36. Hirntumor-Informationstag am 9. Mai 2015 in Würzburg5. Supportive Therapie bei HirntumorenProfessor Dr. med. Dipl.-Psych. Peter Krauseneck- im Ruhestand -
Er war viele Jahre Chefarzt der Neurologischen Klinik der Sozialstiftung Bamberg.
Supportive Maßnahmen im Verlauf der ErkrankungSupportive
(unterstützend, zusätzlich; auch als „komplementär“ bezeichnet) Maßnahmen sollen zu einer Verbesserung des Wohlbefindens während der Krankheit führen. Sie sollen den Allgemeinzustand des Patienten und seine Lebensqualität verbessern.
Dazu dienen auch professionelle stützende Gespräche, denn
Hirntumorpatienten haben andere Probleme.
Sie benötigen in besonderem Maße eine
psycho-onkologische Betreuung.
Psychische Veränderungen durch eine Hirntumorerkrankung sind viel schwerwiegender als z.B. konkrete Schmerzen oder Lähmungen.Hierzu gehören u.a. die ständige oder immer wieder kehrende Angst vor einem Rezidiv sowie vor neurologischen Erscheinungen, die durch den Tumor ausgelöst werden.
Prinzipien- Bei gutartigen Tumoren hat man
(wegen ihres langsameren Wachstums und der geringeren Rezidivgefahr) etwas mehr Zeit bis zum Beginn der psychologischen Betreuung, während bei bösartigen Tumoren eine längere Dauer einer solchen Unterstützung einzuplanen ist.
- Ein kritischer, wachsamer, mitdenkender Hirntumor-Patient lebt länger als einer, der diese Krankheit gleichgültig hinnimmt. Es nützt allerdings auch nichts, sich zu „kasteien“,
also in seinem eigenen Leben sehr viele Entbehrungen hinzunehmen, um dem Hirntumor zu schaden. Es geht um das richtige Maß zwischen der Beschäftigung mit der Krankheit und der eigenen Lebensqualität.
- Wichtig sind Arzt-Patienten-Gespräche, die in einem guten persönlichen Verhältnis und mit Sachverstand geführt werden. Die Kommunikation soll offen und direkt sein.
(Die Schwere der Krankheit und deren mögliche Folgen sowie die Therapiemöglichkeiten und deren mögliche Folgen sollten nicht verschwiegen oder beschwichtigt werden, um den Patienten scheinbar zu schonen.) - Das Internet als Informationsquelle genügt durchaus nicht! Als Hirntumor-Patient muss man kein Experte werden, was über das Internet sowieso nicht funktioniert. Aber man sollte sich
(von den verschiedenen Fachleuten, von anderen Hirntumorpatienten, aus dem Internet, aus Informationsmaterialien) um so viele Kenntnisse bemühen, dass man wissend entscheiden kann.
- Der Patient ist das Maß der Dinge!
(Er hat Vorrang vor den Wünschen der Fachärzte, vor den Interessen der Krankenhäuser und Krankenkassen, …!)- Jeder Mensch hat Scheu, über eine Krankheit zu sprechen, die eventuell zum Tode führen kann. Gerade deswegen soll der Patient offen darüber reden! Das hilft ihm selbst und den anderen!
- Der Patient muss sich selbst kümmern!
(Wer sonst? KaSy)- Der Patient soll jede Chance zur Heilung seiner Krankheit nutzen, aber auch lebenswert leben!
- Der Patient soll ein gesundes, bewegtes, aktives Leben führen!
- Der Patient soll sich ausgewogen und gesund ernähren! Das „Aushungern“ des Tumors durch Diäten funktioniert nicht! Der Tumor holt sich auf anderen Wegen, was er braucht!
- Alternativtherapien sind ungesichert!
