Liebe Maxi,
prima, dass sich dein Mann bei der Kur so wohl fühlt. Das tut dir sicher auch gut, auch wenn es ein bisschen ungewohnt ist.
Arbeiten oder nicht, das ist eine Frage, die sich jeder Angehörige stellt. Ich weiß jetzt nicht, was für einen Job du machst. Die Belastung beides auf die Reihe zu bekommen, ist gen Ende wirklich grenzwertig. Die psychische Belastung ist enorm. Inwieweit du das auf der Arbeit in den Hintergrund stellen kannst, weiß ich nicht. Mir ist es gelungen, aber die Spätfolgen der Doppelbelastung merke ich noch immer und sie kamen erst nach dem Tod meines Mannes.
Ich hatte es damals so geplant, wenn ich das Ende absehen kann, dann lasse ich mich krankschreiben. Bloß ich wusste nie, ob das Ende schon naht oder nicht. Also ging ich immer weiter arbeiten. Ich wollte nicht, dass mein Mann stirbt und ich bin derweilen auf der Arbeit. Allerdings ist es anders gekommen und mein Mann während meines Urlaubs zum Jahreswechsel gestorben.
Aufgeben konnte ich meine Arbeit nicht.
1. aus finanziellen Gründen, mein Mann bezog auch nur eine geringe EU-Rente.
2. aus Jobangst, ich hatte leider einen Chef mit wenig Verständnis.
3. war dies schon eine Ablenkung und dort bekam ich Anerkennung (mein Mann verstand ja nicht, was wir als Familie leistete und hatte nachher nicht mehr viel Nettes für uns übrig. Auch wenn es nicht so gemeint war, tat es doch weh.)
4. brauchte ich die Wegstrecke zur Arbeit oft um zu heulen. Zuhause riss ich mich zusammen, auf der Arbeit auch... aber auf dem Weg war ich für mich allein und konnte meinen Tränen ihren Lauf lassen.
Was natürlich gegen die Arbeit spricht: Die Zeit, die du jetzt noch mit ihm verbringen kannst, kommt nie wieder. Gerade, weil dein Mann geistig noch einigermaßen klar ist, könntet ihr die Zeit noch genießen, die euch bleibt.
Was die Kinder betrifft: Es ist wichtig, dass sie immer signalisiert bekommen: Ihr könnt Fragen stellen. Ich beantworte sie euch ehrlich. Wie viel sie fragen, ist dann ihre Sache. Wenn es aber wirklich schon Richtung Sterben geht, dann sollte man als Erwachsener das Gespräch suchen, auch wenn die Kinder nicht wollen. So hatte es mir zumindest die Dame in der psychoonkologischen Beratungsstelle gesagt. Meine Tochter war noch wesentlich jünger und ich denke, es ist mit solch großen Kindern nicht vergleichbar. Aber sie hatte schon Gesprächsbedürfnis, konnte es nur aus Angst vor einem so traurigen Gespräch nicht äußern. Das stellte sich erst heraus, als sie auch körperliche Beschwerden entwickelte, die psychischen Ursprungs waren. Auf jeden Fall kannst du im Prinzip sicher sein, auch wenn deine Kinder ein scheinbar unverändertes Leben führen, das "normal" etwas anderes auch für sie ist. Sie mögen oder können es wahrscheinlich nur nicht so zeigen. Deswegen auch immer ein bisschen wachsam sein. Aber es ist natürlich auch richtig, dass sie ihren Weg - so unbeirrt wie möglich - weiter gehen.
Liebe Maxi, ich bin sicher, dass du die richtigen Entscheidungen treffen wirst, sobald Entscheidungen zu treffen sind. Ob es immer alles richtig war, das merkt man eben oft erst hinterher. Diese Krankheit ist so heimtückisch, dass niemand wirklich sagen kann, wann, wie und ob etwas bestimmtes eintritt. Wichtig ist, dass du mit der jeweiligen Entscheidung zu dem betreffenden Zeitpunkt leben kannst und nicht so viel brücksichtigst, was andere darüber denken.
LG
Pem