38. Hirntumor-Informationstag am 23. April 2016 in Berlin
6. Klinische Studien in der NeuroonkologieVortrag:Diesen Vortrag habe ich nur teilweise gehört und verwende deshalb die folgende Veröffentlichung der „Deutschen Hirntumorhilfe e.V.“. Sie verweist auf ihrer Homepage www.hirntumorhilfe.de auf den folgenden Text über den 38. Hirntumorinformationstag am 23. April 2016 in Berlin, welcher im Internet im „Gesundheitsportal aus der Hauptstadt“ veröffentlicht wurde.
Große Teile dieses Textes betreffen den Inhalt des Vortrags. Hirntumor Experten über Immuntherapie: „Da werden wir Erfolge sehen“Etliche neue Immuntherapien werden gerade bei Hirntumoren getestet. Noch ist keines der Mittel zugelassen, doch auf einige greifen Ärzte jetzt schon in fortgeschrittenen Krankheitsstadien zurück, etwa auf PD1-Blocker bei Glioblastomen.
Guter Ausblick für die Hirntumortherapie: Hirntumorexperten von der Charité versprechen effektivere und präzisere Behandlungsmöglichkeiten in absehbarer Zeit.
Die Diagnose Hirntumor ist vielleicht die bedrohlichste aller Krebsdiagnosen, besonders wenn sie „Glioblastom“ lautet. Denn der Grad IV Hirntumor ist der aggressivste von allen und bis heute unheilbar. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis das erste Rezidiv auftritt, da sich die bösartigen Tumorzellen zum Zeitpunkt der Diagnose bereits im Gehirn ausgebreitet haben. Fortschritte in der Rezidivchirurgie hätten aber erhebliche Verbesserungen für die Lebensqualität der Patienten gebracht und schlügen sich auch auf das Gesamtüberleben nieder. „Das Ausmaß der Resektion ist entscheidend“, sagte der Neurochirurg auf dem Hirntumorinformationstag der Deutschen Hirntumorhilfe am 23. April in Berlin. Immerhin lebe heute jeder vierte Patienten noch zwei bis vier Jahre nach der Diagnose, was vor 20 Jahren noch undenkbar gewesen sei. Mit dazu beigetragen hat die verbesserte präoperative Funktionsdiagnostik mittels navigierter transkranieller Magnetstimulation(nTMS), die Resektionen selbst in empfindlicher Nähe zu Sprach- und motorischen Arealen erlaubt. „Wenn es der Allgemeinzustand des Patienten zulässt, sind heute sogar wiederholte Rezidivresektionen möglich“.
Studien bringen neue Therapien zum PatientenNichtsdestotrotz bleiben manchmal nur noch experimentelle Verfahren, wenn der Hirntumor wiedergekehrt ist. Doch was ist sinnvoll und was nicht? Auf dem Hirntumorinformationstag warnten Experten vor falschen Erwartungen. Individuelle Heilversuche mit neuen Krebsmitteln seien zwar legitim und in einigen Fällen sogar erfolgreich, jedoch immer eine Abwägung zwischen Kosten, Nutzen und eben auch Nebenwirkungen.
Um die Erfolge neuer Ansätze beurteilen zu können, brauche man wasserdichte Studien mit vielen Patienten, hieß es. Schließlich gehe es nicht nur um die Wirksamkeit, sondern auch um die Sicherheit. So hatte eine Studie zum Beispiel gezeigt, dass die lokale Chemotherapie mit Carmustin-Wafern in der Wundhöhle so (un-) wirksam wie ein Placebo ist, sie andererseits aber Wundheilungsstörungen und epileptische Anfälle verursacht. Ob Glioblastom-Patienten mit einem bestimmten Methylierungsgrad dennoch davon profitieren – wofür es inzwischen belastbare Hinweise gibt – wird momentan in einer weiteren Studie untersucht. „Solche Studien sind wichtig, um die Patienten herauszufischen, denen eine Therapie tatsächlich nützt und den anderen unnötige Nebenwirkungen zu ersparen“.
