Liebe Heike,
Zitat von Dir: „Mein Befund lautet: 3x3x2 cm großes Meningeom über dem Gyrus frontalis medius linksseitig. Der Arzt sagte mir, das wäre über dem linken Auge. Laut deiner Beschreibung, wenn ich das richtig verstehe hast du deins auch links gehabt.
Was genau beschreibt die Stelle wo es liegt, bzw. ist das dann an der Stirn oder an dem Haaransatz ?“
Jetzt geht’s los mit dem „Gehirn-deutsch-latein“. Ich werde erst mal etwas zur Lage Deines Meningeoms schreiben, hole dabei aber etwas weiter aus und hoffe, dass Du dem „wissenschaftlichenTeil“ folgen möchtest.
(Also, kurz geht nicht … kann ich nicht.)
Der Gyrus frontalis medius ist ein Teil des Stirnlappens (Frontallappens) der Großhirnrinde (Cortex cerebri , Cortex = Rinde, cerebri = des Gehirns).
Die Großhirnrinde ist der massive, äußere, stark gefältelte Teil des Gehirns.
(Mal bildlich gesprochen : Da hat – wer auch immer – ein einen Viertel Quadratmeter großen Gehirnlappen wie ein Papierstück zusammengeknüllt und so ist es nun in unseren Köpfen und es kann enorm viel da drauf geschrieben werden.)
Die Großhirnrinde umschließt von oben und von den Seiten weitere Teile des Gehirns, die eines besonderen Schutzes bedürfen, da sie lebenswichtige Prozesse (Herzschlag, Atmung, …) steuern.
Die Großhirnrinde ist von drei Schichten umgeben, den Meningen (Hirnhäute).
Meningeome (von Meningen = Hirnhäute) entwickeln sich in bzw. aus den Meningen, können sie zerstören und in ihrem meist langsamen Wachstum Teile des innen anliegenden Gehirns verdrängen. Das kann sehr lange, mitunter jahrelang ohne Beschwerden des Patienten geschehen, da sich das Gehirn in einem gewissen Maß verdrängen lässt und seine Funktion weiter ausübt.
Die drei Schichten sind:
- Die innere Pia mater (weiche Hirnhaut) umgibt als innerste Hirnhaut direkt die Großhirnrinde.
- Die Arachnoidea (Spinnwebenhaut) ist die mittlere, sehr gefäßreiche Hirnhaut.
- Die harte und kräftige Dura mater (harte Hirnhaut) ist die äußerste Hirnhautschicht, die dem knöchernen Schädel im Inneren anliegt.
Zwischen der pia mater und der Arachnoidea befindet sich der Subarachnoidalraum (sub- = unter; wörtlich: der Raum unter der Spinnwebenhaut), in dem sich die Cerebrospinalflüssigkeit befindet.
(Cerebro = Gehirn; spinal/spinalis = den Rücken betreffend, hier ist das Rückenmark gemeint.)
Es ist also die Flüssigkeit, die das Gehirn und das Rückenmark in deren Subarachnoidalräumen umgibt und auch als Liquor bzw. Hirnwasser bezeichnet wird.
Das Hirnwasser schützt Gehirn und Rückenmark durch seine stoßdämpfende Wirkung.
Außen umgibt den Schädel eine nervenreiche und durchblutete Hautschicht, die kaum über Unterfettgewebe verfügt. Bereits leichte Berührungen werden registriert und auch kleinere Verletzungen können stark bluten.
Der Gyrus frontalis medius ist also Teil des Stirnlappens der Großhirnrinde, die direkt von der inneren weichen Hirnhaut (Pia mater) umschlossen wird.
Gyri (Singular: Gyrus) bezeichnet die Windungen der Großhirnrinde.
Zwischen den Gyri befinden sich die Sulci (Singular: Sulcus), das sind die Furchen der Großhirnrinde.
