HirnTumor-Forum

Autor Thema: Berichte vom 34. HT-Info-Tag am 10. Mai 2014 in Köln  (Gelesen 28357 mal)

Offline KaSy

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34. Hirntumor-Informationstag am 10. Mai 2014 in Köln
Informationen aus den Vorträgen der Mediziner sowie der Fragerunde

Programm:

1. Neurochirurgische Therapiestrategien bei Gliomen und Hirnmetastasen

Prof. Dr. med. Roland Goldbrunner
Direktor des Zentrums für Neurochirurgie, Universitätsklinikum Köln


2. Möglichkeiten der PET in der Neuroonkologie

PD Dr. med. Norbert Galldiks
Leiter der AG Neuroonkologie, Universitätsklinikum Köln


3. Immuntherapeutische Konzepte bei Hirntumoren

Prof. Dr. med. Michael Sabel
Leitender Oberarzt der Neurochirurgischen Klinik, Universitätsklinikum Düsseldorf


4. Aktuelle Entwicklungen in der chirurgischen Therapie von Meningeomen

Prof. Dr. med. Makoto Nakamura
Stellvertretender Direktor der Klinik für Neurochirurgie, Medizinische Hochschule Hannover


5. Neue Möglichkeiten der Strahlentherapie

Prof. Dr. med. Stephanie Combs
Ärztliche Direktorin der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie,
Klinikum Rechts der Isar, Technische Universität München


6. Chemotherapie von Gliomen:  Neue Ergebnisse klinischer Studien

Prof. Dr. med. Michael Platten
Leitender Oberarzt der Abteilung Neuroonkologie, Universitätsklinikum Heidelberg


7. Therapie epileptischer Anfälle bei Hirntumoren

Prof. Dr. med. Christian E. Elger
Direktor der Klinik für Epileptologie, Universitätsklinikum Bonn


Patientenrunde:  Leben mit der Diagnose Hirntumor
Wenn man schon im Müllkasten landet, sollte man schauen, ob er bunt angemalt ist.

Der Hirntumor hat einen geänderten und deswegen nicht weniger wertvollen Menschen aus uns gemacht!

Offline KaSy

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Re:Berichte vom 34. HT-Info-Tag am 10. Mai 2014 in Köln
« Antwort #1 am: 20. Mai 2014, 23:16:07 »
1. Neurochirurgische Therapiestrategien bei Gliomen und Hirnmetastasen

Prof. Dr. med. Roland Goldbrunner
Direktor des Zentrums für Neurochirurgie, Universitätsklinikum Köln


Glioblastome und Hirnmetastasen sind bösartige Erkrankungen mit einer kurzen Überlebenszeit der Patienten.

Glioblastome sind hirneigene Tumoren. Auf 100 000 Personen gerechnet kommen sie pro Jahr bei 3 bis 4 Patienten vor, deren durchschnittliche Überlebenszeit derzeit 12 bis 20 Monate beträgt.
Hirnmetastasen sind Tochtergeschwülste von Tumoren in anderen Bereichen des Körpers, die sich im Gehirn angesiedelt haben. Auf 100 000 Personen gerechnet kommen sie jährlich bei 15 bis 20 Patienten vor, deren durchschnittliche Überlebenszeit derzeit 3 bis 24 Monate beträgt.


Diagnostik
Die PET*-Diagnostik wird zusätzlich zur MRT*-Diagnostik eingesetzt, weil mit der PET der Stoffwechsel des Tumors dargestellt werden kann, während die MRT die genaue Lage und Größe sowie die Kontrastmittelaufnahme des Tumors zeigt. Mittels des Tracers* FET*, das ist eine radioaktiv markierte Aminosäure, wird der Aminosäuretransport innerhalb des Tumors gemessen. Die PET-Diagnostik ist sensitiver und spezifischer als die MRT-Diagnostik in Primär- und Rezidivsituationen.
 
→ weitere Infos zu FET-PET im 2. Vortrag von PD Dr. med. Norbert Galldiks
 

Erkennen der Funktionsbereiche im Gehirn
Im Gehirn befinden sich an bestimmten Stellen die Bereiche, die die verschiedenen Funktionen des Körpers steuern. Jedoch sind diese Bereiche nie völlig gleich. Wenn sich ein Tumor in der Nähe eines Funktionsbereiches befindet, hat der Chirurg das Problem, dass er weder sehen noch genau wissen kann, wie weit er bei der Entnahme des Tumors gehen darf, ohne wichtige Funktionsbereiche zu schädigen.

Für diese Situationen gibt es die Möglichkeit der Wach-Operation. Bei dieser wird der Patient zunächst in Narkose versetzt. Nachdem der Zugang zum OP-Gebiet geschaffen wurde und die Entnahme des Tumormaterials im gefährdeten Gebiet (z.B. Sprachzentrum) beginnen soll, wird der Patient geweckt. Das ist möglich, da das Gehirn selbst keine Schmerzen empfinden kann. Während der Chirurg das Tumorgewebe vorsichtig abträgt, wird der Patient aufgefordert zu sprechen. Sobald er stockt, weiß der Chirurg, dass er das Sprachzentrum berührt hat und wird dort nicht weiter arbeiten. Nach und nach wird der Tumor so weit abgetragen, dass die Funktion erhalten bleibt. Die Methode der Wach-OP ist möglich, kann aber für den Patienten auch belastend sein.

Eine neue Möglichkeit, um ohne einen direkten Eingriff in das Gehirn und bereits vor der Operation die genauen Grenzen der Funktionsbereiche feststellen zu können, ist die Verwendung einer Stimulationssonde*.

Mit Cortex(Hirnrinde)-Sonden identifiziert der Arzt sensorische (Sehen, Hören, Fühlen, Riechen, Schmecken) und motorische (Reaktionen der Muskeln) Bereiche durch Stimulation oder elektronische Ableitung direkt an der Oberfläche der Hirnrinde. Er ist dadurch in der Lage, für das Gehirn des Patienten eine individuelle 3D- (dreidimensionale = räumliche) Karte* erzeugen. Um vom Sprachbereich eine genaue 3D-Karte zu erstellen, erfolgt die elektronische  Stimulation subcortical (unter der Hirnrinde) unter lokaler Betäubung.

Eine andere Variante ist die nTMS (navigated Transcranial Magnetic Stimulation = gesteuerte magnetische Stimulation im Gehirn). Hier wird die magnetische Stimulation genutzt, um vom Gehirn individuell eine 3D-Karte zu erhalten.

Die Operation erfolgt dann so, dass der Chirurg während der OP das Gehirn mit den markierten Grenzen auf dem Computerbildschirm sieht, während er den Tumor entfernt.

Die Vorteile gegenüber der herkömmlichen und auch der Wach-OP sind eine bessere Planung der Operation für den einzelnen Patienten und eine exaktere, zielgerichtete Tumorentfernung ohne die Schädigung der Funktionen des Gehirns.


Operation
Ein Hirntumor hat keine einheitliche Struktur. Im Inneren des Tumors sind entartete Zellen, die man herausoperieren kann. Um diesen Kern herum gibt es weniger Tumorzellen, jedoch auch Gehirnzellen. Hier sollte mit mehr Vorsicht herangegangen werden. Die Randbereiche des Tumors berühren Nervenfasern und wichtige Funktionsbereiche. Hier darf kein Eingriff mehr erfolgen!

Um diesen strukturellen Aufbau des Tumors während der Operation zu erkennen, bedient man sich der Methode der fluoreszenzgestützten Resektion (Entfernung), die nur bei bösartigen Gliomen der WHO-Grade III und IV angewandt wird. Besonders bei diesen reichert sich das Mittel (5-ALA)* in den Tumorzellen an und wird in einen rot fluoreszierenden Stoff (Protoporphyrin IX) umgesetzt.

Vor der Operation nimmt der Patient ein Mittel mit 5-ALA als Getränk ein, das sich im Körper verteilt. Die Tumorentfernung wird durchgeführt. Sobald die Frage auftaucht, ob alle Tumorzellen entfernt sind, wird der Tumor mit UV(ultraviolettem)-Licht beleuchtet und die Tumorzellen leuchten (fluoreszieren) rot. Die Tumorreste werden also sichtbar. Mit dieser Methode ist sogar eine Total-OP, also eine vollständige Entfernung des Tumors, möglich.

Das ist insbesondere bei den bösartigen hirneigenen Tumoren (Gliomen) sehr wichtig für die längere Überlebenszeit mit einer guten Lebensqualität. Bei der Anwendung dieser Methode konnte man die Zahl der erfolgreichen Operationen von 35 % auf 65 % erhöhen und damit die mittlere Überlebenszeit von 100 % auf 150 % (von 12 auf fast 18 Monate) verlängern.

Bei geringergradigen Gliomen (WHO I und II) findet die Fluoreszenz der Zellen nicht statt. Meningeome fluoreszieren zwar auch, hier stellt sich die Frage nach dieser Methode aber nicht, da sie meist gut entfernbar sind. Meningeome, die ohne Schädigung des Gehirns nicht oder nur teilweise operiert werden können, z.B. große Tumoren an der Schädelbasis*, werden subtotal (teilweise) operiert, so dass etwa 80 % bis 95 % des Tumors entfernt sind. Für die Entfernung des Restes werden Methoden der Strahlentherapie genutzt.

Für die Operation von Hirnmetastasen ist die fluoreszenzgestützte OP eher kein Standard. Nur bei der Hälfte dieser Patienten sind die Metastasen im Hirn gut abgegrenzt, während bei einen Drittel eine diffuse Infiltration in das gesunde Gewebe vorliegt. Nach Operationen kommt es in 18 % bis 30 % der Fälle zu lokalen (örtlichen) Rezidiven. Es sind dann eine erweiterte Resektion (Entfernung) mit einem Sicherheitssaum und eine lokale Nachbestrahlung mit einem Sicherheitssaum erforderlich.

