Hallo, Lütt Büttje, Du Küstenjung`,
ich bin ähnlich betroffen wie Du.
- Ich habe die erste Meningeom-OP (WHO I, Größe so zwischen Pflaume und Hühnerei) im Jahr 1995 gehabt mit erfolgreicher, vollständiger Entfernung.
- 1999 wurde ein Meningeom an der gleichen Stelle entdeckt, das sich netzartig weitflächig über die erste Tumorstelle ausgebreitet hatte. Es wurde mit WHO III eingestuft, und es war für die Ärzte logisch, dass nach der OP zu bestrahlen ist. Ich fand das auch gut so, denn wenn ein Meningeom ein Mal wiederkehrt, kann es das auch öfter tun. Die Bestrahlung bewirkte auch, dass an dieser relativ großen Stelle auf dem linken Oberkopf kein Tumor mehr festgestellt wurde.
- Allerdings scheinen sich einige Zellen in einen Zustand als "Schläfer" begeben zu haben und im Jahr 2007 wurde ein kleines Menigeom (etwa Kirschgroß) am rechten Rand (über dem Ohr) meiner Bügelschnittnarbe festgestellt, operiert und mit WHO III eingestuft. In der Tumorkonferenz wurde über die Möglichkeit einer zweiten Bestrahlung diskutiert und dagegen plädiert.
- 2011 wurden rechts und links an den unteren Rändern dieser Narbe ähnlich kleine Meningeome entdeckt und beide in einer OP von zwei parallel arbeitenden Neurochirurgen entfernt. Nun erfolgte die zweite Bestrahlung, allerdings nur rechts, da nach Meinung der Strahlentherapeutin der linke Tumor zu nah am vorbestrahlten Gebiet sei und er ja erstmalig aufgetreten sei.
Ich hätte es damals lieber gehabt, wenn auch dort der "Strahlenhammer" dem Meningeom den letzten Rest gegeben hätte.
Heute sehe ich es etwas anders, denn obwohl die letzten Meningeome nach Aussagen der Neurochirurgen klein und nicht so bedeutend waren, habe ich deutliche kognitive und heftige psychische Folgen davon getragen und muss womöglich einsehen, dass ich noch sehr lange nicht oder gar nie wieder in meinem geliebten Beruf arbeiten kann.
Aber zu Dir:
Bestrahlungen haben dann den meisten Effekt, wenn die Wachstumsgeschwindigkeit, also das Tempo der Zellteilung, möglichst hoch ist.
Es wird ja 5 mal in der Woche bestrahlt und das 6 Wochen lang. (Das ist das meist verwendete Verfahren.) Wenn sich die Zellen nur recht selten teilen, dann bringen die zerstörenden Strahlen nicht den Erfolg. Denn die Zellen sind am empfindlichsten, wenn sie sich gerade teilen, wenn also der Zellkern sich in zwei Teile teilt und erst wieder zu einem vollständigen Zellkern heranwachsen muss. Außerdem teilt sich fast zeitgleich die Zelle, indem sich die Zellmembran einschnürt und in dieser Situation auch weniger stabil ist.
Für WHO I-Tumoren kommen damit Bestrahlungen nicht in Frage.
Auch WHO II-Tumoren wie Deine Meningeome wachsen noch relativ langsam und sind also für eine Bestrahlung nicht so gut geeignet.
Bestrahlungen wirken ja nicht nur tötend auf die Tumorzellen, es gibt immer auch planmäßig einen Sicherheitsbereich um das Tumorgebiet herum, der mit bestrahlt wird. Außerdem sind die Strahlenstärken direkt vor und nach dem Zielgebiet nicht gleich Null. Es kann also kurzfristige Folgen geben, die sich meist wieder nach einigen Wochen / wenigen Monaten normalisieren. Aber es kann auch zu Langzeitfolgen kommen, die sich erst später herausstellen.
Deshalb wird also der Sinn einer Bestrahlung im Interesse des Patienten gut von den mitwirkenden Fachärzten diskutiert.
