Sonstiges zum Thema Hirntumor > Psychologische Betreuung
Warum ist psychologische Betreuung nicht selbstverständlich?
Thom:
Hallo,
meine Mutter 74J liegt seit Mitte Mai in der Uniklinik Freiburg.
* OP Glioblastom WHO IV
* Stationäre Strahlentherapie
* 2. OP wegen Entzündung an der Wunde am Schädel
* Komplikationen wegen Hirnschwellung
Nun ist sie natürlich ziemlich "down". Schon dass sie, die sie immer die widerstandsfähigste in der Familie war, so einen Hirntumor bekommt, war ein Schock. Nun diese ganze Tortur 2. OP und Hirnschwellung und in ihren Augen zu oft die Fragen von den Ärzten, ala: "wissen sie, wo sie sind? etc.
Sie hat das Gefühl, bald komme sie in die Klapsmühle und in der Uniklinik wird sie ein anderer Mensch, weil sie so "unpersönlich" behandelt wird.
Im Zeitalter von Psychoonkologie etc. frage ich mich: Warum ist Psychologische Betreuung in spezialisierten Krebskliniken (Klinik für Strahlenheilkunde, bzw in angeschlossenen Neuroabteilungen) nicht selbstverständlich?
Wenn man stationär untergebracht ist, hat man ja auch nicht die Möglichkeit bei allen möglichen Ärzten Psychologen, Heilparteikern herum zu fahren.
Danke
Bea:
Hallo Thom,
hat deine Mutter oder habt ihr denn danach gefragt?
Sicher wird man deiner Mutter diese Betreuung auch innerhalb der Klinik anbieten können. Nur nach der Entlassung müsste sie sich ggf. eine neue psychologische Betreuung suchen (da kein stationärer Aufenthalt mehr vorliegt).
Nach meinem Wissen sind die Kliniken nicht automatisch vernetzt. Ein Netzwerk wird oft gefordert, ist aber nicht bei allen Krebsarten und in allen Kliniken vorhanden. Das Gegenteil ist der Fall. Leider! Aber auch das hat z.B. Verwaltungsgründe.
Und was die Möglichkeit der Erreichbarkeit angeht: es gibt einen mobilen dienst innerhalb der Kliniken der die Patienten zum jeweiligen Gebäude/ der Fachstation begleitet.
Es ist wie immer; sagt was ihr für nötig und hilfreich erachtet und veranlaßt es über den zuständigen Arzt.
LG,
Bea
Thom:
--- Zitat von: Bea am 06. Juli 2011, 21:36:17 ---Und was die Möglichkeit der Erreichbarkeit angeht: es gibt einen mobilen dienst innerhalb der Kliniken der die Patienten zum jeweiligen Gebäude/ der Fachstation begleitet.
Es ist wie immer; sagt was ihr für nötig und hilfreich erachtet und veranlaßt es über den zuständigen Arzt.
--- Ende Zitat ---
Danke.
Ja, wir haben ein neues Gespräch vereinbart und es dauert halt alles seine Zeit, bis man seine Erfahrungen gemacht hat. Ich finde, dass man eigentlich als enger Angehöriger, eine Art Infomappe bekommen müsste, wo all die praktischen relevanten Dinge drinne stehen. Heute ist das Wissen/Informationen ja alles da, warum muss dann jeder Patient erst selbs die Erfahrung machen, dass er vllt mit psychologischer Betreuung besser durch die Therapien kommt. Oder dass man einen Plan bekommt mit Gesprächsgruppen, da muss man erst "zufällig" etwas an einem "schwarzen Brett" entdecken etc. Und dann herausfinden, dass es einen mobilen Dienst gibt etc. Das ist mir nicht ganz ersichtlich.
LG
fips2:
Hallo Thom
Also diese Erfahrung kann ich, bzw. meine Frau mit der Uni-Klinik in Freiburg absolut nicht teilen.
Eine "Nummer" war und ist meine Frau dort nie gewesen.
Immer waren Ansprechpartner da. Auch noch nach der Behandlung.
Nach einer Mail oder Anruf hat man innerhalb von wenigen Stunden, entweder Mail oder telefonische Antwort des behandelnden Arztes oder Profs.
Da gibt es andere Kliniken an denen das nicht so vorbildlich läuft.
Nein, wir sind keine Privatpatienten, sondern ganz normaler Kassenpatient.
Egal ob Schmerzzentrum, Neurochirurgie,,Schwindelzentrum, Onkologie( kennt meine Frau nur aus einem Aufklärungsgespräch einer Leukämiepatientin, die sie in der Klinik kennen lernte und die sie bat sie zum Gespräch zu begleiten). Alle Bereiche waren hilfsbereit, einfühlsam, aber auch ehrlich zu den Patienten, was die Aufklärung zur Behandlung betrifft. Es mag sein, dass diese Ehrlichkeit bei nicht Jedem gut ankommt und er den Arzt als psychologischen "Trampel" sieht. Aber was ist einem als Patienten lieber? Was von den "Pilzen" erzählt bekommen, nur um "heile Welt" zu suggerieren, oder ganz klare Fakten zu haben, um für sich selbst Entscheidungen treffen zu können, ob man auf die Behandlung eingeht oder nicht? Hier lass ich die Entscheidung offen. Das kann man aber auch dem Arzt sagen und er beschränkt dann die Aufklärung auf das gesetzliche Mindestmaß, das er zur Aufklärung dem Patienten offerieren muss.
Fast jede Abteilung hat einen Psychologen, der bei Bedarf die Patienten betreut.
Ich will nichts unterstellen.