Die Qualität der Gliom-Operation wird mit den MRT-Kontrollen überprüft und es soll den Patienten nicht schlechter gehen als vor der Operation.


Radiochirurgie
Die Radiochirurgie* ist eine Therapiemöglichkeit, die ohne einen mechanischen Eingriff auskommt.
In einem Linearbeschleuniger wird der Patient fraktioniert mit einer relativ geringen Einzeldosis von etwa 2 Gy (Energieeinheit Gray*) bestrahlt und das erfolgt werktäglich für meist 30 Tage, bis eine Gesamtdosis von 60 Gy erreicht ist. In der Zwischenzeit von fast 24 Stunden sowie an den Wochenenden haben die gesunden Zellen Zeit, sich zu reparieren.

Weitere Methoden der Radiochirurgie sind Einzeitige Hochdosisbestrahlungen mit dem Gamma-Knife und dem Cyber-Knife. Diese Geräte arbeiten mit einer höheren Strahlendosis und sind nur für die Bestrahlung von kleineren Tumoren oder Resttumoren bis etwa 3 cm Durchmesser geeignet. Die Bestrahlung erfolgt an einem Tag in einer Zeit von wenigen bis mehreren Stunden. Hier werden die Strahlen aus vielen verschiedenen Richtungen auf den Tumor gelenkt mit dem Ziel, dass eine hohe Strahlendosis den Tumor erreicht, aber das umliegende Gewebe weitgehend geschont wird. Es wird zwar mehr vom umliegenden Gewebe mitbestrahlt, aber in einer verteilten geringeren Dosis.


Bei der Brachytherapie werden je nach Größe des Tumors mehrere radioaktiv strahlende 125Jod-Seeds* (kleine Kapseln in Reiskorngröße) direkt in den Tumor eingebracht (implantiert) und verbleiben dort. Für die Implantation wird nur ein relativ kleines Bohrloch benötigt. Im Laufe der Zeit geben sie radioaktive Strahlung ab, die die Tumorzellen von innen heraus zerstören. Im Laufe von Wochen oder Monaten sinkt die Aktivität bis sie nahezu aufhört. Die Seeds sind dann nicht mehr aktiv. Bei einer relativ kurzen Behandlungsdauer von etwa 6 Wochen werden die Seeds entfernt, bei einer Langzeitbestrahlung über viele Monate verbleiben sie im Gewebe.

Diese Methode eignet sich für inoperable, gut abgegrenzte Tumoren oder Metastasen. Die Vorteile liegen in der direkten Nähe der Strahlenquelle zu den Tumorzellen. Die Strahlen müssen nicht durch das gesunde Gewebe hindurch, um das Zielgebiet zu erreichen. Es kann eine dauerhafte Bestrahlung stattfinden, die den Tumorzellen keine Zeit zur Teilung lässt.

Mit dem radioaktiven Isotop 125Jod kann im Zentrum des Tumors eine sehr hohe Energiedosis von 200 Gy erreicht werden. Beim Durchdringen des Gewebes sinkt die Aktivität nach 2 cm auf 50 %. Dadurch ist die Methode nur für Tumoren bis maximal 4 cm Durchmesser geeignet, wo in den Randgebieten noch Strahlungsstärken von etwa 60 Gy wirken. Für größere Tumoren wäre die Strahlendosis im Tumoraußenbereich zu gering und man würde schwieriger zu behandelnde Rezidive riskieren.

Dem Patienten erspart die Brachytherapie das häufige Aufsuchen der Strahlentherapie über mehrere Wochen oder die stundenlange Einzeitbestrahlung. Er kann bei gutem Allgemeinzustand auch seiner Berufstätigkeit weiter nachgehen.
 
Beim Vorkommen vieler Metastasen im Hirn kann meist nur eine Ganzhirnbestrahlung zu einem  Erfolg führen.


Auf die Frage eines Patienten nach der Behandlung mit Hyperthermie sagte Prof. Goldbrunner: Die Hyperthermie sei kritisch zu sehen. Eventuell sei sie möglich. Das werde zur Zeit in einer europaweiten Phase III-Studie geprüft. Nach etwa drei Jahren wäre eine wissenschaftlich fundierte Aussage dazu möglich.

Auf die Frage nach der psychischen Belastung im Zusammenhang mit den Hirntumortherapien blieb Prof. Goldbrunner unsicher und meinte, es sei noch unklar, ob die psychischen Belastungen durch den Tumor oder durch die Therapie bzw. die Therapieschritte zustande kämen und sagte, dazu wissen wir noch zu wenig.



Festlegung der Therapie
Die Festlegung der Therapie bzw. Therapiekombination und Therapiefortsetzung findet für jeden Patienten in einer wöchentlich stattfindenden Tumorkonferenz (auch Tumorboard genannt) statt. Daran nehmen alle den Patienten betreffenden Fachrichtungen teil. Gemeinsam werden individualisierte Konzepte festgelegt, in die auch Methoden der Molekulargenetik einfließen können. Dabei werden generelle Therapiestandards eingehalten.

Zur Therapiekonferenz gehören Neurologen, Neurochirurgen, Stra hlentherapeuten, Internistische Onkologen, Neuropathologen, Neuroradiologen, Nuklearmediziner, Palliativmediziner.
Eindringlich forderte Prof. Goldbrunner am Ende seines Vortrages: Lassen Sie sich nicht unter Standard behandeln!



* Worterklärungen* (von KaSy)

5-ALA : 5-Aminolevulinic acid , auf deutsch: 5-Aminolävulinsäure (Die deutsche Abkürzung 5-ALS scheint nicht gebräuchlich zu sein.)

DNS : Deseoxyribonukleinsäure, englisch: DNA : Deoxyribonucleic acid, Sie kommt im Zellkern in der Form einer Doppelhelix vor und ermöglicht durch die Paarigkeit die Zellteilung.

3D-Karte : Es werden auch die Begriffe „Kartierung“ und engl. „Mapping“ verwendet.

Schädelbasis : unterer Teil des Gehirns, wo sich besonders gut geschützt die sensitiven Funktionsbereiche (Sehen, Hören, Fühlen, Riechen, Schmecken) befinden, der jedoch mit einer Operation schlechter erreichbar ist
« Letzte Änderung: 08. Dezember 2016, 10:18:29 von krimi »
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Offline KaSy

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Re:Berichte vom 34. HT-Info-Tag am 10. Mai 2014 in Köln
« Antwort #2 am: 20. Mai 2014, 23:20:20 »
2. Möglichkeiten der PET in der Neuroonkologie

PD Dr. med. Norbert Galldiks

Leiter der AG Neuroonkologie, Universitätsklinikum Köln


Mit der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) kann man bildhaft Stoffwechselprozesse darstellen. Ein radioaktiv markierter Stoff, der Tracer*, wird intravenös injiziert. Positronen* gelangen von außen auf die Elektronen. Es entstehen neutrale Teilchen und es wird Gamma-Strahlung freigesetzt. Diese wird vom PET aufgenommen und in ein Bild umgewandelt, das ein farbiges Spektrum darstellt.

Die PET*-Diagnostik wird zusätzlich zur MRT*-Diagnostik eingesetzt, weil mit der PET die Tumorart (in 80 % bis 90 % der Fälle) genauer festgestellt  und der Stoffwechsel des Tumors dargestellt werden kann, während mit der MRT die Anatomie, die Kontrastmittelaufnahme, die genaue Lage und Größe sowie die zeitliche Entwicklung des Tumors dargestellt werden kann. Mittels des Tracers FET*, das ist eine radioaktiv markierte Aminosäure, wird der Aminosäuretransport innerhalb des Tumors gemessen.

Die PET-Diagnostik ist sensitiver und spezifischer als die MRT-Diagnostik in Primär- und Rezidivsituationen. Bei Menigeomen ist mit PET die Unterscheidung von WHO II und WHO III-Tumoren von den gutartigen WHO I-Meningeomen möglich. Die Sichtbarmachung der Stoffwechselaktivität stellt die Ausdehnung des Tumors genauer dar als im MRT. Im Vergleich von PET-Aufnahmen ist eine bessere Prognoseabschätzung möglich.

Dabei bleibt die MRT mit Kontrastmittel der „Goldstandard“. Bei wenigen Prozent der Hirntumoren fehlt jedoch die Schrankenstörung, die das Eindringen des Kontrastmittels in den Tumor erlaubt. Es findet keine Kontrastmittelaufnahme statt. Hier ist die PET notwendig, da sie zeigen kann ob ein Tumor da ist, wo er ist und wie aktiv er ist.
 
Um mehrere Untersuchungen zu vermeiden, werden Hybridgeräte genutzt, die in einem Gerät die MRT- und die PET-Untersuchung ermöglichen.
 
Auf die Patientenfrage nach den Kosten einer PET-Untersuchung sagte PD Dr. Galldiks, sie würde 1200 € bis 1400 € kosten und von noch nicht allen Krankenkassen übernommen werden. Die Patienten sollten sich von den Ärzten bei der begründeten Antragstellung helfen lassen. Die MRT-Kosten von 600 € bis 800 € übernehmen die Krankenkassen.


Pseudoprogression
Nach erfolgter Threapie (Operation, Bestrahlung, Chemotherapie) ist es möglich, dass in den MRT-Bildern im therapierten Tumorgebiet noch ein Tumor sichtbar ist. Man würde auf einen Rest-Tumor oder auf ein Rezidiv schließen. Man spricht dabei von einer Pseudoprogression, also einem scheinbaren Tumorwachstum. Diese ist auf den MRT-Bildern bei 20 % bis 30 % aller mit Bestrahlung und Chemotherapie behandelter Gliome innerhalb von 12 Wochen zu erkennen. Auf den PET-Bildern dieses Gebietes kann man erkennen, ob es sich überhaupt um stoffwechselaktives Tumormaterial handelt oder z.B. um die Reste des zerstrahlten Tumors. Letzteres wird als nekrotisches Tumorgewebe bezeichnet.

