HirnTumor-Forum

Autor Thema: Langzeitschäden nach Ganzhirnbestrahlung  (Gelesen 16605 mal)

Offline Cookies

  • Junior Mitglied
  • **
  • Beiträge: 24
    • Profil anzeigen
Langzeitschäden nach Ganzhirnbestrahlung
« am: 12. Februar 2013, 23:18:22 »
Hallo zusammen,

bei meinem Mann (Jahrgang 1944) wurde im März 2012 ein primäres non-Hodgkin ZNS-Lymphom (multilokulärer Befall, Haupttumor rechts trigonal) diagnostiziert. Nach einer gescheiterten Chemo mit MTX und Cytarabin wurde Anfang Mai notfallmäßig mit einer Ganzhirnbestrahlung begonnen, insgesamt 50,8 Gray. Die Bestrahlungen waren Mitte Juni abgeschlossen.

Während der Chemo hatte sich der Zustand meines Mannes soweit verschlechtert, dass er linksseitig fast völlig gelähmt war und kaum mehr ansprechbar war (Somnolenz). Durch die Bestrahlungen hatte sich das bald soweit gebessert, dass er mit Gehhilfe und meiner Unterstützung SEHR langsam laufen konnte.

Seit er wieder zu Hause ist, hat er je zweimal wöchentlich Ergo- und Physiotherapie. Und obwohl er gerade vor einigen Tagen erst wieder zur MRT-Kontrolle war, die gottlob keine neuen Tumorzellen gezeigt hat, habe ich das Gefühl, dass er geistig etwas nachlässt. Natürlich gibt es immer mal bessere und mal schlechtere Tage, sowohl im physischen als auch im mentalen Bereich. Aber auch die Ergotherapeutin meinte jetzt, dass er seit einiger Zeit eher nachlässt, statt sich zu verbessern.

Seine körperlichen Probleme sind folgende: Einschränkung der linken Körperhälfte, d.h. Schlurfen des linken Beines, Fußheberschwäche, eingeschränkte Beweglichkeit beim linken Arm.
Die mentalen Probleme sind: 
Massiv gestörtes Zeitempfinden, d.h. er glaubt immer, dass es morgens ist, wenn er tagsüber schläft und dann wach wird; er findet sich im Kalender nicht zurecht; er kann Tageszeiten nicht einordnen, obwohl er Uhr und Kalender hat und beides auch ablesen kann.
Fehlendes planerisches Denken, d.h. er kann keine Tätigkeiten für die allernächste Zukunft planen und durchführen. Z.B. will er sofort Schuhe und Jacke anziehen, wenn ich sage, dass wir in zwei Stunden zum Arzt oder sonstwo hinfahren wollen. Alle Pläne oder Ankündigungen für den weiteren Tagesverlauf oder auch für die nächsten Tage interpretiert er so, als würde das SOFORT passieren.
Gelegentliche Orientierungsschwierigkeiten, er findet auch im eigenen Haus manchmal nicht das Bad oder das Schlafzimmer.
Konzentrations- und Gedächtnisschwäche, das brauche ich nicht weiter zu erklären.

Bislang habe ich immer gedacht, dass die Therapien alles zwar langsam, aber doch einigermaßen stetig, verbessern. In letzter Zeit bin ich mir da nicht mehr so sicher. Der Onkologe, der die Nachbetreuung macht, konnte mir zu Langzeitschäden einer Bestrahlung nicht viel sagen, zumal ja auch nicht zu trennen ist, was der Tumor und was die Bestrahlung zerstört hat.

Weiß jemand mehr über solche Langzeitschäden?

Übrigens hat mein Mann keine Reha nach den Bestrahlungen gehabt. Erstens wollte ich ihm wegen der Orientierungsprobleme nicht einen weiteren Ortswechsel zumuten, zweitens wollte er selber nach drei Monaten im Krankenhaus auch nur noch nach Hause und nirgends sonst hin.

