Hallihallo,
Im Folgenden möchte ich einen Bericht geben über die Erfahrungen die ich im Verlauf der Einholung von Zweitmeinungen zu einem Tumorbefund gemacht habe. Ich hoffe diese Erfahrungen und Informationen können anderen nützlich sein.
Zunächst der Befund, der zufällig im Rahmen einer MRT-Untersuchung gemacht wurde:
„
Auffallend eine parenchymisointense Raumforderung intra-, supra- und parasellär, homogen strukturiert und kräftig, etwas inhomogen kontrastmittelaufnehmend. Der Prozess ummauert den Carotissyphon beidseits und füllt den Sinus Cavernosus nahezu komplett aus. Zusätzlich wächst der Tumor entlang der Clivushinterkante tapetenförmig nach caudal bis zum Foramen Jugulare rechts und zeigt zipflige Ausläufer entlang des Tentoriums. Diese Wachstumsform spricht für einen Tumor meningealen Ursprungs.“
Meine Recherchen zu diesem Befund (auch in anderen Diskussionen dieses Forums nachzulesen) ergaben, dass es sich um einen ziemlich problematischen Tumor handelt. Die Ursache hierfür ist vor allem die Lage im Sinus Cavernosus und die damit einhergehende Nähe zu wichtigen Blut- und Nervenbahnen. Verschiedentlich war sogar die Rede von „inoperabel“, was mich veranlasste, eine Zweitmeinungs-Kampagne anzuschieben. Diese verlief folgendermaßen:
- schriftliche Anfrage beim INI in Hannover mit Einsendung der MRT-Bilder
- Anfrage per E-Mail bei der Uniklinik Düsseldorf, mit elektronischer Übermittlung der MRTs
- Vorsprache in Tübingen bei Prof. Tatagiba
- Vorsprache in Mainz bei Prof. Giese
- Vorsprache in Frankfurt, im Rahmen der Wiedervorstellung nach einer zurückliegenden OP
ErgebnisseDas INI antwortete mit einem sehr kurzen Schreiben, in dem mir geraten wurde, abzuwarten, ob der Tumor überhaupt wachse. Einziger konkreter Rat: Kontroll-MRT nach 3 Monaten
Die Uniklinik Düsseldorf antwortete mit einem freundlichen, durchaus persönlichen ("hoffe Ihnen etwas weitergeholfen zu haben") und detaillierten Schreiben von Prof. Steiger. Darin wird mir zugeraten, das Wachstum mit einem Kontroll-MRT nach 6-12 Monaten zu prüfen. Es wird auf die Notwendigkeit einer endokrinologischen Untersuchung (der Tumor liegt direkt bei der Hypophyse) und die Möglichkeit einer transnasalen, endoskopischen Biopsie (kleine OP zur Bestimmung der Tumor-Eigenschaften) hingewiesen. Es wird auch festgestellt, dass der Tumor nicht vollständig resizierbar ist und deshalb nötigenfalls durch eine Kombination aus OP und stereotaktischer Bestrahlung angegangen werden müsse.
Prof. Tatagiba hielt mir zuerst einen länglichen Vortrag darüber, wie froh ich über das Ergebnis einer vorhergehenden OP sein müsse (ich hatte hierzu eine Frage gestellt und er vermutete wohl, ich wollte seine Kollegen hinterfragen, was er anscheinend gar nicht mag). Zu dem eigentlich in Diskussion stehenden Befund bekam ich nur in einem Nebensatz die Aussage, dass er nicht vollständig resizierbar sei und daher nach einer Teilresektion bestrahlt werden müsse. Ausserdem solle ich eine endokrinologische Untersuchung machen lassen. An diesem Punkt war die Zeit aufgebraucht und der Termin, zu dem ich 300 km angereist war, beendet. Das Arztschreiben war wesentlich kürzer als dasjenige aus Düsseldorf und erwähnte die Operationsmöglichkeiten mit keinem Wort (einzige Empfehlung: endokrinologische Untersuchung).
Die Vorstellung in Mainz im Detail zu beschreiben würde hier den Rahmen sprengen. Ich möchte daher nur die Vokabeln „menschlich“, „vorbildlich“, „detailliert“, „engagiert“ in den Raum stellen. Das Ergebnis deckte sich mit demjenigen aus Düsseldorf (erst Endokrinologie, optional Biopsie, dann Teilresektion und Bestrahlung), allerdings wurde der Befund sofort durch ein CT gesichert und die Empfehlung ausgesprochen, baldmöglichst mit der endokrinologischen Untersuchung und der Biopsie zu beginnen. Die Biopsie erfolgt unter Vollnarkose mittels endoskopischer Werkzeuge durch die Nase; dabei werden Proben des Tumors entnommen und Teile, die direkt erreichbar sind, gleich entfernt. Das Ganze in einer Woche stationärem Aufenthalt.
Der Termin in Frankfurt war gleichzeitig auch die Nachuntersuchung einer 3 Monate zurückliegenden OP. Der hier beschriebene Befund lag bereits bei der vorangehenden OP vor und man hatte mich ausdrücklich aufgefordert, mich auch wegen dieses Befundes nach den 3 Monaten wieder vorzustellen. Ich traf auf einen Oberarzt der mich noch nie gesehen hatte, meine Krankengeschichte nicht kannte und insgesamt einen desorientierten Eindruck machte. Nach einem kurzen Gespräch bekam ich letztlich nur die Zusicherung, dass man den Befund bei der nächsten internen Konferenz besprechen und mich dann kontaktieren werde („falls wir's vergessen melden Sie sich bitte“). Ich hoffe, dass ich dann einen Termin haben werde, der den Namen verdient. Vorab wurde aber auch hier erwähnt, dass es wohl auf eine Teilresektion mit Bestrahlung hinauslaufen würde.
Fazitdas Vorgehen bei dem beschriebenen Befund wird von allen Ärzten weitgehend gleich beschrieben („Teilresektion und Bestrahlung“). Unterschiede bestehen im konkreten Vorgehen bzw. der Beurteilung der Dringlichkeit – hier reicht die Bandbreite von „Biopsie sofort, OP bald“ bis „in 6-12 Monaten nochmal nachschauen und dann überlegen“). Beim menschlichen Umgang und der Sorgfalt bzw. dem Engagement kann man fast alles erleben.
Christian