In der Verlaufskontrolle während und nach der Therapie stützt man sich auf die MRT-Kontrolle. Sollte hier ein Tumorwachstum sichtbar sein und es dem Patienten auch schlechter gehen, sollte vor der Entscheidung für eine erneute Operation eine PET-Kontrolle durchgeführt werden. Ist diese unverändert, im Gebiet also keine oder keine vermehrte Stoffwechselaktivität festzustellen, so kann man abwarten. Es ist in diesem Falle zunächst davon auszugehen, das das zerstörte Tumormaterial den schlechteren Zustand des Patienten ausgelöst hat. Dieses wird vom Körper im Laufe der folgenden Monate nach und nach erst abgebaut. In diesem langen Zeitraum kann es dem Patienten zunächst schlechter gehen, aber im weiteren Verlauf wird sich sein Zustand dann auch langsam wieder bessern. Weitere, radikalere Therapien wären in dieser Situation schädlich.

Auch zur Überprüfung der Wirksamkeit der Chemotherapie mit Temodal ist die PET- zusätzlich zur MRT-Kontrolle geeignet. Temodal wird oral eingenommen und ist gut verträglich. Die Therapie wird zu Hause nach dem 5/28 – Schema (1 Zyklus: 5 Tage Temodal – 23 Tage kein Temodal) durchgeführt. Die Wirksamkeit der Therapie ist wegen der Pseudoprogression mit PET zusätzlich zum MRT besser feststellbar.    



* Worterklärungen* (von KaSy)

MRT : Magnet-Resonanz-Tomographie, teilweise mit Kontrastmittel

FET-PET : Positronen-Emissions-Tomographie mit einem Tracer mit FET

Positronen : positiv geladene Elementarteilchen, die sich nur in ihrer Ladung von den negativ geladenen Elektronen unterscheiden

Tracer : Ein Tracer ist eine Art Kontrastmittel, der dem Patienten meist durch Injektion in die Armvene zugeführt wird. Es ist ein Stoff (z.B. Glucose), der mit einer schwach radioaktiv markierten Substanz versehen ist. Der Körper kann den Tracer nicht von der im Stoffwechsel vorhandenen Glucose unterscheiden und so nimmt er für eine kurze Zeit am Stoffwechsel teil. Im  PET-Bild leuchten die Bereiche des Tumors mit einer unterschiedlichen Stoffwechselaktivität in unterschiedlichen Stärken und Farben. Diese sind ein Maß für die Stoffwechselaktivität im Tumor.

FET : FET ist die Abkürzung für 18F- Fluorethyltyrosin, das ist eine radioaktiv markierte Aminosäure.
Die bei einer PET verwendeten radioaktiven Substanzen sind radioaktive Isotope der Elemente Rubidium (Rb), Sauerstoff (O), Stickstoff (N), Kohlenstoff (C), Gallium (Ga), Fluor (F).

Radioaktive Isotope sind Atomkerne mit einer anderen Anzahl von Neutronen gegenüber der normalen Neutronenanzahl des betreffenden Elements, weisen aber die gleichen chemischen Eigenschaften auf. Radioaktive Isotope zerfallen in einer bestimmten, für das einzelne Isotop typischen, Zeit, die als Halbwertszeit bezeichnet wird. In dieser Zeit zerfallen die Hälfte der an einem Ort befindlichen Isotope und geben dabei eine radioaktive Strahlung ab.

Die Isotope der oben genannten Elemente werden extra in einem Zyklotron hergestellt und haben die folgenden Halbwertzeiten (Die Zahl vor dem Symbol des Elements ist die andere Neutronenanzahl.): 82Rb : 75 s, 15O : 2,03 min, 13N : 10,1 min, 11C : 20,3 min, 68Ga : 68 min, 18F : 110 min.

Die längere Halbwertzeit des Isotops 18F ermöglicht den Transport des Mittels über einen etwas längeren Zeitraum und über weitere Wege vom Zyklotron zu den Orten, wo eine PET-Diagnostik erfolgt, und wird deshalb meist bei den PET-Untersuchungen eingesetzt.

Zunächst wurde die mit 18F markierte Aminosäure 18F-Fluordesoxyglucose (FDG) bei den PET- Untersuchungen eingesetzt. Da im Hirn der Glucose-Stoffwechsel generell hoch ist, war die Differenzierung des Tumorstoffwechsels mit diesem Mittel schwierig. Bessere Ergebnisse wurden mit der mit 18F markierten Aminosäure 18F-Fluorethyltyrosin (FET) erreicht.

Auch das Isotop 11C (Abkürzung MET für 11C-L-Methionin) wird verwendet und ist vom Ergebnis her dem FET gleichwertig bis auf die Halbwertzeit von nur 20 Minuten, die ein Vorhandensein eines Zyklotrons zur MET-Herstellung im PET-Zentrum voraussetzt.
« Letzte Änderung: 17. Juni 2014, 00:16:04 von KaSy »
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Re:Berichte vom 34. HT-Info-Tag am 10. Mai 2014 in Köln
« Antwort #3 am: 20. Mai 2014, 23:23:12 »
3. Immuntherapeutische Konzepte bei Hirntumoren

Prof. Dr. med. Michael Sabel
Leitender Oberarzt der Neurochirurgischen Klinik, Universitätsklinikum Düsseldorf


In den letzten zehn Jahren gab es deutliche Fortschritte in der Diagnostik und Therapie von Hirntumoren. In der Diagnostik können PET-Geräte  eingesetzt werden. Die operative Entfernung der Tumoren kann durch den Einsatz der Hirnstimulation und von fluoreszierenden Mitteln aggressiver und damit effektiver erfolgen. Die verbesserten und neuen Bestrahlungsgeräte und -methoden (LINAC, Gamma-Knife, Cyberknife, Brachytherapie) ermöglichen eine punktgenauere Bestrahlung des Tumors bei größer werdender Schonung des umliegenden Gewebes. Die Chemotherapie ist nun bei hirneigenen Tumoren obligat (verpflichtend).


Momentan wird an therapeutischen Konzepten geforscht, um eine Antwort auf die Unterdrückung des Immunsystems durch den Tumor zu finden. Es geht darum, individuelle Mittel herzustellen, die in Form einer Impfung genau den Tumor des Patienten bekämpfen und zerstören.

Tumoren entwickeln sich aus meist unbekannten Gründen, indem sich einzelne Zellen beginnen zu vermehren, ohne dass sie eine Funktion für den Körper übernehmen. Im Normalfall ist das körpereigene Immunsystem in der Lage, eine solche unkontrollierte Zellteilung zu verhindern oder zu stoppen. Aus irgendwelchen Gründen findet bei der Tumorentstehung an dieser Stelle die Immunreaktion nicht statt. Es muss also eine Unterstützung des Immunsystems von außen erfolgen.

Es kann aber keine vorbeugende Impfung wie gegen übertragbare Krankheiten wie Grippe oder Masern sein, denn der Tumor existiert bei seiner Entdeckung ja bereits seit längerer Zeit. So wie bei einem Biss durch ein tollwütiges Tier erst nach der vermutlichen Infektion geimpft wird, kann man auch gegen einen Tumor erst nach dessen Bekanntwerden vorgehen. Und wie nach dem Biss einer Giftschlange das Impfserum als Gegenmittel genau zum Gift der Schlange passen muss, muss auch das Impfserum gegen den Tumor individuell genau zum Tumor passen.

Jeder individuelle Tumor benötigt ein individuelles Gegenmittel für eine Schutzimpfung.


Wie funktioniert die Immuntherapie?
Die Immuntherapie ist nicht die alleinige Therapie, sondern eine hochspezifische (individuelle, genau zum Tumor passende) Zusatztherapie zu den Standardtherapien Operation, Bestrahlung, Chemotherapie.
 
Der Patient muss über ein funktionierendes allgemeines Immunsystem verfügen, das im Allgemeinen über eine gesunde, aktive Lebensweise hinaus nicht extra gestärkt werden muss.

Die Voraussetzungen für die Herstellung des Impfstoffes, der spezifisch gegen den Tumor wirken soll, sind Monozyten aus dem Blut des Patienten und das Tumormaterial, das nach der erfolgten Operation zur Verfügung steht. Die Monozyten sind weiße Blutkörperchen, deren Aufgabe die Immunabwehr ist. Aus dem Tumormaterial werden Zellen entnommen. Sie werden aufgelöst und mit dem entstandenen Lysat werden die Monozyten beladen. In einer anderen Variante werden von den Tumorzellen Bruchstücke von Eiweiß-Molekülen aus Aminosäuren abgelöst und damit die Monozyten beladen. Dies geschieht im Labor. Die Monozyten reifen dort im Verlauf von neun Tagen zu Dendritischen Zellen (DC) heran. Die DC sind die einzige Zellart der weißen Blutkörperchen, die eine Immunantwort auf fremde oder entartete Zellen aktivieren kann. Die reifen DC können für den späteren Gebrauch eingefroren werden.

Während der Reifezeit der DC wird der Patient bereits bestrahlt und hat mit der Chemotherapie begonnen. Er wird dann mehrfach eine Spritze mit den reifen DC subkutan in den Arm erhalten. 

