Liebes utchen77,
Du suchst nach Trost - bei Deinem so unendlich geliebten Mann, bei uns.
Ja, Du hast es sehr schwer.
Du bist Dir fast sicher, dass Du Deinen Mann an seine Krankheiten verlieren wirst.
Ja, das ist so verdammt ungerecht!
Du willst Dich aufgeben, wenn es so weit sein sollte.
Du willst den Tumor einfach ignorieren, die Kontrollen nicht mehr nutzen.
Weil Du Dir nicht vorstellen kannst, mit Deinen Krankheiten ohne Deinen Mann weiter leben zu können.
Nun ja, verstehen kann ich das.
Aber nur aus Deiner momentanen schrecklichen Verzweiflung heraus.
Du denkst zurück an die guten Zeiten mit Deinem lieben Mann, die sich mit schlechten Tagen mischten.
Bis die schlechten Zeiten überhand nahmen.
Ihr wart immer füreinander da - trotz und wegen all der traurigen, schlimmen, furchtbaren
Erlebnisse, die Euch das Leben zumutete.
Ich weiß nicht, ob es richtig ist, Dir zum LEBEN zu raten.
Ich weiß nicht, ob es richtig ist, Dich zu fragen: Würde Dein Mann wollen, dass Du Dich Deiner Krankheit ergibst?
Widerstandslos.
Wo Ihr Beide stets gekämpft habt.
Habt ihr nur für den Anderen gekämpft?
Ja, wirst Du sagen.
Ja! Ja! Ja!, wirst Du mir ins Gesicht schreien.
Auch nach Tagen, Wochen noch wirst Du weinen und schreien:
Ja, für ihn habe ich gelebt und nun will ich nicht mehr!!
Versteht das doch alle!
Ich kann nicht mehr!
... und leise weinend wirst Du immer wieder sagen: Ich kann doch nicht mehr ...
Aber Du wirst die Blumen wieder entdecken.
Du wirst die Vögel hören und sehen und Dich fragen: Wofür leben sie eigentlich?
Du wirst fremde Kinder lachen hören und irgendwann nicht mehr denken: Wieso dürfen die lachen?!
Du wirst Menschen treffen, wieder treffen, denen Du fehlen würdest.
Du wirst das Leben Stückchen für Stückchen neu entdecken.
Von den Sträuchern im Garten wirst Du die trockenen Zweige abschneiden, um dem Leben Kraft zu geben.
Du wirst einen Sinn in Deinem Leben finden.
Ich weiß nicht, wie und wo Du diesen Sinn, diesen Nutzen des Lebens finden wirst.
Ich suche auch gerade wieder.
Wie schon so oft.
Und ich habe Kinder, Eltern, Geschwister, Freunde, ...
Aber ich bilde mir manchmal ein, sie bräuchten mich nicht. Wozu leben? Wozu Blumen? Für mich nur? Für die Krankheiten? Für die Ärzte?
Irgendwo gibt es diesen Sinn des Lebens.
Er steckt in klitzkleinen Glücksmomenten, die uns glitzernd auf sich aufmerksam machen.
Wie die seltenen glitzernden Kieselchen im Ufersand.
Wie die Welle im Meer, die im Licht der Sonne ganz kurz aufleuchtet.
Wie der Sonnenstrahl, der einen Weg durchs Blätterdach der großen Bäume findet.
Wie der freundliche Blick eines Vorübergehenden.
Wie das nette Wort der Kassiererin.
Du wirst sie finden, diese Glückspünktchen.
Glaube daran in Deinem Kummer und Deiner Angst und überlass sie nicht denen, die es leichter haben im Leben. Du hast sie Dir verdient!
Ich möchte auch gern glauben, dass ich sie mir verdient habe, ich suche - und werde sie finden. Und eins zum anderen legen, immer mehr ...
KaSy