Hallo an alle!
Nachdem sich die Nerven hier wieder etwas beruhigt haben, möchte ich die Geschichte, von der ich im August angefangen hatte zu berichten, gerne zu Ende führen.
Wir haben hier ein paar nicht ganz so nette Wochen gehabt, um nicht zu sagen: Es war die Hölle.
Zwei Tage, nachdem ich das letzte Mal hier geschrieben hatte, erfuhr ich am Telefon auf der Hinfahrt zur Arbeit von der Chefärztin, was sie wohl die ersten Tage bewusst verschwiegen hatten, weil sie erst einmal alles mögliche drumherum untersuchen wollten.
'Sie würden leider die Verdacht haben, dass da doch wieder ein Tumor ist.' Einen Moment lang blieb dann erstmal alles stehen. Meine Atmung, mein Herz, die Welt.. 'Leider hatte man das ja die ganze Zeit schon befürchten müssen, nach der schlechten Histologie von vor drei Jahren. Es könnte das Meningeom sein, oder aber ein ganz anderer Tumor induziert durch die Bestrahlung. Für einen Tumor würde sprechen, dass er ja so gut auf das Dexamethason ansprechen würde.' Das war also der Moment, an dem mein schlimmster Alptraum seit 3 Jahren wahr wurde.
Ich hatte dann erst einmal einen Nervenzusammenbruch, bin auch nach kurzer Absprache mit meinem Chef sofort wieder nach Hause gefahren und musste für die zwei darauf folgenden Tage krank geschrieben werden. Nach einem längeren Gespräch mit meinen Eltern und reiflicher Überlegung entschied ich mich dann dazu, den Eltern meines Freundes nichts von dieser Hiobsbotschaft zu erzählen, ebenso wie meinem Freund selbst nicht. Dazu wollte ich die konkrete Diagnose, der Verdacht reichte mir nicht. Ich war mir zu dem Zeitpunkt sicher, dass sowohl mein Freund, als auch seine Eltern, diese Nachricht nicht verkraften würden.
Nachmittags bin ich dann - unter dem allergrößten Zusammenreißen - zusammen mit seiner Mutter meinen Freund im Krankenhaus besuchen gefahren. An diesem Tag gab es keinen Arzt, kein weiteres Gstenespräch mehr. Den kommenden Tag fuhr ich allein zu meinem Freund, und lief dort gleich einem Stationsarzt in die Arme. Er teilte mit, dass die Chefärztin uns am nächsten Tag, Samstag, gerne zusammen sprechen würde. Meinen Freund über die Verdachtsdiagnose und über die möglichen Optionen informieren wollte. Mehr wollte er/ durfte er wohl nicht sagen, aber ich bohrte so lange, bis er kleinbei gab und mich ins Arztzimmer schleppte.
Und da sah ich die Kernspin Bilder dann selbst. Eine unfassbar große, kontrastmittelanreichernde, diffuse Region im Bereich der rechten Sehhirnrinde.
Ich brauchte dann auch fast keine weitere Kommentierung mehr. Sollte das ein Tumor sein, .....................
Danach konnte ich nicht mehr anders, als auch mit den Eltern meines Freundes abends über die Sache zu sprechen. Erstaunlicherweise fassten sie die Nachricht "besser" auf, als ich dachte. Seine Mutter war ganz ruhig und klar. Sie meinte, sie hätte sich soetwas gedacht, die ganze Zeit schon. Sein Vater war geschockt, aber auch er "akzeptierte" die Sache irgendwie schnell. Schneller als ich.
Am nächsten Morgen gab es das Gespräch mit der Chefärztin. Erst unter 4 Augen mit mir. 'Der helle Schatten könnte natürlich auch immer noch eine Folge der Bestrahlung sein. Das sei aber untypisch, dass das in der Rinde (zuerst?) auftreten würde, normalerweise sieht man sowas eher im Mark. Man gehe derzeit von einem Tumor aus. Es sähe nach etwas Höhergradigem aus. Das sei auch typisch für Meningeome, dass Rezidive immer bösartiger würden. Könnte jedoch auch ein anderer Tumor sein. Eigentlich sei das aber auch egal, denn wenn das ein Tumor °III oder °IV sein sollte, wäre die Therapie sowieso gleich. Entweder OP, zur Massenreduktion, völlig operabel sei er dann eh nicht. Eine OP würde zu einer Hemianopsie führen, zusätzlich zu seiner Sehbehinderung. Oder man sollte vielleicht deswegen überlegen, ihm diese Behinderung nicht zuzumuten und ein palliatives Behandlungskonzept zu erarbeiten. Denn je nach Histo Befund sei es dann klar, wohin der Weg führe.'
Meinem Freund wurde das anschließend ganz saft beigebracht und er wurde auch nicht über alle mögliche Konsequenzen aufgeklärt. Nach ein paar Tränchen sagte er dann gleich und voller Überzeugung, dass er nicht glaubt, dass das ein Tumor sei, das fühle sich anders an. Aus dem Gespräch gingen wir raus mit der Empfehlung, eine Biopsie vorzunehmen. Bis wir darüber nachgedacht und entschieden haben würden, sollte mein Freund am Tag darauf entlassen werden.