Liebe Grüße,
Cookies

Offline KarlNapf

  • Global Moderator
  • God Mitglied
  • *****
  • Beiträge: 618
    • Profil anzeigen
Re:Langzeitschäden nach Ganzhirnbestrahlung
« Antwort #1 am: 13. Februar 2013, 09:05:37 »
Du könntest einmal ein offenes Wort mit dem Onkologen sprechen. Er soll Dir sagen, ob bei der Ganzhirnbestrahlung eher ein kurativer oder ein palliativer Ansatz verfolgt wurde.

kurativ = heilend
palliativ = lindernd (pallium = Mantel)
Dum spiro, spero = So lange ich atme, hoffe ich. (Cicero, ad Atticum 9,11)

© Die Inhalte unserer Seiten sind urheberrechtlich geschützt (Copyright). Die Informationen sind nur für Ihren persönlichen Gebrauch bestimmt. Jede Verwendung, insbesondere die Speicherung, Veröffentlichung, Vervielfältigung (auch auf elektronischen Speichermedien oder in Diskussionsforen) und jede Form von gewerblicher Nutzung - auch in Teilen oder in überarbeiteter Form - ist ohne Zustimmung ausdrücklich untersagt. Bitte beachten Sie die Hinweise und Nutzungsbedingungen des Forums.

Offline Cookies

  • Junior Mitglied
  • **
  • Beiträge: 24
    • Profil anzeigen
Re:Langzeitschäden nach Ganzhirnbestrahlung
« Antwort #2 am: 13. Februar 2013, 18:04:30 »
Der Oberarzt der Radiologie hatte mir damals beim Aufklärungsgespräch gesagt, dass die Bestrahlungen palliativen Charakter haben würden, weil Lymphome sowieso nicht vollständig geheilt werden könnten. Man könnte sie nur zurückdrängen und hoffen, dass sie möglichst lange nicht wieder zu wachsen anfangen.

In der damaligen Situation habe ich natürlich gar nicht erfassen können, was das alles konkret bedeutet. Mein Mann war beim Aufklärungsgespräch schon gar nicht mehr richtig ansprechbar, eine Wahl oder auch nur Zeit zum Überlegen hatten wir im Grunde nicht.

Aber was macht das für einen Unterschied in Bezug auf Spätschäden? Wird bei palliativer Bestrahlung "rücksichtsloser" vorgegangen, weil man glaubt, dass es eh egal ist, was für Schäden entstehen?

Trotz gutem MRT-Ergebnis in der letzten Woche mache ich mir zunehmend Sorgen über den weiteren Verlauf, es kommt mir vor, als wäre jede weitere Untersuchung eine Runde "Russisch Roulette" und irgendwann erwischt man die Kugel doch. Die Überlebensraten bei Lymphomen sind ja nicht ermutigend und je mehr ich hier im Forum über die Krankengeschichten lese, umso mehr wachsen meine Sorgen. Ich fürchte, ich habe in den letzten Monaten sehr viel verdrängt und mich einfach erstmal voll auf die unmittelbare Gegenwart konzentriert. Dabei habe ich total ausgeblendet, dass der momentane Zustand definitv nicht auf Dauer bleiben wird, sondern sich über kurz oder lang zum Schlechteren wenden wird. Aber ich glaube, man kann die Gegenwart mehr genießen und wertschätzen, wenn man sich nicht ständig vor Augen führt, was noch alles auf einen zukommt.

Cookies

Offline KaSy

  • Mitglied Forum
  • God Mitglied
  • *****
  • Beiträge: 2715
  • Ich gebe niemals auf!
    • Profil anzeigen
Re:Langzeitschäden nach Ganzhirnbestrahlung
« Antwort #3 am: 13. Februar 2013, 18:52:06 »
Liebe Cookies,

Dass ein palliativer Ansatz bei der Bestrahlung verfolgt wird, heißt auf keinen Fall, dass rücksichtsloser mit den Strahlen umgegangen wird!

Palliativ bedeutet, dass man davon ausgehen muss, dass trotz aller Therapie ein sehr langes und beschwerdefreies Leben nicht mehr ermöglicht werden kann. Die Ärzte möchten unter diesem Aspekt alles versuchen, um die Lebenssituation Deines Mannes, die durch die Krankheit (!) bereits eingeschränkt ist, wenigstens einigermaßen zu verbessern für die leider verkürzte Zeit seines Lebens.