Außer den bereits genannten zwei Varianten der Aufbereitung des Tumormaterials werden entweder alle Sorten der Zellarten des Tumors oder nur eine dieser Zellarten zur Herstellung der DC genutzt. Bei der Nutzung aller Zellarten des Tumors ist es möglich, dass die DC auch gegen gesundes Gewebe aktiv werden. Nutzt man zunächst nur eine der Zellarten des Tumors, kann man in der Verlaufskontrolle die Wirkung verfolgen, bei der nur die spezifischen Zellen des Tumors zerstört werden. Ein Rest wird verbleiben. Mit einer zweiten Zellart kann eine weitere Impfserie erfolgen. So wird die Möglichkeit der Schädigung von gesundem Gewebe deutlich verringert.


Ist die Immuntherapie wirksam?
Für den wissenschaftlichen Nachweis der Wirksamkeit ist eine Phase-III-Studie erforderlich, also eine  randomisierte (Zufallsprinzip) Doppelblind-Studie, bei der nach dem Zufallsprinzip die eine Patientengruppe die Standardtherapie und die andere die neue Therapie erhält, ohne dass Arzt und Patienten wissen, wer welcher Gruppe angehört. Die Patienten sollten bezüglich der Tumorart sowie in Alter, Geschlecht, Vorerkrankungen usw. möglichst weit übereinstimmen, damit die Ergebnisse vergleichbar sind. Damit die Studie aussagekräftig ist, sollte es sich um eine möglichst hohe Patientenzahl handeln. Eine solche Studie liegt bisher noch nicht vor.

Es liegen aber mehr als 20 Studien mit weniger strengen Bedingungen vor, aus denen hervorgeht, dass keine wesentlichen Nebenwirkungen beobachtet wurden und eine hohe Lebensqualität erhalten werden konnte. Etwa die Hälfte der Patienten wiesen eine Immunantwort gegen den Tumor auf. Die mittlere Überlebenszeit stieg auf drei Jahre, sie bewegte sich zwischen anderthalb und sieben Jahren. 

Bisher wurde die Immuntherapie ausschließlich bei den bösartigen WHO IV-Tumoren getestet. Sie ist auch bei Tumoren mit den WHO-Graden III und II anwendbar und auch Kinder können davon profitieren.
 

Wie kann man an die Immuntherapie gelangen?
Der hohe Aufwand bei der Herstellung der individuellen Impfstoffe aus den einzelnen Tumorzellarten ist sehr teuer. Noch ist die Immuntherapie nicht relevant, sie befindet sich im Forschungsstand.

Ohne den Wirksamkeitsnachweis zahlen die Kassen die Immuntherapie nicht oder nur in seltenen Ausnahmefällen. Das Problem ist also zur Zeit die Kommerzialisierung auf Kosten des schwer erkrankten Menschen.

Es gibt unseriöse Anbieter, die viel zu hohe Preise (z.B. 40 000 €) verlangen, die man auch im Erfolgsfall nicht von der Krankenkasse erstattet bekommt.

Seriöse Anbieter stellen an den Patienten bestimmte Anforderungen. Es darf sich nur um einen minimalen Resttumor eines Primär-Glioblastoms WHO II bis III handeln, nicht um eine Rezidiv. Der Patient darf nicht steroidabhängig sein (Cortison!). Es muss aktuelles Tumormaterial vorliegen, das nach einem anerkannten Standard konserviert wurde. 
Wenn man schon im Müllkasten landet, sollte man schauen, ob er bunt angemalt ist.

Der Hirntumor hat einen geänderten und deswegen nicht weniger wertvollen Menschen aus uns gemacht!

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Re:Berichte vom 34. HT-Info-Tag am 10. Mai 2014 in Köln
« Antwort #4 am: 20. Mai 2014, 23:28:11 »
4. Aktuelle Entwicklungen in der chirurgischen Therapie von Meningeomen

Prof. Dr. med. Makoto Nakamura
Stellvertretender Direktor der Klinik für Neurochirurgie, Medizinische Hochschule Hannover


35,8 % aller Tumoren des ZNS (Zentralen Nerven-Systems) sind Meningeome. Sie wachsen aus den Zellen der Hirnhäute (Meningen), die beide Gehirnhälften und das Rückenmark umgeben. Die Hirnhaut besteht aus Membranen, der äußeren harten Hirnhaut (Dura mater), der mittleren Spinnwebenhaut (Arachnoidea mater) und der inneren weichen Hirnhaut (Pia mater). Ihren Ursprung haben die Meningeome in den Deckzellen der Spinnwebenhaut.  

Sie wachsen meist sehr langsam und verdrängen häufig das Gehirn. Manche verändern auch die umgebenden Knochen. Im CT und MRT (mit Kontrastmittel) kann man sie diagnostizieren (feststellen). Sie sind in den Bildern hell sichtbar.


Einfügung von KaSy:

Meningeome (M.) werden nach ihrer Lage benannt, z.B.:
Schädelbasis-M. (im unteren Bereich des Gehirns)
Konvexitäts-M. (am nach außen gewölbten Schädelknochen)
Falx-M. (an den Hirnhäuten zwischen den beiden Hirnhälften)
supratentorielles M. (oberhalb des Kleinhirns, genauer: des Kleinhirnzeltes)
Hypophysen-M. (in der Hypophyse)
Spinales M. (an den Meningen, die das Rückenmark umgeben)

Meningeome werden nach Kriterien der Weltgesundheitsorganisation WHO (World Health Organisation) von WHO I (langsam wachsend) bis WHO II und III (schneller wachsend, hohes Rezidivrisiko) eingestuft, die für die Therapie (Behandlung) von Bedeutung ist.
WHO I : Die meisten Meningeome wachsen langsam und verdrängen im Laufe der Zeit das Gehirn. Sie werden oft erst bemerkt, wenn sie zu Symptomen führen und können dann bereits sehr groß sein. Diese ausgedehnten Befunde können dann mehrere anatomische Funktionsbereiche des Gehirns erfassen. Für den Neurochirurgen ist die Operation solcher Meningeome eine große Herausforderung.
Für die Therapie ist die erreichte Größe, das Wachstumstempo, die konkrete Lage an besonders sensiblen Bereichen sowie die aufgetretenen Symptome (von Ärzten als „Klinik“ bezeichnet) bedeutsam.
WHO II („atypisch“); WHO III („anaplastisch“) : Recht selten kommen Meningeome vor, die schnell wachsen, ein hohes Rezidiv-Risiko ausweisen, in wichtige Bereiche des Gehirns infiltrieren (hineinwachsen) bzw. sich in deren  unmittelbarer Nähe befinden.
Bei diesem hohen Risiko muss schnell reagiert werden.



Wait-and-see (Abwarten und beobachten)
Da die CT- und MRT- Untersuchungen in den letzten Jahren viel häufiger vorgenommen wurden, werden Meningeome oft auch als Zufallsbefunde bei der Suche nach anderen Krankheiten entdeckt. Dabei stellt sich dann die Frage, ob die Operation gleich sein muss oder ob man abwarten kann. Diese „wait-and-see“- Phase kann viele Monate bis Jahre dauern. Die Frage, wann man mit der Therapie (Behandlung)beginnt, ist von mehreren Faktoren abhängig:

- Wie schnell wächst das Meningeom? Da alle Tumoren wachsen, sind regelmäßige MRT-Kontrollen erforderlich, um die Größenzunahme des Tumors im Vergleich der Bilder festzustellen. Verkalkte Meningeome wachsen sehr langsam. Im MRT heller sichtbare Meningeome wachsen schneller. Bei älteren Patienten beobachtet man ein langsameres Wachstum.

- Wie groß ist das Meningeom? Wenn bei der sorgfältige Betrachtung und Auswertung des radiologischen Befundes und der MRT- Bilder durch den Neurochirurgen festgestellt wird, das der Tumor das Gehirn bereits deutlich verdrängt, sollte eine Entfernung erwogen werden.

- An welcher Stelle befindet sich das Meningeom? Wenn es sich in der Nähe sehr wichtiger und besonders sensibler (empfindlich) Funktionsbereiche des Gehirns entwickelt, können die Sinne und die Motorik sowie das Gefühlsleben mehr oder weniger rasch Schäden erleiden.

- Welche klinischen Symptome sind im Verlauf der Beobachtung bereits aufgetreten? Sobald der Patient Beeinträchtigungen bemerkt, deren Ursache das Meningeom sein kann, sollte die Operation eingeplant werden.  

- Wie alt ist der Patient? Bei jüngeren Patienten ist mit einem rascheren Wachstum der Menigeome zu rechnen. Bei älteren Patienten können die Abstände der MRT-Untersuchungen etwas größer sein und es kann womöglich sogar auf eine Therapie verzichtet werden.


Ziel der Operation
Das Meningeom soll komplett mit den Hirnhäuten und dem Knochen entfernt werden. Sollte es sich noch in seiner Hülle befinden, ist diese unversehrt mit dem Tumor zu entnehmen. Wichtigstes Ziel  ist der Funktionserhalt des Gehirns, um die Lebensqualität des Patienten zu erhalten.

Gradierung der chirurgischen Radikalität bei Meningeomen nach Simpson 1957
Grad 1:  Vollständige Entfernung inklusive Ansatz
Grad 2:  Vollständige Entfernung und Koagulation (Gerinnung durch Hitze) des Ansatzes
Grad 3:  Vollständige Entfernung ohne Koagulation des Ansatzes
Grad 4:  Unvollständige Entfernung
Grad 5:  Erweiterte Biopsie


Auf eine Patientenfrage antwortete Prof. Nakamura, eine Biopsie sei bei Meningeomen meist nicht erforderlich, da man sie gut erkennt und oft vollständig entfernen kann. Die pathologische Untersuchung erfolgt im Nachhinein mit dem entnommenen Tumormaterial. Eine Biopsie muss risikoarm sein. Wenn sie das nicht ist, soll man sie nicht durchführen.


Entwicklung in der Therapie von Meningeomen
Seit den Siebziger Jahren wird das Operationsmikroskop eingesetzt.

