HirnTumor-Forum

Autor Thema: Urteil Hamburg wegen fahrlassiger Tötung aufgrund Epilepsieanfall.  (Gelesen 10734 mal)

fips2

  • Gast
Es gibt immer wieder Diskussionen wegen Teilnahme am Straßenverkehr hinterm Steuer, bei bestehenden Anfallsleiden, oder der Vorbeugung evtl. auftretender Anfälle aufgrund Hirnverletzungen oder Hirn-OPs.

Ob dieses Strafmaß des Urteils jetzt diskutabel ist oder nicht, lasse ich einmal dahingestellt.
Fakt ist. dass der Angeklagte keine Genehmigung zu Teilnahme am Straßenverkehr hatte und Angaben gegenüber der Führerscheinstelle, sowie Anfälle den Arzt gegenüber verschwieg, bzw. falsch angab. Hier kann man fast von Vorsatz ausgehen.

Dieses Urteil sollte eine Warnung sein an Personen, welche sich ebenfalls ähnlich verhalten. Nehmt ein Fahrverbot des Arztes bitte ernst.

Ich stelle hier vorerst dazu ein Zitat des Spiegelsonline, im allgemeine Interesse und Information der im Forum Betroffenen ein.
Sobald das Urteil mit AZ bekannt ist, wird der Beitrag durch Dieses ersetzt.
http://www.spiegel.de/panorama/justiz/hamburger-todesfahrer-von-eppendorf-zu-dreieinhalb-jahren-verurteilt-a-837025.html

Zitat
Hohe Haftstrafe für Hamburger Todesfahrer

.....Der 40-Jährige hatte im vergangenen Jahr im Hamburger Stadtteil Eppendorf vier Menschen totgefahren, unter ihnen waren die Eltern von Woody, Wanja und Jona Mues. .....

Am 12. März 2011 raste Caesar S. in Folge eines epileptischen Anfalls auf einer großen Kreuzung über eine rote Ampel, sein Wagen schleuderte in eine Gruppe von Fußgängern und Radlern. Neben dem Ehepaar Mues starben der Sozialwissenschaftler Günter Amendt und die Künstlerin Angela Kurrer. Drei weitere Opfer erlitten Verletzungen. S. musste sich seit dem 26. März 2012 vor dem Hamburger Landgericht verantworten.

Nun wurde der Todesfahrer wegen fahrlässiger Tötung in vier Fällen für schuldig gesprochen. Die Richter entschieden sich zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung und verurteilten den 40-Jährigen am Dienstag zu drei Jahren und sechs Monaten Haft. Außerdem wird S. für fünf Jahren der Führerschein abgenommen, "leider nicht für immer, wenn ich das mal in meinen eigenen Worten sagen darf", sagte Richterin Woitas. Dazu fehle die juristische Grundlage. Strafschärfend käme für S. hinzu, dass durch seine Schuld vier Menschen ums Leben gekommen seien und viele verletzt wurden, sagte sie. "Ihre Tat berührte fast die Voraussetzungen des bedingten Vorsatzes." ...


....."Hohes Maß an Pflichtwidrigkeit"

Die Vorsitzende Richterin sprach in der Urteilsbekundung von einem "hohen Maß an Pflichtwidrigkeit". Der Angeklagte habe Warnsignale für seine Epilepsie missachtet und sogar seinem Arzt Anfälle verschwiegen. Außerdem sah es das Gericht als erwiesen an, dass S. in der Nacht vor dem Unfall bis 2.30 Uhr Cannabis konsumiert hatte. "Sie haben während des Prozesses nicht zu Ihrer Schuld gestanden", sagte die Richterin an S. gewandt.....

S. selbst drückte kurz vor dem Richterspruch sein Bedauern aus. "Seitdem der Unfall passiert ist, beschäftigt mich das Ereignis jeden Tag und jede Stunde", sagte der 40-Jährige. Es werde ihm wohl nie Ruhe lassen. ....


Ich bitte um Beachtung, auch wenn es noch so schwer fallen dürfte. Ausreden helfen nach eine Unfall nicht weiter, wenn die Tatsachen fest stehen. Hier kommt auch noch verschärfend vorheriger Canabiskonsum dazu, was alleine schon eine Fahruntüchtigkeit darstellt.

Gruß Fips2

Anm.
Es stellt sich jetzt aber auch grundlegend die Frage, ob einem auferlegten Fahrverbot, durch das der Patient ja graviernde Nachteile hat, kein Merkzeigen G vom Versorgungsamt zuzusprechen ist, damit er wegen seiner Erkrankung einen Nachteilsausgleich erhält. Ob es dazu mittlerweile Urteile gibt, welche dem Patienten diesen Nachteil zusprechen, ist mir nicht bekannt. Auf jeden Fall würde es den Anreiz zur widerrechtlichen Teilnahme am Straßenverkehr des Betroffenen einschränken / nicht nötig machen. Irgendwie muss der Betroffene ja seinem Lebensunterhalts-Erwerb nachgehen,  zu dem ja heute meist eine gewisse Mobilität dringend erforderlich ist.

