HirnTumor-Forum

Autor Thema: Vorstellung von BumbleBee (Angehörige)  (Gelesen 335422 mal)

Offline BumbleBee

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Antw:Vorstellung von BumbleBee (Angehörige)
« Antwort #450 am: 29. Oktober 2023, 10:31:01 »
Hier bin ich mal wieder.

Nachdem meine Mutter im Frühjahr beinahe an einer Urosepsis gestorben wäre, hat sie im Juni die 12 Jahre nach Diagnosestellung vollgemacht :-)

Sie hat allerdings tatsächlich eine strahleninduzierte Leukencephalopathie - also eine Form von Demenz in Kombination mit Gangstörungen, Schluckstörungen und Sprachstörungen. Sie lebt allerdings immer noch sehr gerne :-)

Seid alle lieb gegrüsst!

Offline KaSy

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Antw:Vorstellung von BumbleBee (Angehörige)
« Antwort #451 am: 31. Oktober 2023, 12:34:29 »
Liebe BumbleBee,
Das ist ja wunderbar, dass Deine Mutti nun die "12-Jahres-Marke geknackt" hat und trotz einiger Einschränkungen immer noch sehr gern lebt.
Vielen Dank für diese schöne Information!

Von der "Leukencephalopathie" habe ich kürzlich erstmals gehört, als der Blog des Schriftstellers Wolfgang Herrndorf (u.a. Tschick, Sand) "Arbeit und Struktur" im Radio vorgelesen wurde. Er lebte seit seiner Glioblastom-Diagnose etwas mehr als drei Jahre, bevor er sein Leben im Jahr 2013 in Berlin beendete. Den Blog schrieb er für seine Freunde und er ist (war) auch hier bekannt (gewesen). Er beschrieb u.v.a. seine Einschränkungen durch drei OPs und zwei Bestrahlungen und wie sie ihn in seinem schriftstellerischen Leben und seinem aktiv gelebten Alltag immer mehr belasteten und dabei fiel auch dieser Begriff.
Dass die Leukencephalopathie  "strahleninduziert" ist, weiß ich jetzt von Dir.

Und das wirft bei mir die Frage auf, ob es bei den zunehmendem Forschungen, die das Leben von Hirntumorbetroffenen immer mehr verlängern, immer noch angebracht ist, dieselbe Hirnregion mehrfach zu bestrahlen, wenn man zwar den Tumor zur Ruhe bringt, jedoch derartige Einschränkungen der Lebensqualität riskiert. Es ist für die Ärzte nicht einfach, individuell das Beste zu tun.

Ich hatte/habe anaplastische (WHO III) Meningeome an verschiedenen Stellen und einige davon wurden (dreimal in zeitlich jahrelangen Abständen) postoperativ bestrahlt. In der Strahlenabteilung "meiner" Klinik wird strikt darauf geachtet, dieselbe Region keinesfalls ein zweites Mal zu bestrahlen. Und dennoch hatte ich Strahlenfolgen, die erfolgreich "beseitigt" werden konnten.

Es ist jedoch immer wieder sehr schön zu lesen, wenn Menschen ein Glioblastom derart lange "überleben" und ihr Leben genießen!

Ich wünsche Deiner Mutti und Dir weiterhin alles Gute!

KaSy
Wenn man schon im Müllkasten landet, sollte man schauen, ob er bunt angemalt ist.

Der Hirntumor hat einen geänderten und deswegen nicht weniger wertvollen Menschen aus uns gemacht!

Offline BumbleBee

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Antw:Vorstellung von BumbleBee (Angehörige)
« Antwort #452 am: 14. Januar 2024, 16:26:40 »
Ihr Lieben,

diesmal melde ich mich direkt hier. Es ist einiges passiert und ich weiß nicht, wohin ich sonst soll damit :-(

Es ging damit los, dass meine Mutter Ende November quasi aus dem Nichts beim Einkaufen nach dem Bezahlen umgefallen ist und sich eine Kopfplatzwunde zugezogen hat. Diese wurde in der Notaufnahme versorgt (geklebt). Danach war an dem Tag alles ok.
2 Tage später weckte sie mich morgens um 4 Uhr, weil sie unstillbares Nasenbluten hatte. Ich habe zuerst wirklich alles versucht, aber nach über einer Stunde rief ich die Rettung (war auch richtig so). Sie wurde dann damit ins UKE gebracht und dort wurde ein großes blutendes Gefäß im hinteren Nasenbereich verödet. Die abgenommenen Blutwerte waren soweit normal, sowohl die Blutkörperchen als auch die Gerinnung etc..

Danach hatte sie 3 Tage später direkt einen fokalen Anfall von knapp 1 Stunde (taube und unbewegliche rechte Hand, Aphasie). Ich nahm an, dass dieser aufregungsbedingt stattfand, denn es war ja nicht der erste.

Sie erholte sich langsam Anfang Dezember und konnte einmal sogar mit mir zum Einkaufen fahren, was sie sich gewünscht hatte. Sie war aber schnell erschöpft und schlief irgendwie auch anders ab diesem Zeitpunkt (sie ging plötzlich früher schlafen und wachte dadurch natürlich auch früher auf). Ansonsten war nichts auffällig.

