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Autor Thema: Epilepsie-Medikamente sollte man nehmen  (Gelesen 14973 mal)

Johanna Teig

  • Gast
Epilepsie-Medikamente sollte man nehmen
« am: 21. März 2004, 20:56:44 »
Hier ein Artikel, der im stern erschienen ist. Es geht darum, dass epileptische Anfälle nicht als harmlos abgetan werden sollten. Ich denke, auch die nicht so offensichtlichen Anfälle müssen behandelt werden, sogar nach einer erfolgreichen OP. Mein Neurochirurg hat es so formuliert: Das Gehirn braucht eine gewisse Zeit, um die Anfälle wieder zu "verlernen". Dazu helfen die Medikamente.

Voraussetzung ist natürlich erstmal, dass die Anfälle richtig als solche diagnostiziert werden und nicht mit psychischen Reaktionen auf die Krankheit verwechselt werden. Ein Neurologe, der kein EEG macht oder bei der Auswertung nur einen kurzen Blick darauf wirft, ist verdächtig (hab' ich alles schon erlebt).


Kurzschluss im Kopf

  Autor(en):   Jan Schweitzer  
  Erscheinungsdatum :   2003-02-27 00:00:00  
  Heft :   Jahr 2003  Heft 10  Seite 162  
  Text (Großzitat):  

Darren Barratt starb an einer Krankheit, die angeblich gar nicht lebensgefährlich war. Mit 14 Jahren hatte der englische Junge die ersten epileptischen Anfälle bekommen. Unkontrolliert zuckende Arme und Beine, verdrehte Augen, ein zur Grimasse verkrampftes Gesicht - das sind gängige Symptome des Leidens, und meist sehen sie dramatischer aus, als sie sind. Bei Darren jedoch endeten die Aussetzer im Gehirn eines Nachts tödlich. »Hätte uns jemand aufgeklärt, hätten wir vielleicht auf bestimmte Dinge geachtet«, klagte Amanda Barratt nach dem Tod ihres Sohns, der nur 16 Jahre alt wurde. Aber die Ärzte hatten die Familie nicht gewarnt.