Hier einige Quellen, welche besagen dass ein Merkzeichen G bei Epilepsie u.U. zuzuweisen ist.
http://www.betanet.de/download/betanet_561_Epilepsie---Schwerbehinderung.pdf
http://www.epilepsie-shg-soltau-nord.com/epilepsie_und_rechtsfragen_a_versicherungen.html
http://www.neuro24.de/show_glossar.php?id=249
Zitat
Bei einem Schwerbehinderten mit psychischen und neurologischen Behinderungen kommt der Nachteilsausgleich "G" erst ab einem GdB von 70 in Betracht, weil erst bei dieser Höhe des GdB ein Vergleich mit epileptischen Anfällen mittlerer Häufigkeit gegeben ist

Ich persönlich würde mit dem Versorgungsamt versuchen zu klären das Merkzeichen zu erhalten, falls ein Fahrverbot ausgesprochen wird. Für eine schriftliche Attestierung des Fahrverbots ist für den Nachweis zu sorgen, damit man den VA gegenüber Belege hat. Evtl. soll der Arzt die Häufiigkeit der Anfälle im Attest benennen, damit man den entsprechenden GdB erhält.
« Letzte Änderung: 07. Juni 2012, 11:50:26 von fips2 »

Offline chucks

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Re:Urteil Hamburg wegen fahrlassiger Tötung aufgrund Epilepsieanfall.
« Antwort #1 am: 07. Juni 2012, 21:50:28 »
Danke für den Artikel Fips. Wir haben kein Merkzeichen bekommen wegen des Fahrverbotes, das mein Mann ja eine Zeitlang ca. 6 Monate nach Diagnose hatte. Wäre aber eine echte Maßnahme. Schlimmer Unfall, der da passiert ist.

VG

Carola

Offline krimi

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Re:Urteil Hamburg wegen fahrlassiger Tötung aufgrund Epilepsieanfall.
« Antwort #2 am: 07. Juni 2012, 23:19:49 »
Hallo Fips,

nach meinem Anfall am Mittwoch ist es für mich eine klare Sache Montag mit meinem Neurologen zu besprechen wie ich mich weiter verhalten soll.

Nachdem im Februar nach einem Jahr mein Fahrverbot aufgehoben worden war, habe ich an Tagen an denen es mir nicht so gut ging freiwillig auf das Auto fahren verzichtet.

Ich  arbeite an einer Grundschule und wollte nicht riskieren im Falle eines Falles Kinder meiner Schule zu gefährden. Und andere Menschen natürlich auch nicht.
In der Regel bemerke ich wenn ein Anfall kommt, es kann aber genauso gut auch einmal anders kommen.

Vielen Dank für deinen Beitrag von heute Morgen. Es ist gut, wichtig und richtig an die Eigenverantwortung erinnert zu werden.

Viele Grüße

krimi
Wer einen Platz im Herzen eines Menschen hat, ist nie allein.
______________

http://www.hirntumor.de/forum/index.php/topic,6956.msg50233.html#msg50233

fips2

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Re:Urteil Hamburg wegen fahrlassiger Tötung aufgrund Epilepsieanfall.
« Antwort #3 am: 08. Juni 2012, 10:24:17 »
Ich würde versuchen den Antrag persönlich beim Versorgungsamt abzugeben und mit dem medizinischen Dienst direkt zu reden.Bitte alle neuesten Befunde und Atteste, welche die Sachlage attestiern mitnehmen.
Auf schriftlichen Antrag dauert die Bearbeitung in der Regel 3 Monate.

Bei persönlicher Abgabe des Antrags kann man mit dem Sachbearbeiter und Arzt die Lage näher besprechen und auch evtl. schnellstens ein Merkzeichen auf Zeit zu bekommen. In der Regel sind die Sachbearbeiter sehr freundlich und hilfsbereit, wenn man ihnen ebenfalls freundlich begegnet. Sachliche und ruhige Konversation sollte man anstreben.
Vielleicht darf man sogar den Ausweis direkt mitnehmen. Aktuelles Passbild bitte nicht vergessen.
Man kann ja dann festlegen, dass in bestimmten Abständen( jährlich/ halbjährlich) nachzuprüfen ob die Voraussetzungen noch gegeben sind. Es dürfte eigentlich dazu ein Schreiben des behandelnden Neurologen ausreichen, der die weitere Fahruntauglichkeit mit Anfallshäufigkeit attestiert, bzw kein, in der Beziehung, verbesserter Zustand  des Anfallsstatus eingetreten ist.

Gruß Fips2
« Letzte Änderung: 08. Juni 2012, 14:00:03 von fips2 »

Offline chucks

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Re:Urteil Hamburg wegen fahrlassiger Tötung aufgrund Epilepsieanfall.
« Antwort #4 am: 08. Juni 2012, 21:02:28 »
Fips,

da hast Du mich aber falsch verstanden. Ich habe mit dem Versorgungsamt gersprochen, als mein Mann nicht fahren durfte, wg/ Merkzeichen G. Die sagten ganz klar, dass es das nicht gebe, außer bei einer starken Gehbehinderung. Fahrverbot an sich hat ihnen nicht ausgereicht.

