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Das Glück der anderen

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BabsyO:
hallo evlat

bei meinem vater wurde vor ca. vier wochen ein tumor im gehirn diagnostiziert. vor drei wochen bekamen wir die diagnose glio IV, inoperabel, balken infiltriert.
über eine prognose wollte kein arzt etwas sagen. er wird seit zwei wochen bestrahlt und bekommt temodal. er ist halbseitig gelähmt, sein kurzzeitgedächtnis funktioniert nicht mehr so recht (er erzählt viele dinge mehrmals)....

ich habe eine kleine tochter von neun monaten und eine nichte, die vor kurzem zwei wurde. wenn ich bilder von meinen eltern mit den zwei krümeln angucke zieht sich mein ganzer magen zusammen und ich wünsche mir "mein leben", wie es war, wieder zurück.
ja... oft hat man gehört, man sollte das leben genießen. und man dachte, man tut das. aber wenn man dann von einer solchen diagnose überrannt wird weiß man, dass man es nicht getan hat, oder zumindest nicht in dem umfang, wie man es tun sollte.

meine schwester und ich versuchen alles einigermaßen zu managen. es ist hart, weil mit kindern manchmal eine recht komplizierte logistik dahintersteht.
wir haben auch einen bruder. der wohnt ca. 90km weit weg... ja... was soll ich sagen. er arbeitet, damit er nicht über unseren vater nachdenken muss.... leider lässt er sich auch nicht blicken. ich finde das sehr schade, weil ich ihm sehr eindringlich gesagt hab, wie ernst die lage ist.
ich bin auch nicht jeden tag bei unseren eltern, ich pack das zeitlich nicht immer und auch psychisch nicht.
es tut mir so weh, meinen vater (vor fünf wochen war doch noch alles in ordnung?!) im rollstuhl sitzen zu sehen. wir unterhalten uns mit ihm. er leidet sehr an der situation. bis auf seine kurzzitgedächtnisprobleme ist er geistig noch fit. außer nach der bestrahlung. die nehmen ihn sehr mit.
er ist anders. er ist nicht besser oder schlechter als vorher. er ist nur einfach anders. und ich bekomme es nicht geregelt mich an diese neue situation zu gewöhnen. immerhin kannte ich "meinen alten papa" über 27 jahre.

auf der andren seite unsere mutter, die noch nicht an sich heranlassen will, dass es vermutlich keine besserung mehr geben wird oder könnte. ich kann und will ihr aber ihre illusionen nicht nehmen. sie und mein vater sind seit fast 40 jahren ein doppelpack.

ich versuche mir zwischendurch, auch wenn es vielleicht nicht richtig ist, vorzustellen, wie das leben weiter funktioniert wenn papa mal nicht mehr da ist. und ich habe das gefühl, dass ich diesem gedanken einfach nicht standhalten kann. das es nicht zu managen ist.
aber hätte ich vorher über die situation mit dieser krankheit nachgedacht, hätte ich auch gesagt, dass sowas nicht zu packen ist... man lernt mit allem umzugehen glaube ich. was heute noch unmöglich ist, muss morgen gehen.

für einen selbst dreht sich die welt auf einmal langsamer, und man hat das irrationale bedürfniss, dass das für andre genau so sein muss. was natürlich völlig idiotisch ist.
ich selbst fand krebserkrankungen in meinem umfeld immer schlimm und hatte auch echt mitgefühl. aber wenn man selbst auf einmal davon betroffen ist, ist das ne ganz andre hausnummer.

mein vater ist übrigens aktuell bei 24mg cortison.

ich wünsche euch, und auch uns, alle kraft der welt.
liebe grüße,
babsy

Paujo:
Hallo evlat.....

vielleicht kann Dein vater sich die Pflegezeit nehmen???? Bei größeren Firmen ist das möglich und auch gesetzlich gesichert.
Für deinen Bruder wäre es sicher wichtig einen Ausgleich zu haben ob nun Therapie oder Trauerbegleitung oder eine selbsthilfegruppe. Einfach Leute die in auffangen.
Habt ihr keinen Hospizdienst mit Ehrenamtlichen??? Dies sind geschulte Leute die den Kranken betreuen und die Angehörigen begleiten. Kostet nichts und hat uns sehr geholfen.
Mit dem ausschleichen des Cortisons wäre ich sehr vorsichtig und langsam.....
als mein Mann bedingt durch den Krampfanfall kein Cortison bekam da kamen Kopfschmerzen die unerträglich gewesen sein müssen......und Schmerzen soll niemand haben der so krank ist.
und wenns sich langsam dem letzten Weg entgegen neigt dann muß niemand Schmerzen haben....kümmert euch um nen Palliativmediziner der hausbesuche macht und sich mit den entsprechenden Medis auskennt.....
mein mann hatt nur dieses eine Mal Schmerzen und dann nicht wieder und das dank der ausreichenden Betreuung des Arztes und des Palliativdienstes.

das Glück der anderen.....Glück wird auch irgendwann wieder bei Euch einziehen....auch wenn es dir jetzt noch unvorstellbar erscheint. Ich arbeite auch daran......
wenn ich Bilder aus glücklichen und gesunden Tagen schaue dann freue ich mich über die Zeit die wir hatten und bin dankbar dafür......ich hätte gerne mehr davon gehabt aber es sollte nun nicht sein.

mich hat dieser Weg auch sehr verändert...man schaut einfach anders in die Welt.....was vorher wichtig war das ist heute unwichtig. Mehr als das Glück der anderen ärgert mich immer der Egoismus und das geheuchelte Mitgefühl......das viele nicht über den eigenen Tellerrand schauen.....lästern über andere und jammern über das Essen was nicht schmeckt oder das dies oder jenes Mist ist.

ich kann dir nur raten Mama gehen zu lassen wenn es Zeit ist. Verabschiede dich und bedanke dich für die glückliche Zeit die ihr hattet...eines Tages sieht man sich wieder.....

ich wünsche deinem Bruder und dir viel Kraft und habt Verständnis für euren Vater. Es kann nicht jeder pflegen und er meint es sicher nicht böse.......
mein Vater kann weder in Krankenhäuser noch auf Beerdigungen gehen und das haben wir akzeptieren müssen. Jeder Mensch ist anders und dein Vater wird auf seine Art leiden da kannst du dir sicher sein.

ganz viel Kraft für euch
LG
paujp

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