Sonstiges zum Thema Hirntumor > Psychologische Betreuung
Emotionales Verhalten gegenüber Ärzten
Pedro:
Liebe Leute,
Ich bin schon längere Zeit auf hirntumor.de unterwegs, doch ist es das erste mal, dass ich einen psychischen Aspekt einbringen möchte.
2008 wurde ein atypisches Meningeom im Bereich des Keilbeinflügels zweimal operiert, konnte aber nicht vollständig entfernt werden. Eine vorgeschlagene konventionelle Strahlentherapie lehnte ich ab, als mir vom AKH Wien eröffnet wurde, dass eine Erblindung als Spätfolge nicht auszuschließen sei. Ich wechselte das Krankenhaus und unterzog mich in den Jahren 2008 bis 2010 drei Gamma Knife Behandlungen in Graz. Wie ich zuletzt vom Augenfacharzt erfahren habe ist die fortschreitende Sehschwäche am linken Auge auf eine Schädigung des Sehnerves zurückzuführen, der noch näher nachgegangen werden soll.
Im November 2013 hatte ich zwei generalisierte epileptische Anfälle und vor kurzem musste ich erfahren, dass sich rechts des Keilbeinflügels ein weiteres Meningeom gebildet hätte, dass noch nicht behandelt wurde. Ich solle vorerst die nächste Kontrolle im Juni 2014 abwarten, aber es sei von einem Handlungsbedarf auszugehen. Die Neurochirurgen tendierten zuletzt eher zu einer Strahlentherapie, der aber die Radiologen aufgrund der zahlreichen Vorbehandlungen (1 Ganzhirnbestrahlung 1986 nach Leukämie, 3 Gamma Knife Behandlungen 2008/2010) kritisch gegenüberstehen. Es bleibe mir überlassen die richtige Therapie zu wählen - doch zu dieser Frage habe ich schon in andere Threads auf hirntumor.de gepostet.
Jetzt möchte ich aber zu der psychologischen Problematik kommen. Ich hatte den Termin auf der neurochirurgischen Ambulanz des LKH Graz im beisein eines Freundes wahrgenommen, der aber nur eine beobachtende Rolle einnehmen sollte. Wie er mir später erzählte sei ich trotz mancher unschöner Details im dem Gespräch dem Arzt völlig emotionslos begegnet und hätte meinen vorbereiteten Stichwortzettel penibel abgearbeitet. Dafür wurde ich dann auch vom Arzt gelobt, dass ich mich "sehr gut auskennen" würde und im Arztbrief wird mein "äußerst guter Zustand" und meine "unverändert sehr gute Lebensqualität" erwähnt.
Es liegt mir fern zu lamentieren, aber ich würde meine Verfassung nach den zahlreichen Behandlungen und Vorfällen sowie den Fragen der Ungewißheit keinesfalls derart hochloben. Konzentrationsstörungen, Kopfschmerzen und Schlafstörungen erhöhen auch nicht unbedingt die Lebensqualität. Die Formulierungen in dem Befundbrief zeigen mir, dass ich vor dem Arzt unbewusst ein mentales Schauspiel abgezogen habe. Das Ausleben von Emotionen hat noch nie zu meinen Stärken gezählt und dies wird offenbar so interpretiert, dass ich entweder emotionslos oder eben derartig selbstsicher wäre - was keinesfalls zutrifft. Meine Persönlichkeit erlaubt nur wenigen Menschen tiefe Einblicke in mein Seelenleben. Ein Psychologe hatte 2010 neben einem organischen Psychosyndrom eine Sozialphobie festgestellt.
Ich denke, dass das Gespräch mit dem Oberarzt in einer sympathischen Athmosphäre verlief. Dennoch konnte mein Freund beobachten, dass ich den Arzt fallweise nicht ausreden ließ, von meinen eigenen Recherchen erzählte und auch mit medizinischen Fachausdrücken nicht geizte - womit ich ungewollt, und bestimmt nicht das erste mal, ein gänzlich falsches Bild von mir abgab. Wie soll man damit umgehen?