(siehe auch Berichte vom 32. HT-Info-Tag in Frankfurt am 04.05.2013; Vortrag 6a: „Alternative Medizin bei Tumorerkrankungen“; Prof. Dr. K. Münstedt, J. Hübner;
http://www.hirntumor.de/forum/index.php/topic,8967.msg643798.html#msg643798
Auszug: Am häufigsten wird unter komplementärer Medizin eine Therapierichtung verstanden, die die wissenschaftliche Medizin ergänzt und die Krankheitskonzepte der wissenschaftlichen Medizin akzeptiert, während die alternative Medizin sich der wissenschaftlichen Medizin entgegenstellt und verschiedene eigene Konzepte zur Behandlung von Krankheiten hat. Dabei wird mit dem alternativen Einsatz suggeriert, dass diese Therapie sich direkt und effektiv gegen den Tumor richtet. Die Gefahr der Alternativmedizin besteht in verpassten Chancen auf eine Heilung oder zumindest Verbesserung der Krankheitssituation und in unkalkulierbaren Wechsel- und Nebenwirkungen.) - Je teurer Zusatztherapien
(supportive / komplementäre Therapien) sind, desto unwahrscheinlicher ist es, dass sie wirken.
- Der Hirntumorpatient sollte sich mit der Endlichkeit des Lebens auseinandersetzen. Das kann deutlich zur Angstbewältigung beitragen.
Praktische Tipps- Der Patient und seine Familie sollten zu jeder Zeit aufgeklärt und durch die Phasen der Krankheit geführt werden.
- Anti-Epileptische Medikamente sollen nicht prophylaktisch
(vorbeugend, ohne dass es einen Anfall gab) gegeben werden.
- Eine Thromboseprophylaxe ist unbedingt erforderlich bei und nach Operationen, bei Lähmungserscheinungen, während der Chemotherapie und während der Kortisontherapie.
- Durch die verschiedenen Tumor-Therapien kann die Immunabwehr der Hirntumorpatienten herabgesetzt werden. Deswegen soll der Patient auf Infektzeichen achten, z.B. Mundsoor
(Pilzerkrankung), Entzündungen der Nasennebenhöhlen
(Schnupfen, der länger andauert und mit Schmerzen neben der Nase und im Stirnbereich verbunden ist), Pneumonie (PCP)
(trockener Husten mit Atemnot, der länger andauert), Blasen-Infekte, … Die Ursachen dieser Symptome sollten bei den onkologischen Fachärzten hinterfragt werden.
- Müdigkeit tritt bei Hirntumorpatienten oft auf. Sie kann viele verschiedene Ursachen haben: der Tumor selbst, Ödeme, Medikamente, Infekte, Anämie (Blutarmut), Schlafstörungen, Diabetes, Depressionen, Inaktivität.
- Zur Ödemtherapie sollte so wenig Cortison wie möglich und nur so viel Cortison wie nötig gegeben werden, da es bei einer Langzeitgabe u.a. zu einer Schwächung der Muskulatur führen kann. Es gibt mittlerweile weitere Medikamente, die gegen Ödeme eingesetzt werden können, z.B. Glycerin 85 % DAB oral und Prednisolon statt des bisher standardmäßigen Dexamethason.
Hinweise im Falle eines Rezidivs- Im Falle eines Rezidivs sind alle Therapiemöglichkeiten noch einmal zu prüfen:
- Re-Operation
(erneute Operation) - Re-Bestrahlung
(erneute Bestrahlung an der selben Stelle) - erneute Chemotherapie
- Studienteilnahme (Man hat eventuell höhere Chancen, da man in einer Studie intensiver betreut wird.
Allerdings setzt man sich Therapien aus, für die erst Erfahrungen gesammelt werden.)
- Verbesserung der Vorbedingungen für eine erneute Therapie
- Das Tumor-Material und das Blut sollen konserviert werden, um später weitere Untersuchungen zu ermöglichen, wenn man über neue Erkenntnisse, z.B. über genetische Marker, verfügt.
- Eine Re-Bestrahlung soll frühzeitig angemeldet werden, denn im Rezidivfall ist Eile geboten.
ZusammenfassungAn die Patienten
Informieren Sie sich über die wesentlichen Aspekte Ihrer Krankheit. Sie sollen wissend entscheiden, müssen aber keine Experten sein.
Wenn Sie sich (z.B. im Falle eines Rezidivs) unsicher sind, ob Sie einen weiteren Therapieversuch starten wollen, dann sollten Sie es auf jeden Fall versuchen, um es nicht später zu bereuen, wenn Sie nicht alles getan haben.
Der aktive, sich kritisch einbringende Patient mit einer ausgewogenen, gesunden und gelassenen Lebensweise lebt länger und erfüllter.KaSy
(Kursiv gedruckte Textteile von KaSy)