Das ist nicht ungewöhnlich. Noch immer herrscht bei vielen Medizinern der Glaube vor, die Epilepsie beeinträchtige zwar das Leben vieler Betroffener, habe aber im Grunde keine ernsthaften Folgen. Experten hingegen warnen inzwischen vor einer Verharmlosung der »Fallsucht«. Eine Studie aus England beziffert die Zahl der Menschen, die durch das Krampfleiden sterben, mit jährlich 1000 - allein in Großbritannien. »Das sind mehr Todesfälle als durch Aids«, sagt der Neurologe Christian Elger, Chef der Universitätsklinik für Epileptologie in Bonn. »Diese Zahl hat uns schwer überrascht.« Robert Fisher, Neurologe an der amerikanischen Stanford-University, schätzt, dass von 10000 Patienten mit einer schweren Epilepsie jährlich bis zu 15 an ihrer Krankheit sterben. Und sein Kollege Thomas Sutula von der Universität Wisconsin sagt: »Es beunruhigt mich wirklich, dass die Epilepsie bisher bagatellisiert wurde.« Das Leiden gilt als eine der häufigsten Hirnerkrankungen, in Deutschland sind etwa 800000 Menschen betroffen. Manche haben nur alle paar Wochen für einen Sekundenbruchteil einen Aussetzer. Andere bekommen zehn-, 20-mal am Tag Anfälle, stürzen zu Boden, zucken, röcheln und schäumen aus dem Mund. Oder sie fangen mit einem Mal an zu schmatzen, starren teilnahmslos vor sich hin, sind weggetreten. Hinterher fühlen sich die Geplagten müde, müssen oft stundenlang schlafen. Für manche sei dann »ein ganzer Tag weg, einfach ausgelöscht aus ihrem Leben«, sagt Elger. ÜBEREIFRIGE NERVENZELLEN im Gehirn, die über einen ungewöhnlich langen Zeitraum starke elektrische Signale abfeuern, sind Ursache der Aussetzer. Schließen sich viele dieser Zellen zusammen und entladen sich koordiniert, übertönen sie das normale Durcheinander von elektrischen Signalen im Gehirn - wie ein Kanonenschlag, der während eines Silvesterfeuerwerks explodiert. Regionen mit solchen überaktiven, fehlgeleiteten Zellen sind oft Folge von Hirnverletzungen, -tumoren, und -entzündungen. Oder sie sind einfach angeboren. Bisher glaubte man, Epileptiker kämen vor allem durch die Begleiterscheinungen solcher Anfälle ums Leben, etwa durch Ertrinken in der Badewanne. Jetzt aber macht ein neuer Begriff die Runde: Sudep. Die englische Abkürzung steht für sudden unexpected death in epilepsy patients - plötzlicher unerwarteter Tod von Epilepsie-Patienten. Wie bei einem Kurzschluss, der ein ganzes Haus lahmlegt, wird bei einem epileptischen Anfall vermutlich mit einem Schlag Atmung oder Herzschlag ausgeschaltet - unwiederbringlich. Im Mai vergangenen Jahres beschrieben australische Forscher weitere drastische Auswirkungen der Krankheit: Bei Patienten mit wiederholten und unkontrollierten Anfällen schrumpfte der so genannte Hippocampus um knapp zehn Prozent. Diese Hirnregion ist beteiligt an der Gedächtnisbildung. »Die Hälfte aller schwer behandelbaren Epilepsie-Patienten hat Gedächtnisstörungen«, sagt Elger. Es gilt die fatale Faustregel: Je mehr Anfälle, desto schwerer der Schaden im Gehirn. Andere Studien zeigen, dass die Epilepsie zum Teufelskreis werden kann. Denn manche Anfälle schädigen Regionen des Gehirns so sehr, dass diese zu Herden für immer neue Anfälle werden. BEI BIS ZU ZWEI DRITTELN der Epileptiker lassen sich immerhin die Symptome der Krankheit mit Medikamenten beherrschen. Neue Forschungsergebnisse von Wissenschaftlern mehrerer amerikanischer Universitäten zeigen jedoch, dass die so genannten Antikonvulsiva nach durchschnittlich neun Jahren nicht mehr wirken - unabhängig davon, wie früh die Behandlung begonnen wird. Bisher galt die Lehrmeinung: Je früher jemand auf die Medikamente anspricht, desto besser ist seine Prognose. So bleibt den Betroffenen manchmal nur eine Operation, bei der Chirurgen zielgenau die Orte des Übels entfernen und damit häufig den Anfällen ein Ende machen. Und die Hoffnung auf neue Medikamente. In nicht allzu ferner Zukunft, so meint Elger, werde es ein Mittel geben, das »dem Zelltod im Anfall entgegenwirkt«. Mehr Infos im Internet www.epilepsie-online.de Wissenswertes über die Krankheit und ihre Behandlung; Adressen, Links Bildunterschrift: Eine Epileptikerin während eines Anfalls, bei dem ihre Hirnströme aufgezeichnet wurden: Der Beginn des Krampfs ist an den starken Ausschlägen im EEG gut zu erkennen. Nach etwa zwei Minuten wirkt die Frau erschöpft und entspannt - die Hirnstromkurven zeigen jedoch, dass die Nervenzellen im Kopf immer noch übermäßig aktiv sind / Fotonachweis: JÖRG WISCHMANN, AGENTUR FOCUS

Das ist nicht ungewöhnlich. Noch immer herrscht bei vielen Medizinern der Glaube vor, die Epilepsie beeinträchtige zwar das Leben vieler Betroffener, habe aber im Grunde keine ernsthaften Folgen. Experten hingegen warnen inzwischen vor einer Verharmlosung der »Fallsucht«. Eine Studie aus England beziffert die Zahl der Menschen, die durch das Krampfleiden sterben, mit jährlich 1000 - allein in Großbritannien. »Das sind mehr Todesfälle als durch Aids«, sagt der Neurologe Christian Elger, Chef der Universitätsklinik für Epileptologie in Bonn. »Diese Zahl hat uns schwer überrascht.« Robert Fisher, Neurologe an der amerikanischen Stanford-University, schätzt, dass von 10000 Patienten mit einer schweren Epilepsie jährlich bis zu 15 an ihrer Krankheit sterben. Und sein Kollege Thomas Sutula von der Universität Wisconsin sagt: »Es beunruhigt mich wirklich, dass die Epilepsie bisher bagatellisiert wurde.«