Den Stirnlappen bilden vor allem:
- der Gyrus frontalis superior (superior = weiter oben befindlich), der Bereich für das Denken
- der Gyrus frontalis medius (medius = mittlerer), der Bereich für das Urteilen
- der Gyrus frontalis inferior (weiter unten gelegen), der Bereich für das Fühlen
Diese Bereiche, die wesentliche Teile der Persönlichkeit ausmachen, sind aber recht groß und durch Dein Meningeom mit ziemlicher Sicherheit noch nicht geschädigt worden. Ein Meningeom dringt nicht in das Gehirn ein, es verdrängt es „nur“.
Da es aber bei der OP zu Erschütterungen oder Berührungen dieser Bereiche kommen könnte, wird sich Dein Gehirn verschnupft zeigen und nach Ruhe verlangen, um sich von diesem „Ärger“ erst mal zu erholen, bis es wieder „voll und ganz auf Dich hört“... (wie der Geist aus der Flasche ...).
Ich versuche mal eine Lagebeschreibung des Gyrus frontalis medius nach einer mir vorliegenden bildlich dargestellten MRT-Serie von Koronarschnitten. (koronar = eine von drei MRT-Schnittebenen)
Für das Verständnis von MRT-Befunden sind diese drei Schnittebenen interessant:
- koronar = senkrecht, von der Stirn beginnend bis zum Hinterkopf
- sagittal = senkrecht, von einer Seite beginnend bis zur anderen Seite
- horizontal = waagerecht, von oben beginnend bis zum untersten Teil des Gehirns
Du suchst die Stelle, die etwa mittig zwischen Ohr und Auge rechts und links am Kopf liegt. Hier stellst Du Dir vor, dort würde sich senkrecht ein A4 großes Stück Pappe befinden.
Über Deinem linken Auge befindet sich etwa 3 cm unter der oberen Kopfhaut der Bereich, wo Dein Meningeom sich so groß „wie eine schöne Pflaume“ ausgebreitet hat.
Es hat vermutlich bereits ein Stück vom Gehirn verdrängt, besteht aber als Meningeom aus Zellen, die den Hirnhautzellen nachempfunden sind und die Hirnhaut verdicken.
Welche von den drei Schichten, das weiß ich nun auch nicht, obwohl mein erstes Meningeom auch etwa diese Größe und diese Lage hatte.
Auch wenn das Meningeom über dem Auge liegt, ist es weit genug weg, um das Auge direkt schädigen zu können. Die Gehirnbereiche, die für das Sehen zuständig sind, befinden sich im hintersten Gehirnbereich.
Die Bereiche, die für den Geruch, den Geschmack und weitere emotionale Empfindungen zuständig sind, befinden sich in den Gyri orbitofrontales, die sich an der vorderen (frontal), unteren Seite des Gehirns befinden. Sie liegen nahezu auf den Augenhöhlen (orbitae). Dieser Bereich ist auch weit genug weg.
Bei mir wurde der Schnitt als so genannter Bügelschnitt fast von Ohr zu Ohr oben über den Kopf geführt.
Über das weitere Vorgehen will ich gar nichts wissen, ich durfte es ja verschlafen und träumte von Schmetterlingen und Blumen und meinem Apfelbaum mit goldenen Äpfeln.
Heutzutage werden die Haare meist erst in der Narkose so weit abgeschnitten, wie es der Chirurg benötigt. Also schneide Dir nicht etwa vorher eine Glatze!
Vielleicht werden Deine Haare danach die Narbe verdecken. Wenn die „Schneise“ sichtbar bleibt, kannst Du es mit netten Tüchern verdecken.
Für weitere Fragen bin ich offen.
Ich werde Dich wahrscheinlich auch nicht noch mal derart wissenschaftlich "erschlagen". Aber mich hat es auch für mich selbst interessiert ...
Ich wünsche Dir schöne Träume während der OP und die Abarbeitung Deines Fragezettels davor.
Deine KaSy