Dass Patienten mitunter bereit sind, viel Geld für Off-Label-Therapien auf den Tisch zu legen, ist in Anbetracht der ungünstigen Prognose verständlich. Ein Beispiel ist die Impfung mit dendritischen Zellen. „Wir wissen darüber wenig“. Schlimmstenfalls könne die Impfung sogar einen gegenteiligen Effekt bewirken. „Hohe Kosten und die Erfolge sieht man nicht“, brachte der Mediziner seine Einschätzung zur derzeit verfügbaren Impfung mit dendritischen Zellen auf den Punkt.
Große Fortschritte von PD1-Hemmung erwartetDie dendritische Zelltherapie ist jedoch nur ein Mosaikstein auf dem neuen Feld der Immuntherapie. Sogenannte Checkpoint-Inhibitoren haben bereits bei anderen Erkrankungen wie dem malignen Melanom und Lungenkrebs zu unerwarteten Erfolgen geführt. Nun werden die PD1- / PDL-1 Blocker auch an Patienten mit Glioblastom gleich in mehreren Studien erprobt. In einer Phase III Studie wird zum Beispiel der immuntherapeutische Wirkstoff Nivolumab mit dem Antikörper Ipilimumab bei fortschreitendem Glioblastom kombiniert. Die Ergebnisse werden bis Ende des Jahres erwartet.
Zugelassen für das Glioblastom ist Nivolumab zwar noch nicht, aber Ärzte setzen das Immuntherapeutikum wegen seiner positiven Vorergebnisse heute schon manchmal in späten Phasen der Erkrankung ein. Solche Einzelfallentscheidungen sind im Rezidivfall möglich und nennt man Off-Label-Use. „Sinnvoller wäre es, die Therapie früher anzubieten, also nicht zu warten bis die Erkrankung schon weit fortgeschritten ist“. Aber um das zu können und bezahlbar zu machen, brauche man Ergebnisse unter anderem von dieser Studie.
Das Immunsystem kann Krebszellen eliminieren, auch im GehirnCheckpoint-Inhibitoren wie Nivolumab nutzen eine clevere Strategie: Das Immunsystem hat von Haus aus Kontrollmechanismen eingebaut, die seine Körperpolizei (T-Zellen) daran hindern soll, Leute aus der eigenen Truppe (körpereigene Zellen) zu schlagen. Das ist sinnvoll, um den Mensch vor Angriffen des eigenen Abwehrsystems zu schützen. Da aber ein Tumor – anders als etwa ein Grippevirus – ebenfalls zum Körper gehört, wird das Immunsystem bewusst ausgebremst. PD1-Hemmer können diese Bremsen aber lösen und machen so einen Angriff der T-Zellen auf den Tumor möglich. Es ist inzwischen gut belegt, dass das Immunsystem Krebszellen tatsächlich vernichten kann, und zwar auch solche im Gehirn. Immuntherapien werden sich demzufolge auch bei Hirntumoren entwickeln, sind Experten überzeugt. „Das ist etwas, wo wir Erfolge sehen werden“.
Noch stecken sämtliche Arzneimittel-Kandidaten mitten in klinischen Studien. Darunter auch zahlreiche therapeutische Impfungen wie zum Beispiel ein auf den Patienten individuell zugeschnittener Impfstoff aus der GAPVAC-Studie oder die Impfung gegen IDH1-mutierte Gliome. Mit dem IDH1-Impfstoff wurden am Studienzentrum in Heidelberg bisher rund 20 Patienten geimpft; das Vakzin sei jedoch auch für individuelle Heilversuche verfügbar.
Avastin wird auch ohne Zulassung weiter verschriebenAuch Medikamente, die bereits für andere Krebserkrankungen zugelassen sind, werden mitunter beim Glioblastom im Off-Label-Use eingesetzt, etwa Paclitaxel, Imatinib oder Sunitinib. Der Angiogenesehemmer Bevacizumab, besser bekannt als Avastin, dürfte zu den häufigsten Off-Label-Medikamenten bei Glioblastomen gehören. Das Krebsmittel, das die Bildung neuer Blutgefäße verhindert, hat in Studien zwar immer das progressionsfreie Überleben verlängert, war jedoch beim Gesamtüberleben gescheitert. Deswegen hat Avastin in Deutschland auch keine Zulassung für die Behandlung des Glioblastoms erhalten. Verschrieben wird es wegen seiner Lebensqualität verbessernden und zum Teil lebensverlängernden Wirkung trotzdem. Mit einer guten ärztlichen Begründung übernehmen die meisten Kassen die Therapiekosten auch.