Vor 10 Tagen ist sie morgens auf der Toilette gestürzt - mein Mann hatte es gehört und war gleich zu ihr gerannt (wir wohnen ja direkt über meiner Mutter). Sie hatte sich Gott sei dank nicht größer verletzt. Jetzt wusste aber natürlich niemand, ob sie gestolpert war oder so. Sie sagte, schwindlig war ihr nicht. Rettungswagen wollte sie nicht.
Das gleiche Ereignis passierte knapp 36 Stunden später, nachdem sie ihre Tabletten für die ganze Woche selbst gerichtet hatte (sie steht dabei immer stark vornübergebeugt, will es aber unbedingt selbst machen). Sie sackte einfach zusammen, war aber nicht bewußtlos. Es war, als wäre die ganze Muskulatur einfach erschlafft für eine Sekunde. Sie kommt dann aber selbst nicht mehr vom Boden hoch.

Seitdem ist sie immens geschwächt zum Teil. Läuft nicht mehr frei, sondern mit Rollator und/oder unserer Unterstützung. Hat kaum Kraft, hat plötzlich einen Halte- und Bewegungstremor der rechten Hand. Sie kann teilweise kein normales Trinkglas mehr mit nur einer Hand halten, weil sie zu wenig Kraft hat. Alles strengt sie unfassbar an, wir sehen das - aber sie ist halt trotz allem eigensinnig und will vieles einfach machen.
Gerade nach längerem Liegen ist sie immens unsicher, spricht auf teilweise von Kopfschmerzen (fasst sich dabei aber eher an den Nacken), die aber gleich besser würden. Einmal hat sie in so einer Situation eine kleine Menge erbrochen.  Manchmal - für Minuten! - ist sie so schwach, dass sie nicht selbst aufstehen kann. Meiner Meinung nach ist ihre linke Pupille etwas weiter als rechts (ich komme aus der Neurologie, bin aber nur Arzthelferin gewesen) und auch ihr Augenlid links ist minimal hängend - wer sie nicht ständig sieht, würde es wahrscheinlich nicht mal bemerken.

Mein Mann schläft derzeit bei ihr unten im Nebenzimmer. Sie wacht wohl ab 23 Uhr alle Stunde auf, möchte dann auf die Toilette, einen Schluck trinken und sich wieder hinlegen (nein, sie hat keinen Diabetes oder eine Blasengeschichte - das war bei ihr schon lange so, nur die Häufigkeit ist mehr geworden). Sie hat einen Toilettenstuhl seit der Sepsisgeschichte letztes Jahr im Februar, aber selbst auf den schafft sie es teilweise nicht alleine.

Was mich vollends irritiert sind 2 Sachen:
* zum Einen schläft sie seitdem oft beim TV und sagt dann aber, sie war wach, sie hätte gar nicht geschlafen sondern geschaut (nein, wer so schnarcht, ist sicher nicht wach). Sowas hab ich noch nie erlebt.
* maximal schlimm fand ich es, dass sie wohl vorgestern Nacht im Beisein meines Mannes (den sie aber nicht registriert hatte) sagte "nein Wolfgang, ich will noch nicht nach Hause gehen." wir kennen keinen Wolfgang - das ist das eine. Das andere ist, dass ich echt nicht verstehe, was da abläuft.

Was ich unbedingt noch sagen muss: Wir haben ihr mehrfach angeboten, zum Arzt zu fahren oder ins Krankenhaus, aber SIE WILL NICHT. Ich kann sie nicht zwingen, so lange sie noch bei Bewußtsein ist.

Und ich frage mich jeden Tag, ob das jetzt - nach 12,5 Jahren - ein Rezidiv ist. Ich gehe fast davon aus, wenn ich ehrlich bin. Wenn sie nicht zum Arzt will, werde ich warten müssen, bis sie nicht mehr selbst entscheiden kann. Oder es zu spät ist.
Im Moment wünsche ich ihr - und uns allen! - einfach, dass es wenn, schnell geht. Und sie zuhause sein kann dabei. Wir haben so viel Zeit geschenkt bekommen, was so vielen leider nicht vergönnt ist. Ich bin trotzdem dankbar. Aber im Moment ist es, als würde ich in einer Blase leben...


Offline KaSy

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Antw:Vorstellung von BumbleBee (Angehörige)
« Antwort #453 am: 14. Januar 2024, 20:49:50 »
Liebe BumbleBee,
Es ist eine dramatische und belastende Situation für Euch. Ihr kümmert Euch heldenhaft, aber ich spüre aus Deinen Worten, dass Ihr nicht genauvwisst, was Eure Mutter wirklich möchte.

Fragt sie, ob sie ins Krankenhaus möchte oder nicht, wenn sie sich bewusst ist, welche Entscheidung sie trifft.
Das kann "Ja", "Nein", "... nur wenn ..." oder "Ich weiß es nicht" sein.