Gerade die Nähe zum Sehzentrum ist bei Dir ein bedeutender Ausschlussfaktor, wenn man nicht die Erblindung verursachen will!
Bei meiner ersten Bestrahlung kam der Strahlenarzt nach dem Berechnen des Bestrahlungsbereiches zu mir und sagte gleich als erstes, dass das Auge verschont bleiben würde. Das war ihm offensichtlich sehr wichtig. Mir natürlich auch.
Wenn also zum Zwecke der Meningeomentfernung die Nutzen-Schaden-Abwägung dazu führt, dass eine Erblindung die Nebenwirkung wäre, wird sich das Ärzteteam dagegen entscheiden und andere Möglichkeiten erwägen und diskutieren.
Bei Dir ist das nun die Chemotherapie mit Avastin.
Es scheint sich tatsächlich um eine "letzte Möglichkeit" bei der Lage Deines Resttumors zu handeln, da weder operiert noch bestrahlt werden kann.
Ich selbst habe mit meiner Strahlenärztin gesprochen, ob es bei weiteren Meningeomen auch die Möglichkeit der Chemotherapie gäbe, falls die Bestrahlung nicht mehr möglich sein sollte. Sie sagte ganz klar, dass diese Möglichkeit nicht besteht.
Insofern meine ich, dass Dein Arzt / die Ärzte jetzt die sich entwickelnde Möglichkeit einer Chemotherapie für Dein Meningeom einsetzen würden, auch wenn sie noch kaum bei dieser Tumorart erprobt wurde.
Übrigens gab es im Jahr 1995 (mein erster HT) noch keinerlei Möglichkeit der Chemotherapie bei Hirntumoren, da es noch nicht gelungen war, mit Medikamenten die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden. Die Forschungen gehen aber mächtig voran.
Zu Deiner Frage wegen der MRT-Technik:
In "meinem" Krankenhaus gab es bis vor einem Jahr ein MRT-Gerät mit einer Magnetfeldstärke von 1,5 Tesla. In diesem Gerät waren auch vorbehaltlos Untersuchungen möglich, wenn Metall in Form von meinen Titanklammern an der Palacosplastik (Knochenersatz) im Kopf ist. Nun gibt es auch ein 3 Tesla-Gerät, das dünnere Schnittbilder erzeugt. (Wie dick oder dünn, das weiß ich für die beiden Geräte nicht, das weiß aber unser Moderator fips2, glaube ich.) Jedenfalls darf ich sicherheitshalber nicht in das 3 Tesla-MRT, aus Vorsichtsgründen. Eigentlich sollte da auch nichts passieren, aber es gibt eben noch keine Erfahrungen. Sollte der Arzt undedingt die genaueren Bilder benötigen, würde die vage Gefahr sicher gegen die bessere Bildauflösung abgewogen werden und vermutlich würde dann dieses Gerät genutzt werden.
Die Frage ist natürlich, ob es in HH ein 3 Tesla-Gerät gibt.
Ich möchte noch kurz etwas zum Eintrag vom Pem schreiben, die Dir gleich richtig geantwortet hat. Ihr Mann hat kein Meningeom, sondern ein Astrozytom, das im Gehirn wächst.
Bei dieser Hirntumorart wird die Avastintherapie bereits länger eingesetzt.
Durch das Astrozytom oder/und die OP bei ihm wurde der Sehnerv „erwischt“, bei Dir „drängelt“ sich Dein Meningeom an das Sehzentrum im hinteren Gehirnbereich.
(Ich hoffe, ich habe Dich mit der Länge des Beitrags nicht „erschlagen“.)
Wichtig sind Zweitmeinungen auf jeden Fall. Als Küstenjung´hättest Du Greifswald mit einer sehr bemerkenswerten Neurochirurgie und Hirntumorerfahrung in der relativen Nähe.
Bleib weiter stark und nutze uns hier ruhig aus! (Ich schreibe nicht immer so schrecklich lang.)
Gruß
KaSy