Die Tage danach ging hier dann gar nichts ohne Diazepam. Ohne das war an Schlaf nicht zu denken, sobald ich im Bett lag hörte ich mein Herz rasen. Auch mit Citalopram starteten wir. Einen Plan hatten wir aber dann dennoch schnell gefasst: Wir wollten gar nichts machen lassen, ehe der Neurochirurg, der meinen Freund zuletzt während seiner Wundheilungsstörung an der MHH operiert und behandelt hatte, nicht auch die Bilder gesehen hatte. Meinem Freund ging es dann rapide besser, nach ein paar Tagen setzte er auf eigene Faust auch das Dexa ab, da er ganz schlimm eitrigen Pickelausschlag am Rücken davon bekommen hatte (nicht, dass ich das gutgehießen hätte..). Aber auch danach blieb es bei seinem guten Zustand.
Knapp 1,5 Wochen später hatten wir dann einen Termin bei besagtem Neurochirurg. Er hatte die Bilder zwischenzeitlich von uns gesendet bekommen, bereits angeguckt und auch mit seinen Kollegen besprochen. 'Das sähe untypisch für ein tumoröses Geschehen aus. Absolute Sicherheit hätte man natürlich nur durch eine Biopsie, aber er würde darauf verzichten und eine engmaschige Verlaufskontrolle via MRT empfehlen, besonders wegen der Vorgeschichte.' Hallelujah! Das war klar erstmal eine riesen Erleichterung. Dennoch, die Angst blieb natürlich..
Vor 14 Tagen war es dann soweit und mein Freund hatte den Termin fürs Kernspin. Meine Güte... Ich denke, ich muss in diesem Forum nicht beschreiben, mit welchen Gefühl dieser Termin verbunden war. Ausgerechnet mussten wir an dem Tag auch noch wirklich sehr, sehr lang warten, bis mein Freund an der Reihe war. Aber das alles lohnte sich. Als der PC-Monitor im Besprechungszimmer zu uns gedreht wurde, musste ich erstmal nochmal auf die Patienten-Daten gucken, um mich zu vergewissern, dass das auch wirklich der Kopf meines Freundes war. Von dem Schatten keine Spur mehr!!!!!!! Zitat: "Wir wissen nicht, was das war, aber es ist weg!" Meine Güte.... Meine Güte..
Mein Freund hatte also Recht gehabt, und an dem Freitagabend konnten wir seinen dritten Geburtstag feiern.
Nun ist der Plan, dass alles entspannt weiter beobachtet wird. Der nächste Kontrolltermin soll zur Sicherheit bereits wieder im Januar/Februar sein. Ganz nebenbei kam man bei diesem ganzen Drama übrigens auch zu dem Schluss, dass diese anormale Blutgefäßbildung zwar natürlich pathologisch, aber dennoch ein unabwendbarer Prozess im Zuge der Wundheilung ausgehend von der Muskellappenplastik ist. Also nichts echte Durafistel, und vor allem wird es dahingehend keine weiteren nicht-konservativen Therapien geben, da man dem Kopf die Möglichkeit geben
muss, den Blutfluss, der halt total TOTAL gestört ist (durch Tumor, OPs, Entzündungen, Wundeilungsstörung etc etc), zu regulieren. Mit Embolisation und wieder Embolisation und wieder Embolisation kommt man da nicht weiter, bzw. man arbeitet gegen den Körper.
Zu der Frage von Iwana:
Mh. Natürlich könnte unser Alltag besser/einfacher/entspannter/unbeschwerter sein, aber wir arrangieren uns, und insbesondere mein Freund immer besser. Er ist ja nun seit einiger Zeit berentet (100%, aber befristet). Finanziell gesehen könnte es besser, aber auch schlechter sein (leider war mein Freund vorrübergehend auch in ALGII Bezug gewesen..). Wenn es irgendwann irgendwie möglich ist, würde er gerne auf 400Basis noch etwas arbeiten, nicht nur des Geldes wegen sondern vor allem, weil er sich schon ziemlich ungebraucht fühlt und kaum mehr etwas erlebt unter der Woche. Gott sei Dank haben wir ja einen Hund, die mittlerweile von Montags bis Freitags total zu seiner Aufgabe geworden ist und ihn auf Trab hält. Zudem ist er hier "Hausmann" - alles, was er erledigen kann, tut er (bzw. hat er zu tun, dafür sorge ich
). Dennoch, auslasten und zufriedenstellen tut ihn das nicht wirklich und ich hoffe, dass sich doch noch eine Jobmöglichkeit für ihn auftut, wobei das schon wirklich schwierig ist. Er ist sowohl körperlich als auch kognitiv nur noch sehr begrenzt belastbar, dazu nicht mobil, viel Verantwortung tragen kann er auch nicht, da hat er genug mit seiner eigenen zu tun...
Aber nach dem Höllentrip die letzten Wochen, steckt man seine Prioritäten dann auch wieder ganz anders!!
Das ist jetzt ein riesen Roman geworden, und ich bedanke mich bei jedem, der sich durch ihn durchgekämpft hat
Viele und ganz erleichterte Grüße,
dorf-ei