Das Leiden gilt als eine der häufigsten Hirnerkrankungen, in Deutschland sind etwa 800000 Menschen betroffen. Manche haben nur alle paar Wochen für einen Sekundenbruchteil einen Aussetzer. Andere bekommen zehn-, 20-mal am Tag Anfälle, stürzen zu Boden, zucken, röcheln und schäumen aus dem Mund. Oder sie fangen mit einem Mal an zu schmatzen, starren teilnahmslos vor sich hin, sind weggetreten. Hinterher fühlen sich die Geplagten müde, müssen oft stundenlang schlafen. Für manche sei dann »ein ganzer Tag weg, einfach ausgelöscht aus ihrem Leben«, sagt Elger.

ÜBEREIFRIGE NERVENZELLEN im Gehirn, die über einen ungewöhnlich langen Zeitraum starke elektrische Signale abfeuern, sind Ursache der Aussetzer. Schließen sich viele dieser Zellen zusammen und entladen sich koordiniert, übertönen sie das normale Durcheinander von elektrischen Signalen im Gehirn - wie ein Kanonenschlag, der während eines Silvesterfeuerwerks explodiert. Regionen mit solchen überaktiven, fehlgeleiteten Zellen sind oft Folge von Hirnverletzungen, -tumoren, und -entzündungen. Oder sie sind einfach angeboren.

Bisher glaubte man, Epileptiker kämen vor allem durch die Begleiterscheinungen solcher Anfälle ums Leben, etwa durch Ertrinken in der Badewanne. Jetzt aber macht ein neuer Begriff die Runde: Sudep. Die englische Abkürzung steht für sudden unexpected death in epilepsy patients - plötzlicher unerwarteter Tod von Epilepsie-Patienten. Wie bei einem Kurzschluss, der ein ganzes Haus lahmlegt, wird bei einem epileptischen Anfall vermutlich mit einem Schlag Atmung oder Herzschlag ausgeschaltet - unwiederbringlich.

Im Mai vergangenen Jahres beschrieben australische Forscher weitere drastische Auswirkungen der Krankheit: Bei Patienten mit wiederholten und unkontrollierten Anfällen schrumpfte der so genannte Hippocampus um knapp zehn Prozent. Diese Hirnregion ist beteiligt an der Gedächtnisbildung. »Die Hälfte aller schwer behandelbaren Epilepsie-Patienten hat Gedächtnisstörungen«, sagt Elger. Es gilt die fatale Faustregel: Je mehr Anfälle, desto schwerer der Schaden im Gehirn. Andere Studien zeigen, dass die Epilepsie zum Teufelskreis werden kann. Denn manche Anfälle schädigen Regionen des Gehirns so sehr, dass diese zu Herden für immer neue Anfälle werden.

BEI BIS ZU ZWEI DRITTELN der Epileptiker lassen sich immerhin die Symptome der Krankheit mit Medikamenten beherrschen. Neue Forschungsergebnisse von Wissenschaftlern mehrerer amerikanischer Universitäten zeigen jedoch, dass die so genannten Antikonvulsiva nach durchschnittlich neun Jahren nicht mehr wirken - unabhängig davon, wie früh die Behandlung begonnen wird. Bisher galt die Lehrmeinung: Je früher jemand auf die Medikamente anspricht, desto besser ist seine Prognose.

So bleibt den Betroffenen manchmal nur eine Operation, bei der Chirurgen zielgenau die Orte des Übels entfernen und damit häufig den Anfällen ein Ende machen. Und die Hoffnung auf neue Medikamente. In nicht allzu ferner Zukunft, so meint Elger, werde es ein Mittel geben, das »dem Zelltod im Anfall entgegenwirkt«.


Mehr Infos im Internet:
www.epilepsie-online.de Wissenswertes über die Krankheit und ihre Behandlung; Adressen, Links

« Letzte Änderung: 27. Juli 2008, 18:18:57 von Ulrich »

 



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