LG Pedro
frauypsilon:
Hallo Pedro,
danke für deinen Beitrag. Ich kann dir leider keine Antwort geben, weil ich diese selbst suche und finde es toll, dass du das, was mich derzeit auch beschäftigt, so gut ausformuliert hast.
Ich bin zwar ein sehr emotionaler Mensch, aber beim Arzt auch immer sehr strukturiert, gut vorbereitet, arbeite genau wie du meinen Zettel ab und mache einen auf- und abgeklärten Eindruck. Heulen tue ich dann, wenn ich draußen bin. Ich bin Ende September an meinem Meningeom operiert worden, bzw. ist mein Meningeom (Konvexitätsmeningeom) entfernt worden.
Leider habe ich seither immer noch viel Konzentrationsstörungen, Wortfindungsstörungen, fange an zu stottern, wenn ich erschöpft bin und habe Sensibilitätsstörungen im rechten Arm und der rechten Hand und wohl immer noch einfach-fokale Anfälle sowie auch die besagten Schlafstörungen und fette Migräneanfälle. Wenn ich das erzähle, glaubt man es mir kaum, weil ich alle Konzentration immer für diese Gespräche zusammenziehe, dann dort "normal" funktioniere und hinterher bricht alles zusammen. Das kann mein Mann, der fast immer bei den Ärzten dabei ist, nur bestätigen, denn er sieht ja auch beide Seiten.
Mir fällt im Moment dazu nur ein, sich bei den Ärzten genau so zu geben, wie im vertrauten Kreis, mit allen Schwächen. Aber wie ich das angehen soll und verhindere, dass ich doch dann immer dort mein Sonntagsausgeh- und Expertengesicht zeige, habe ich noch nicht herausgefunden. Ich schwenke automatisch in den Modus und mache dann den Eindruck einer ganz "gesunden" Patientin, die gut beieinander ist.
Ich würde mich freuen, wenn hier eine Diskussion zu dem Thema entsteht und noch viele Beiträge kommen, weil ich mir denken kann, dass es noch anderen so geht. Vielleicht finden wir gemeinsam eine Lösung, wie man damit umgehen kann. Oder andere berichten aus Ihrer "Trickkiste".
lg
frauypsilon
TinaF:
Hallo Pedro,
ich gehe üblicherweise auch gut vorbereitet zu meinen Arztterminen, habe meinen Stichwortzettel dabei, kann mit Fachbegriffen umgehen, erwarte Infos statt Gerede um den heißen Brei und "bewahre die Haltung". Wenn ich in solchen Gesprächen meine Beschwerden schildern soll, kommt es mir selbst oft genug absolut lächerlich vor, denn von meinen Wortfindungsstörungen, meinen Konzentrationsproblemen, meiner mangelnden Belastbarkeit, der schnellen Erschöpfung etc. ist da absolut nichts zu merken. Diese Probleme schlagen dann nach dem Termin wieder zu, ich bin völlig fertig, bekomme keinen gerade Satz mehr raus, bin den Tränen nahe. Erst letzte Woche hatte ich so ein Erlebnis. Während eines fast einstündigen Termins habe ich fehlerfrei gesprochen, konnte mich gut ausdrücken und konnte auch den Ausführungen meines Gegenübers problemlos folgen. Nachdem ich wieder zu Hause war, habe ich meinen Mann angerufen und wollte ihm von dem Gespräch berichten, nur leider war mein Wortschatz auf einmal sehr klein, mir fielen die einfachsten Wörter nicht mehr ein oder ich habe sie verwechselt, so dass ich das Telefonat beendet und das Gespräch auf den Abend verschoben habe. Wenn ich so vor mich hinstottere und nach den richtigen Begriffen suche, dann klingen meine Beschwerden doch wesentlich glaubhafter.
