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Autor Thema: Widersprüchliche Aussagen von Ärzten  (Gelesen 9969 mal)

Offline Pedro

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Widersprüchliche Aussagen von Ärzten
« am: 12. Dezember 2013, 12:02:30 »
Liebe Leute,

Nach der Diagnose eines atypischen Meningeoms im Bereich des Keilbeinflügels 2008 musste ich mich zwei chirurgischen Eingriffen und zwei Gamma Knife Behandlungen in Wien und Graz unterziehen, auch ein Rezidiv wurde 2010 nochmals mit Gamma Knife behandelt.

Nach dem letzten Kontrolltermin am 9.12. auf Basis eines MRT haben sich für mich zahlreiche neue Fragen aufgetan. Ich möchte versuchen diese für mich derzeit bestehenden Unklarheiten zusammenzufassen und würde euch bitten mir zu schreiben, wie ihr dies interpretiert.

Meningeome und Kavernom

Die bisherigen Behandlungen betrafen jeweils den Bereich links des Keilbeinflügels. Nun wurde mir vom Neurochirurgen gesagt, dass sich in Wahrheit drei atypische Meningeome in meinem Schädel angesiedelt hätten - die beiden links seit 2008 und ein weiteres rechts des Keilbeinflügels, welches ab 2010 in den MRT's wahrzunehmen ist und mittlerweile  (lt. MRT) 13x9x29mm umfasse. Bisher erhielt ich auf meine Nachfrage immer die Aussage, dass es sich lediglich um ein breitbasiges Meningeom handeln würde, weslches sich teilweise nach rechts ausbreite. Liegt hier ein Interpretationsspielraum vor?

Dieses Meningeom rechts wäre also ab 2010 entstanden, bislang unbehandelt und habe in den letzten sechs Monaten keine Progredienz gezeigt. Deswegen bestünde kein unmittelbarer Bedarf zu einer Behandlung, aber ich müsse realistischerweise von einem künftigen Wachstum ausgehen. Als ich mir daheim die MRT Befunde durchgelesen habe stellte ich fest, dass schon 2008 bei einem MRT eine "leichten Ausdehnung nach rechts ohne Dynamik" erwähnt wurde Ist dieses unabhängig von dem ab 2010 entstandenen Meningeom rechts zu sehen? Weiters wird seit 09/2009 bis aktuell von einem Kavernom rechts hochparietal gesprochen - welche Rolle mag dies spielen?

 Ein Radiochirurg und ein Neurochirurg, die ich im Herbst 2013 in ihren Facharztordinationen in Wien zusätzlich aufgesuch hatte wollten keinerlei Progredienz in den MRT Befunden zwischen 2010 und 2013 feststellen. In welchem Zusammenhang können das Meningeom und das Kavernom stehen?

Behandlungsmöglichkeit

Bereits bei der Kontrolle im Juni diesen Jahres hatte der Neurochirurg in Graz erwähnt, dass eine LINAC Strahlenbehandlung im Bereich des rechten Keilbeinflügels mittelfristig angedacht werden sollte. Als ich von den Strahlentherapeuten im Herbst zu einem Gespräch eingeladen wurde erkannte ich rasch, dass man eine solche Behandlung zwar nicht ausschließen wolle, dieser Möglichkeit aber wegen der zahlreichen Vorbestrahlungen (Ganzhirnbestrahlung 1986 nach Leukämie, drei Gamma Knife-Behandlungen 2008/2010) etwas kritisch  gegenüberstehe. Der Neurochirurg meinte dazu, dass die Strahlentherapeuten möglicherweise auch ungern Bereiche bestrahlen, die zuvor schon mit Gamma Knife behandelt wurden - wobei der Bereich rechts eigentlich noch nicht mit Gamma Knife behandelt wurde. Eine weitere Gamma Knife Behandlung - der ich selbst nicht ablehnend gegenüberstünde - wurde bislang von den Ärzten nicht in Erwägung gezogen. Gamma Knife steht in Graz seit 2011 auch nicht mehr zur Verfügung, sehr wohl aber im AKH Wien.

Der Neurochirurg bestätigte mir am 9.12. dass sich das Meningeom rechts möglicherweise vollständig chirurgisch entfernen ließe, wollte sich aber nicht darauf festlegen, dass diese Option die erste Wahl sein müsse. Unter anderem wurde auch auf die Problematik einer Operation von bestrahlten Gewebe hingewiesen - wenngleich der Bereich rechts doch außer 1986 noch nie bestrahlt wurde. Ein wenig kommt es mir so vor, als würden die Neurochirurgen mir zu einer Bestrahlung und die Strahlentherapeuten mir zu einer Operation raten wollen. Die nächste Kontrolle soll in sechs Monaten, im Juni 2014, stattfinden.