Ob andere neue Substanzen zumindest für bestimmte Patientengruppen vielversprechender sind, wird derzeit am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen Heidelberg (NCT) in einer sogenannten Regenschirm-Studie getestet. Auf dem Prüfstand stehen sieben verschiedene zielgerichtete Substanzen, darunter die Krebsmedikamente Alectinib, Temsirolimus und Vismodegib. Ziel ist, herauszufinden welche Substanz bei welchem Tumorprofil wirksam ist – also weg vom Gießkannenprinzip hin zu einer individuelleren, präziseren Behandlung. Ärzte nennen das auch Stratifizierung.
Experten setzen auf Stratifizierung und ImmuntherapieDass Glioblastom heute nicht mehr gleich Glioblastom ist, sondern man inzwischen mehrere molekulare Subgruppen kennt, bezeichneten die Experten in Berlin als „einen der größten Erfolge der letzten Jahre.“
Die vergangenen 15 Jahre seien vor allem von Fortschritten bei den Operationstechniken, der Radio-Chemotherapie und der Angiogenesehemmung geprägt gewesen. Mit der immer genaueren Stratifizierung und den neuen immuntherapeutischen Ansätzen sei nun ein weiteres Kapitel eröffnet worden. Sicher werde man keine Wunder bewirken, „aber doch effektivere und präzisere Therapien auf den Weg bringen können“.
Aus dem Vortragsteil, den ich gehört habe:Wenn Impfungen erfolgen, ist es günstig, wenn man sie im Intervall zwischen der Feststellung des Glioblastom-Rezidivs und der zu erfolgenden Operation durchführt, falls man mit der OP so lange warten kann. Dann kann man das entfernte Tumormateraial daraufhin untersuchen, ob die Impfung gewirkt hat. Das ist von Bedeutung für die Entscheidung, ob man diese Therapie nach der Rezidiv-Operation fortsetzen kann oder ob man eine andere Therapie wählen muss.
Die Impfung erfolgt in Form einer Schluckimpfung. Im Darm werden Zellen aktiviert, die gegen den Tumor wirken.
Antworten auf Patientenfragen in der Podiumsdiskussion:Frage: Welche Ursachen haben Glioblastome?Antwort: Das weiß man nicht.
Frage: Kann man an Studien teilnehmen, wenn man bereits behandelt wird?Antwort: Eine Studienteilnahme ist nicht mit anderen Therapien kombinierbar. In der Studie wird ja die Therapie durchgeführt.
Frage: Wann kommt die dendritische Zelltherapie?Antwort: Darüber wissen wir noch zu wenig.
Es gibt unspezifische Wirkungen, deren Ursache uns noch nicht klar ist.
Frage: Was halten Sie davon, zwischen den Therapie-Teilen eine Immuntherapie durchzuführen?Antwort: Eine Immuntherapie zwischen den einzelnen Therapie-Teilen wäre sehr gut. Es gibt aber kaum Patienten, die dazu bereit sind. In Studien ist das bereits möglich, diese werden aber von den Patienten nicht genutzt. Das liegt mit daran, dass z.T., aber sehr selten, sehr schwere Nebenwirkungen auftreten können und dass die Immuntherapie sehr lange, länger als ein Jahr, durchgeführt werden muss.
Frage: Woher stammt der Impfstoff gegen die IDH1-Mutation?Antwort: Dieser Impfstoff wird nicht aus dem Tumormaterial des Patienten hergestellt. Er wird künstlich hergestellt. Ein Labor in Deutschland hat die Zulassung dafür.