Wer natürlich den "Starken" spielt und seine Ängste und Depressionen den Ärzten, aus Scham oder sonstigen Gründen nicht nennt, brauch sich aber auch nicht wundern wenn Ihm keine Betreuung zu Teil wird. Viele geben ihre psychischen Probleme nicht zu, um nicht als "ballaballa" abgestempelt zu werden. Leider ist diese landläufige Meinung noch immer sehr gefestigt, wenn man psychologische Hilfe in Anspruch nimmt.Das klingt auch so ein wenig aus deinem ersten Posting heraus.
--- Zitat ---Sie hat das Gefühl, bald komme sie in die Klapsmühle
--- Ende Zitat ---
Depressionen sind ernst zu nehmende Erkrankungen und bei einer tiefgreifenden OP, wie am Gehirn, oder wegen egal welcher Tumorerkrankung, immer gegeben. Das wissen die Ärzte auch.
Vielleicht sollte man da mal ganz realistisch sich selbst fragen, ob man diese Hilfe mal eingefordert, angenommen, oder Probleme verschwiegen hat. Wenn der Arzt nix weis, kann er auch nichts anordnen.
Als Angehöriger kannst du die psychologische Hilfe für deinen erkrankten Angehörigen zwar beim Arzt ansprechen. Ob sie aber am Ende der Patient in Anspruch nimmt, steht auf einem anderen Blatt.
Bitte fair bleiben.
Übrigens die Broschüren, die du ansprichst, stehen in jedem Wartebereich der Klinik als "Blaue Ratgeber" der Krebshilfe kostenlos bereit. Man muss nur zugreifen.
Gruß Fips2
KaSy:
Hallo, Thom,
ich kann fips2 da nur zustimmen, was die blauen Hefte und die Anforderung von spezieller, insbesondere psychologischer, Betreuung betrifft.
Klar braucht es seine Zeit, bis man als Patient einsieht, dass man psychologische Hilfe benötigt. Aber die Zeiten sollten doch vorbei sein, dass man sich gleich als Verrückter oder Hirnloser Idiot abgestempelt glaubt, nur weil man nach einer organisch bedingten (!) psychischen Belastung die Hilfe eines Psychotherapeuten erbittet.
Ich selbst habe - das kann man hier im Forum nachlesen - ziemlich lange/oft mit derartig bedingten Stimmungstiefs zu tun (gehabt). Als ich im Oktober 2010 in eben dieser depressiven Situation als Notfall zu einer nicht sonderlich aussichtsreichen Augen-OP in ein KH musste, habe ich nach dem ersten Schreck ziemlich gleich den Augenarzt auf meine miese psychische Verfassung angesprochen und um den Kontakt zu einem Fachmann gebeten. Nicht nur, dass sich der Augenarzt dafür bedankt hat und es gut fand, dass ich ihm das sagte, der Psychiater von einer anderen Station war innerhalb weniger Stunden zur Stelle und hatte auch durchaus ein Stück Zeit mitgebracht sowie mir für den Notfall Medikamente gegeben. Das Gespräch war mir eine große Hilfe und Beruhigung und die Tabletten habe ich kaum gebraucht.
Ich glaube, unter Mangel an Arztkontakt und Informationsmangel muss man heutzutage eigentlich nicht leiden, wenn man nachfragt und sich in den Arztpraxen die vielen Infomaterialien ansieht. Wichtig ist, dass man das tut, was hier im Forum immer wieder empfohlen wird - ALLE FRAGEN AUFSCHREIBEN. Mitunter helfen für vergessene Fragen oder neu aufgetauchte auch E-Mails an den Arzt, versuchen kann man das ja. Immerhin ist ein Hirntumor-Patient kein 0-8-15-Fall.
Auch das habe ich einmal persönlich erlebt. Ich hatte eine Frage zu einer angedachten Revisions-OP und fuhr, da ich gerade in der Nähe war, ohne jegliche Anmeldung zum Neurochirurgen. Normalerweise blockt die "Vorzimmer-Schwester" sofort gnadenlos ab, was ich auch als richtig empfinde. Als sie aber hörte, ich sei HT-Patientin mit dieser speziellen Frage, musste ich nicht mal mehr ins Wartezimmer gehen, sondern kam gleich als Nächste dran. (Ich melde mich natürlich sonst immer an.)
Lieber Thom, ich kann Dich mit Deinen Sorgen um Deine Mutter natürlich sehr gut verstehen. Aber jeder Mensch und jeder Hirntumor und jegliche Reaktionen des Betroffenen sind unterschiedlich. Da ist es nicht so einfach, eine Standard-Info-Mappe zu erstellen, die garantiert zuviel und zuwenig enthalten würde. Das Gespräch über die konkrete Situation Deiner Mutter mit dem Arzt ist auf jeden Fall besser, als wenn pauschal alle möglichen Schrecknisse im Zusammenhang mit einem HT schriftlich aufgeführt werden. (So wie bei den Beipackzetteln, die ja jedem zig Krankheiten "versprechen".) Das kann ein HT- Patient und auch seine Angehörigen wirklich nicht brauchen.
Übrigens habe ich in den AHB die psychologische Betreuung im "Pflichtprogramm" gehabt, ohne danach zu fragen.
Ich hoffe, Du kannst das in Deiner großen Sorge um Deine liebe Mutti doch auch ein wenig verstehen und Deinen Kummer in ein planvolles und zielgerichtetes Handeln umwandeln, ohne Dich von diesen verzweifelten und enttäuschten Gedanken bremsen zu lassen.
Ich wünsche Euch, dass Ihr einen guten Weg im Miteinander aller Beteiligten findet!
KaSy
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