Ein einziges Mal habe ich nicht so perfekt "funktionert", da kamen mir noch während des Gesprächs die Tränen und was ist passiert? Man hielt mich für ein psychisches Wrack und geht seitdem davon aus, dass meine Beschwerden (ausschließlich) psychischer Natur seien. Und es gibt immer wieder Ärzte, die diese Diagnose gern übernehmen und mehr oder weniger so tun, als wenn die von mir geschilderten Beschwerden nach einer Kopf-OP mit Entfernung eines großen Tumors völlig undenkbar wären. >:(
Ich habe somit zwei Bilder von mir abgeliefert und beide waren falsch. Auch nicht besser.
Noch ein Beispiel: Eine bei mir ausgeprägte Schwindel- bzw. Benommenheitsproblematik wurde ausführlichst von allen denkbaren Fachrichtungen abgeklärt. Es konnte nichts gefunden werden außer dem Narbengewebe im Hirn nach der OP. Mein Neurologe erklärte daraufhin, dass es ihm ja schon klar gewesen sei, meine Beschwerden seien psychischer Natur. Die Ärzte in der Schwindelambulanz der Uniklinik sagten dagegen, es sei eine zentrale Störung, verursacht durch das Narbengewebe im Gehirn. Bei meinem Neurologen habe ich übrigens nie geheult, da wurde ich nur einmal richtig sauer. Zeigt man sich also emotional, landet man offenbar schnell in der "Psychoschublade" und es ist verdammt schwer, da wieder rauszukommen. Und das macht die Sache auch nicht besser.
Ich werde weiterhin gut vorbereitet zu meinen nicht enden wollenden Arztterminen antanzen, meine Fragen stellen, bei den Antworten genau zuhören, nachhaken wenn erforderlich, mich sehr konzentrieren und meine Emotionen hoffentlich nur dort zeigen, wo ich weiß, dass sie richtig verstanden und eingeordnet werden.
Alles Gute für Dich!
LG TinaF
enie_ledam:
Hallo,
du konntest ja das Gespräch sehr gut nachanalysieren. Wie wäre es wenn du dir überlegst was genau du an dir/deinem Verhalten nicht mochtest und dann überlegst wie du gerne an dieser Stelle reagiert hättest und warum.
Und dann kannst du üben dich so in einer ähnlichen Situation zu verhalten?
Wenn ich bei meinem NC bin, dann versuche ich zu sagen wo es welche Probleme gibt er merkt sich das dann und schriebt es in seinen Arztbrief aber ich habe den Eindruck das ihm das egal ist, weil eine "Behandlungsempfehlung" gibt er nie und wenn ich nicht die Neurologin nach Ergotherapie frage passiert auch nicht wirklich viel. Ich heule aber auch nicht bei den Ärzten rum, sondern versuche alles zu sagen (die Hoffnung das die wissen was mir helfen kann habe ich schon lange verloren) und dann gucke ich wieder was mir helfen könnte. Ich war jetzt auch bei einigen Psychologen zum Probegespräch und eine wollte mich auf die ADHS schiene abstempleln, da habe ich auch direkt gemerkt das passt nicht und nach dem 2. Gespräch war ich nicht weiter da. Ich habe eine andere ausgesucht mit der es besser passt.