Es wird mit Bildschirmnavigation gearbeitet.

Es wird angestrebt, kleinere Zugänge zum OP-Gebiet zu schaffen und nicht mehr Schnitte „von Ohr zu Ohr“ zu machen. Kleinere Schnitte erzeugen auch weniger Probleme, haben weniger nachteilige Folgen.

Um das Gehirn zu schonen, schafft man sich Zugänge zwischen den Gehirnfalten, Gehirnfurchen.

Man kann bestimmte Nerven „monitoren“ (auf dem Bildschirm darstellen), den Riechnerv, Sehnerv, Gesichtsnerv, …

Bei inoperablen (nicht ohne Schäden zu entfernenden) Meningeomen wird die Bestrahlung eingesetzt.

Es wird interdisziplinär zusammengearbeitet, also in einer Tumorkonferenz beraten ärztliche Vertreter der beteiligten Fachrichtungen die Therapie bzw. den Therapieverlauf des Meningeom-Patienten. Z.B. werden bei Bedarf auch Augenärzte oder HNO-Ärzte hinzugezogen.


Eine Patientenfrage zur Entartung der meist gutartigen Meningeome beantwortete Prof. Nakamura insofern, dass Meningeome mit dem WHO-Grad I meist WHO-Grad I – Meningeome bleiben.*
WHO-Grad II - Meningeome würden jedoch häufig zum WHO-Grad III entarten.


Hierzu blieb die Fragen offen, warum ein WHO I – Meningeom ein solches bleiben sollte , wenn es als Rezidiv wiederkehrt. WHO I -Tumoren bilden keine Rezidive und wenn sie es tun, sind die Rezidive keine WHO I – Tumoren mehr, sondern höhergradig. (KaSy)


Auf die weitere Frage nach der möglichen Entartung durch eine Bestrahlung von WHO-Grad I – Meningeomen reagierte er, dass es kaum an der Bestrahlung, sondern eher an der tumoreigenen Biologie läge, wenn das geschähe.*

Hier fehlte die Aussage, dass WHO I – Meningeome nur dann bestrahlt werden, wenn sie nicht oder nicht vollständig entfernt werden können. Aufgrund ihres sehr langsamen Wachstums ist eine Bestrahlung der WHO I – Meningeome nicht einer operativen Totalentfernung gleichzusetzen. Nach der Beendigung der Bestrahlung ist es also möglich, dass noch aktive Tumorzellen überlebt haben, die wieder zu einem Meningeom heranwachsen können. Das werden aber nicht die bestrahlten und dadurch abgetöteten Zellen tun, sondern die überlebten Tumorzellen. (KaSy)

Eine Patientenfrage bezog sich auf die Komplexität des Gehirns mit den unzählbar vielen Verbindungen, wodurch bei Operationen und Bestrahlungen immer auch mit unvorhersehbaren psychischen und kognitiven Folgen für den Patienten zu rechnen ist. Hier sprach Prof. Nakamura davon das eine Operation am Gehirn nie einfach und immer eine große Herausforderung sei. Man versuche, die Substrukturen optimal zu schonen, indem man möglichst natürliche Zugänge durch die Hirnfurchen nutze. Psychische und kognitive Folgen gäbe es bei den Patienten jedoch nur bei bestimmten Lokalisationen (Lage im Stirnlappen und bestimmten Teilen des Großhirns).



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Re:Berichte vom 34. HT-Info-Tag am 10. Mai 2014 in Köln
« Antwort #5 am: 03. Juni 2014, 23:53:54 »
5. Innovative Techniken in der Strahlentherapie von Meningeomen

Prof. Dr. med. Stephanie Combs
Ärztliche Direktorin der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie,
Klinikum Rechts der Isar, Technische Universität München


Meningeome
WHO I - Meningeome wachsen langsam und können oft gut operiert werden. Sind noch keine Symptome aufgetreten, kann man das Tumorwachstum beobachten. Das Risiko für den Patienten ist noch gering und man kann sich mit der Operation etwas Zeit lassen.

Nicht selten findet man jedoch ausgedehnte Befunde, da Meningeome von den Hirnhäuten aus und nicht im Gehirn wachsen und das Gehirn mit der Zeit symptomlos verdrängen.  
Schnell reagieren muss man,
- wenn bereits Symptome auftreten
- wenn große Meningeome mehrere Funktionsbereiche erfassen
- wenn sie in unmittelbarer Nähe von Risikostrukturen sind oder diese infiltrieren (wachsen hinein)
- wenn es sich um Rezidive handelt
- wenn es höhergradige Meningeome sind (WHO II; WHO III)
Hier besteht ein höheres Risiko für den Patienten und es sollte möglichst bald operiert werden.
Ist eine Operation nicht oder nur teilweise möglich, wird eine Strahlentherapie des Tumors, des Resttumors oder des OP-Gebietes bei höhergradigen Meningeomen durchgeführt.

Strahlentherapie
Die direkte Vorbereitung der Strahlentherapie beginnt mit einer CT*, die für die Berechnung der Strahlendosis für die einzelnen Tumorstellen erforderlich ist. (Die durch die CT entstehende Röntgenbelastung ist im Vergleich zur folgenden Bestrahlung minimal.  KaSy)
Die Diagnostik und die Kontrolluntersuchungen werden mit der MRT* und bei Bedarf zusätzlich mit der PET* durchgeführt. Hier habe sich das DOTATOC-PET* als hilfreich erwiesen.
Für die Bestrahlung wird (im Klinikum Rechts der Isar in München) das NOVALIS-System* genutzt. Hier erfolgt die Bestrahlung aus verschiedenen Richtungen und der Patient wird bildgesteuert stets in die richtige Position gebracht, um eine auf den Millimeter genaue Präzisionsbestrahlung zu ermöglichen.
Die Intensitätsmodulierte Radiotherapie (IMRT) ermöglicht die ungleichmäßige (inhomogene) Bestrahlung des Tumors, indem die Strahlendosis an die verschieden aktiven Tumorbereiche angepasst wird.

Lebensqualität nach der Strahlentherapie
Befragungen und Untersuchungen von 280 Patienten zu ihrer Lebensqualität ergaben folgendes:
105 ging es besser
140 ging es gleich gut
  30 ging es schlechter
    5 ging es sehr schlecht  



Antworten auf Patientenfragen
- Akustikusneurinome sind meist klein und sind für eine alleinige Strahlentherapie (ohne vorherige OP) mit dem Gamma- oder Cyberknife geeignet.
- Bei Gliomen und WHO II / III – Meningeomen muss zuerst eine möglichst radikale Operation erfolgen, bevor dann eine Bestrahlung des Tumorrestes erfolgen kann.
- Hypophysenadenome sind gutartige Tumoren. Hier sollte eine Total-OP (vollständige Tumorentfernung) erfolgen. Im Falle eines Rezidives ist erst eine OP  durchzuführen und danach eine Bestrahlung. Wenn diese Tumoren Hormone produzieren und ein Rezidiv bilden, ist eine Bestrahlung mit gutem Erfolg möglich.  
- Bei Kindern mit einem Astrozytom oder Gliom hätte eine Chemotherapie ein sehr hohes Risiko von Nebenwirkungen für den noch wachsenden Körper. Wenn eine Bestrahlung erfolgen soll, sollten auf jeden Fall Techniken der Hochpräzisionstechnologie genutzt werden. Bei Unsicherheit sollten sich die Eltern unbedingt eine Zweitmeinung einholen.
- Die Bestrahlung mit Schwerionen ist noch im experimentellen Stadium. Dazu läuft derzeit die „Cleopatra“-Studie.  
- Eine Zweit- oder Drittbestrahlung ist nach mehreren Jahren möglich, insbesondere, wenn es sich um andere Regionen handelt.



* Worterklärungen* (von KaSy)

CT : Computertomographie

MRT : Magnetresonanztomographie

PET : Positronen-Emissions-Tomographie

DOTATOC-PET : Im Unterschied zum FET-PET (2. Vortrag von Prof. Langen) wird hier eine andere radioaktiv markierte Aminosäure verwendet, die für bestimmte Tumoren deren Aktivitäten besser darstellen kann.

Gray ; 1 Gy : Energieeinheit Gray, 1 Gy = 1 J/kg ; wird für die Strahlendosis in der Strahlentherapie bzw. Radiochirurgie verwendet;
Die Energieeinheit Sievert; 1 Sv = 1 J/kg ist eine Äquivalentdosis (die gleiche Einheit). Sie wird für die Energiedosis beim Röntgen sowie für die Maximalbelastung durch Strahlung in der Umwelt und für Arbeitskräfte mit strahlenbelasteten Tätigkeiten verwendet.
1 Sv ist eine sehr große Einheit, deshalb wird meist die kleinere Einheit 1mSv (1 Milli-Sievert) genutzt, wobei gilt: 1000 mSv = 1Sv, bzw. 1 mSv = 0,001 Sv.
Die normale Strahlenbelastung, der wir ständig ausgesetzt sind, liegt bei 2,4 mSv pro Jahr. Im Arbeitsbereich liegt die Grenze der Strahlenbelastung bei 20 mSv im Jahr. Die Strahlenbelastung bei Röntgenaufnahmen beträgt 0,02 mSv beim Zahnröntgen, 0,2 mSv bei einer Röntgenaufnahme des Schädels, 2,0 mSv beim Röntgen der Halswirbelsäule sowie bei einer Computertomographie (CT) des Schädels. Höhere Werte werden erreicht beim Röntgen der Brustwirbelsäule (5,0 mSv) und bei der CT der Lunge sowie der Angiographie von Herz oder Nieren (je 10 mSv).