VG

Carola

fips2

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Re:Urteil Hamburg wegen fahrlassiger Tötung aufgrund Epilepsieanfall.
« Antwort #5 am: 09. Juni 2012, 09:16:16 »
Wenn die Voraussetzungen
Zitat
http://www.betanet.de/download/betanet_561_Epilepsie---Schwerbehinderung.pdf

Bei hirnorganischen Anfällen sind die Voraussetzungen für das Merkzeichen
G im Schwerbehindertenausweis gegeben, wenn es durch die Art und
Häufigkeit der Anfälle zu einer Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit
kommt. Davon kann man ausgehen, wenn es sich um hirnorganische Anfälle
ab einer mittleren Anfallshäufigkeit handelt (siehe Tabelle) und diese
überwiegend tagsüber auftreten.


Mittlere Häufigkeit: generalisierte (große) und komplex fokale
Anfälle mit Pausen von Wochen; kleine und einfach- fokale Anfälle
mit Pausen von Tagen
60-80
Häufig: generalisierte (große) und komplex fokale Anfälle
wöchentlich oder Serien von generalisierten Krampfanfällen;
kleine und einfach- fokale Anfälle täglich
90-100
Nach weiteren drei Jahren Anfallsfreiheit bei weiterer
antikonvulsiver Behandlung
30
hätte das Merkzeichen zugeteilt werden müssen.

Ich weis jetzt nicht. welchen GdB bei deinem Mann vorliegt. Es sollten zum Erreichen des Merkzeichens mindestens 70% GdB vorliegen.
Sollte er doch unter die Zuteilung fallen und es wurde dir eine schriftliche Ablehnung erstellt, würde ich Widerspruch einlegen.
Wenn keinerlei schriftliche Unterlagen, den Antrag auf dem Postweg noch mal stellen und dann bei wiederholter Ablehnung den Widerspruch einlegen.

Im  Epilepsiefalle ist der das Merkzeichen zuzuteilen auch wenn keine Gehbehinderung vorliegt. Sachbearbeiter verschanzen sich gerne hinter der Aussage, dass keine Gebehinderung vorläge. Das stimmt zwar, aber im Zuge der Gleichberechtigung und den vorliegenden Ausnahmeregelungen ( es gibt noch mehr Erkrankungen welche die Vorausetzungen bieten, bei denen Ebenfalls keine Gehbehinderung vorliegt) ist eine Zuteilung vorzunehmen. Die Ausnahmeregelungen zu dieser Maßnahme hat er wohl nicht gelesen. Man darf ihn freundlich daran erinnern.
Leg beim Antrag ruhig die o.g. pdf-Datei bei.
Also ist diese Aussage des Sachbearbeiters schlichtweg falsch ausgelegt. Er hat bei der Ablehnung die Voraussetzungen des Merkzeichens aG genommen, welche für die Zuteilung der Parkerleichterungen stehen. Diese stehen hier aber nicht zur Debatte und können auch von Epileptikern nicht erreicht werden. Der Antrag wurde gestellt, das Merkzeichen G zu erhalten, welches dem Patienten erlaubt, nach dem Kauf einer Wertmarke von 60 Euro im Jahr, unentgeltlich öffentliche Verkehrsmittel nutzen.

 Anm. In der Schule würde der Lehrer sagen: "Falsche Antwort.Setzen. Note sechs."  >:(

Spätestens vorm Sozialgericht wird die Behörde verlieren. Das wissen die Sachbearbeiter und pokern. Nimmts der Antragsteller hin---gewonnen. Legt er aber Widerspruch ein, der dann vorm Sozialgericht landet und dessen Kosten die Behörde tragen muss, lenken sie meist ein.
Es ist, meiner Meinung nach, aber doch immer ein Spiel der Behörde auf Zeit. Ein Termin, für eine Verhandlung beim Sozialgericht, dauert in der Regel ca. 6-12 Monate.

Hier noch ein hilfreicher Link :
http://www.versorgungsaemter.de/Schwerbehindertenausweis_Merkzeichen_G.htm

Gruß Fips2
« Letzte Änderung: 09. Juni 2012, 11:14:34 von fips2 »

Offline chucks

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Re:Urteil Hamburg wegen fahrlassiger Tötung aufgrund Epilepsieanfall.
« Antwort #6 am: 10. Juni 2012, 07:32:31 »
Dankefür die Informationen Fips. Ich glaube, ich weiß jetzt auch, warum wir es nicht bekommen haben. Weil mein Mann keinen Anfall hatte, aber der hätte ja drohen können. Deshalb auch das Fahrverbot. Gut zu wissen und das werde ich auf jeden Fall nachreichen, wenn es (hoffentlich noch lange nicht) dazu kommt.

Merci

 



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