Marburger Bund, Ärztliche Nachrichten 5.2.1999
LINKSkorpion-Gift gegen Glioma
Im Kampf gegen einen meist tödliches Gliom setzt ein deutscher Forscher auf das Gift von Skorpionen. Harald Sontheimer fand in dem Gift des israelischen Riesenskorpions (Leirus quinqestratum ) ein Peptidmolekül, das sich ausschließlich an diese Krebszellen bindet.
Er stellte seinen Zufallstreffer am vorvergangenen Wochenende in Anaheim (Kalifornien) auf dem größten interdisziplinären Wissenschaftskongreß der Welt vor, der 151. Jahrestagung des Amerikanischen Verbandes zur Förderung der Wissenschaft (AAAS).
Die klinischen Versuche an Menschen mit dem Pepditmolekül Chlorotoxin sollen noch in diesem Jahr beginnen, sagte Sontheimer, der in Ulm studiert und in Heidelberg geforscht hat und jetzt als Professor an der Universität von Alabama in Birmingham lehrt.
Überwindung der Blut-Hirn-Barriere
Das Peptid soll radioaktiv bestrahlt und mit den Strahlen "an Bord" den Patienten intravenös injiziert werden. Das Molekül ist so klein, daß es die kritische Blut-Hirn-Barriere durchdringt und sich im Gehirn selektiv an die Tumorzellen haftet, so der Forscher.
Er erwartet, daß die Peptide mit ihre radioaktiven Strahlung alle Krebszellen im Gehirn der Patienten zerstören, ohne gesundes Gewebe anzugreifen. "Es gibt tausend und einen Weg, eine Krebszelle zu töten. Schwierig ist nur, diese Zelle zu finden", erläuterte Sontheimer.
Labor-Erfolgsrate von 96 Prozent
Das Verfahren soll vor allem einzelne, im Hirn verstreute Gliom-Zellen aufspüren, die sonst zum Rückfall führen können. Der Tumorherd selbst würde auch in Zukunft chirurgisch entfernt werden, so Sontheimer. Im Labor habe seine Methode eine Erfolgsrate von 98 Prozent.
Sein Team fand die Rezeptoren für das Peptidmolekül im Hirngewebe von mehr als 1.000 Glioma-Patienten. Das Molekül blockiert den Chlorid-Eisen-Kanal der Krebszellen, der bei der Streuung des Tumors eine entscheidende Rolle spielt.
Glioma sind besonders gefährliche Hirntumore, die einen Anteil von 40 Prozent an den Hirnkrebs-Erkrankungen haben. Allein in den USA sterben jedes Jahr 24.000 Menschen an diesem Krebs.
Sontheimer will das Peptidmolekül Chlovotoxin mit einer biotechnologischen Firma (TransMolecular) vermarkten, zu deren Mitbegründern er zählt.