Radiotherapie : Mit energiereicher Strahlung werden die Tumorzellen zerstört, wenn sie sich gerade in ihrer Teilungsphase (Mitose = Zellteilung) befinden. In dieser Phase spaltet sich die im Zellkern befindliche Erbsubstanz DNS*, die alle Gene doppelt enthält, in zwei gleiche Teile. Um jede Hälfte schließt sich die Zellmembran. Die Verdoppelung der halben DNS beginnt, bis zwei Zellkerne mit dem vollständigen Erbgut existieren und zwei Zellen entstanden sind. In dieser Phase sind die Zellkerne besonders empfindlich und können durch Bestrahlung zerstört werden. Ihre Erbinformationen können dann keine weiteren Teilungen veranlassen.

Allerdings verbleiben die Zellreste der nicht mehr aktiven Tumorzellen im Tumorgebiet. Sie werden vom Körper nach und nach im Verlauf von Monaten abgebaut und können als totes (nekrotisches) Gewebe beim Patienten noch lange die gleichen oder veränderte Beschwerden verursachen. Um dieses nekrotische Gewebe abzubauen, reagiert der Körper mit einer erhöhten Aktivität. Im Blutkreislauf werden Zellen aktiviert, die dazu in der Lage sind, die Zellreste zu vernichten und abzutransportieren. Daraus erklären sich die Folgen eines schlechteren Blutbildes während einer Bestrahlung sowie die Bildung einer Gehirnschwellung (Ödem) im Tumorbereich.

Ödeme kommen auch anderswo im Körper vor, z.B. entsteht eine Beule, wenn man sich gestoßen hat und der blaue Fleck zeugt von der Aktivität der Abwehrstoffe unseres Blutes.

Im Gehirn wirkt eine solche Schwellung aber hirnverdrängend, der Hirndruck steigt und damit die Gefahr der Zerstörung von wichtigen Zellen des Gehirns. Dieser Ödembildung wird mit der Gabe von Cortison* begegnet bzw. vorgebeugt.

Die Strahlung zerstört aber auch gesunde Zellen, die sich auf dem Weg der Strahlen durch das Hirngewebe in den Tumorbereich befinden. Diese können sich zu 99,9 % selbst reparieren.


Cortison : Es ist körpereigenes Hormon, das dann ausgeschüttet wird, wenn sich die Person bzw. der Körper in Gefahr befindet. Es ermöglicht eine insgesamt höhere Aktivität, um der Gefahr zu entrinnen. Es wird also Stress ausgelöst. Das kann das Weglaufen vor dem Angriff eines wilden Tieres sein oder die aktive Verteidigung, wofür erhöhte Kräfte erforderlich sind. Cortison regt damit aber auch den Stoffwechsel an, denn für eine erhöhte körperliche Aktivität wird auch mehr Muskelkraft benötigt. Für den erhöhten Stoffwechsel muss das Blut mehr Arbeit verrichten, also steigen sowohl der Blutdruck als auch die Körpertemperatur.

Das alles ist gut gegen äußere Gefahren sowie gegen die inneren Gefahren, z.B. einer Entzündung.
Die höheren Cortisonmengen, wie sie für die Eindämmung eines Hirnödems erforderlich sind, haben zunächst auch positive Wirkungen und führen durch die Senkung des Hirndrucks zu einer Abnahme der dadurch verursachten Beschwerden. Da der Abbauprozess des nekrotischen Gewebes jedoch über Monate andauern kann, ist eine derart lange Cortisongabe nachteilig. Der Körper wird   schließlich künstlich monatelang gegen einen Dauerstress gewappnet.

Das ist, als wenn man sich monatelang in einer ständigen Gefahr befindet, die sich immer wieder verändert, so dass sie auch nach Monaten nicht berechenbar ist. Man hat keine Minute der Ruhe, des Entspanntseins, des erholsamen Schlafs.

Ohne Cortisongabe kann sich der Körper allein dem Abbauprozess widmen und konzentriert seine Kräfte, also auch sein körpereigenes Cortison, darauf. Das Cortison wirkt im Tumorbereich, aber nicht auf den gesamten Körper. Dieser wird „vernachlässigt“ und reagiert mit Müdigkeit.


NOVALIS-System : Dieses System ist eine Weiterentwicklung der Bestrahlungsgeräte. Es ist ein Linearbeschleuniger, mit dem Einzeitbestrahlungen (Gamma-Knife) und fraktionierte Bestrahlungen durchgeführt werden können. Auf eine Patientenfrage sagte Prof. Combs, man würde statt der am Kopf festgeschraubten stereotaktischen Ringe auch hier dazu übergehen, Masken zu verwenden.

Fraktionierte Bestrahlung : Bestrahlung, bei der die errechnete Gesamtdosis aufgeteilt wird. Täglich erhält der Patient nur einen kleinen Teil (eine „Fraktion“) der Gesamtdosis. Z.B. werden 60 Gy so aufgeteilt („fraktioniert“), dass an 30 Tagen mit je 2 Gy bestrahlt wird. Das ist für das umliegende Gewebe schonender.  

IGRT : Image Guided Radiotherapy = Bildgesteuerte Radiotherapie
Es handelt sich um die millimetergenaue Positionierung des Patienten und seine Nachpositionierung in sechs Raumrichtungen. Dies geschieht auf der Basis einer integrierten Bildsteuerung, die den Tumor mittels Ultrarot- und Röntgenstrahlung exakt erfasst. Besonders geeignet ist diese Technologie für bewegte Tumoren, z.B. Lungentumoren, die ihre Lage mit der Atmung ständig ändern. Die „Adaptive-Gating-Technologie“ ermöglicht es, dass nur dann Strahlung abgegeben wird, wenn der Tumor sich im Zielgebiet befindet.  

« Letzte Änderung: 17. Juni 2014, 01:10:39 von KaSy »
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Re:Berichte vom 34. HT-Info-Tag am 10. Mai 2014 in Köln
« Antwort #6 am: 17. Juni 2014, 00:08:03 »
6. Chemotherapie von Gliomen:  Neue Ergebnisse klinischer Studien

Prof. Dr. med. Michael Platten
Leitender Oberarzt der Abteilung Neuroonkologie, Universitätsklinikum Heidelberg

Die Chemotherapie hat das Ziel, die Tumorzellen so zu schädigen, dass sie inaktiv werden.
Bei der Anwendung der Medikamente stellt sich bei jedem Patienten die Frage, welches Mittel in welcher Situation die besten Ergebnisse erzielt.
Es stehen dafür Medikamente zur Verfügung, die in Deutschland bereits zugelassen sind, aber auch welche, die noch keine Zulassung erhalten haben.
Um die Chemotherapie bei Gliomen der einzelnen Patienten zu besseren Ergebnissen zu führen sowie die Zulassung für diese Mittel zu erhalten, sind klinische Studien die Vorausetzung.

Studien zu einzelnen Zytostatika*


(1)  Cilengitide*

Es handelt sich bei Cilengitide um eine experimentelle Krebstherapie einer neuen Klasse, die u.a. gegen Glioblastome wirken soll. Man vermutet, dass Cilengitide bestimmte Integrine* angreift, die von Tumoren fehlerhaft oder in zu hoher Zahl abgegeben werden. Sie könnten am Wachstum von Tumorzellen und an der Neubildung von tumorversorgenden Blutgefäßen beteiligt sein.
In der Phase III-Studie wurden nur neu erkrankte Patienten mit „methylierten* Glioblastomen*“ behandelt. Eine Gruppe erhielt die Standardtherapie „Radiochemotherapie* mit Temodal*“. Die andere Gruppe erhielt die Radiochemotherapie mit Cilengitide.

Ergebnis :  Es zeigte sich leider kein zusätzlicher Nutzen von Cilengitide.


(2)  Avastin*

In der Phase-III-Studie wurden Glioblastom-Patienten behandelt. Eine Gruppe erhielt die Standardtherapie „Radiochemotherapie mit Temodal“. Die andere Gruppe erhielt die Radiochemotherapie mit Avastin.

Ergebnis :  In beiden Gruppen traten Rezidive auf, in der „Avastin“-Gruppe etwas später. Insgesamt gab es keine Unterschiede der Überlebenszeiten.

Glioblastompatienten können bei Rezidiven (nach einem Extraantrag) Avastin nehmen. Es sei nicht schädlich, aber evtl. erfolgreich. Die Studienergebnisse stellen den Mittelwert der untersuchten Gruppe dar. Es gibt aber stets nach oben und unten „Ausreißer“. Der einzelne Patient kann durchaus der positive Ausreißer sein.


(3)  In der Forschung muss also nach weiteren Faktoren geschaut werden. Man sucht nach  Markern, die bei den Patienten gleich sind, die von dem Medikament profitiert haben oder die bei den Patienten gleich sind, bei denen die Behandlung keinen Erfolg erbrachte.
MGMT*  ist ein solcher molekularer Marker.

Das  Eiweißmolekül MGMT repariert die von den Zytostatika hervorgerufenen Schäden an der DNS und wirkt damit der alkylierenden* Chemotherapie entgegen. Es wirkt ählich wie ein Enzym, verbraucht sich aber. Der Marker MGMT ist also ist ein Resistenz*faktor. Dabei kann die Resistenz bereits zu Beginn der Chemotherapie bestehen (primäre Resistenz) oder währenddessen erworben werden (sekundäre Resistenz). Vor Beginn der Chemotherapie bestimmt man die Aktivität von MGMT über Promotor*-Methylierung*.

Ergebnis :
 
Wenn der MGMT-Promoter fehlt, also der Reparaturmechanismus aktiv ist, dann ist das Glioblastom gegen die Chemotherapie resistent.
In diesem Fall sollte die Chemotherapie nicht stattfinden, da sie nicht erfolgreich wirken wird, den Patienten jedoch mit den Nebenwirkungen belastet. Das ist eine wichtige Entscheidung im Sinne der Lebensqualität des Patienten in seiner verbleibenden Lebenszeit.
Wenn der MGMT- Promoter vorhanden ist, schaltet er das Reparaturenzym ab und die Chemotherapie kann auf die Glioblastomzellen zerstörend wirken.