Ich könnte mir aus meiner eigenen Geschichte vorstellen, dass sie sich klar darüber ist, dass es dem Ende zugeht und sie die belastenden Therapien nicht noch einmal durchziehen möchte.
So wie Du scheint Ihr bewusst zu sein, wie viel Zeit ihr geschenkt wurde.

Ich möchte auch immer alles allein tun und erfinde Vermeidungsstrategien, um mich weiterhin gut und sogar glücklich zu fühlen, weil ich das, was schwerer oder nicht mehr geht, verdränge.
Als ich kürzlich eine Erhöhung meines Pflegegrades von 2 auf 3 beantragen musste, musste ich mir einige Wochen lang das, was ich nicht mehr kann, in mein Bewusstsein rufen und mir ging es damit nicht gut. Dann war der Gutachtertermin vorbei und eine Woche später der Pflegegrad bestätigt.

Ihr schätzt die Verschlechterung bei Eurer Mutter gut ein. Ich denke, wenn sie sagt, dass sie nicht mehr in ein Krankenhaus möchte, dann ist es an der Zeit, ein Palliativ-Team einzubeziehen. Es scheint so zu sein, dass es nicht ganz klar ist, ob jetzt oder sehr viel später Situationen entstehen, wo Ihr als Angehörige ganz schnell Hilfe (starke Medikamente zu Eurer Entlastung, geliehene Hilfsmittel) für die Mama braucht. Dann ist es gut, wenn eine Palliativärztin schon mal von Euch genau das erfahren hat, was hier beschrieben wurde und sie die Mutti schon gesehen hat.

Ich weiß nicht, ob das Euch und Eurer Mutti hilft,  aber ich wünsche Euch, dass Ihr für Euch Hilfen sucht, denn Ihr müsst weiterhin für die Mutti da sein und das kostet Kraft!

KaSy
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« Antwort #454 am: 24. Januar 2024, 10:02:37 »
Liebe Kasy,

hab zunächst einmal ganz herzlichen Dank für deine Antwort und entschuldige, dass ich so spät erst antworte - aber hier geht es rund.

Leider haben wir zur Zeit nicht mal einen Hausarzt - unserer wurde sehr schnell sehr krank und seine Praxis schloss unvermittelt dadurch. Der einzige, der freie Kapazitäten hat (und der uns von der KV quasi zugeteilt wurde), ist ein - sorry - komplett narzisstischer Vollidiot.
Meine Mutter will auch keinen Arzt hier im Haus haben derzeit. Ihre Kopfschmerzen haben wir bisher mit Ibuprofen im Griff - sie ist noch nie besonders schmerzempfindlich gewesen und hat sehr selten Schmerzmittel genommen. Vielleicht zahlt sich das gerade quasi für sie aus (wenn man das so nennen kann)...

Ich hatte im Dezember die Pflegeberatung hier (muss ja halbjährlich erfolgen ab Pflegestufe 2). Die waren vom hiesigen Pflegedienst und sehr nett, haben aber derzeit keine freien Kapazitäten. Wir stehen jedoch in Kontakt. Bisher ist es - auch körperlich - für uns noch zu meistern...

Der Zustand meiner Mutter hat sich in den letzten 2 Wochen weiter verändert. Diesmal ist weniger die körperliche Komponente betroffen. Sie ist so schwach wie vorher, kann sich aber alles noch viel schlechter merken und ist teilweise verwirrt. Diese Verwirrtheit hält bisher immer nur kurz an und ist durch uns "auslenkbar".

Ich wünsche ihr so sehr, dass sie sich nicht quälen muss....

Offline KaSy

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« Antwort #455 am: 24. Januar 2024, 16:52:52 »
Liebe Bumblebee
Wenn Ihr für Eure Mutti keinen "vermünftigen" Arzt habt und der Pflegedienst keine Kapazitäten, dann sollte das nicht "das Ende der helfenden Fahnenstange" sein.
Erfragt bei der KV einen Palliativarzt, der Euch entlastet.

Meine Eltern waren im Alter von 89 und 96 Jahren schwächer und müder geworden und wir wussten, dass nicht nur sie, sondern wir diese Hilfe brauchen würden. Die Gespräche fanden etwa eine halbe Stunde ohne Mutti bzw. Vati statt. Wir erzählten alles über den Zustand und was wir uns für uns als Entlastung (z.B. Durchschlafen dürfen) vorstellen und hörten uns die Vorschläge an  Es gab danach einen kurzen Kontakt mit Mutti bzw. Vati und dann war die Situation beidseits klar - und beruhigend.

Wir hatten wirklich das Glück,  dass beide geistig fit blieben und nur etwa 1 Woche bis zum friedlichen Einschlafen zu Hause brauchten. Sie hatten keine Hirntumoren, aber andere im Alter auftretende Erkrankungen. Für uns und sie war das so gut, auch wenn sie uns fehlen, aber sie haben ein sehr gutes Leben gelebt und uns so viel mitgegeben.

Ihr braucht die Möglichkeit, auf Entlastung zurückgreifen zu können, falls Ihr sie braucht.

Ich wünsche Eurer Mama auch sehr, dass sie bei ihren Lieben ruhig einschlafen darf.

KaSy
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