Frage: Wie hoch ist das familiäre Risiko, wenn Mutter und Großmutter ein Glioblastom hatten?Antwort: In einem solchen Fall ist das Risiko für die Kinder tatsächlich etwas höher. Generell treten Hirntumoren aber sehr selten auf. In Deutschland erkranken jährlich „nur“ wenige Tausend Menschen an einem Glioblastom. Im genannten Fall liegt das Risiko unter einem Prozent.
Frage: Was halten Sie von der Magnetresonanzspektroskopie?Antwort: Mit den Ergebnissen der Magnetresonanzspektroskopie sind wir nicht ganz zufrieden. In der Kontrolle des Erkrankungsverlaufs sollte man weiterhin mit PET und Biopsie kombinieren.
Frage: Kürzlich wurde über Skorpiongift als Krebstherapie berichtet ... Antwort: Wie und ob Skorpiongift und auch Versuche mit Virustherapien wirken, ist nicht bekannt. Es ist interessant und es laufen Studien dazu.
Zitat aus „Bild der Wissenschaft“ 05/2016:
„Vielversprechend: Skorpiongift gegen Krebs
Das Gift des Chinesischen Goldenen Skorpions (Mesobuthus martensii) könnte helfen, das Wachstum von heimtückischen Hirntumoren, sogenannten Gliomen, zu stoppen. Forscher um Nicolai Savaskan von der Universität Erlangen-Nürnberg haben aus dem Gift die Peptide CA4 und CTX-23 extrahiert und festgestellt, dass sie Tumore an der schnellen Zellteilung hindern und ihre Gefäßbildung blockieren. Die traditionelle chinesische Heilkunst verwendet das Gift von Skorpionen schon lange als Mittel gegen neurologische Leiden wie chronische Schmerzen, Lähmungen und Epilepsie sowie nach Schlaganfällen.“Frage: Parvoviren …?Antwort: Die Studien dazu laufen und sind bereits fortgeschritten.
Frage: Wird Avastin von den Krankenkassen bezahlt?Antwort: Avastin wird mit einem gut begründeten Antrag und in Absprache mit dem behandelnden Arzt bereits von vielen Krankenkassen bezahlt. Es sind nicht mehr nur Einzelfälle, die Avastin erhalten.
Frage: Wie lang sollte der Abstand zwischen den Avastin-Spritzen sein?Antwort: Alle drei Wochen sollte es mindestens gegeben werden.
Frage: Sollte bei einem Oligodendrogliom das MRT mit einer PET-Untersuchung ergänzt werden?Antwort: Eine PET-Untersuchung ist bei einem Oligodendrogliom eventuell nicht aussagekräftig. Wenn dieser Tumor Kontrastmittel aufnimmt, dann leuchtet das statt der Stoffwechselaktivität. Man weiß es dann nicht und kann keine Aussage treffen.
Frage: Hyperthermie bei Glioblastomen?Antwort: Die Hyperthermie wird in der Rahmen der Nano-Therapie durchgeführt. Dabei werden magnetische Nano-Partikel in den Tumor injiziert und anschließend in einem Wechselmagnetfeld erhitzt, um die Tumorzellen abzutöten.
Frage: Sind in Paraffin eingebettete Tumorproben für nachträgliche Molekularuntersuchungen geeignet?Antwort: Ja, und zwar auf Dauer.
Frage: Welche Kosten kommen auf Studienteilnehmer zu?Antwort: Die Kosten für die Teilnahme an Studien sollten sich auf die Fahrtkosten beschränken, da man ja zum Ort kommen muss, wo die Studie durchgeführt wird. Generell werden alle Kosten von dem übernommen, der die Studie durchführt, nicht selten auch die Fahrtkosten.
Frage: Woher erfährt man von Studien, wie kommt man an sie heran?Antwort: Man kann z.B. seine Ärzte fragen sowie die Deutsche Hirntumorhilfe e.V.
Im Übrigen ist die Studienteilnahme freiwillig.
Man muss aber zu dem Ort kommen können, wo die Studie stattfindet.
(Kursiv gedruckte Textteile von KaSy)