Man spricht hier von methylierten Glioblastomen. Die Zytostatika können die DNS der Tumorzellen also dauerhaft an ihrer Teilung hindern und deren Zelltod hervorrufen. Das trifft auf rund ein Drittel bis knapp die Hälfte aller Glioblastom-Patienten zu. Für diese eignet sich z.B. das alkylierende Zytostatikum Temodal*.


(4) IDH1*-Mutation

Molekular-pathologische Untersuchungen der Tumormaterialien ergaben in der DNS von Glioblastom-Zellen ein häufiges Vorkommen einer IDH1-Mutation. Da sich anaplastische  Astrozytome (= WHO III) im mittleren Lebensalter zu Glioblastomen entwickeln können, ist der genetische Nachweis der IDH1-Mutation eine wichtige Voraussetzung für die Festlegung der Therapie in dieser Gruppe.  


(5) 1p/19q – Status

Bei molekular-pathologischen Untersuchungen der DNS der Tumorzellen verschiedener Hirntumor-Arten wurde ein kombinierter Allel-Verlust auf den Chromosomen 1 und 19 festgestellt, der fast ausschließlich bei den Oligo-Tumoren (Oligodendrogliome, Oligoastrozytome, Oligodendroastrogliome) auftritt. Die Tumoren, bei denen dieser 1p/19q – Status auftritt, reagieren empfindlicher auf eine Chemotherapie.


(6) PCV - Chemotherapie

In einer Studie wurden Patienten mit Oligodendrogliome mit bzw. ohne 1p/19q – Status vergleichend behandelt.
Eine Gruppe wurde mit der sechswöchigen Standard – Radiotherapie behandelt.
Die andere Gruppe erhielt als kombinierte Therapie zusätzlich zur sechswöchigen Strahlentherapie eine Chemotherapie mit PCV. Dieses Zytostatikum besteht aus den drei Bestandteilen „Procarbazin“, „Lomustin“ und „Vincristin“. Dabei ist Vincristin ein Mittel, das Nervenschädigungen hervorrufen kann.

Ergebnis :  Wenn in der Primärtherapie zusätzlich zur Radiotherapie eine PCV-Chemotherapie durchgeführt wird, erhöhte sich die progressionsfreie (ohne Rezidiv) Überlebenszeit, nicht jedoch die mittlere Gesamtüberlebenszeit. Diese war jedoch bei den Patienten mit 1p/19q-Status (mit Allelverlust) deutlich höher.


(7) NOA – 08 - Studie

In dieser Studie wurden Patienten im Anschluss an die Operation therapiert, die im Alter von über 65 Jahren erstmals an einem Glioblastom oder einem anaplastischem Astrozytom erkrankten.  

Solche älteren Patienten befinden sich meist in einem gesundheitlich angeschlagenen Zustand, weswegen die Gleichzeitigkeit von Chemo- und Strahlentherapie nicht ratsam ist.  

Eine Gruppe wurde mit einer sechswöchigen Strahlentherapie behandelt. Anschließend wurde eine Chemotherapie mit Temodal im wöchentlichen Wechsel durchgeführt.
Die andere Gruppe erhielt im wöchentlichen Wechsel eine Chemotherapie mit Temodal.
Anschließend erfolgte eine sechswöchigen Strahlentherapie, jedoch nur bei den Patienten, die ein Rezidiv entwickelt hatten.

Ergebnis :  Wenn MGMT vorhanden ist, also das Reparaturenzym nicht aktiv ist, wirkt die Chemotherapie besser als alleinige Therapie sowie als zusätzliche Therapie nach der Bestrahlung.


(8 ) APG101

Hier ging es um Patienten mit Glioblastom-Rezidiven, die noch nicht größer als 5 cm waren.
Eine Gruppe wurde standardmäßig sechs Wochen lang bestrahlt.
Die andere Gruppe erhielt zusätzlich zu dieser Starhlentherapie eine Chemotherapie mit APG101.

Ergebnis :  Bei methylierten Glioblastomen erwies sich der zusätzliche Einsatz von APG101 als günstig.



Zusammenfassend sagte Prof. Platten:

Die Verbesserung der Chancen von Glioblastompatienten ist eine Herausforderung an die individualisierte Therapie. Die molekulare Analyse ist die Grundlage für die Erarbeitung der Therapie.

Studien werden durchgeführt, um die Frage zu beantworten, ob eine neue Therapie besser wirkt als der bisherige Standard.

Dazu muss man zunächst Gruppen finden, die im molekularen Bereich Gemeinsamkeiten aufweisen, um dann in den Studien die Wirksamkeit bestimmter Medikamente bei möglichst gleichen Voraussetzungen zu testen.



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* Worterklärungen* (von KaSy)


Problematik der Chemotherapie für Tumoren im Gehirn  :  Das Gehirn schützt sich vor dem Eindringen schädlicher Stoffe mit der so genannten „Blut-Hirn-Schranke“. Sichtbares Zeichen für Tumoren sind deren hellere Darstellung nach der Gabe von Kontrastmitteln. Wenn also die eigentlich schädlichen Kontrastmittel sich in den Tumoren anreichern können, kann auch daran geforscht werden, krebsbekämpfende Mittel in diese Tumoren „einzuschleusen“.

Radiochemotherapie  :  Nach der Operation („adjuvant“) erfolgt die Bestrahlung und möglichst gleichzeitig („konkomitant“) wird mit der Chemotherapie begonnen.


Zytostatika :  

Das Wort Zytostatikum (Plural: Zytostatika) stammt aus dem Griechischen und bedeutet sinngemäß „Zellstillstand“. Dieser Name wird für die Medikamente verwendet, die bei Chemotherapien gegen Krebs zum Einsatz kommen. Die Zytostatika schädigen die DNS, also das Erbgut der Zellen und verhindern so ihre Teilung. Die  Chemotherapie schädigt alle sich teilenden Körperzellen.
 
Jedoch unterscheiden sich Tumorzellen von den gesunden Zellen dadurch, dass sie sich ungehemmt teilen und eine viel höhere Teilungsrate aufweisen. Die DNS der Tumorzellen wird derart geschädigt, dass die Tumorzellen den „Zelltod“ erleiden und vom körpereigenen Immunsystem nach und nach entsorgt werden.

Die sich teilenden gesunden Zellen befinden sich besonders im Knochenmark und im blutbildenden System. Die dort rasch gebildeten verschieden Arten der Blutzellen müssen während der Chemotherapie aber besonders aktiv sein. So sind regelmäßige Blutkontrollen erforderlich, um mit geeigneten Maßnahmen (je nach Art der geschädigten Blutbestandteile medikamentös oder mit einer Bluttransfusion) die Wirksamkeit der Chemotherapie zu sichern sowie die Infektabwehr zu erhalten. Das kann zu einer zeitweisen Unterbrechung der Chemotherapie führen.

Auch in der Mund- und Darmschleimhaut teilen sich die Zellen häufiger. Werden diese Zellen in ihrer Teilung gehemmt, kann es zu Entzündungen im Mund und zu Verdauungsproblemen kommen. Diese Probleme sind gut behandelbar.

Die Schädigung der Haarfollikel kann zu vorüber gehendem Haarausfall führen, was heutzutage selten vorkommt.

Jedoch führt die Schädigung der Fortpflanzungszellen zu einer Störung der Spermienbildung bzw. der Reifung der Eizellen. Bei bestehendem Kinderwunsch empfiehlt sich eine entsprechende Beratung.


Glioblastom  :  „bösartigstes“ Gliom mit dem WHO-Grad IV. Sie können primär oder sekundär als Rezidive anderer bösartiger hirneigener Tumoren (Astrozytome WHO II / III) auftreten.

Temodal  :  Handelsname für das Medikament Temozolomid

Avastin  :   Handelsname für das Medikament Bevacizumab

Enzym  :  körpereigener oder dem Körper zugeführter biologischer Stoff, der für eine chemische Reaktion erforderlich ist, aber dabei unverändert bleibt

Integrine  :   Eiweißmoleküle, die in der Zellmembran aller Zellen (außer in den roten Blutkörperchen) vorkommen und die Zellmembran durchqueren.

IDH1  :  Abkürzung für das Protein (Eiweiß)  Isozitratdehydrogenase 1


Alkylierende Chemotherapie  :  

Chemotherapie, bei der als Zytostatikum chemische Mittel eingesetzt werden. Diese chemischen Mittel heißen Alkylanzien. Sie führen Alkyl-Gruppen in die DNS ein, die in einem enzymatischen Prozess die Erbinformation nachhaltig verändern können. Temodal gehört zur Gruppe der Alkylanzien.

Alle Alkylanzien sind potentiell mutagen (verändern die Erbinformation der Eizellen und Spermien!) und karzinogen (krebserzeugend durch eine Veränderung der Erbinformation z.B. insofern, dass eine schnellere Zellteilung stattfindet).

(Man setzt also krebserzeugende Mittel ein, um Krebszellen zu schädigen bzw. abzutöten ? KaSy )


Resistenz, resistent  : Widerstandsfähigkeit gegenüber äußeren Einflüssen, Unwirksamkeit von Medikamenten wegen bestimmter bestehender oder erworbener Zell-Eigenschaften

MGMT  :  Abkürzung für das Eiweiß-Enzym: 6-Hydroxy- Methyl-Guanin-Methyltransferase


Promotor  :  

Promotoren sind Gen-Bestandteile, die die Verdopplung der DNS (zwecks Zellteilung) auslösen und dabei regulierend eingreifen, um die Erbinformation richtig zu übergeben. Dabei wird die Erbinformation nicht unbedingt exakt kopiert, sondern kann Veränderungen enthalten. Der Promotor reguliert, welche Teile der Erbinformationen (a) auf jeden Fall weitergegeben werden, welche (b) von geringerer Bedeutung sind und welche (c) nicht kopiert werden sollen.  

z.B.