Ich würde Dir wirklich wünschen und empfehlen, jeden Tag mit Deinem Mann zu genießen, je nachdem wie es ihm gerade geht. Es wird immer wieder gute Tage, gute Stunden geben, aber auch andere. Denke nicht an gestern oder morgen, registriere keine Verläufe, suche keine Schuldigen.

Nutze das - naja - Positive der Krankheit und lerne, jede Stunde wertzuschätzen, jeden Tag etwas Schönes zu finden - ein Lächeln, ein Sonnenstrahl, ein Weg zu zweit, die Hand in seiner ...
Lebt intensiv!
Und freut Euch an jedem Tag, dass es Euch gibt.

Deine KaSy
Wenn man schon im Müllkasten landet, sollte man schauen, ob er bunt angemalt ist.

Der Hirntumor hat einen geänderten und deswegen nicht weniger wertvollen Menschen aus uns gemacht!

Offline KarlNapf

  • Global Moderator
  • God Mitglied
  • *****
  • Beiträge: 618
    • Profil anzeigen
Re:Langzeitschäden nach Ganzhirnbestrahlung
« Antwort #4 am: 14. Februar 2013, 09:27:40 »
In genau diese Richtung wollte ich die Gedanken lenken. Man erwartet bei einer Ganzhirnbestrahlung vielleicht eine Linderung, eine Verzögerung, einen zeitlichen Aufschub.

Ich habe vor Jahren einen Menschen getroffen, der nach einer Ganzhirnbestrahlung zwar erkennbar in der Reaktion verzögert war (wenn ich mit ihm sprach), der aber mit seiner Frau (sie fuhr!) im Wohnmobil noch große Reisen unternahm. Auch das gibt es.

Ich schließe mich KaSys Bemerkungen an: Nützt die verbleibende Zeit so gut es geht. Zeig' ihm Deine Liebe und Zuneigung. Gib' ihm einen Rückhalt. Er braucht es. Jetzt. Heute. Morgen. Aber mach' Dir keine Sorgen um die Langzeitschäden.

Dum spiro, spero = So lange ich atme, hoffe ich. (Cicero, ad Atticum 9,11)

© Die Inhalte unserer Seiten sind urheberrechtlich geschützt (Copyright). Die Informationen sind nur für Ihren persönlichen Gebrauch bestimmt. Jede Verwendung, insbesondere die Speicherung, Veröffentlichung, Vervielfältigung (auch auf elektronischen Speichermedien oder in Diskussionsforen) und jede Form von gewerblicher Nutzung - auch in Teilen oder in überarbeiteter Form - ist ohne Zustimmung ausdrücklich untersagt. Bitte beachten Sie die Hinweise und Nutzungsbedingungen des Forums.

Offline Baobab

  • Full Mitglied
  • ***
  • Beiträge: 53
    • Profil anzeigen
Re:Langzeitschäden nach Ganzhirnbestrahlung
« Antwort #5 am: 14. Februar 2013, 17:30:39 »
Hallo Cookies,

Mein Mann mit Diagnose Glioblastom, bekam nach der OP auch eine Ganzhirnbestrahlung (Gesamtdosis 45 Gray) und Chemo. Danach hatte er auch einige Aussetzer, d.h. z.B wusste er nicht was für einen Tag wir hatten oder ihm fehlten die Worte, so dass er keinen Satz formulieren konnte, manchmal nur ein Wort heraus brachte.
Die Bestrahlung / Chemo war im Februar 2012 und die Chemo mit Temodal endete Anfang Oktober. Seitdem erholt er sich von Tag zu Tag. Zurückgeblieben ist nur noch ein schlechtes Hören, weil die Härchen im Ohr bei der Bestrahlung verbrannt wurden.

Seit Februar geht er wieder stundenweise arbeiten.

Ich weiß nicht, ob ich dir damit weiter helfen konnte, denn ich glaube, dass sich die Bestrahlung, wie die Chemo bei jedem anders auswirkt.

Ich wünsche dir noch viel Stärke und eine Besserung deines Mannes.

Alles Liebe
Baobab

 



SMF 2.0.19 | SMF © 2022, Simple Machines
Hirntumor Forum © 1996-2022 hirntumor.de
Impressum | Datenschutzerklärung