Ich habe durchaus ein paar Tage gebraucht um diese Problematik halbwegs begreifen zu können. 2013 war wohl nicht mein Jahr - zwei epileptische Anfälle, der Augenarzt stellt nach drei Gamma Knife Behandlungen einen Defekt am linken Sehnerv fest und jetzt auch noch diese Unklarheiten über die weiterführende Behandlung. Es mag sein, dass sich manche der Dinge die ich heute erzählt habe schon etwas verwirrend anhören - und vielleicht habe ich mich in den Jahren 2011/2012, wo die Befunde gut aussahen, doch zu wenig mit meiner Krankengeschichte befasst. Aber der Kampfesgeist wird bestimmt wieder erwachen und ich werde alle denkbaren Möglichkeiten in Erwägung ziehen und versuchen noch weitere Meinungen einzuholen.

LG Pedro
« Letzte Änderung: 14. Dezember 2013, 19:23:24 von Pedro99 »

Offline KaSy

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Re:Widersprüchliche Aussagen von Ärzten
« Antwort #1 am: 13. Dezember 2013, 02:31:14 »
Hallo, Pedro99,

ich musste mich erst mal "durch Dein Gehirn wurschteln", um zu verstehen, was da bei Dir wo und wann geschehen ist.

Nach der Leukämie bekamst Du 1986 eine Ganzhirnbestrahlung.

2001 hattest Du eine Kavernom-Blutung.
Ein Kavernom ist, wenn ich das richtig verstanden habe, eine Gefäßmissbildung, die überall im Körper vorkommen kann, aber vor allem im Zentralen Nervensystem (Gehirn, Rückenmark) gefährlich wird. Ein solches missgebildetes Gefäß bzw. Gefäßteil bildet vermutlich verschieden starke Gefäßwände aus. Der dünnere Teil der Gefäßwand hält irgendwann dem Druck des fließenden Blutes nicht mehr Stand. Die Gefäßwand platzt (wie ein wassergefüllter Luftballon) und das Blut fließt in die Umgebung. Im Gehirn ist das gefährlich, weil das vom Herzen kommende arterielle Blut ständig nachgepumpt wird. Für eine  Flüssigkeitsansammlung ist im Hirn kein Platz, also dringt das Blut nach und nach in alle Furchen, Zwischenräume, ... des Gehirns ein, erzeugt einen hohen Hirndruck, der nach und nach auf alle Zellen wirkt und sie zusammenpresst. Das überleben Gehirnzellen nicht sehr lange.
Bei Dir wurde es erfolgreich operiert.

Kann aus einem operierten Kavernom ein Meningeom werden?

Befand sich das Kavernom bei Dir dort, wo seit 2010 am rechten Keilbeinflügel ein Meningeom sichtbar wurde?

Ich bin keinesfalls ein Arzt!
Aber ich könnte mir vorstellen, dass ein Kavernom, das ja eine ungleichmäßige Verteilung von Gefäßwandzellen ist und durch eine OP noch eine kleine Narbe, also eine Zellverdickung erhalten hat, dazu neigen könnte, weitere Zellen zu bilden. Das könnte vielleicht wirklich so langsam geschehen sein, wie es bei Meningeomen ja nicht unüblich ist.

Allerdings, wenn diese Gefahr bei geplatzten Hirngefäßen tatsächlich bekannt ist, dann müssten alle Patienten nach einer solchen Hirn-OP aufgeklärt und sehr lange überwacht werden. Davon ist mir nichts bekannt, aber ich kenne da auch niemanden.

(Außer einmal nachts im KH, als eine Frau mit einem Aneurisma wegen Platzmangel in der Neurochirurgie untergebracht wurde. Sie wurde nach etwa 2 Stunden zum akuten Notfall. Das ging so schnell ...)

Es wäre auch möglich, dass von den Menigeomen, die bei Dir am linken Keilbeinflügel wuchsen und dort operiert und bestrahlt wurden, noch immer irgendetwas übrig ist. Irgendeine Tumorzelle könnte durch OP-Aktionen oder auch die strahlenbedingte Zellzerstörung in die Nähe des operierten Kavernoms geraten sein. Es wäre auch möglich, dass Strahlen doch ein minimalstes Wachstum an der vorgeschädigten Stelle ermöglicht haben.

Das sind alles vage Vermutungen, resultierend aus der Nähe der Strukturen und meiner Erfahrung mit abgesiedelten Restzellen, die weiter entfernt vom Ursprungstumor WHO III-Meningeome entstehen ließen. Hier waren es vielleicht die OP-Schnitte, die ein Zellchen mitgenommen haben könnte, was nach 8 Jahren erstmals im MRT sichtbar wurde. Wo bestrahlt worden war (mit Linearbeschleuniger 30 Tage mit nur je 2 Gy und Zeit zur Erholung für die gesunden Zellen), gab es keine Neuentstehung.


Ich habe mal genauer geguckt, wo sich Deine Keilbeinflügel-Menigeome befinden:

Die beiden (vorderes und hinteres) Keilbeinteile befinden sich oberhalb des obersten Wirbels ("Atlas") der Wirbelsäule. Sie sind knöchern und ähneln in ihrem Aufbau mit seitlichen Fortsätzen dem Aufbau der Wirbelkörper.