Hast du schonmal analysiert wann genau deine Beschwerden auftreten und wie und wo? Ich hatte z.B. auch jeden Tag leichte Kopfschmerzen und genug getrunken habe ich auch. Ich hatte auch Rückenschmerzen und war beim Osteopathen und jetzt ist es weg. Also kamen die Kopfschmerzen vom Rücken und nicht von dem Tumor. Als ich meine Wiedereingliederung hatte habe ich Sehprobleme gehabt - das war enfach überanstrengung. Ich musste daann lernen ein paar Schritte zurück zu treten und habe dann auch durch Tipp von Psychologen einen Wochenplan erstellt un dem ich dann herausgefundne habe das z.B. mehr als 2x1 Stunde als Termin schaffe ich nicht am Tag. Jetzt versuche ich immer alles so zu planen das es nicht zuviel wird und ich habe gar keine schlechten Tage mehr. Mein NC tut übrigens auch irgendwie immer so als ob meine Beschwerden gar nicht durch die OP hätten entstehen können, ausser die Wetterfühligkeit. ::)
solange mir Ärzte keine Pschopharmaka verschreiben können die die "psychischen Probleme" beheben können ist es mir egal was die denken. Die sehen mich max. 20 min in x Monaten und das war es. Ich hätte ehr Probleme wenn Freunde das so machen würden.
Achso einige Ärzte mögen es nicht, wenn man sich selbst im z.B. Internet informieren, vielleicht fließt das da auch mit ein ohne das er es zugeben will?!
Ich werde mal auch mit meinem Zettel anfangen im Januar bin ich wieder dran.
Lg enie
Pedro:
Ein abendliches Hallo an frauypsilon, TinaF und enie_ledam,
Vielen DANK für eure Worte, die mir sehr wichtig waren.
Ich hatte ein wenig befürchtet, dass auch schon andere ähnliche Wahrnehmungen im Umgang mit Ärzten machen mussten...
--- Zitat von: frauypsilon am 15. Dezember 2013, 15:50:59 ---Aber wie ich das angehen soll und verhindere, dass ich doch dann immer dort mein Sonntagsausgeh- und Expertengesicht zeige, habe ich noch nicht herausgefunden.
frauypsilon
--- Ende Zitat ---
Ja, das ist wohl auch mein Problem Ich habe aber den Vorsatz gefaßt emotionale Einblicke gewißermassen in meinen Stichwortzettel aufzunehmen - ich weiß, das hört sich etwas verrückt an und es besteht die Gefahr dass es etwas gekünstelt rüberkommt ...
--- Zitat von: TinaF am 15. Dezember 2013, 17:10:18 ---Ich habe somit zwei Bilder von mir abgeliefert und beide waren falsch. Auch nicht besser.
--- Ende Zitat ---
Du hast schon Recht und ich verstehe dich sehr gut. Es kann bestimmt auch nicht wünschenswert sein als "psychisches Wrack" gesehen zu werden. Ebenso bin ich davon überzeugt, dass es einem emotional aufgelösten Patient auch nicht besser als uns ergeht. Aber wir sollten einen Mittelweg finden ...
--- Zitat von: enie_ledam am 15. Dezember 2013, 18:53:47 ---du konntest ja das Gespräch sehr gut nachanalysieren. Wie wäre es wenn du dir überlegst was genau du an dir/deinem Verhalten nicht mochtest und dann überlegst wie du gerne an dieser Stelle reagiert hättest und warum.
--- Ende Zitat ---
Ja, das könnte ich durchaus. Aber beim nächsten Arzttermin setzt unbewußt wieder diese Automatik ein und es ergibt sich wieder dieses Verhalten, das fälschlich eine Überlegenheit vortäuscht. Natürlich hängt die Interpretation aber auch immer vom jeweiligen Arzt ab ...
--- Zitat von: enie_ledam am 15. Dezember 2013, 18:53:47 ---Hast du schonmal analysiert wann genau deine Beschwerden auftreten und wie und wo?
--- Ende Zitat ---
Also Kopfschmerzen treten zumeist in Zusammenhang mit Stress auf, von dem ich mich vielleicht zu wenig abgrenze.
--- Zitat von: enie_ledam am 15. Dezember 2013, 18:53:47 ---Achso einige Ärzte mögen es nicht, wenn man sich selbst im z.B. Internet informieren, vielleicht fließt das da auch mit ein ohne das er es zugeben will?!
--- Ende Zitat ---
Ja, solche Hinweise sollte ich mir vielleicht künftig sparen...
LG Pedro
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