(a) Hirnhautzellen müssen auch nach ihrer Teilung  Hirnhautzellen sein und nicht etwa Gehirnzellen oder Zellen eines anderen Organs. (Dadurch ist es übrigens auch möglich, dass im Labor bei der Zelluntersuchung festgestellt werden kann, aus welchem Organ die Zellen und auch die Tumorzellen stammen.)  

(b) An geänderte äußere Einflüsse, die auf eine große Gruppe der Menschheit über sehr lange Zeiträume (mehrere Generationen) wirken, können sich manche Zellen bei ihrer Teilung durch eine immer häufiger vorkommende Veränderung einzelner Chromosomen anpassen.

Nach der Entdeckung und Nutzung des Feuers haben sich z.B. die menschlichen Darmzellen so verändert, das für uns ungegartes Fleisch kaum noch verdaulich ist.

Die Sprache konnte nur durch eine Veränderung der Zellen der Stimmbänder und eine Erweiterung der Gehirnregion für Lautäußerungen so vielfältig werden.
  
(c) Wenn bei einer einzelnen Person ein fremdes Organ transplantiert wurde, findet jedoch auch im Laufe von mehreren Jahren oder Jahrzehnten keine Anpassung der eigenen Zellen an die Zellen des  körperfremden Organs statt.

Die Abstoßungsreaktionen gegen dieses Organ dienen dem Schutz des Körpers vor dem Einfluss bzw. dem Eindringen körperfremder Zellen, die den gesamten Körper schädigen, also krank machen würden. Diese körperfremden Zellen werden – wie alle Krankheitserreger - vom Immunsystem möglichst sofort abgewehrt. Damit das Organ trotzdem funktioniert, muss das Immunsystem lebenslang unterdrückt werden.

Das erklärt auch die Schwierigkeit, für bestimmte Erkrankungen das passende Spenderblut oder Knochenmark zu finden. Denn dieses enthält ja das Immunsystem und darf nicht abgestoßen werden. Es muss also genetisch zumindest fast völlig identisch sein.



Promotor-Methylierung  :  Aus den bei der Zellteilung kopierten DNA-Strängen kann ermittelt werden, ob bestimmte Teile der Erbinformation weitergegeben wurden oder nicht.

methylierte Glioblastome  :  Glioblastome, bei denen das Reparaturenzym MGMT nicht aktiv ist (für diese ist die Chemotherapie sinnvoll)


« Letzte Änderung: 17. Juni 2014, 00:14:33 von KaSy »
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« Antwort #7 am: 11. Juni 2015, 23:06:32 »
7. Therapie epileptischer Anfälle bei Hirntumoren

Prof. Dr. med. Christian E. Elger
Direktor der Klinik für Epileptologie, Universitätsklinikum Bonn

Die Epilepsie ist keine eigene Erkrankung, sondern eine Begleiterkrankung, wie z.B. der Schmerz. Nach einem epileptischen Anfall ist also dessen Ursache zu suchen, die u.a. ein Hirntumor sein kann.

Anfall vor und mit der Diagnose Hirntumor
Mit einer Häufigkeit von 80 – 100 % sind DNT und Ganglio-Gliome Auslöser von epileptischen Anfällen. (DNT = dysembryoplastischer neuroepitelialer Tumor", ist die Abkürzung für einen angeborenen Missbildungstumor, der dem Gangliogliom im MRT sehr ähnelt, aber kaum wächst und nicht entartet, jedoch mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Anfälle auslöst.)
Astrozytome WHO I lösen zu 75 % Anfälle aus.
Auch Meningeome und Astrozytome WHO III / IV lösen Anfälle aus, jedoch etwas seltener.

Bei epileptischen Anfällen unterscheidet man verschiedene Phasen: Der akute Anfall wird als iktuale Phase bezeichnet und kann eine Dauer von mehreren Sekunden bis zu 15 Minuten haben. Die post-iktuale Phase folgt dem akuten Anfall und kann mehrere Stunden dauern, während derer der Patient noch Probleme hat. Die Zeit zwischen zwei Anfällen wird als inter-iktuale Phase bezeichnet und gibt den anfallsfreien Zeitraum an.

Grand Mals („GM“) sind generalisierte Anfälle, während derer der Patient auch das Bewusstsein verliert. Er kann sich nicht mehr kontrollieren und es kann zu Stürzen, Knochenbrüchen oder auch sehr schweren Verletzungen kommen, die bis zum Tod führen können.

Bei der Behandlung von Epilepsien stellen sich für den Mediziner die folgenden Fragen:
- Wann soll mit einer Therapie begonnen werden?
- Wie wird therapiert?
- Was ist bei der Therapie in Bezug auf den Hirntumor zu beachten?
- Wann sollte epi-chirurgisch vorgegangen werden?

Die Frage nach einer prophylaktischen Therapie stellt sich jedoch nicht!
Auch bei einer statistisch hohen Wahrscheinlichkeit, dass ein Hirntumor oder eine Operation des Tumors eine Epiliepsie auslösen könnte, ist eine prophylaktische (vorbeugende) Gabe von Medikamenten nicht sinnvoll.

Anforderungen an die Antikonvulsiva = Antiepileptische Medikamente
- Sie sollen eine Zulassung für eine Monotherapie haben.
- Sie sollen bei fokalen Epilepsien eine gute Wirksamkeit zeigen. (Zur Zeit sind alle nahezu  wirkungsgleich.
- Sie sollen keine Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, insbesodere mit Chemotherapeutika eingehen.
- Sie sollen in verschiedenen Applikationsformen zur Verfügung stehen (Tabletten, Sirup, intravenös, ...)
- Sie sollen möglichst kurze Eindosierungszeiten haben.
- Sie sollen keine problematischen Nebenwirkungen haben. (Es sind Aggressionen aufgetreten!)


Beispiele für die Wirksamkeit verschiedener Antikonvulsiva

Valproinsäure ist ein Enzymhemmer und könnte ein längeres Überleben ermöglichen. Aber die Epilepsie wird schlecht kontrolliert, es kommt zu Blutungsneigungen, es sediert stark (macht sehr müde). In Kombination mit Temodal ist es wenig verträglich, da es den Temodal-Spiegel steigen lässt.

Bei einer Ko-Therapie (Antikonvulsiva und Chemotherapie) sollte man Enzymhemmer und Enzymindikatoren vermeiden! Zur Zeit sind noch Carbamazepin, Phenytoin und Valproat in Gebrauch.

Levetirazetam ist schnell wirksam und vielfältig nutzbar, da es in Form von Tabletten, Sirup und intravenös verabreicht werden kann. Allerdings sind psychische Probleme möglich.

Lamotrigin wirkt langsam, ist positiv psychotrop (wirkt günstig auf die Psyche), kann jedoch nicht intravenös verabreicht werden.
 
Oxcarbazepin wirkt sedierend (müde machend).

Benzodiazepine sollte man nur im Notfall geben!

Antidepressiva können sinnvoll sein.


Wenn nach einer normalen Hirntumor-Operation weiterhin Anfälle auftreten

Man kann epilepsie-chirurgisch operieren.
Derartige Operationen sind zu 90 % erfolgreich. Sinnvoll sind sie bei Epilepsien, die seit mehr als zwei Jahren bestehen und wenn die Anfälle den Patienten sehr belasten, für ihn also ein dominantes Symptom darstellen.

Eine längere medikamentöse Anti-Epilepsie-Therapie kann schwierig werden.
Die Kombination verschiedener Antikonvulsiva kann zu Wechselwirkungen und in der Summe der Medikamente sogar zur Unverträglichkeit führen. In diesen Situationen sind Fachleute hinzuzuziehen und möglichst erfahrene Zentren aufzusuchen.


Akute Therapie von Anfällen oder Anfallsserien

Ein Anfall dauert fast immer nur ein bis zwei Minuten. In dieser Zeit ist eine Medikamentengabe  nicht möglich. Ehe es wirken würde, wäre der Anfall bereits vorbei.

Anfälle mit einer Dauer von mehr als 5 Minuten sind ein ernsthaftes Problem.

Lorazepam (Handelsname Tavor expidet, löst sich im Mund rasch auf) ist kein orales Akutmedikament! Gegen akute Anfälle wirkt es erst nach etwa 30 Minuten. Auch intravenös braucht es zu lange, um einen Anfall zu stoppen. Es beruhigt aber tatsächlich und kann beim Bemerken allererster Anfallsanzeichen (Aura) die Anfallsintensität mitunter vermindern.

Als Akutmedikamente bei einem Status epilepticus (Grand Mal) eignen sich Midazolam und Dormicum. Sie können intramuskulär verabreicht werden, was durch Laien und auch bei schlechten Venen des Patienten möglich ist. Man kann diese Medikamente auch zu Hause nach einem zweiten Anfall einer Anfallsserie in die Nase geben.


Aus der Patientenfragerunde

Ein Patient fragte, ob jeder Anfall einer zu viel sei und das Gehirn schädige.
Prof. Elger wies diese Behauptung als völlig falsch („Bullshit“) zurück.
Lediglich bei sehr lange dauernden Grand Mals, die einen Sauerstoffmangel im Gehirn hervorrufen, können Schäden für das Gehirn entstehen.


KaSy
(Anmerkungen in Kursivschrift von KaSy)
Wenn man schon im Müllkasten landet, sollte man schauen, ob er bunt angemalt ist.

Der Hirntumor hat einen geänderten und deswegen nicht weniger wertvollen Menschen aus uns gemacht!

 



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