Im rechten und linken vorderen Keilbeinflügel befindet sich je ein "Canalis optikus" (Kanal für den Sehnerven), durch den die beiden Sehnerven verlaufen.  Das hintere Keilbein wird auch als "Türkensattel" bezeichnet, weil es nach oben gewölbt ist. Vor dem Türkensattel, also zwischen dem vorderen und hinteren Keilbein (wenn ich das richtig verstanden habe) kreuzen sich die beiden Sehnerven.

Die unmittelbare Nähe von Keilbeinflügelmenigeomen zu den Sehnerven macht es weder den Neurochirurgen noch den Strahlentherapeuten leicht, diese zu therapieren, ohne den Sehnerven mit zu beschädigen.

Dir ist das ja durch die Gammaknife-Bestrahlungen bereits ein Stück weit passiert.

Dieses neue Meningeom rechts ist ja auch nicht mehr besonders klein.

Ich habe eine sehr gute Bekannte, die 18-jährig 1975 durch eine Hirntumor-OP das Augenlicht verlor. Vielleicht war das auch ein Keinbeinflügelmeningeom in der Nähe des Chiasma (= Sehnervenkreuzung). Sie ist Lehrerin geworden und hat bis vor zwei Jahren an der Blinden-und Sehgeschädigtenschule gearbeitet sowie sich als Behindertenvertrauensfrau um die etwa 100 Schwerbeschädigte aus dem Schulamtsbereich gekümmert. Man kann also sogar damit gut und erfüllt leben, aber wenn es vermeidbar gewesen wäre ...

Die Forschungen sind ja sehr viel weiter!

In der Geschichte von Horst (hier bei Meningeomen) über seine Mutter las ich, dass bei ihr das Keilbeinflügelmeningeom bereits den (oder beide) Sehnerven ummantelt hatte.
Wenn es so weit ist, ist es mit einer Bestrahlung kaum noch möglich, das Meningeom zu zerstören, ohne den Sehnerven zu schädigen.
Und trotzdem ist dort etwas gelungen.
Allerdings wurde die Mutter zwar in Heidelberg bestrahlt, aber in Berlin operiert.
Lies mal dort nach!

Aus dieser Erfahrung heraus würde ich Dir wirklich empfehlen, nach den besten Neurochirurgen zu suchen, die eben auch in Deutschland sein können, falls man sich in Österreich unsicher bleibt. Du brauchst jemanden, der solche Operationen bereits häufiger durchgeführt hat und diese Erfahrung einbringt.

Ich würde Dir nicht empfehlen, nach einem Gamma-Knife zu suchen. Graz hat richtig gehandelt, als es das alte Gamma-Knife (Solche Geräte gibt es seit 1956.) durch den LINAC ersetzte, der alles kann, was das Gamma-Knife kann, aber besser, und über weitere Möglichkeiten verfügt, insbesondere die für Dich notwendige intensitätsmodulierte Bestrahlung. Da haben Deine Ärzte den LINAC schon richtig empfohlen.

Ich habe unter „Termine“ hier im Forum die Würzburger Arztvorträge zusammengefasst wiedergegeben, u.a. auch den von der Strahlentherapeutin, Prof. Grosu.

Du hast wegen des langsamen Wachstums etwas Zeit, musst Dir also nicht gleich Weihnachten versauen, aber in den folgenden Wochen würde ich mich schon auf die Suche begeben.

Dafür wünsche ich Dir viel Glück, Erfolg und zum Jahreswechsel musst Du Dir für 2014 von ganzem Herzen wünschen, dass Du nicht mehr jede bekloppte Krankheit haben möchtest.

Viele gute Grüße nach Wien!

KaSy
« Letzte Änderung: 16. Dezember 2013, 01:08:32 von KaSy »
Wenn man schon im Müllkasten landet, sollte man schauen, ob er bunt angemalt ist.

Der Hirntumor hat einen geänderten und deswegen nicht weniger wertvollen Menschen aus uns gemacht!

Offline Pedro

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Re:Widersprüchliche Aussagen von Ärzten
« Antwort #2 am: 13. Dezember 2013, 09:49:30 »
Vielen DANK für deine sehr ausführlichen Worte, liebe KaSy.

Ich werde als nächsten Schritt wohl im Jänner einen Neurochirurgen aufsuchen um die für mich bestehenden Unklarheiten aus dem Weg zu räumen. Möglicherweise habe ich auch die MRT Befunde zum Teil falsch interpretiert - ich gehe jetzt davon aus, dass sich rechts sowohl ein Meningeom wie auch ein Kavernom findet. Die Problematik der Nähe des Meningeoms zu den Sehnerven hat die Krankengeschichte leider von Beginn weg mitgeprägt.

Ich habe mich noch nicht entschieden, welchen Neurochirurgen bzw. welches Krankenhaus ich aufsuchen werde. Es ist für mich vieles vorstellbar, grundsätzlich auch ein Besuch in Deutschland. Aber ich muss mir noch ein wenig überlegen, wie ich an die Arztwahl am besten herangehen werde.

Ich wünsche auch dir schon jetzt ein schönes Weihnachtsfest und sende liebe Grüße
Peter

 



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