur noch Angst vor dem verdammten Rezidiv. Mir gefriert jedes mal, wenn ich daran denke das Blut in den Adern. Manchmal fühlt es sich an, als ob mir jemand ein Messer in die Rippen stößt.

Ich verstehe nichts mehr. Alles erscheint sinnlos. Wie soll man Leben ohne eine Mutter?

Bea:
Liebe evlat,

das Lachen der anderen Menschen ist deren Freude. Und das ist gut so.Dass wir diese in unserem eigenen Leid nicht teilen können ist ganz normal.

Deine Schilderung wie es weiter gehen wird ist die Prognose, wenn ich es richtig verstehe. Aber so muss es nicht sein oder es kann  noch dauern. Leg den Fokus nicht schon jetzt auf genau diese trüben Zeiten. Heute ist deine Mutter da, heute ist Weihnachten und heute ist die Zeit die ihr gemeinsam habt und die nicht wieder kommt - auch für gesunde Menschen nicht!

Man lebt ohne Mutter weiter - das kenne ich seit 25 Jhren. Damals war ich 15, meine Mama 44 Jahre. Es ist verd... schwer - keine Frage. Man leidet, man schreit, man weint und man sieht auch manchmal den Sinn nicht. Aber man trägt sie dort wo sie sicher ist, tief in der eigenen Seele. Als das größte Glück welches man in dieser Beziehung erfahren durfte.

Von ganzem Herzen kann ich dir nur wünschen die Zeit so intensiv wie möglich zu nutzen. Fragen zu stellen, Geschichten zu erzählen und alles aufzusauegen was du heute mental bekommen kannst.

Lacht gemeinsam - die Trauer kommt früh genug. Das ist das, was ich heute mit meinem Papa mache... Und wir erzählen viel von ihr, selbst nach so vielen Jahren. Menschen, die wir lieben gehen uns voraus. Wohin sagt jedem der eigene Glauben.

Viel Kraft und alles erdenklich Liebe wünscht dir,
Bea

KaSy:
Liebe evlat,
ich kann Deine Sorge um Deine Mutter sehr gut verstehen, auch dass Du Dir nicht vorstellen kannst, ohne sie zu leben.
Ich selbst habe andersherum Sorge, meine Eltern mit meiner Krankheit zu belasten. Und deshalb nutze ich möglichst viele Gelegenheiten, bei ihnen aufzutauchen, wenn es mir gut geht, wenn ich lachen kann.
Für Dich ist das wegen der großen Entfernung schwerer, aber Du arbeitest einigen Kummer ab, indem Du für Deine Mutter Sachen für ihre unmittelbare Zukunft regelst. Das hilft Dir und ihr.

Ich könnte mir vorstellen, dass das Lachen, das Du bei anderen (verständlicherweise) nicht verkraftest, mit Deiner Mutter gemeinsam wunderschön sein kann. Es gibt so viele Dinge in Eurem Leben, an das man sich gern erinnert. Und es gibt vielleicht auch Worte, die man sich noch nicht gesagt hat, weil man glaubte, es sei doch noch viel zu früh dafür. Nutze viel Zeit für und mit Deiner Mutter. Wenn es wegen der Entfernung nicht persönlich sein kann, so könnt Ihr bestimmt per Telefon oder auch E-Mail möglichst locker miteinander schwatzen. Das bringt neben den schlechten Stunden gute Zeiten in ihre Tage, die ihre Gedanken auf die schönen Seiten des jetzigen und früheren Lebens lenken und dort fest halten.

Du siehst – so scheint es mir – zur Zeit Deine Mutter vor allem als todkranke Frau und hast berechtigte wahnsinnige Angst um sie und um Dein Weiterleben. Deine Mutter ist aber nicht nur die kranke Frau. Sie ist immer noch der liebe Mensch, der immer für Dich da war und sein möchte, der mit Dir über die ganz normalen Dinge des Alltags und der Weihnachtszeit schwatzen möchte. Versuche es, es wird auch Dir gut tun, von ihr gute, normale Worte zu hören.

In Gedanken bei Euch
KaSy
   

TinaF:
Liebe evlat,

Du schreibst, dass das Lachen der anderen Dir wie der blanke Hohn vorkommt. Ich kann das verstehen, ich kenne dieses Gefühl auch. Die eigene Welt steht vor lauter Angst, Entsetzen, Verzweiflung fast still und andere lachen, sind fröhlich, ausgelassen. Aber es hat auch Zeiten gegeben, in denen Du gelacht hast, fröhlich und ausgelassen warst, während andere völlig verzweifelt, in Angst und Trauer waren.

Deine Mutter lebt und das ist das, was momentan zählt. Noch habt Ihr beide Zeit, die Ihr miteinander verbringen könnt, in der Ihr miteinander reden könnt und in der Ihr vielleicht auch miteinander lachen könnt. Natürlich musst Du Vorsorge für die Zukunft treffen, gerade auch was die Pflege angeht. Aber ich glaube nicht, dass man sich auf ein Leben ohne seine Mutter, seinen Vater, seinen Partner oder seine Kinder vorbereiten kann.

Aber in Dir wird Deine Mutter weiterleben, Du bist ein Teil von ihr, was immer auch kommt. Und Du wirst Trost für Deine Großeltern sein, denn die werden ihr Kind gehen lassen müssen.

Aber noch ist es nicht so weit. Nutze die Zeit, die Ihr habt so intensiv wie möglich.

Ich umarme Dich und wünsche Dir viel Kraft!

LG TinaF

evlat:
Danke erst mal für Eure Zuschriften.
Hier fühle ich mich wirklich verstanden. Leute, was soll ich sagen, das sind eben Sachen, bei denen das gesamte Weltbild auf den Kopf gestellt wird. Mir wird jetzt erst bewusst, wie sehr ich meine Mutter geliebt habe.
Mich macht es fertig, was für ein fürchterlicher Sohn ich manchmal sein konnte. Aber sie konnte mir mit ihrem goldenen, riesigen Herzen niemals böse sein.
Neulich meinte sie zu mir, wie sie das alles wieder gut machen kann, was ich für sie tu. Könnt ihr Euch das vorstellen? Selbst jetzt, sieht ausgerechnet meine Mutter sich in der Schuld. Es ist kaum zu fassen, mit welchen Herzen Gott unsere Mütter ausgestattet hat.

Es gibt so vieles, was mich fertig macht... Meine Mutter hatte wirklich wenig zu lachen im Leben, aber sie meinte immer, das mein Bruder und ich immer ein Freudenquell für sie waren. Ich hab mir sie immer als dicke, lachende Oma vorgestellt, wenn ich mir vor meinem inneren Auge ein Bild von der Zukunft gemacht habe. Und jetzt soll das alles nicht sein?

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